Nr. 581
Die Geistermutanten
Ein Toter gibt Auskunft – und Lebende verlangen ihr Recht
von KURT MAHR
Auf Terra und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Mitte Mai des Jahres 3444.
Das Leben der Terraner und der übrigen galaktischen Völker nimmt, fast ein Jahr nach Überwindung der Schwarmkrise, wieder seinen gewohnten Gang – wenn man davon absieht, dass viele Menschen des Solaren Imperiums geistig labil zu sein und ihr gesundes Urteilsvermögen nicht zur Gänze zurückgewonnen zu haben scheinen.
Und deshalb ist es kein Wunder, dass die Neuwahlen zum Amt des Großadministrators, die Anfang August stattfinden sollen, unter schlechten politischen Vorzeichen stehen. Demagogen diffamieren den Großadministrator und unterstellen ihm Dinge, die geglaubt werden, obwohl sie leicht zu widerlegen sind.
Perry Rhodan schweigt jedoch zu allen Vorwürfen. Er beschäftigt sich mit Dingen, die, von einem fremden Planeten ausgehend, zur Erde greifen. Menschen, die längst als tot gelten, statten ihrem Heimatplaneten einen Besuch ab – in der Form einer Zusammenballung von paraphysikalischen Kräften, die sich kaum unter Kontrolle bringen lassen.
Doch das Geheimnis, das die Besucher aus der Vergangenheit umgibt, klärt sich immer mehr. Ein Zeutforscher findet eindeutige Hinweise auf das Synthoprojekt – und Perry Rhodan sendet einen dringenden Appell an DIE GEISTERMUTANTEN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Lorc Muhinau – Ein Professor macht eine wichtige Entdeckung.
Perry Rhodan – Der Großadministrator richtet einen Appell an die Gefährten aus der Vergangenheit.
Dr. Eldor Savrin – Leiter des Zentralamtes für Statistik.
Bivar Onrain – Dr. Savrins neuer Assistent.
Rock Looman – Ein skrupelloser Privatdetektiv.
Vauw Onacro – Ein Toter gibt Auskunft.
1.
Am achtzehnten Tag des Monats Ezrach, im Jahr 6332 seit der Gründung des Reiches: Die herrliche, die mächtige Welt Zeut existiert nicht mehr. Eine Katastrophe unglaublichen Ausmaßes hat sie zerrissen und ihre Bestandteile in den Weltraum zerstreut. Mit ihr verging mehr als die Hälfte unseres Volkes – Milliarden von Menschenleben ausgelöscht in wenigen kataklysmischen Augenblicken.
Triumph herrscht im Lager des Feindes, Verzweiflung unter den Söhnen des Reiches. Wenn je eine Rasse am Rande des Abgrunds stand, dann ist es die unsere. Es scheint, als gäbe es keine Hoffnung mehr für das Volk von Zeut, das sich noch vor wenigen Jahren unter die mächtigsten in diesem Kosmos rechnete.
Ist es an der Zeit, alle Hoffnung fahrenzulassen und sich dem Unabwendbaren zu beugen? Ist, was wir unabwendbar nennen, wirklich unabwendbar? Ich, Vauw Onacro, glaube es nicht.
Denn inmitten der allesverschlingenden Katastrophe geschah ein Wunder. Meine Forschungsstation überlebte den Untergang der Welt Zeut. Es ist, als wolle die Vorsehung selbst uns einen Fingerzeig geben, dass sie die Lage noch nicht als hoffnungslos betrachtet. Und wenn die Vorsehung noch Hoffnung sieht, warum sollten wir dann verzweifeln?
Zu Anfang fiel es sogar mir schwer, an das Wunder zu glauben. Eines der zahllosen Raumschiffe, die das All durchstreiften, um auf den überall verstreuten, zum Teil direkt auf die Sonne zueilenden Bruchstücken unserer Welt nach verwertbaren Überresten, und in wahnwitziger Hoffnung sogar nach Überlebenden abzusuchen, maß die Streustrahlung der Geräte in meiner Station an. Eingebettet in ein riesiges Stück Fels, das die Explosion aus dem Leib des Planeten riss, trieb sie ziellos durch den Raum. Die Wucht, mit der sie ins All geschleudert wurde, muss besonders groß gewesen sein, denn das Felsstück befindet sich nun auf einer besonders exzentrischen Bahn, die weit aus der Ebene der Ekliptik hinausragt und das Felsstück weiter von der Sonne entfernt, als es selbst der sechste Planet im Augenblick des größten Sonnenabstandes ist. Auf der anderen Seite führt die Bahn der Forschungsstation bis zwischen die Umlaufbahnen des vierten Planeten und der Welt Lemur hinein.
Das Felsstück ist von unregelmäßiger Form. Die Oberflächenbeschaffenheit des Gesteins weist darauf hin, dass der Fels zunächst verdampfte und in der Kälte des Raums kurze Zeit später wieder sublimierte. Es gibt keine schroffen Grate und Zacken. Alles ist eingeebnet. Meine Station jedoch ist unbeschädigt. Das ist das Wunder. In den Augenblicken der Explosion müssen Beharrungskräfte am Werke gewesen sein, die alles überstiegen, was die kleine Antigravanlage, die ich auf Geheiß der Regierung installieren musste, aushalten konnte. Qualität des Materials und der Verankerungen müssen dafür verantwortlich gemacht werden, dass nur geringfügiger Schaden entstand – und die Gnade der Vorsehung.
Damit ist es uns möglich, die Forschung fortzusetzen, in der wir schon vor dem Untergang der herrlichen Heimat eine unserer wenigen Rettungsmöglichkeiten im Kampf gegen die mörderischen Bestien von Halut sahen. Um wieviel wichtiger ist es da jetzt, dass wir uns sofort an die Arbeit machen und unser Ziel mit allem Eifer verfolgen. Ich befand mich mit meinem engsten Mitarbeiterstab zur Zeit der Katastrophe unterwegs. Wir wurden verschont. Auch das mag von der Nachwelt als ein kleines Wunder gewertet werden. Jetzt befinden wir uns im Innern der Station, und die Arbeit hat begonnen.
Das Felsstück ist etwa einhundertundzwanzig Ord lang. Es ist, im großen und ganzen betrachtet, länglich. An seiner dicksten Stelle durchmisst es fünfundsiebzig Ord. Es ist ein eigenständiger, wenn auch atmosphäreloser Himmelskörper.
Ich habe es Anorrom genannt. Denn Hoffnung und geistige Stärke sind alles, was uns noch bleibt.
*
Der Mann an der großen Schaltkonsole im Stützpunkt Imperium-Alpha starrte das Gesicht auf der Bildscheibe ungläubig an.
»Sie wollen ... was?!«
Der Mann auf dem Bildschirm schien nicht von der geduldigsten Sorte zu sein.
»Den Großadministrator sprechen!«, bellte er zornig. »Und je länger Sie da 'rumsitzen und mich anstarren wie einen dreiköpfigen Ochsen, desto kräftiger wird man Ihnen das Fell über die Ohren ziehen, sobald man dahinterkommt, wie begriffsstutzig Sie sind.«
Der Cheffunker fühlte sich bei seiner Ehre gepackt.
»Oho, Männchen, da wollen wir doch erst mal ...«
»Sie haben noch zehn Sekunden Zeit«, unterbrach ihn der ungemütliche Gesprächspartner, »dann gebe ich interplanetarischen Alarm, dass es in Ihrer Bude nur so rasselt.«
Der Funker holte tief Luft.
»Ich kapituliere vor Ihrer Skrupellosigkeit«, knirschte er verbittert, »vor sonst nichts. Außerdem verbinde ich Sie nicht mit dem Großadministrator, sondern mit dem Chef der Solaren Abwehr. Ich meine, er sollte sich um diesen Fall kümmern. Halten Sie den Kanal offen!«
Er drückte eine Serie von Schaltern. Das Bild erlosch. Ein anderes erschien. Es zeigte ein idealisiertes Abbild der Standarte der Solaren Abwehr. Eine Robotstimme erkundigte sich nach dem Begehr des Anrufers. Der Funker erklärte: »Dringender Hyperruf von Raumschiff ESTHER-X, auf Station im Asteroidenbereich. Bestimmt für den Großadministrator. Umleitung über Chef SolAb wird empfohlen.«
Eine Sekunde später verschwand das Symbol. Ein alles andere als verschwenderisch eingerichteter Arbeitsraum wurde sichtbar. Hinter einem Schreibtisch, der mit einer umfangreichen Schaltleiste ausgestattet war, saß ein Mann in mittleren Jahren. Der Funker setzte sich unwillkürlich zurecht, als er Solarmarschall Galbraith Deighton erblickte.
»Dringender Ruf von der ESTHER, Sir«, meldete er. »Kommandant ist ein Mann namens Muhinau. Er wünscht, den Großadministrator zu sprechen. Ich dachte ...«
»Schalten Sie ihn ein!«, befahl Deighton.
»Sofort, Sir!«
Auf dem Bildschirm, der in der Wand gegenüber Deightons Arbeitstisch installiert war, erschien das Gesicht eines Mannes, der die Sechzig noch nicht überschritten haben konnte. Entgegen der Mode trug er das Haar kurzgeschoren und verzichtete auf die Zierde eines Bartes. Er hatte dunkle, wache Augen. Er wirkte ernst, aber ein gewisses Etwas an der Art, wie er sein Gegenüber musterte, wies darauf hin, dass ihm der Sinn für Humor keineswegs abging.
»Einen schönen guten Abend, Herr Solarmarschall«, leitete das Bild auf der Mattscheibe die Unterhaltung ein. »Ich hoffe, Sie haben dort unten auch bessere Leute als das Kamel, mit dem ich bis vor kurzem zu tun hatte.«
»Muhinau!«, rief Deighton erfreut. »Mensch, Kerl und Genosse – Sie sollten eigentlich besser Bescheid wissen, als hier einfach anzurufen und den Großadministrator zu verlangen.«
»Warum? Haben Sie dort unten das alte Hofprotokoll wieder eingeführt? Zum Großadministrator hat nur Zutritt, wer mindestens Leutnant mit zwölf Dienstjahren oder Direktor einer Oberschule ist?«
»Lassen Sie den Unsinn, Professor«, wies Deighton ihn zurecht. »Sie wissen genau, wie das ist. Theoretisch hat jeder das Recht, Rhodan zu sprechen. Praktisch ist es eine andere Sache. Was gibt's bei Ihnen Wichtiges?«
»Etwas, das ziemlich genau in das Schema Ihrer Probleme passen sollte«, antwortete Professor Muhinau. »Wenn die Erde sich die Mühe machte, ihre im interplanetarischen Raum arbeitenden Forscher durch tägliche Nachrichtensendungen auf dem laufenden zu halten, hätte ich Ihnen schon vor geraumer Zeit behilflich sein können. So erfuhr ich jedoch erst heute von Ihrem Problem ...«
»Verzeihen Sie meine Begriffsstutzigkeit«, unterbrach ihn Deighton. »Von welchem Problem sprechen Sie eigentlich?«
»Ich meine die acht Psi-Charaktere, mit denen Sie sich seit einiger Zeit herumschlagen. Normalsynthos, glaube ich, nennt man sie.«
Deighton beugte sich nach vorne.
»In welcher Weise können Sie uns behilflich sein?«, fragte er, und der Klang seiner Stimme gab zu verstehen, dass er Muhinaus Anruf plötzlich höchste Bedeutung zumaß.
»Ich bin Zeutforscher, wie Sie wissen«, antwortete der Gelehrte. »In gewisser Hinsicht als Archäologe, der sich bemüht, die Geheimnisse des vor mehr als fünfzigtausend Jahren explodierten Planeten Zeut zu ergründen. Zur Zeit der Katastrophe hatten die Leute von Zeut zwei Planeten unseres Sonnensystems besiedelt – die Welt Zeut selbst und den Planeten Lemur, wie sie unsere Erde nannten. Eine ihrer Anlagen auf Lemur war das biophysikalische Labor, in dem der Wissenschaftler Vauw Onacro aufgefunden und die acht Normalsynthos erzeugt wurden. Die Anlage auf Lemur – oder sagen wir lieber: auf der Erde – war eine Produktionsstätte. Viele Jahre der intensivsten Forschung gingen der Errichtung der Produktionsstätte voraus. Die Forschung fand nicht auf der Erde statt, sondern hauptsächlich in einer Station, die bis zum Augenblick der Katastrophe einige Kilometer unter der Oberfläche des Planeten Zeut lag. Diese Station blieb wie durch ein Wunder erhalten. Ich habe sie gefunden, und in ihr Vauw Onacros Unterlagen.«
Galbraith Deighton gab sich keine Mühe, die Erregung zu verbergen, die ihn gepackt hatte.
»Wo?!«, stieß er hervor.
»Auf Anorrom.«
»Anorrom ...?«
»Ein Kunstwort, das Vauw Onacro selbst geprägt hat. Ano bedeutet Hoffnung, und Rom heißt Stärke, die Verdopplung des Mittelkonsonanten bedeutet soviel wie ›und‹, also Hoffnung und Stärke – ein schöner Name für ein Unternehmen, das inmitten tiefster Verzweiflung betrieben wurde.«
»Ich wollte, Sie drückten sich etwas deutlicher aus«, beschwerte sich der Solarmarschall.
»Ich spreche von einem Asteroiden«, erklärte Muhinau. »El-Em vierhundertundelf, um genau zu sein. Ein Felsstück von knapp einhundert Kilometern Länge auf ziemlich exotischer Umlaufbahn. Die Station befindet sich im Innern. Wir fanden sie vor einigen Wochen. Die ersten zehn Tage vergingen mit Vermessungen und Detailphotographie. Erst seit kurzer Zeit sind wir dabei, die alten Aufzeichnungen zu entschlüsseln. Was wir gefunden haben, weist darauf hin ...«
»Bleiben Sie am Kanal!«, unterbrach ihn Deighton. »Ich möchte Rhodan in diese Unterhaltung einschalten.«
Er drückte ein paar Tasten auf der Schaltleiste. Als einer der höchsten Beamten des Imperiums verfügte er über eine direkte Leitung zum Großadministrator. Perry Rhodans Gesicht erschien auf der Bildscheibe, die sich mit der Einschaltung des neuen Gesprächspartners in zwei Felder teilte, so dass der Wissenschaftler und Rhodan gleichzeitig zu sehen waren.
»Lorc Muhinau«, meldete Deighton ohne weitere Formalität. »Er hat etwas äußerst Wichtiges ...«
*
Zwei Stunden später startete die Korvette K-1055 von Terrania und schoss mit mörderischer Beschleunigung in Richtung des Asteroidenrings davon. An Bord befanden sich Perry Rhodan und eine Gruppe von Spezialisten, unter ihnen die Mutanten Ras Tschubai und Gucky und der Emotionaut Mentro Kosum. Der Planetoid LM-411, von Muhinau Anorrom genannt, war zur Zeit knapp 510 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. Bei einer Beschleunigung von 50.000 Gravo mit Vektorumkehr am Halbierungspunkt erreichte die K-1055 das Zielgebiet nach fünfunddreißig Minuten Standardzeit. Anorrom erwies sich als ein düsterer Gesteinsbrocken, der reglos im All zu schweben schien. Unweit davon hing Muhinaus Schiff, die ESTHER, ein anspruchsloser Kugelraumer von knapp einhundert Metern Durchmesser. Rhodans Korvette ging wenige Kilometer von der ESTHER entfernt, zehn Kilometer über der Oberfläche des Asteroiden, auf Parkposition. Als Landeplatz eignete sich Anorrom denkbar schlecht. Die geringe und zudem unregelmäßig verteilte Masse des Planetoiden erzeugte nur ein Minimum an Gravitation.
Muhinau hatte den Einstieg zur unterirdischen Forschungsstation durch Blinklichter markiert. Rhodan und Mentro Kosum bestiegen ein kleines Beiboot und setzten sich von der K-1055 ab. Muhinau hatte eine Schleuse in das Gestein gebrochen, die groß genug war, um das Boot aufzunehmen.
Der Wissenschaftler erwartete seine Besucher in der inneren Schleusenkammer. Rhodan und sein Begleiter entledigten sich ihrer Raumhelme. Die Kammer war zum Teil roh aus dem Felsen gehauen. Im Hintergrund jedoch zeigten die Wände deutliche Spuren der Bearbeitung. Muhinau, den Perry Rhodan bisher nur dem Namen nach kannte, entpuppte sich als ein mittelgroßer, breitschultriger Mann, dem es an Selbstvertrauen nicht zu mangeln schien. Er begrüßte den Großadministrator mit der Gelassenheit eines Gleichrangigen.
»Hier mündete einer der drei alten Eingangsschächte«, erklärte er, nachdem die Formalitäten der Vorstellung und Begrüßung erledigt waren. »Wir fanden ihn durch Lotung. Die obere Schachtmündung war durch sublimierten Gesteinsdampf verstopft. Von hier aus geht es unmittelbar in eines der biochemischen Laboratorien, in dem die alten Lemurer ihre grundlegenden Versuchsserien durchführten.«
Die Rückwand der Kammer glitt zur Seite. Ein hell erleuchteter Gang wurde sichtbar. In den Wänden zur Rechten und zur Linken gab es portalähnliche Türen.
»Die Energieversorgung der Station war lahmgelegt, als wir hier eindrangen«, erklärte Muhinau. »Als die Lemurer abzogen, schalteten sie die Generatoren aus. Wir brauchten nur den Hauptschalter zu finden, und schon war die Anlage wieder in Betrieb.«
»Wie weit kennen Sie sich hier aus?«, erkundigte sich Perry Rhodan.
»Wir kennen den Verwendungszweck der verschiedenen Laboratorien«, antwortete der Wissenschaftler. »Wir haben eine gründliche Vorstellung davon, wie Vauw Onacros Forschung verlief. Von seinen Forschungsresultaten haben wir vorerst allerdings nur nebelhafte Vorstellungen.«
Vor einer Tür auf der linken Seite des Ganges blieb er stehen. Die Tür öffnete sich so reibungs- und geräuschlos, dass man schwer an die fünfzigtausend Jahre glauben konnte, die seit ihrer Installierung verstrichen waren. Dahinter lag ein weiter, in hellen Tönen gehaltener Raum. Laborbänke aus blitzendem Plastikmetall beherrschten die Szene. Alles sah so aus, als hätten die, die hier arbeiteten, gestern Abend aufgeräumt und müssten jeden Augenblick zurückkehren, um ihren Dienst wieder anzutreten. Die Rückwand des Raumes bildete eine große Projektionsfläche.
»Die Einrichtung«, erklärte Muhinau, »entspricht dem Modernsten, was die irdische Technologie aufzuweisen hat. Unverzügliche Auswertung von Versuchsergebnissen durch elektronische Rechner, visuelle Beobachtung des Versuchsablaufes mit Hilfe einer Großflächenprojektion, ein rechnergesteuertes Informationssuchsystem zum Auffinden von Quellen der wissenschaftlichen Literatur, automatische Aufzeichnung des Versuchsablaufs und Festhaltung der Ergebnisse. Wer hier arbeitete, dem war das seltene Vergnügen zuteil, dass er seine Aufmerksamkeit ganz und gar auf seine Forschung konzentrieren konnte, ohne sich von Nebensächlichkeiten stören und ablenken zu lassen.«
»Wonach wurde hier geforscht?«, erkundigte sich Rhodan.
»Hier ging es um Versuche zur Beschleunigung des pränatalen Wachstumsprozesses. Wie Sie wissen, war es den Lemurern darum zu tun, die mörderischen Verluste an Truppen, die die Haluter ihnen zugefügt hatten, auf dem schnellsten Wege wiedergutzumachen. Der normale Wachstumsprozess war dazu zu langsam. Er musste beschleunigt werden. Als Vauw Onacro diese Forschungsstation einrichtete, waren die wichtigsten Vorarbeiten in dieser Hinsicht schon geleistet worden. Es gelang den Lemurern, den Reifeprozess vom befruchteten Ei bis zum geburtsfähigen Embryo ...«
»Wir sind darüber informiert«, unterbrach ihn Rhodan. »Die Aufzucht eines biologisch ausgereiften Menschen dauerte acht Wochen. Im Notfall, und mit nicht geringen Risiken für das Gelingen der Aufzucht, konnte die Zeitspanne bis auf fünf Tage verkürzt werden.«
Muhinau verzog das Gesicht zu einer enttäuschten Grimasse.
»Da glaubt man, den allerletzten Geheimnissen auf die Spur gekommen zu sein«, beschwerte er sich, »und dabei wissen die Leute auf der Erde schon über alles Bescheid.«
Im selben Augenblick fing die Luft unmittelbar neben dem Wissenschaftler an zu flimmern. In Sekundenbruchteilen bildeten sich die Umrisse einer Gestalt, die sich als das gigantische Produkt einer Kreuzung zwischen Maus und Biber entpuppte. Das eigenartige Wesen war etwa einen Meter groß und trug einen eigens für seine Größe angefertigten Raumschutzanzug, dessen Helm es jetzt lässig in den Nacken schob.
Muhinau war überrascht einen Schritt zurückgetreten. Ein wenig fassungslos starrte er die fremdartige Erscheinung an. Der Mausbiber machte eine spöttische Verneigung und sagte: »Gestatten, mein Name ist Gucky.«
Muhinau, vor einer Sekunde noch verblüfft, konterte elegant.
»Gucky ... wer? Ist das Ihr Vor- oder Nachname?«
Entrüstet wandte sich der Mausbiber an Perry Rhodan.
»Heh, dieser Typ behauptet, mich nicht zu kennen. Was sagst du dazu?«
»Ich bin sicher, er wollte sich nur für deinen ungewöhnlichen Auftritt revanchieren«, lächelte Rhodan.
»Das mag sein«, schmollte der Mausbiber. »Aber so einfach zu behaupten, dass er mich nicht kennt ...«
Unter der immer noch offenen Tür, die auf den Gang hinausführte, erschien die hochgewachsene, breitschultrige Gestalt eines Afrikaners. Auch er trug einen Raumanzug und hatte den Helm wie eine Kapuze auf den Schultern zusammengefaltet. Mit ernstem Gesicht trat er auf die Gruppe zu und stellte sich dem Wissenschaftler vor.