Nr. 569
Das Korps der Cappins
Der Ganjo kommt – und bringt Hilfe für die Galaxis
von H. G. EWERS
Auf Terra und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Ende April des Jahres 3443.
Der Kampf um die Lenkung und Beherrschung des Sternenschwarms scheint entschieden zu sein. Schmitt, der mysteriöse Cyno, hat die »Tat der letzten Möglichkeit« begangen und die Lenker des Schwarms ausgelöscht. Jetzt übt der Cyno Nostradamus, der »Mann aus dem Eis«, die Kontrolle über Stato II, die Reserve-Justierungswelt aus. Zudem hat die von Perry Rhodan geführte Solare Flotte nach dem Absterben der Götzen und dem daraufhin erfolgten fluchtartigen Rückzug der Flotten der Diener die Kontrolle über den schwarminternen Weltraum übernommen.
Aber damit ist noch nicht alles gewonnen! Schließlich geht es für die solare Menschheit darum, den Schwarm wieder zu verlassen und in eine Galaxis zurückzukehren, die durch die Manipulierung der Gravitationskonstante nicht mehr verdummt und durch Flotten gebärfreudiger Karties bedroht wird.
Perry Rhodan und andere führende Persönlichkeiten des Solaren Imperiums zweifeln daran, dass der neue Lenker des Schwarms gewillt ist, die berechtigten Forderungen der Terraner zu erfüllen, und die Situation zwischen Cynos und Terranern ist angespannt.
Schließlich aber werden klare Verhältnisse geschaffen durch DAS KORPS DER CAPPINS ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Großadministrator fordert die Rückversetzung des Solsystems.
Nostradamus – Beherrscher des Sternenschwarms.
Ovaron – Der Ganjo bringt Hilfe für die Galaxis.
Dalaimoc Rorvic und Tatcher a Hainu – Die Männer des CYD-Kommandos gehen auf eine Zeitreise.
Merceile – Das Cappin-Mädchen kehrt in die Heimat zurück.
»Die Lehren, die zur Leidenschaftslosigkeit und nicht zu den Leidenschaften führen, zur Befreiung und nicht zum Anwachsen der Gefühle, zur Mäßigung und nicht zur Begehrlichkeit, zur Einsamkeit und nicht zur Geselligkeit, zur inneren Kraft und nicht zur Trägheit, zur Freude am Guten und nicht zur Lust am Bösen, diese Lehren sagen euch sicher: das ist richtig, das ist die Disziplin, das ist die Botschaft des Meisters.«
Buddha
1.
Major Patulli Lokoshan saß auf einem runden Felsblock und spielte auf seiner Mundorgel. Die knopfgroßen elektronischen Verstärkerelemente gaben den Tönen kraftvolle Fülle.
Zwei weibliche Captains des Psychotaktischen Korps der Solaren Raumflotte hockten zu Füßen des Kamashiten und lauschten hingebungsvoll der Musik.
Ich seufzte.
Meine Gedanken eilten zu Caruh an Hainu, ehemals a Vacat, die an Bord der KONG-KONG weilte. Das Schiff befand sich mit einem Geheimauftrag außerhalb des Schwarmes, und ich hatte keine Ahnung, wann es zurückkehren würde.
Und nur Dalaimoc Rorvic war schuld daran, dass meine Frau nicht auf die MARCO POLO versetzt worden war!
Patulli brach sein Konzert ab, blickte zu mir herüber und rief: »Warum kommst du nicht zu uns, Tatcher? Berti und Ivi würden sich bestimmt darüber freuen. Stimmt's?«
Berti und Ivi nickten. Ivi, genauer Captain PtC Ivina de Castillo, wandte mir das Gesicht zu und blickte mich mit ihren mandelförmigen Augen lockend an. Ihr Mund öffnete sich leicht, und die Lippen schimmerten feucht.
Ich rutschte unbehaglich auf dem Sitz des Gleiters hin und her, mit dem ich gekommen war, um Rorvics Katzendame Philomena und ihre fünf reizenden Bälger etwas frische Luft auf Stato II genießen zu lassen.
»Tut mir leid«, erwiderte ich, »aber ich bin bereits in weiblicher Begleitung.« Ich deutete auf Philomena, die soeben aus einem niedrigen Gebüsch trat. Die Katze hatte ein kleines Tier gefangen und trug es im Maul.
Ivi schaute zu Philomena hin, dann schüttelte sie sich.
»Pfui Teufel! Das grässliche Tier hat eine Ratte im Maul!«, sagte sie verächtlich. Ich lächelte ironisch.
»Irrtum, für Philomena und ihre Jungen ist es Frischfleisch, und ich möchte wetten, dass es den Tieren ebenso gut schmeckt wie uns Menschen ein saftiges Steak.«
Ivi wandte mir den Rücken zu, und Berti sagte über die Schulter: »Lass ihn, Ivi, das alles sind nur die Ausreden eines frischgebackenen Ehemannes, der fürchtet, die psychische Belastung eines auch nur platonischen Seitensprunges nicht ertragen zu können.«
Ich zuckte die Schultern, stieg aus und ging zu den fünf Katzenjungen, die im Sand einer Bodenmulde lagen und träge blinzelten, als sie mich sahen.
Sie wurden allerdings sehr plötzlich munter, als ihre Mama mit der Beute erschien.
Ich durfte darauf keine Rücksicht nehmen.
Blitzschnell packte ich zu, als Philomena ihre Beute fallen ließ. Das rattengroße Tier lebte noch, wie ich erwartet hatte. Ich musste es im Nackenfell packen, damit es nicht floh. Derweil kratzte Philomena zornig an den Hosenbeinen meiner Bordkombination.
Leider musste ich in die Instinktkette eingreifen. Die Tierwelt auf Stato II war unerforscht, so dass mir niemand hätte sagen können, ob der Genuss des Fleisches solcher Tiere für terranische Hauskatzen schädlich oder unschädlich sei.
Ich musste den eigens dazu mitgebrachten Schnellanalysator benutzen, um mir Gewissheit zu verschaffen. Nachdem ich das Tier kurz und schmerzlos getötet hatte, entnahm ich ihm mehrere Gewebeproben und schob sie in den Analysator.
Anderthalb Minuten später konnte ich das Ergebnis auf der Skala ablesen.
Das Fleisch des Tieres enthielt keinerlei schädliche Stoffe oder Parasiten.
Ich warf es den Katzenjungen zu, die sich darauf stürzten und sich dann enttäuscht zurückzogen. Philomena rollte den toten Körper ein paar Mal hin und her, dann stelzte sie hochmütig davon.
Ich seufzte.
Natürlich hatte ich vorher gewusst, dass Katzen erst mit ihrem Opfer »spielen«, bevor sie es töten und dass Philomena ihren Jungen durch das Spiel mit der lebenden Beute beibringen wollte, wie man ein Tier fängt. Aber schließlich konnte ich die Gewebeproben nicht einem lebenden Tier entnehmen. Und überhaupt ...!
Ich stieß eine Verwünschung aus.
Dieser fette, rotäugige Albino aus dem tibetischen Hochland war an allem schuld!
Er missbrauchte die Tatsache, dass er mein Vorgesetzter war, dazu, mir die Betreuung seiner Katzen aufzubürden, während er indessen auf einem Teppich in seiner Kabine hockte und meditierte. Vielleicht meditierte er aber gar nicht, sondern verspeiste einen mit Trüffeln gefüllten Puter. Er musste irgend etwas in dieser Art tun, denn ohne Grund war er nicht so fett, obwohl er gern behauptete, in der Regel nur eine Mahlzeit pro Tag zu sich zu nehmen.
Patulli Lokoshan blies eines dieser neumodischen Spacetruck-Lieder, die sich anhörten, als wären sämtliche Tiere des Galaktischen Zoos in Terrania tobsüchtig geworden. Die Burschen, die diese Musik kreiert hatten, mussten trotz der Einvernahme in den Schwarm einen erheblichen Rest Dummheit zurückbehalten haben.
Jemand murmelte etwas neben mir. Wegen Patullis Lärm konnte ich es allerdings nicht verstehen.
Als ich mich dem Sprecher zuwandte, erblickte ich einen mittelgroßen schlanken Mann in ausgestopftem Wams, gepolsterter Oberschenkelhose, langen seidenen Strümpfen und Schnallenschuhen. Über den Schultern hing ihm ein kurzer Mantel, und auf dem Kopf trug er ein Barett.
Imago II alias Nostradamus!
Der Cyno neigte den Kopf, lächelte und sagte etwas, das ich wieder nicht verstand.
Schon wollte ich Patulli zurufen, er solle mit seinem nervenzerfetzenden Lärm aufhören, da brach der Kamashite von sich aus ab.
Ich blickte Nostradamus an.
»Was hatten Sie gesagt, Sir?«
»Ich sagte, das sei ein fürchterlicher Lärm«, antwortete der Cyno. »Wie geht es Ihnen, Captain a Hainu?«
»Schon besser als vor einer Minute, Sir. Und wie ist Ihr wertes Befinden? Sind Sie bereits darüber hinweggekommen, dass Sie fünfzigtausend Ihrer Brüder in den Tod getrieben haben?«
Ich deutete auf die Obelisken, die hier und da – zu kleinen Gruppen angeordnet – über die Landschaft verstreut dastanden. Einst waren es Cynos gewesen, Kontra-Cynos, die das Nomadenleben der älteren Generation satt gehabt hatten.
Sie wollten den Schwarm an seiner derzeitigen Position innerhalb der Menschheitsgalaxis lassen und sesshaft werden – und die solare Menschheit sollte ihnen als Hilfsvolk zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung dienen.
Selbstverständlich hatten wir uns dem energisch widersetzt, aber es wäre keinem der beteiligten Menschen im Traum eingefallen, die auf Stato II gelandeten 50.000 Rebellen kaltblütig zu töten, wie es Imago II mit seiner geheimen Parawaffe, dem »Fluch der Imaginären«, getan hatte.
Der Cyno folgte meinem Blick mit den Augen zu den Obelisken, den im Tode versteinerten Cynos. Diese Gebilde warfen übrigens keinen Schatten.
Imagos Gesicht verlor jeglichen Ausdruck. Er wandte es mir zu und sah mich an.
Ich hatte plötzlich das Gefühl, durch Imagos Augen in die Seele der Ewigkeit zu schauen.
»Da, wo es Gestalt gibt«, sagte Nostradamus leise, »gibt es die Leere, und da, wo es die Leere gibt, gibt es Gestalt. Leere und Gestalt sind also nicht verschieden ...«
»Das habe ich schon einmal gehört«, sagte ich.
Nostradamus ging nicht darauf ein, sondern fuhr fort: »Sie sind in der großen Leere und doch gestalthaft. Wisse, mein junger Freund, dass es in der Leere weder Schmerz gibt noch Unglück, keine Hindernisse, keinen Weg, kein Altern und keinen Tod ...«
Einen Herzschlag lang glaubte ich, in die Augen eines Leichnams zu blicken, aber rasch kehrte das Leben in Nostradamus' Gesicht zurück.
Er lächelte wieder sein rätselhaftes wissendes Lächeln.
»Verzeihen Sie, dass ich Sie mit den albernen Weisheiten eines uralten Lebewesens belästige, eines Lebewesens, das das Kommen und Gehen unzähliger Menschengeschlechter, das Blühen und Absterben ungezählter Kulturen beobachtet hat und dennoch nur eine einzige sichere Gewissheit gewann, die Gewissheit, dass alles ungewiss ist.«
»Sie sind mir nicht lästig, Sir«, erklärte ich. »Ganz im Gegenteil; ich sauge Ihre Offenbarungen in mich hinein wie ein trockener Schwamm das Wasser.«
Der Cyno zwinkerte mir zu.
»Ihr trockener Sarkasmus gefällt mir. Nur wenige Menschen beherrschen ihn so meisterhaft wie Sie.«
Ich seufzte.
»Wenn man mit jemand wie Commander Rorvic zusammenarbeitet, entwickelt sich so etwas ganz von selbst.«
»Aha!«, machte Nostradamus. »Wie ich hörte, werden Sie und Commander Rorvic demnächst Stato II verlassen?«
»Stimmt.«
»Darf ich fragen, wohin Sie gehen werden?«
Ich nickte.
»Selbstverständlich, Sir, nur darf ich nicht darauf antworten. Unser nächster Einsatz ist geheim.«
Imago II lachte und schlug mir auf die Schulter, was ich gar nicht mochte.
»Brav, Captain a Hainu! Aber vor mir brauchen Sie keine Geheimnisse zu haben. Ich arbeite eng mit Rhodan und Atlan zusammen, und vergessen Sie nicht, wie wir vor zwei Tagen in der Impulsgebungszentrale sozusagen Schulter an Schulter gekämpft haben.«
Ich lächelte.
»Das werde ich gewiss nicht vergessen, auch wenn ich Ihre Schulter leider damals nicht gesehen habe, als es heiß herging. Sie müssen mich jetzt bitte entschuldigen, aber Philomena und ihre Kleinen sollen in zwanzig Minuten wieder an Bord sein.«
Gerade öffnete ich den Mund, um nach Rorvics Katzendame zu rufen, da summte mein Armbandtelekom.
Ich schaltete das Gerät ein und winkelte den Arm an. Auf dem münzengroßen Bildschirm sah ich Atlans Gesicht.
»Captain a Hainu hier, Lordadmiral«, sagte ich.
Der Arkonide nickte.
»Bitte, kommen Sie unverzüglich auf die MARCO POLO zurück, Captain«, sagte er. »Sie und Commander Rorvic müssen einen wichtigen Auftrag ausführen. Es handelt sich ...«
»Bitte nicht weiter, Sir!«, warf ich hastig ein. »Neben mir steht ein Mann mit ungeheuer großen Ohren und Augen. Sein Name ist Nostradamus, und seine Neugier ist gewaltig.«
Atlan lachte.
»Ich kenne das Problem. Wer viel weiß, kann nie genug erfahren. Gut, melden Sie sich bei mir. Ich bin in meiner Gastsuite auf der MARCO POLO. Ende.«
Ich schaltete das Gerät ab und grinste den Cyno an.
»Nichts für ungut. Sir.«
»Ich erfahre es ja doch«, meinte Nostradamus zuversichtlich. Er wich zwei Schritte zurück, wurde plötzlich in ein grünlich schillerndes Energiefeld gehüllt, das immer kleiner und schließlich unsichtbar wurde.
Ich sah mich um und entdeckte Philomena und ihre Kinderchen hundert Meter weiter. Die Katzendame leckte ihre Jungen ab.
Philomena unterbrach ihre Tätigkeit, als ich zu ihr trat. Argwöhnisch musterte sie mich aus ihren grünen Augen.
»Tut mir leid«, sagte ich, »aber man schränkt unsere Freiheit ein, damit wir dieselbe besser verteidigen können.«
Kurz entschlossen packte ich sie, nahm sie auf den Arm und ging zu meinem Gleiter. Die Jungen liefen tollpatschig hinter uns her.
Beim Fahrzeug angekommen, musste ich erst einmal Patullis Hund verjagen. Fenris hatte bereits ein Hinterbein gehoben und schickte sich gerade an, seine Blase zu erleichtern. Ich schleuderte mit dem Fuß Sand zu ihm – und der alte Heuchler lief zu seinem Herrn, setzte sich auf die Hinterkeulen und jaulte jämmerlich.
Unter den vorwurfsvollen Blicken von Patulli, Berti und Ivi lud ich die Katzen in meinen Gleiter und flog ab.
*
»Unsere Raumschiffe, die bei der Strukturschleuse im Schwarmkopf stehen, haben einen bedeutsamen Hyperkomspruch aufgefangen«, berichtete Atlan.
Er legte mir ein Hyperkomfaksimile vor.
Ich nahm es in die Hände und las halblaut: »Der Reiter des Blauen Pferdes ruft den Freund, den er in ferner Vergangenheit am Mount Lemur kennenlernte.«
»Dunkel ist der Rede Sinn«, sagte ich und reichte Atlan das Faksimile zurück. »Wahrscheinlich hat ein Verdummter den Spruch verfasst. Er kam doch aus dem schwarmexternen Raum, nicht wahr?«
Der Lordadmiral nickte.
»Allerdings, und zwar als Pararaum-Richtstrahl genau durch die Strukturschleuse.«
»Nun, Platz genug bietet das Loch ja.«
Atlan lachte.
»Genau. Aber für mich ist der Rede Sinn keineswegs dunkel. Eigentlich müssten Sie wissen, wer mit dem ›Blauen Pferd‹ gemeint sein kann.«
»Doch nicht etwa Takvorian?«
»Höchstwahrscheinlich Takvorian.«
»Dann besteht die Wahrscheinlichkeit, dass der Verfasser des Hyperkomspruches der Ganjo der Ganjasen namens Ovaron ist.«
Atlan nickte.
»Ich habe den Großadministrator schon benachrichtigt. Er befand sich gerade mit Mrs. Sestore in Imperium-Alpha, um mit anderen Personen zusammen einen Sondereinsatz zu organisieren. Perry Rhodan und Mrs. Sestore fliegen zur ULAN BATOR.«
»Aha!«, sagte ich. »Und da Miss Merceile sowie Mister Takvorian darauf brennen werden, Ovaron zu sehen, soll ich die Herrschaften zur ULAN BATOR bringen.«
»Stimmt. Sind Sie Hellseher?«
»Nein, nur der Fußball von Commander Rorvic. Da muss man hellseherische Gaben entwickeln, wenn man nicht zu früh verschlissen werden will.«
Der Arkonide seufzte.
»Bitte, unterrichten Sie Commander Rorvic, dass er und Sie in einer halben Stunde abflugbereit sein müssen. Sie werden Merceile und Takvorian zur ULAN BATOR bringen, Ihr Fahrzeug in den Schnellen Kreuzer einschleusen und zum Treffen mit Ovaron fliegen.«
»Wenn es Ovaron ist, Sir.«
»Er ist es, verlassen Sie sich darauf.«
Ich salutierte leger, wandte mich um und ging.
In einer Abstellnische des Korridors stand der Korb mit den Katzen. Ich nahm ihn, ließ mich vom Transportband zu Rorvics Kabine befördern und drückte den Türmelder.
Entgegen meinen bisherigen Erfahrungen öffnete sich das Schott schon eine halbe Minute später. Rasch steckte ich den nachgefertigten Impulsgeber in meine Bordkombination zurück und trat ein.
Nachdem ich die Katzen freigelassen hatte, ging ich in die Wohnzelle. Ich war davon überzeugt, den Tibeter meditierend dort anzutreffen, doch ich irrte mich.
»Kommen Sie herein, Tatcher!«, rief Dalaimoc Rorvic.
Die Stimme kam aus der kabineninternen Sprechanlage.
»Wo sind Sie denn, Sir?«, fragte ich.
»In der Nasszelle, Sie Faultier«, gab Rorvic zurück.
Ich seufzte resignierend.
Es war eine Schande, dass der Großadministrator zuließ, dass mein Vorgesetzter mich ständig schikanierte. Nicht nur, dass er mich beschimpfte, jetzt sollte ich auch noch zu ihm in die Nasszelle kommen, obwohl er genau wusste, dass ich als Marsianer der a-Klasse feuchte Luft nicht vertrug.
Wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass der Lordadmiral mich dafür verantwortlich machte, dass der fette Albino rechtzeitig an Bord unserer Space-Jet ging, hätte ich nicht gehorcht.
So aber blieb mir nichts anderes übrig.
Ich öffnete die Schiebetür zur Nasszelle. Heißer Wasserdampf schlug mir ins Gesicht. Dalaimoc Rorvic wurde von den gepolsterten »Armen« des Pflegeroboters nach und nach in alle möglichen Stellungen gedreht und dabei mit viel Badeschaum und rotierenden Bürstenköpfen Millimeter um Millimeter abgeschrubbt.
»Sprechen Sie!«, bedeutete er mir, während ihn die Bürstenköpfe durchwalkten.
»Wir haben einen neuen Einsatzbefehl erhalten, Sir«, sagte ich. »In zwanzig Minuten müssen wir an Bord der BUTTERFLY sein. Wir sollen Merceile und Takvorian in den schwarmexternen Raum bringen.«
Mindestens hundert Düsen hüllten den Tibeter in zischendes, brodelndes heißes Wasser, dann folgte eiskaltes Wasser und dann warme Trockenluft, die die Feuchtigkeit begierig aufsaugte.
Mit krebsroter Haut wurde Rorvic aus der Gewalt des Pflegeroboters entlassen. Wir gingen in die Wohnzelle, und mein Vorgesetzter zog sich gemächlich an.
»Der Großadministrator ist mit Orana Sestore auf der Erde gewesen, nachdem sie während des letzten Einsatzes auf seinem Flaggschiff gewohnt hat«, sagte ich.
»Na und«, meinte der fette Albino. »Sie sind doch beide alt genug, um zu wissen, wohin so etwas letzten Endes führen muss.«
»Jawohl!«, sagte ich mit erhobener Stimme. »Aber sie sind nicht verheiratet, während ich verheiratet bin und Sie nicht zulassen, dass sich meine Frau auf die MARCO POLO versetzen lässt!«
Prustend mühte sich Rorvic in das hautnahe, atmungsaktive Unterhemd. Als sein Kopf wieder zum Vorschein kam, entgegnete er: »Aber ich will doch nur Ihr Bestes, Tatcher.«