Nr. 563
Gespensterjagd
Ein Götze auf Merkur – im Kampf mit den Mutanten
von H. G. EWERS
Der von den Götzen gelenkte Sternenschwarm hat das Solsystem in sein Gefüge aufgenommen und um rund 900 Lichtjahre örtlich versetzt.
Darüber hinaus haben die Beherrscher des Schwarms bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt – man schreibt auf der Erde und den übrigen Menschheitswelten Mitte März des Jahres 3443 – noch nichts erreichen können, einesteils, weil ihre Angriffe durch den systemumspannenden Paratronschirm abgewehrt wurden, andernteils, weil ein Cyno und vier Terraner Stato, die Schlüsselwelt des Schwarms, ausschalteten.
Diese fünf Personen – unter ihnen die Mutanten Ras Tschubai und Ribald Corello und der Maskenträger Alaska Saedelaere – gelten seit der Zerstörung Statos offiziell als verschollen oder tot.
Aber die Mitglieder des Einsatzkommandos sind noch am Leben, obwohl ihre Lage alles andere als rosig ist. Die fünf Personen gingen auf der sterbenden Welt in letzter Sekunde durch einen Transmitter – und wurden »verstoßen ins Nichts«.
Doch wir blenden um zum Solsystem. Perry Rhodan kehrt mit der MARCO POLO gerade zu einem Erfahrungsaustausch mit den übrigen Verantwortlichen des Solaren Imperiums dorthin zurück, als die Herrscher des Schwarms einen Unterhändler schicken.
Mit dem Eintreffen dieser Person beginnt die GESPENSTERJAGD ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator ist verhandlungsbereit.
Gucky – Der Mausbiber lässt »Schnapsleichen« kurieren.
Dalaimoc Rorvic – Chef des CYD-Kommandos.
Tatcher a Hainu – Der Captain geht auf Gespensterjagd.
Tobias Kukuruzku-Schulze – Ein Cyno-Mensch.
Ü'Krantomür – Unterhändler der Schwarmbeherrscher.
Yorgho – Ü'Krantomürs Begleiter.
1.
»Halten Sie doch Ihre Füße still, Captain Hainu!«, nörgelte der fette Albino aus den Dampfschwaden unter mir.
Ich versuchte, am Leben zu bleiben und gleichzeitig das Zucken meiner Beine zu unterdrücken. Der hohe Feuchtigkeitsgehalt der Luft brachte mich an den Rand des Erstickungstodes. Ich begriff nicht, wie Menschen sich freiwillig den Qualen eines Sudatoriums aussetzen konnten.
Bei Dalaimoc Rorvic war natürlich alles möglich, weil es sich bei ihm um ein mutiertes Scheusal handelte, aber außer uns befanden sich noch andere Männer in diesem Dampfkessel, und einige von ihnen waren durchaus normale und freundliche Menschen.
Außerdem schien es sogar der Großadministrator für normal zu halten, dass sich die Besatzungsmitglieder der MARCO POLO hin und wieder in den Dampfbädern des Regenerierungssektors die Seelen aus den Hautporen schwitzten.
Auf der breiten Liegestufe unter mir rührte sich etwas. Commander Rorvic wälzte seine Fettmassen herum. Kurz darauf blies er mir seinen Kräuterbonbon-Atem ins Gesicht.
»Sie japsen ja wie ein Fisch auf dem Trockenen, Tatcher. Sie werden doch nicht etwa draufgehen. Warten Sie, ich verschaffe Ihnen eine Erleichterung.«
Er patschte mit seinen nassen Pranken über meinen Körper, griff einen Arm und ein Bein und warf mich in hohem Bogen ins Kaltwasserbecken.
Das rettete mir das Leben, obwohl ich im ersten Moment dachte, mein Herz hätte für immer ausgesetzt.
Als ich wieder auftauchte und um Luft rang, sah ich die grellen Energiebahnen von Strahlwaffen durch die Halle des Sudatoriums zucken. Krachende Entladungen betäubten meine Ohren. Männer schrien.
Als ich sah, dass die meisten Energiebahnen in die Richtung zielten, in der Rorvics Platz lag, begriff ich, dass es sich um einen heimtückischen Anschlag auf meinen Chef handelte.
Mit einem Wutschrei zog ich mich aus dem Kaltwasserbecken.
Doch in diesem Augenblick wurde das Feuer eingestellt. Schotte schlossen sich, dann gab es kurz nacheinander drei dumpfe Explosionen.
Offenbar hatten die Mörder sich selbst gerichtet.
Verzweifelt starrte ich auf die glühende Schmelze, die sich dort häufte, wo Rorvic gelegen hatte. Mein Chef konnte den Anschlag unmöglich überlebt haben.
Etwas materialisierte dicht neben mir. Die Dampfschwaden lichteten sich.
»Furchtbar!«, flüsterte eine vertraute Stimme, die Stimme des Mausbibers Gucky.
Immer schneller wurde der Dampf abgesaugt. Die Attentäter hatten zahlreiche Männer mehr oder weniger schwer verletzt. Da niemand seine Waffen mit ins Sudatorium nahm, hatte keiner eine Chance gegen die Attentäter gehabt.
Nicht einmal Dalaimoc Rorvic.
Die Türen wurden geöffnet. Soldaten und Medoroboter drangen ein. Rasch wurden die Verletzten versorgt und abtransportiert.
Wenige Minuten später erschien Perry Rhodan. Er erkundigte sich nach dem Ablauf des Geschehens.
»Commander Rorvic hat dort gelegen, Sir«, berichtete ich und wies auf die zu einem unansehnlichen Klumpen zerschmolzene Liegeterrasse, die knackend abkühlte. »Er muss vollständig verbrannt sein.«
Der Großadministrator sah mich prüfend an.
»Sie befanden sich vor dem Attentat in Commander Rorvics Nähe, Captain a Hainu?«
Ich bejahte.
»Konnten Sie irgendwelche Zeichen von Unruhe an ihm bemerken?«, fragte Rhodan weiter.
»Nein, absolut nicht. Das fette ... äh, also, ich meine, mein Commander hatte sich unmittelbar vor dem Attentat über mich amüsiert, weil ich in dem Dampf beinahe ertrunken wäre. Dann warf er mich ins Kaltwasserbecken – und als ich auftauchte, war es schon geschehen.«
Ich schnäuzte mir die Nase und blickte zu Perry Rhodan auf.
»Also, wir hatten ja oft Meinungsverschiedenheiten, Sir, aber Dalaimoc Rorvic war mir doch direkt ans Herz gewachsen. Ich fürchte, er wird mir fehlen.«
»Konnten Sie nichts zu seiner Rettung unternehmen, Captain?«, fragte Rhodan.
Bevor ich antworten konnte, warf der Ilt ein: »Ich habe die Erinnerungen der Verletzten angezapft, Perry. In einer fand ich die Beobachtung, dass Tatcher sich mit Todesverachtung auf den nächsten Mordschützen warf, ihn aber nicht mehr erreichte, weil da schon alles vorbei war.«
Als sein Armbandtelekom summte, winkelte der Großadministrator den Arm an und meldete sich. Er lauschte einer nur schwach vernehmbaren Stimme, dann bedankte er sich und schaltete den Telekom wieder aus.
»Soeben erhielt ich die Meldung, welche Besatzungsmitglieder der MARCO POLO fehlen. Es handelt sich um drei einfache Soldaten des Landungskommandos.«
Sein Blick wanderte zwischen Gucky und mir hin und her.
»Wie war es möglich, dass die Täter ihren Mordplan vor den telepathisch begabten Personen der MARCO POLO bis zum Schluss erfolgreich verbergen konnten?«
Sein Blick blieb an Gucky hängen.
»Whisper hat die letzten Tage in seiner Nähremulsion gelegen, wodurch ich als Telepath ausschied. Aber du und Fellmer, ihr müsstet doch derartig intensive Regelungen, wie es Mordabsichten sind, aus dem allgemeinen gedanklichen Rauschen erkennen können.«
»Haben die Mörder sich in die Luft gesprengt?«, erkundigte ich mich.
»So sieht es aus«, antwortete Rhodan zögernd. »Etwas in ihren Köpfen ist explodiert. Mehr lässt sich im Augenblick nicht sagen.«
»Warum sollten drei einfache Raumlandesoldaten den CYD-Commander umbringen wollen?«, sinnierte Gucky.
»Wenn ihre Absicht nicht telepathisch aufgespürt wurde, waren es keine einfachen Raumsoldaten«, meinte der Großadministrator. »Sie müssen irgendwie konditioniert gewesen sein. Aber von wem?«
»Von den Cynos?«, fragte der Ilt.
»Das glaube ich nicht«, warf ich ein.
»Die Cynos sind zur Zeit sehr an einer Zusammenarbeit mit uns interessiert, und sie legen großen Wert darauf, ausgerechnet mit Commander Rorvic Kontakt zu halten.«
Nachdenklich blickte ich auf die Überreste der Liegeterrasse.
»Ich habe es nie für möglich gehalten, dass Commander Rorvic jemals etwas zustoßen würde. Er schien gegen alles gefeit zu sein, und ich dachte immer, er würde sogar die Explosion einer Mikroatombombe überleben, die ihm jemand unters Essen gemischt hat.«
»So«, erscholl eine tiefe gedehnte Stimme, »Sie wollten mir also eine Atombombe ins Essen mischen, Sie marsianische Trockenpflaume?«
Wir fuhren wie elektrisiert herum.
Vor uns stand die triefende Gestalt von Dalaimoc Rorvic. Seine Stirn wurde von einer Beule geziert, und er strömte einen Geruch aus wie die offene Tür einer Raumhafenkneipe.
»Aber nur eine ganz kleine, Sir«, antwortete ich verdattert.
Der tibetische Albino rülpste heftig. Seine kleinen Augen stierten den Großadministrator an.
»Bitte, Sir, entschuldigen Sie die physiologische Entgleisung, aber ich materialisierte in einem kleinen Abfüllkessel der Bordbrauerei.« Er rülpste abermals. »Dabei stieß ich mich so heftig an die Stirn, dass ich bewusstlos wurde. Dabei bin ich voll Bier gelaufen.«
Er schloss die Augen und fiel so schnell hintenüber, dass ihn nicht einmal Gucky halten konnte. Der Großadministrator veranlasste, dass Rorvic von zwei Medorobotern in die Bordklinik transportiert wurde.
Unter anderen Umständen hätte der Zwischenfall Lachsalven erzeugt, aber so war uns das Attentat im Sudatorium noch zu frisch im Gedächtnis.
»Deshalb kehrte er so spät zurück«, meinte Rhodan. Er sah auf seinen Armbandchronographen. »In anderthalb Stunden werden wir dicht vor Sol in den Normalraum zurückfallen. Bis dahin sind die näheren Umstände des Attentats hoffentlich geklärt. Wir wissen nun, dass in unserem Nest mindestens drei Kuckuckseier lagen, aber wir haben keine Ahnung, wie viele noch darin liegen.«
Ich sah unwillkürlich ebenfalls auf meinen Armbandchronographen. Es war 22.15.36 Uhr Standardzeit, und auf der Erde schrieb man den 12. März 3443.
Wir befanden uns allerdings nicht auf der Erde, sondern im schwarminternen Weltraum, der mit halber Lichtgeschwindigkeit durch den Außenweltraum raste.
Wir, das waren die Besatzung der MARCO POLO und die Besatzungen von tausend weiteren Raumschiffen, die zur routinemäßigen Inspektion ins Solsystem zurückkehren sollten, nachdem einige erfolgreiche Operationen durchgeführt worden waren.
Die Auseinandersetzungen zwischen uns und den Beherrschern des Schwarms befanden sich zur Zeit an einem toten Punkt. Wir hatten einige Reizimpulsstationen an der Innenhaut des Schmiegschirmes zerstört – und vor allem die Zentrale Justierungswelt Stato vernichtet.
Als Folge davon konnte der Schwarm nicht mehr transitieren und, was ebenso wichtig war, der Schmiegschirm war undurchlässig geworden, so dass die Gelben ihrem Gebärdrang innerhalb des Schwarmes nachgeben mussten. Dadurch wurden die Zivilisationen vieler Planeten vor dem Untergang bewahrt.
Doch auch die Herren des Schwarms hatten Schläge ausgeteilt. Der Schlimmste war, dass sie das gesamte Solsystem um 900,82 Lichtjahre durch eine Transition versetzt und auf Kurs und Geschwindigkeit des Schwarmes gebracht hatten.
Dabei wäre beinahe der Paratronschirm zusammengebrochen. Doch auch so waren die Planeten des Solsystems schwer erschüttert worden.
Aber den Hyperkommeldungen nach erholte sich die Menschheit schnell von dem Schock.
Es sah aus, als könnte keine der beiden Seiten der anderen in absehbarer Zeit einen entscheidenden Schlag versetzen. Und auch die Cynos schienen uns nicht weiterhelfen zu können. Oder sie wollten ihre Geheimnisse nicht preisgeben.
Ich wich den Aufräumkommandos aus und verließ das Regenerierungszentrum.
Eines Tages, überlegte ich, würden die Cynos ihre Geheimnisse preisgeben müssen. Dafür garantierte Dalaimoc Rorvics ungeheures psionisches Repertoire.
Plötzlich stutzte ich.
Konnte es sein, dass Dalaimoc Rorvic den Cynos zu weit auf die Spur gekommen war? Hatten sie ihn ermorden lassen wollen, um ihre Geheimnisse für sich zu behalten?
Ich beschloss, zu meinem neuen Freund Kukuruzku-Schulze zu gehen und mit ihm über das Problem zu sprechen. Der Adoptivsohn der Cynos kannte die Mentalität dieser Unheimlichen besser als wir alle zusammen.
Vielleicht wusste er etwas, das mir weiterhalf. Es ging nicht an, dass man meinen Chef einfach so ermordete. Er war zwar ein arroganter Vorgesetzter, der mich unentwegt peinigte, aber wenn ihn einer umbrachte, dann nur ich selber. Aber das hatte noch viel Zeit.
Ein Marsianer der a-Klasse überstürzt nichts.
*
»Kommen Sie herein, Tatcher!«, rief Tobias Kukuruzku-Schulze über den Außenkommunikator, als ich die Signaltaste seines Kabinenschottes betätigte.
Das Schott glitt lautlos auf. Eigenartige Musik ertönte. Ich betrat Tobys Kabine.
Der Cyno-Mensch saß auf dem Schaumstoffboden und blickte in den grünlichen Nebel, der aus einer Metallschale vor ihm aufstieg.
»Nehmen Sie bitte Platz«, sagte Toby tonlos. Seine rechte Hand deutete auf einen Sessel.
Ich setzte mich schweigend. Kukuruzku-Schulze war ein Zwischending zwischen Wissenschaftler und Magier. Die Cynos nannten ihn Mago. Manchmal benahm er sich wie ein Scharlatan. Da die Cynos ihm aber mit großer Achtung begegneten, musste er tatsächlich ein Könner sein; andernfalls hätten sie ihn längst durchschaut.
Nach einiger Zeit bekam der grünliche Nebel keinen Nachschub mehr. Allmählich löste er sich auf.
Tobias sah mich an.
»Meine Brüder von der ATON haben nichts mit dem Attentat auf Commander Rorvic zu tun, Tatcher«, sagte er leise. »Was ich sehe, und das ist nicht viel, deutet darauf hin, dass eine Konditionierung noch während der Halbverdummung stattfand.«
»Und wer ist sonst noch konditioniert worden?«
Tobias schüttelte den Kopf.
»Das weiß ich nicht. Wenn es auf der MARCO POLO weitere Konditionierte gibt, dann ist die Kondition qualitativ so gut, dass niemand sie durchschauen kann. Ich spürte die verräterischen Impulse der Attentäter erst im Augenblick ihres Todes auf.«
»Wieso kann man diese Impulse nicht früher aufspüren?«, fragte ich.
Tobias seufzte.
»Weil es vorher keine gibt. Die bewusste Konditionierung muss das Werk eines parapsychischen Giganten sein, der das Unterbewusstsein seiner Opfer sozusagen programmierte.«
Er hielt eine halbvolle Bourbonflasche hoch und sah mich fragend an. Als ich nickte, füllte er zwei hohe Gläser mit der goldfarbenen Flüssigkeit und reichte mir eines davon.
Ich nahm einen großen Schluck und genoss die Wellen der Wärme, die durch meinen Körper jagten.
Tobias Schulze leerte sein Glas mit einem Zug und füllte bis dicht unter den Rand nach.
»Ah!«, machte er. »Das ist besser als das synthetische Zeug, das mir meine Cyno-Brüder zusammenbrauten.«
»Sie werden lachen«, erwiderte ich, »aber dieser Bourbon ist auch synthetisch. Er wird an Bord der Flottenschiffe aus Vorzugsmüll hergestellt.«
Schulzes Augen wurden groß und rund; sein Adamsapfel trat weit hervor.
»Aus Vorzugsmüll?«
Ich blieb ernst und hoffte, dass auch Tobias Kukuruzku-Schulze nicht in meinen Gedanken lesen konnte, wenn ich mein Blockierungstraining in die Praxis umsetzte.
Als er sein Glas zum zweiten Mal leerte und sich genüsslich die Lippen leckte, erkannte ich, dass der Mago mich durchschaute. Entweder war er eine Klasse besser als Dalaimoc Rorvic oder er brauchte nicht die Gedanken eines Menschen zu lesen, um zu wissen, ob er log oder die Wahrheit sagte.
»Sie erwähnten einen parapsychischen Giganten, Toby«, kehrte ich zum Thema zurück.
Tobias nickte und setzte sich auf einen würfelförmigen Hocker.
»Einen hypothetischen Giganten«, korrigierte er. »Ich stelle mir vor, dass dieses Wesen jeden Handlungsablauf einzeln durch die Bewusstheit der Opfer schickte, dort wieder löschte, aber die Handlungsabläufe schichtförmig im Unterbewusstsein anlagerte. Die erste Schicht wurde aktiviert und ins Bewusstsein gehoben, sobald ein auslösender Reiz auftrat.«
Der rätselhafte Mann goss uns beiden nach und trank erneut.
»Sobald die erste Schicht das Bewusstsein erreichte, verursachte es auf den Bahnen des gelöschten Handlungsablaufes einen Zwangsablauf – und erst danach und dadurch wurde die zweite Schicht im Unterbewusstsein aktiviert und ins Bewusstsein gehoben.
Die Schwierigkeit ist, dass kein Telepath bei einem anderen Wesen einen desaktivierten schlafenden Impuls festzustellen vermag. Erst die Aktivierung macht die Absicht überhaupt erst ›lesbar‹.«
»Dann müssten Sie die Absicht der Mörder erkannt haben, als sie in Richtung Dampfbad gingen, oder?«, warf ich ein.
»Nein«, erklärte Tobias. »Infolge der schichtweisen Lagerung hätte ich höchstens erkennen können, dass drei Personen in Richtung Dampfbad gingen.«
Er zuckte die Schultern.
»Aber bei wem erregt so etwas Alltägliches schon Verdacht?
Die nächste Handlung der Mörder bestand darin, das Bad zu betreten, ohne Kleidung und Waffen abzulegen. Das erregt zumindest nicht sofort Verdacht, denn sie könnten zwecks Ausführung einer dienstlichen Handlung dort sein.
Danach hält man Ausschau nach Commander Dalaimoc Rorvic – und erst als man seine Position bestimmt hat, wird der Tötungsbefehl aktiviert.«
»Scheußlich! Nur ein krankes Hirn kann sich so etwas ausdenken.«
Kukuruzku-Schulze lächelte geistesabwesend.
»Ob etwas scheußlich ist, kommt stets auf den Standpunkt an, mein lieber Tatcher. Und es muss durchaus nicht immer ein krankes Hirn sein, das genial plant und handelt.«
Ich leerte mein Glas.
»Das stimmt, Toby. Folglich könnte ich durchaus die Veranlagung zum Genie besitzen.«
»Vielleicht. Es wäre möglich, dass etwas von Commander Rorvics Gaben auf Sie übergeht. Allerdings gestehe ich, dass der Tibeter mir zeitweise unheimlich vorkommt.«
»Zeitweise?«, echote ich. »Mir kommt er permanent unheimlich vor. In seiner Nähe sträubt sich mir jedes einzelne Haar.«
»Sie übertreiben, Tatcher«, entgegnete Tobias Schulze freundlich. »Kommen Sie, wir trinken noch einen!«
Ich zögerte, aber dann gab ich nach. Ich konnte eine kleine Aufmunterung wirklich gut gebrauchen. Erst war ich in dem heißen Dampf beinahe erstickt, dann hatte sich mein Herz im Eiswasser verkrampft, und dann die grausigen Szenen des Attentats!
Mechanisch genoss ich die dritte Füllung.
Danach verschleierte sich mein Blick etwas. Ich hielt mich vorsichtshalber an den Seitenlehnen meines Sessels fest und ließ erst wieder los, als die Servoautomatik der Kabine einen kleinen Imbiss servierte.
»Imbiss à la Kukuruzku-Schulze«, erläuterte Tobias grinsend.