Nr. 559
Die Inseln des Wahnsinns
Sie untersuchen das Asyl der kranken Götzen – ein Abenteuer mit Sandal Tolk, dem Rächer
von HANS KNEIFEL
Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Mitte Januar des Jahres 3443. Vor rund zwei Monaten hat der Sternenschwarm das Solsystem in sein Gefüge aufgenommen und damit von der übrigen Galaxis abgeschnitten.
Obwohl die Beherrscher des Schwarms, die so genannten Götzen, inzwischen mehrmals versuchten, das Solsystem zu vernichten, scheiterte bisher noch jede Aktion des Gegners an dem systemumspannenden Paratronschirm. Auch die »Aktion Hyperraum« brachte den Götzen keinen Erfolg – sie bewirkte lediglich eine örtliche Versetzung des Solsystems um rund 900 Lichtjahre.
Dafür geraten die Götzen in immer größere Schwierigkeiten. Die Explosion der Rechenwelt Stato hat zu einem totalen Versagen der wichtigsten Installationen des Schwarms geführt. Der Schwarm kann nicht mehr transitieren, und seine Bewohner können nicht mehr hinaus in die Galaxis.
Und letztere Tatsache hat wiederum folgenschwere Auswirkungen auf den Gegner, wie von der YOSTON-Expedition festgestellt wird, die auf Perry Rhodans Anordnung DIE INSELN DES WAHNSINNS untersucht ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator lässt den Planeten der kranken Götzen untersuchen.
Fellmer Lloyd – Chef der YOSTON-Expedition.
Sandal Tolk – Der Mann von Exota Alpha wird willkommen geheißen.
Icho Tolot – Der Haluter wird zum Götzenschreck.
Tahonka-No, Merkosh, Chelifer Argas und Mentro Kosum – Mitglieder der YOSTON-Expedition.
Y'Xanomrymer – Ein »Verdunster«.
1.
Zum Gelingen der Operation hatte Tahonka-No, den sie auch den Knöchernen nannten, eine Menge von Erkenntnissen beigesteuert: sie retteten zumindest sein Leben. Und Sandals Leben war keine Sekunde lang in Gefahr gewesen.
Das Leben war nicht gefährdet – aber die geistige Stabilität war es.
Das Team der Operateure, das in den stählernen Tiefen der MARCO POLO am Werk war, operierte zuerst Sandal Tolk, den weißhaarigen, rund zweiundzwanzig Jahre alten Mann von der Barbarenwelt Exota Alpha. Teile des geschorenen Schädels lagen unter dem kalkigen Licht der Lampen im Operationssaal. Die terranischen Ärzte gingen an die Öffnung des Schädelknochens.
Eine Serie kleiner Löcher wurde gebohrt, dann hatten sie das Operationsgebiet eingekreist. Sandal lag in Vollnarkose auf dem Operationstisch. Seine entspannten Gesichtszüge wirkten etwas gespenstisch. Das grelle Licht verwandelte seine gebräunte Haut in kreidiges Weiß. Jedes Fältchen, jeder Muskel trat hart hervor. Sorgfältig waren die Strähnen des weißen Haares festgeklebt worden. Langsam schwebten die Geräte heran. Haarfeine Sonden wurden ausgefahren, und auf großen, dreidimensional arbeitenden Schirmen erschienen Bilder.
»Ausschnitte der jeweiligen Gebiete«, sagte ein junger Assistenzarzt zu einer Schwester.
Ein Lautsprecher knackte. Eine leise Stimme erfüllte den sterilen Operationsraum.
»Das siganesische Team bitte!«
Die Behandlung Tahonka-Nos und Sandal Tolks war schmerzhaft, aber davon verspürten die beiden Männer nichts. Sie lagen in Vollnarkose, angeschlossen an die Apparate der Medorobots, die, fest installiert oder beweglich, die geringste Veränderung im Befinden der Patienten registrierten und nötigenfalls Abwehrmaßnahmen einleiten konnten. Erreichte die Operation das Hirn selbst, verlief sie schmerzlos, denn das war eine der Charakteristiken eines solchen Eingriffs. Eine besonders konstruierte kleine Plattform schwebte heran; auf ihr befanden sich die drei Männer und die vier Frauen des Teams von Siga mit ihren winzigen Spezialgeräten.
»Das Team kommt.«
Sieben Personen würden ausgeschickt werden, um weitere Schwarm-Geheimnisse zu entschlüsseln ... oder es wenigstens zu versuchen. Ein Teil der Schiffsbesatzung, nämlich derjenige, dem diese sieben Personen inzwischen ans Herz gewachsen waren, zitterte um den positiven Ausgang der Operation. Selbst heute im Jahr 3443 galt ein Eingriff dieser Art als Risiko. Eine paraneurologische Operation konnte mit der totalen Verdummung des Patienten enden – oder ihn zu einem kaum besiegbaren Menschen werden lassen.
Sie alle hofften, dass Sandal und Tahonka-No, der selbst ein Arzt in seinem Volk war, die Operation tadellos überstehen würden.
Am meisten wünschte dies Chelifer Argas, die Sandal liebte.
Das Team von Siga erschien in der Nähe der Operationsgebiete. Schweigend und schnell bewegten sich die Frauen und Männer, in dunkelgrüne, sterile Kombinationen gekleidet. Ein dichter Ring von Terranern bildete sich um das Kopfende des Operationstisches. Das technische Monstrum der Anästhesieanlage sah aus wie ein Hufeisen aus positronischen Bausteinen, das sich von der Brust des Patienten um seinen Kopf hinzog. Die Arbeit der Terraner war getan; jetzt übernahmen die Siganesen. Ein Zellverband, der eben noch für die Augen eines terranischen Mediziners vergrößert werden konnte, war für das Auge eines Siganesen ziemlich gut zu sehen – vergrößerte man einzelne Gebiete der Zellen und Zellverbindungen des Hirns, fand der Vergleich seine Anwendung: Die einzelne Hirnzelle war wie ein kubikmetergroßer Block, an dem die Siganesen mit Ruhe arbeiten konnten und ohne das Risiko, einen Fehler zu begehen.
Erwartungsvolle Stille breitete sich im Operationssaal aus.
Nur die wispernden, klickenden, summenden und flüsternden Geräusche der vielen Geräte und Apparate waren zu hören.
Sandal lag ausgestreckt auf dem Tisch.
Alle seine Gelenke, seine Hüften und die Brust waren mit breiten, gepolsterten Metallbändern stillgelegt. Er konnte sich kaum bewegen. Der Schädel war in einen Apparat eingespannt, der ihn zugleich festhielt und sämtliche Übertragungsleitungen enthielt. Die Augen des Mannes von Exota Alpha waren geschlossen; über seinem Gesicht lag die Halbmaske, durch deren Schläuche Sauerstoff, Stickstoff und Narkosemittel zugeführt wurden. Schwach hob und senkte sich die breite, muskelbepackte Brust des Mannes, der einmal »Sandal, der Barbar« genannt worden war.
Die Unterhaltung der siganesischen Spezialisten wurde aufgefangen, ging über Verstärker und wurde für die Terraner hörbar.
Die sieben Fachleute breiteten ihre Instrumente aus, studierten ein letztes Mal die Aufzeichnungen, dann gingen sie an die Arbeit.
Ein Terraner flüsterte seinem Nachbarn zu: »Sie haben darauf bestanden, dass man nicht die Schädeldecke abhebt, sondern nur in der Nähe der betreffenden Punkte Löcher bohrt. Sie sagten, sie hätten Geräte, mit denen sie hervorragend arbeiten können.«
Der andere, ein erfahrener Neurochirurg, erwiderte ebenso leise: »Ich habe mit ihnen gesprochen und mir ihr Werkzeug erklären lassen – sie werden es besser schaffen, als wir es jemals konnten. Allein die körperliche Größe und die dadurch erreichten Vorteile sind gewaltige Faktoren.«
Sie schwiegen wieder.
Bevor diese beiden Operationen eingeleitet werden konnten, hatte Rhodans Forderung nach Mentalstabilisierung bestanden. Seine Argumente lauteten:
Wenn einer von uns in die Hände der Fremden aus dem Schwarm fällt, kann er verhört werden. Wir haben in einigen Fällen unter den Herrschern der kosmischen Karawane stärkste Unruhe und Unsicherheit hervorgerufen. Wir haben ihnen vorgespielt, ein besseres Kriegervolk zu sein – und sie kurz darauf davon überzeugen müssen, dass wir eine Fünf-D-Macht sind!
Wir werden weitere Vorstöße in den Schwarm unternehmen und viele rätselhafte Dinge sehen. Wir werden nicht immer siegreich bleiben können – allein nach dem Gesetz der Serie sind Fehlschläge und Rückschläge unvermeidlich. Unser fremder Gegner kann auch kaum als dumm bezeichnet werden.
Wir planen wieder, diesmal mit einer kleinen Gruppe, einen Vorstoß in das Gebiet eines unbekannten und sehr interessanten Planeten. Wenn einer von euch sieben gefasst wird, bedeutet es, dass er alles aussagt, was er über Terra und die anderen sieben Planeten weiß.
Chelifer Argas warf ein: »Und das ist bei uns allen, vielleicht Tahonka-No ausgenommen, sehr viel!«
Rhodan hatte genickt und weiter erklärt:
Aus diesem Grund müsse bei Sandal und No eine Operation durchgeführt werden. Beide Männer würden nach dem Eingriff mentalstabilsiert sein, also auf keinerlei Drogen oder andere Methoden, ihr Wissen zu erlangen, mehr reagieren. Chelifer Argas selbst, das hatten früher zurückliegende Untersuchungen ergeben, war aufgrund ihrer Hirnoperation bereits stabilisiert.
Schließlich hatte Sandal zugestimmt.
Der Knöcherne schloss sich an.
Während Tahonka in einem zweiten Operationssaal auf den schwierigen Eingriff vorbereitet wurde, arbeiteten bereits die Siganesen. Sie führten in die vergleichsweise winzigen, für sie jedoch sehr großen Löcher in der Kopfschwarte und der Schädeldecke ihre langen, biegsamen Sonden ein. Sie bewegten sich in Abständen von Millimetern tiefer und tiefer und näherten sich dem genau lokalisierten Zellgebiet. Die Sonden trugen Linsen an ihren Arbeitsköpfen, und auf den Monitoren erschienen die Zellverbände der Hirnhäute.
»Wir gehen jetzt daran, die ersten Zellverbindungen abzutrennen und die Nervenenden zum Teil zu verschweißen, zum Teil umzuleiten!«
»Ich verstehe – bitte die Gammasonde.«
Die Unterhaltung ging weiter.
Schweigend und mit feuchten Handflächen sahen die Terraner zu, wie die winzigen Scheren arbeiteten, wie die halbautomatischen Nerven-Schweißgeräte das Gewebe zertrennten, die Nerven umleiteten und an andere Leiter anschlossen. Es war die Arbeit, die eine unendliche Geduld erforderte. Die Veränderungen bewegten sich im Tausendstel-Millimeter-Bereich. Ein winziger Fehler hatte vergleichsweise gigantische Folgen. Ruhig und zuverlässig arbeiteten die Geräte, die Sandal in tiefer Bewusstlosigkeit hielten.
»Wie lange dauert es noch bei Ihnen?«
Die Terraner verfolgten die leisen Kommandos, Anordnungen und Fachausdrücke mit. Die Siganesen arbeiteten schnell, jedoch nicht hastig. Die Verbindungen einzelner Zellen war nach zwei Stunden Operation lahmgelegt oder entfernt worden. Jetzt kamen die schwierigeren Passagen des Eingriffes: »Bringen Sie bitte die Präparate!«, sagte eine der Siganesinnen.
»Mit Vergnügen – hier sind sie!«
Eine Anästhesieschwester, die ihrerseits die Robotgeräte kontrollierte, was sich bisher stets als sicher, aber vollkommen überflüssig erwiesen hatte, flüsterte ihrem Nachbarn zu: »Die biologischen Nervenleiter!«
Verschiedene Zellverbände, die zwischen gewissen Hirnventrikeln lagen, mussten verbunden werden. Durch diese »Schaltungen« wurde einerseits das Funktionieren des Gehirns mit allen seinen Funktionen wie bisher gesichert, andererseits würden Chemikalien oder Drogen, Reizimpulse oder mehrdimensionale Strahlungen keinerlei Wirkungen mehr hervorrufen und vom Organismus resorbiert werden, ohne dass sie das Individuum zwangen, die Wahrheit zu sagen.
Dieser Teil der Operation, der zweite und entscheidende, war länger und weitaus schwieriger.
Die Sonden wurden aus den Löchern gezogen und in die sterilisierenden Behälter zurückgelegt. Jeder, der hier in diesem Bereich der riesigen MARCO POLO Dienst tat, wusste, worum es ging. Die Mediziner kannten alle Risiken eines solch umfangreichen Doppeleingriffs aus ihrer eigenen Laufbahn zur Genüge, und die anderen waren darauf hingewiesen worden, denn sie planten den Einsatz der sieben Personen mit. Sie alle kannten Sandal und Tahonka, deren Freundschaft fast sprichwörtlich geworden war.
Und viele von ihnen kannten auch die Positronentechnikerin Chelifer Argas, das Mädchen mit den grünen Augen und dem silberfarbenen Haar.
Sie saß in einem der Vorräume und war unruhig.
Sandal, dachte sie. Er ist der erste Mann, den ich wirklich liebe. Und von dem ich weiß, dass er mich liebt.
Ich möchte nicht übertreiben, aber ich kann sagen, dass in gewisser Hinsicht Sandal das Produkt meiner Ausbildung, meiner Belehrung ist. Sie hatte aus einem Sohn barbarischer Fürsteneltern einen jungen, gebildeten und aufgeschlossenen Terraner gemacht – aber er war ein Jäger, ein Krieger geblieben. Er spielte noch immer die alten Lieder auf seinem Instrument, noch immer war in seinem Herzen der Wunsch nach Rache, inzwischen gemildert und umprojiziert – er wollte nicht mehr um jeden Preis töten und seine Eltern, Burg Crater und die schöne Beareema rächen, sondern den Schwarm zwingen, die Richtung zu ändern – die Gefahr von der Erde zu nehmen.
Was inzwischen schwer war, da die Erde und alle solaren Planeten durch einen Sprung aus ihrer bisherigen galaktischen Position entfernt worden war.
Sandal und sie wollten an einem aufregenden und wichtigen Einsatz teilnehmen; die Operation und ihr positiver Ausgang waren »conditio sine qua non« für den Versuch, Terra weitere Geheimnisse des Schwarms zu übergeben.
»Ich hoffe«, flüsterte sie, »dass dieser Eingriff bald vorbei ist und gut ausgeht!«
Sandal als Idiot, als Hirngeschädigter, als Wrack ... es entzog sich ihrer Vorstellungskraft. Sie stand auf und begann, unruhig in dem kleinen Raum hin und herzugehen.
Sie sah einmal auf die Uhr: die Mittagsstunden des zwanzigsten Januar waren vorüber.
Sie blieb vor einem Interkom stehen, drückte eine Taste, nachdem sie die betreffende Zahl gelesen hatte. Ein Robot erschien auf dem Bildschirm, dann schob sich das Gesicht eines jungen Mannes vor die Linsensätze.
»Ja?«
Chelifer begann zögernd: »Ich bin ... nun, man könnte mich als Freundin Ihres Patienten bezeich...«
Der junge Mann lächelte sie an. Die beiden Menschen schienen unter derselben Art nervlicher Anspannung zu stehen, denn er sagte: »Leise! Sie werden sicher fragen, wie es Sandal geht?«
Chelifer nickte.
»Die Siganesen arbeiten. Sie pflanzen gerade, wenn ich richtig informiert bin, die Bio-Nervenleiter ein. In einer Stunde wissen wir mehr. Dann ist alles vorbei!«
»Vorbei?«, fragte Chelifer leise.
Der Mann hob die Hand und brachte ein Lächeln zustande.
»Hören Sie, Miss Argas«, sagte er leise, »solche Eingriffe sind nicht ohne Risiko; das wissen wir alle. Aber inzwischen sind Operationen zur mentalen Stabilisierung Routine geworden. Und ein siganesisches Neurochirurgenteam ist fast eine Garantie für ein vollständiges Gelingen. Zufrieden?«
»Ja, zufrieden – danke!«, meinte Chelifer und nickte wieder. Die Verbindung wurde getrennt, das Mädchen nahm seine unruhige Wanderung durch den kleinen Warteraum wieder auf. Die Unruhe drohte sie zu verzehren; dann aber erinnerte sie sich daran, was der junge Mann gesagt hatte. Außerdem gehörte auch sie zu den Überlebenden einer solchen Operation; sie hatte die Immunität gegenüber der Verdummungsstrahlung der Manips und die Mentalstabilisierung behalten.
»Wirklich kein Grund zur Aufregung?«, fragte sie sich.
Sie zündete sich eine Zigarette an und merkte voller Erleichterung, dass sich das nervöse Zittern ihrer Finger beruhigt hatte. Tief atmete sie ein und aus.
Schließlich entschloss sie sich, zurück in ihr Quartier zu gehen und dort ihre Ausrüstung durchzusehen.
Sieben Personen sollten an dem Kommandounternehmen teilhaben; sie war eine davon. Rhodan hatte sich überzeugen lassen, dass sie für Sandal und Tahonka keine Belastung war. Außerdem besaßen sie einen mächtigen Freund, der zugesagt hatte, ihnen in entscheidenden Momenten mit allen seinen Kenntnissen und aller Kraft beizustehen.
»Ich hoffe ...«, flüsterte sie und verließ die medizinische Station der riesigen MARCO POLO, die mit vielen Schiffen zusammen auf Schleichfahrt zum Sonnensystem war.
Inzwischen näherte sich der erste Teil der langen, schwierigen Operation dem Ende.
»Die Bio-Nervenleiter sind angeschlossen, Kollegin! Bitte letzte Kontrolle?«
»Selbstverständlich!«
Die terranischen Ärzte bewegten sich unruhig. Ihre Aufgabe war es, die Operation abzuschließen und die Wunden so zu versorgen, dass sich die Patienten binnen zwei Tagen vollständig erholt haben würden und einsatzbereit waren.
Die Siganesen führten ihre Kontrollen durch, und nach einer weiteren halben Stunde erscholl aus einem Lautsprecher die Zusammenfassung.
»Wir sind fertig. Wir können zu neunundneunzig Prozent garantieren, dass dieser Operierte geistig gesund ist. Sie müssen ihn jedoch noch rund vierundzwanzig Stunden schlafend halten – die bewusste geistige Aktivität sollte nicht zu hoch werden.«
»Wir haben verstanden«, sagte einer der Terraner.
Die Siganesen bauten ihre winzigen Geräte ab und verstauten sie wieder auf der kleinen Antigravplattform. Die Plattform schwebte, von einem der winzigen Menschlein gesteuert, vom Kopfende des Operationstisches weg. Augenblicklich begannen die terranischen Ärzte mit den Abschlussarbeiten. Sie verschlossen die Löcher, legten dünne Schichten Biomolplast darüber, kontrollierten den Druck der wässerigen Flüssigkeit und versorgten die Wundränder. Bestrahlungsgeräte wurden eingesetzt, und schließlich klebte man dünne, aseptische Pflaster über die verschlossenen Öffnungen. Während dieser vorsichtigen Arbeit kontrollierten Menschen und Medorobots die Lebensäußerungen des Patienten.
»Abweichungen von der Norm?«, erkundigte sich leise hinter seiner sterilen Halbmaske hervor der Chefarzt.
»Bis jetzt keine. Sämtliche Werte sind normal!«, war die Antwort.
»Der Patient besitzt eine hervorragende Konstitution!«
»Außerdem«, warf der Psychotherapeut ein, »haben wir ihn auf die Operation lange und intensiv genug vorbereitet.«
Als ein dünner Schutzverband um den Kopf Sandal Tolks gelegt worden war, hob der verantwortliche Chirurg die Hand und rief leise: »Lassen Sie bitte den anderen Patienten hereinfahren!«
Die Anordnung wurde weitergegeben: »Bringt Tahonka-No herein.«
Bei Sandal hatte man alle Erkenntnisse verwenden können, die man über das menschliche Hirn besaß, denn er unterschied sich nur in seinen schnellen Reflexen von einem normalen Terraner. Die Kopfverletzung aus seinen Jugendjahren war vor dieser Operation ebenfalls behandelt, die damals zurückgebliebenen Narben weggeschliffen worden. Als sich die Ärzte über den bewusstlosen Patienten hinweg ansahen, wussten sie, dass sie ihr Bestes getan hatten. Mit größter Sicherheit würde Sandal in vierundzwanzig Stunden zwar etwas schwach auf den Beinen stehen, sich sonst aber hervorragend fühlen – und in weiteren vierundzwanzig Stunden ging er zweifellos mit Tahonka und den fünf anderen Freunden der Aufgabe nach, die er sich dringend gewünscht hatte.
Man bettete Sandal mitsamt der Antigravunterlage um; er kam zur Sicherheit in die Intensivstation.
Dann fuhren sie Tahonka-No in den Operationssaal.
Die Behandlung, die er über sich hatte ergehen lassen müssen, war seinen eigenen Angaben angepasst; als Arzt eines exotischen Schwarmvolks hatte er den irdischen Kollegen wertvolle Tipps und Erklärungen gegeben.
Tahonka-No, der Knöcherne ...
»Wir brauchten ihm den Schädel nicht zu rasieren ...«, murmelte ein Arzt.
Auch er wurde unter die Tiefstrahler geschoben. Dann beugten sich die Frauen und Männer über ihn und führten die Geräte heran. Die Stellen, an denen die Schädeldecke durchstoßen werden musste, waren mit Fettstift auf der desinfizierten, wie Leder wirkenden Haut seines Kopfes angezeichnet. Langsam bewegten sich die Bohrer auf den Knochen zu, nachdem man kleine Dreiecke der Haut aufgeschnitten und weggeklappt hatte. Tagelange Versuche, die betreffenden Ventrikel und Zellgruppen zu lokalisieren, waren der Operation vorausgegangen – Tahonka bewies den Terranern und den aufmerksam mitarbeitenden Siganesen, dass die Hirne intelligenter Rassen gewisse Merkmale besaßen, die alle gleich waren.