„Mit einer Person kann
ich sowohl einen Mann,
als auch eine Frau haben.
Das ist… perfekt!“
Jean Paul Gaultier
„girls game“ – meine erstaunliche
Reise in die Welt der Frauen
Deutsche E-Bookausgabe
Copyright © 2011 by Gatzanis Verlag
(Gatzanis GmbH), Stuttgart
Autor: Bernd Bitzer
Fotos: Claus Rudolph, Stuttgart
Gestaltung: Studio GOOD, Berlin
Satz & Lektorat: PRESSEBÜRO BITZER
Die Verwertung der Texte und Fotos, auch auszugsweise, ist ohne Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Verarbeitung mit elektronischen Systemen.
ISBN 978-3-932855-26-9
Blickwechsel
Als die ersten Astronauten die Erde aus bisher nie erlebtem Blickwinkel sehen konnten, traf es viele wie ein Schock.
Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond, fühlte sich „winzig und klein“, als er die Erde vollständig mit seinem Daumennagel abdecken konnte. „Ich habe die Welt nie wieder wie vorher gesehen“.
Und vielleicht braucht es genau diesen Blick eines „Ausserirdischen“, um uns die eigene, viel zu gewohnte Umgebung wieder mit ganz anderen, mit neuen Augen erleben zu lassen.
Hier ist eine erstaunliche Reise in eine für viele unbekannte Welt – die der Frauen.
Für Männer sowieso, für Frauen oft so tagtäglich, dass Chancen, jede Menge Spass und vielfältige Möglichkeiten erst durch einen völlig neuen Blickwinkel wieder zutage treten.
Hier ist er. Viel Vergnügen!
Von ganzem Herzen danke ich allen, die zu diesem Buch und meinem Leben beigetragen haben, sich teilweise darin wiederfinden und ganz sicher ihren besonderen Platz in meinem Herzen haben.
Andrea, Anja, Annette, Angie, Beatrice, Birgit, Catja, Christine, Claudia, Claus, Conny, Elke, Gisela, Hanne, Henriett, Helga, Jolly, Lilly, Kati, Klaus-Dieter, Lexi, Marc, Mareile, Mascha, Marlene, Mikel, Nadja, Natalie, Norbert, Norman, Peter, Polly, Rebecca, Sabine, Sarah, Sigi, Susanne, Suzan, Ursula u.v.a.
Natürlich hatte ich den Marsch hinter die feindlichen Linien intensiv geplant. Was man eben so macht, wenn man mal Journalist gelernt hat und Recherchieren zum täglichen Fastfood gehört. Bücher gelesen. Das Internet durchforstet. Fachleute befragt: „Keine Ahnung, was die da so treiben…“. „Weiss ich nicht, nie wirklich begriffen.“ „Kostet eine Menge und ich hab‘s beim letzten Mal glatt übersehen.“ Offensichtlich ein alles andere als einfaches Thema.
Nun, lassen wir auch die Gegenseite zu Wort kommen: „Mein Mann hat keinen Schimmer, was ich alles für ihn mache…“ oder „Das interessiert Männer einfach nicht“. Oft genug: „Mein Freund wird das, was ich denke und brauche nie wirklich begreifen. Und schon gar nicht verstehen“.
Ist es denn so schlimm?
Leben Männer und Frauen in so unterschiedlichen Welten, dass Verständnis füreinander eigentlich unmöglich scheint? Liesse sich denn durch tiefere Einblicke in diese unbekannte Welt womöglich etwas Entscheidendes ändern? Nun ja, vielleicht. Doch wie erschliesst man unbekannte Welten? Ganz richtig … genau wie Marco Polo, Kolumbus oder Captain Kirk das auch gemacht haben: Mann geht auf Expedition. Furchtlos. Unerschrocken. Unaufhaltsam.
Glücklicherweise hatte ich keine Ahnung von dem, was da alles auf mich zukam.
Nur keine Fehler machen. Nicht wie ein dummer Tourist in die sicherlich zahlreichen Verhaltensfallen auf fremdem Terrain stolpern. Ich brauchte einen Reiseführer, eine Art Scout. Gewieft, erfahren, mit allen Feinheiten vertraut. Mehr als nur eine Frau... eine „Fraufrau“ sozusagen. Eine Lesbe eben. Und im Netz der unbeschränkten Möglichkeiten hatte ich deren Zentrale auch sofort entdeckt.
Mein allererster Besuch im „Frauenprojektehaus“ der Nachbarstadt. Eine Total-Premiere. Treffe im fast leeren, irgendwie so gar nicht weiblich-wohligen Gebäude auf einige, sofort sehr nervöse Lesben, spürbar erschrocken angesichts des grossen, schwarz gewandeten Eindringlings, der sich auch noch so unerwartet freundlich gibt. Und noch erschrockener auf die Frage reagieren, ob denn heute auch das Thema „Transsexualität“ vielleicht eines wäre, so wie im Internet angekündigt?
Oh nein, nein, heute Abend stünde mangels Teilnehmern ein lockerer Quiz-Abend auf dem Programm. Aber auch der wäre, leider, leider nur für Frauen. Mit einem weiteren, flackernden Seitenblick auf meinen langen schwarzen Mantel, schwarzen Jeans und 194 sehr aufrechten männlichen Zentimeter.
Und dann, fast verschämt: „Ja, wenn ich mehr wie eine Frau aussehen würde, tja, dann vielleicht…“
Ich bin erst verblüfft, dann belustigt. Also doch nur eine Frage des Äusseren?
Ich lege noch einen Gang zu, zücke die grosse schwarze Brieftasche und lege ein paar meiner schönsten Bilder meiner „anderen Erscheinungsform“ auf den Kaffeetisch. Es folgt ein ungläubiger Augenaufschlag der im Vergleich dazu sehr, sehr männlichen Torwächterin: „Uhhhhhhh, jaaa, also, aber die Zuständige wäre heute leider nicht da und deshalb, also, dann, ja, nein…“
Ich rette sie und die Situation und frage mit meiner tiefsten und charmantesten Stimme nach einer Mailadresse der Zuständigen, die sie mir mit zittriger Schrift auf ein Zettelchen malt. Mit herzlichem Dank und freundlichstem Lächeln überlasse ich den Mädels ihr Refugium.
Fester Abgang.
Schmunzelnd.
Irgendwie ist es ja auch menschlich… weshalb sollte die eine „Randgruppe“ für die andere mehr Verständnis aufbringen? Auch wenn die erstmal noch nicht nach einer aussieht…
Wäre sicher schön, wenn es so wäre. Aber fürs Erste bin ich doch einigermassen ernüchtert.
Ich hätte etwas anderes erwartet. Bin mir aber nicht sicher… was?
Nachdem der Paketkurier diesmal gleich zwei gewaltige Pakete angeliefert hatte und dafür sogar einen zweiten Mann als Verstärkung brauchte (na ja, sah’ noch nach sehr jungem Mann, vermutlich Sohn aus, der die Botenfirmen-Umhängeplakette wie eine olympische Goldmedaille vor sich her trug und Papa alle Pakete selber schleppen liess) ist mal wieder ein ganz besonderer Feiertag: auspacken, anprobieren, kombinieren, kopfschütteln, wieder einpacken. Oder… begeistert neue Schätze einsortieren. Meine neue Lieblingsbeschäftigung. Eine von vielen.
Irgendwie haben sich diverse Dienstleister schnell an den neuen Namen gewöhnt, den ich selbstbewusst auf allen Bestellungen eintrage. Solange mein männliches Ich die mittlerweile horrenden Rechnungen brav bezahlt, wohl kein Problem. Wobei ich da doch allmählich auf die Bremse treten muss. Irgendwann übersteigen die vielen Stellen vor dem Komma sicher auch meine männliche Toleranzgrenze.
Aber erstmal ist es wieder wie Weihnachten und Ostern zusammen. Aus vielen Schachteln und Kartons quellen wunderschöne Stiefelchen, ein herrliches rotes Designerkleid aus Frankreich, flauschige Strickpullis in Grau-Melange, seidige Unterwäsche in rauhen Mengen, bunte Halstücher in allen restlichen Farben dieser Welt… ein herrlicher Kaufrausch! Delirium! Glücksgefühl!
Gemeinerweise passen alle „Auswahl“-Schuhe wie für mich gemacht, die fixen Quervergleiche mit dem sich rasend schnell füllenden Kleiderschrank bringen unerwartete Kombinationen zum Vorschein, ein Gürtel passt plötzlich zur dunkelbraunen Ledertasche, die ich doch eigentlich nur zur Ansicht bestellt habe, der wunderweiche Pullover fühlt sich dermassen angenehm an, dass ich ihn gar nicht mehr ausziehen möchte und so wird minutenschnell aus fast leerem Kleiderschrank komplexes Kleiderschrankgedränge.
Heisst: mehr Platz! Meine Anzüge rücken erschrocken ganz nahe zusammen. Das fängt ja gut an…
Und hört damit noch lange nicht auf. Ich hatte meine neuen, bereits prallvollen Schuhschränke übersehen. Aber nur kurzzeitig. Denn jeder Kauf löst ja auf der Stelle einen weiteren aus. Äusserst interessanter Zusammenhang. Zum Minikleid in diesem unbeschreiblichen Schlammton muss ein exakt vorherbestimmtes Paar Stiefel, das ich doch tatsächlich mitten in der Stadt entdeckt habe – in meiner Grösse!
Un-glaub-lich! Muss ich haben!
Jetzt würde ich meine Seele für einen exakt passenden Gürtel eintauschen. Aber die nervzerfetzende Suche dauert nun schon Wochen...
Hmmmm, habe ich schon von meiner wundervollen Tasche erzählt? Ohne die es nicht mehr geht? Die unbedingt sein musste?
Mache ich später irgendwann – jetzt muss ich dringend nochmal weg. Gerade einen heissen Tipp von einer Freundin bekommen: da soll es so einen ganz neuen Laden geben, in dem sie irgendetwas gesehen hat, das ungefähr so aussah wie, ja wie genau?
Allmählich kann ich mir manch‘ dunklen Augenring erklären.
Lidschatten war das in keinem Fall.
Eines hat mein Beruf allen anderen voraus. Er steht zwar im Ansehen im Vergleich zu Ärzten oder Müllmännern ziemlich regelmässig an absolut letzter Stelle, offeriert im Gegensatz dazu aber unendlich viele, manchmal sogar recht wertvolle Einsichten.