Nr. 779
Gucky und der Grauvater
Generationswechsel auf dem Planeten der Feyerdaler – der neue Regent soll geboren werden
von ERNST VLCEK
Die Erwartungen, die Perry Rhodan nach vierzigjähriger Weltraumodyssee an die Rückkehr in die Heimatgalaxis der Menschheit knüpfte, wurden bitter enttäuscht. Und nachdem der 80-Jahresplan, der Befreiungsplan von der Gewaltherrschaft der Laren, initiiert wurde, verlässt die SOL, mit Atlan an Bord, Anfang des Jahres 3582 wieder die Galaxis.
Der Rückflug geht viel schneller vonstatten, und im April 3582 ist es soweit! Perry Rhodans Generationenschiff erreicht den Mahlstrom der Sterne – doch die Erde ist durch den Schlund gegangen und verschwunden.
Ovarons Planet, die Welt der Frauen, wird für die Solaner zur Raststation vor dem erneuten Aufbruch zur großen Suche, die Anfang August 3582 aufgenommen wird.
Nach der Begegnung mit dem Boten von ES, der erklärt, dass es notwendig sei, die Erde schnellstens zu finden, handelt Perry Rhodan sofort. Die SOL verlässt den Mahlstrom der Sterne, und die Solaner nehmen Kontakt auf mit den Tbahrgs, die etwas über den Verbleib des Planeten Terra zu wissen scheinen.
Von den Tbahrgs führt die Spur weiter zu den Feyerdalern, die dem Volk der Tbahrgs übergeordnet sind. Daher fliegt die SOL auch gegen Ende September 3582 den Planeten Kursobilth an, eine Welt der Feyerdaler.
Hier steht ein Generationswechsel bevor, der in eine Katastrophe zu münden droht.
Nur der Mausbiber kann helfen, wenn er in einem parapsychischen Kampf Sieger bleibt – im Kampf: GUCKY UND DER GRAUVATER ...
Die Hauptpersonen des Romans
Gucky – Der Mausbiber wird Vater.
Perry Rhodan – Der Terraner erlebt einen kühlen Empfang auf dem Planeten der Feyerdaler.
Danjsher – Der letzte der Discorer findet in Gucky einen wahren Freund.
Coopter – Polizeichef von Kursobilth.
Der Grauvater – Ein Unbekannter greift nach der Seele eines Ungeborenen.
Der Grauvater begann ungeduldig zu werden.
Die Prozession der 20.000 Väter bewegte sich viel zu langsam vorwärts. Es gab nur ein einziges Tor, durch das man ins Tal des Lebens gelangen konnte. Und dieses wurde von der GALANSCH bewacht. Die Sicherheitsbeamten kontrollieren jeden Vater einzeln.
Der Grauvater blickte sich um. Die Leute waren aus allen Teilen von Kursobilth gekommen, um dem Zeremoniell beizuwohnen. Und die Massenmedien übertrugen das Schauspiel.
Je näher der Grauvater dem Tor kam, desto größer wurde seine Erregung. Aber er brauchte nicht zu befürchten, dass ihn das Leuchten seiner Augen verriet. Die Augen der anderen Väter glühten ebenfalls, wenn auch aus einer anderen Art von Erregung.
Er hatte das alles schon einmal mitgemacht. Vor einer Generation. Und die Prozedur hatte sich seit damals nicht geändert. Er zweifelte auch nicht daran, dass er auch diesmal die Detektoren würde täuschen können. Wenn er überhaupt etwas fürchtete, dann den Augenblick, wenn er der Volksmutter in die Augen blicken musste.
Die Sh'majino war die einzige, die den Grauvater entlarven konnte. Gegen alles andere hatte er sich abgesichert.
Endlich erreichte er das Tor zum Tal des Lebens.
Der Vater vor ihm wurde von dem Geschworenen gefragt: »Bist du reinen Geistes und willens, all dein Wissen und deine guten Eigenschaften auf das Kind zu übertragen?«
»Ja – ich bin es und ich will.«
»Dann werde sein geistiger Vater.«
Jetzt kam die Reihe an den Grauvater.
Er steckte seine Hand bis zum Gelenk in die Öffnung des Detektors. Die Dichtung schloss sich um sein Handgelenk. Er verspürte in den Fingerspitzen ein leichtes Kribbeln, als von den Kontakten elektrische Ströme auf sie übersprangen. Der Detektor summte kaum hörbar.
»Bist du reinen Geistes und willens, all dein Wissen und deine guten Eigenschaften auf das Kind zu übertragen?«
Der Grauvater begegnete dem forschenden Blick des Geschworenen gelassen; seine Erregung war wieder abgeklungen.
Er antwortete in der traditionellen Weise: »Ja – ich bin es und ich will.«
Der Beamte blickte auf eine Anzeigentafel des Detektors. Dann drückte er eine Taste. Die Hand des Grauvaters wurde freigegeben. Der Geschworene sagte stereotyp: »Dann werde sein geistiger Vater.«
Der Grauvater durfte passieren.
Er ging durch das Tor und sah vor sich die trichterförmige Senke, deren seichte Hänge mit Kräutern bewachsen waren. In der Mitte des kegelförmigen Tales, an der tiefsten Stelle, stand das verdunkelte Geburtshaus. Dort war die Sh'majino untergebracht.
Und die Väter standen vor dem Gebäude in einer langen Schlange an. Sie mussten der Mutter ihre Aufwartung machen. Gleichzeitig war das die letzte Prüfung, und davor hatte der Grauvater etwas Angst.
Er hatte davon gehört, dass manche Sh'majinos intuitiv Väter erkannten, die ihren Ungeborenen schaden wollten. Doch das hing vor allem von der Geisteskraft der Mutter ab. Und natürlich auch von den Fähigkeiten des Grauvaters.
Er vertraute seinen Erfahrungen. Außerdem war er einer von 20.000. Wenn er der Sh'majino gegenübertrat, dann waren vor ihm schon einige tausend Väter an der Reihe gewesen. Die Aufmerksamkeit der Mutter würde längst schon nachgelassen haben.
Der Grauvater entledigte sich seiner Kleider und band sie zu einem Bündel, das er zwischen den Kräutern verstaute. Ihn fröstelte leicht, doch ließ er sich nichts anmerken. Niemand durfte sehen, dass ihm kalt war. Das hätte ihn verraten können.
Denn während die anderen Väter Wärme in Überfluss verströmten, war der Grauvater eiskalt.
Die anderen 19.999 Väter wollten Liebe, Güte und Weisheit schenken. Der Grauvater dagegen wollte dem Ungeborenen das geballte Böse zum Präsent machen, es durch sein minderes Denken vergiften.
Er war geradezu prädestiniert, ein Grauvater zu sein, denn ihm hatten schon viele Minderkinder ihre Existenz zu verdanken ...
1.
Als Perry mir den Auftrag gab, mich um das Wohl der beiden Feyerdaler Hommersolth und Kordahl zu kümmern, ahnte ich noch nicht, welche Schwierigkeiten das mit sich bringen würde. Schließlich glaubte ich zu diesem Zeitpunkt noch, dass sich die beiden mit einem Rundgang durch die SOL zufriedengeben und dann zu ihrem Stützpunkt auf dem Mond Sh'donth zurückkehren würden.
Trotzdem wäre alles noch relativ einfach gewesen, wenn ich mir bei kniffligen Fragen die Antwort telepathisch von den Feyerdalern geholt hätte. Dann wäre es zu keinen Missverständnissen gekommen.
Aber Perry hatte mir in geradezu beleidigender Weise klargemacht: »Ich erwarte von dir, dass du dich an die Regeln der Gastfreundschaft hältst und nicht in den Gedanken unserer Gäste schnüffelst.«
Da ich ein ziemlich dickes Fell habe, schluckte ich die Beleidigung kommentarlos und brachte den Einwand vor: »Aber wenn es sich in einer Situation als notwendig erweist ...«
»Nein!«
»Ich meine doch nur, dass es vielleicht keine andere Möglichkeit gibt, die Wünsche der Feyerdaler zu ergründen, als ...«
»Ich denke doch, dass ich mich klar genug ausgedrückt habe!«, sagte Perry unerbittlich. »Trachte danach, ihre Wünsche zu erfüllen. Zeige ihnen die technischen Anlagen der SOL, lass ihnen vom Fachpersonal alles erklären und beantworte jede ihrer Fragen wahrheitsgetreu. Ich möchte nicht, dass die Feyerdaler glauben, wir hätten irgendwelche Geheimnisse vor ihnen. Es hängt einiges für uns davon ab, dass sie uns bedingungslos vertrauen. Ist das klar, Gucky?«
»Jawohl, sonnenklar«, antwortete ich grollend.
Bevor ich zur Hauptschleuse des SOL-Mittelstücks teleportierte, von wo die Exkursion ihren Anfang nehmen sollte, versuchte Roi Danton mich zu trösten.
»Perry hat das gar nicht so gemeint. Wahrscheinlich will er nur nicht, dass die Feyerdaler sofort über deine Fähigkeiten Bescheid wissen.«
»Ach wirklich? Wo er doch keine Geheimnisse vor ihnen haben will?«, erwiderte ich sarkastisch und entmaterialisierte.
Danach war mir wohler. Nicht, dass mich Perrys Bemerkung wirklich gekränkt hätte. Ich bin schließlich in meinen Äußerungen auch nicht gerade wählerisch. Doch manchmal wünsche ich mir, dass man mir etwas Ernst entgegenbringt. Es gibt Augenblicke, da wollen selbst Spaßmacher besinnlich sein. Aber darum kümmert sich niemand. Wer fragt schon, wie es in mir aussieht?
Ich materialisierte bei der Hauptschleuse und kam gerade zurecht, um zu sehen, wie die beiden Feyerdaler mit einem Gleiter der Tbahrgs landeten. Sie hatten ihrem Stützpunkt auf Sh'donth einen Besuch abgestattet, um irgendwelche Aufgaben zu erledigen.
Jetzt hatten sie Zeit für uns.
Hommersolth und Kordahl waren nach ihrer eigenen Aussage die einzigen Feyerdaler im Sonnensystem Mytharton, das von den Tbahrgs bewohnt wurde. Inzwischen wussten wir, dass das Volk der Tbahrgs den Feyerdalern untergeordnet war und Hommersolth und Kordahl übten im Mytharton-System eine Führungs- und Kontrollfunktion aus.
Ihr Wort war für die Tbahrgs Befehl.
Äußerlich unterschieden sich beide Völker durch gravierende Körpermerkmale voneinander, wenngleich sie als humanoid gelten konnten. Im Gegensatz zu den Tbahrgs, die groß, schlank und grazil waren, wirkten die Feyerdaler mit ihren kleinen, gedrungenen Körpern, den stämmigen Beinen und den langen, muskulösen Armen geradezu plump.
Irgendwie erinnerten sie in ihrer Gestalt an die Überschweren der Milchstraße.
Ihre fast kugeligen Schädel saßen auf einem kurzen Hals. Die Gesichter erinnerten an den terranischen Gorilla, welchen Eindruck vor allem die stumpfe Nase und das Raubtiergebiss hinter hornigen Lippen hinterließ. In krassem Gegensatz dazu standen jedoch die Gehörorgane, die aus feinsten Nervenfasern bestanden und die als verästeltes Gespinst an Stelle der Ohren in die Höhe standen.
Die Augen waren oval und riesig und zogen sich seitlich bis über die Schläfen, wo sie eine leichte Krümmung nach oben zeigten. Es waren faszinierende Augen mit einer fast hypnotischen Wirkung, in denen ein grünliches Feuer loderte, das in Momenten der Erregung zu einem unerträglichen Gleißen wurde.
Ihre Haarlosigkeit und ihre tiefschwarze, lederartige Haut verstärkte die Fremdartigkeit dieser Lebewesen.
Obwohl es gewisse äußerliche Parallelen zu den Tbahrgs gab, die auf die gleiche Abstammung schließen ließen, waren die Feyerdaler das zweifellos ältere Volk. Sie besaßen eine höherstehende Technik und dominierten auch sonst in jeder Beziehung über die Tbahrgs.
Obwohl wir bis jetzt erst diese beiden Völker kennengelernt hatten, schien es keinen Zweifel daran zu geben, dass die Feyerdaler die führende Macht in der Galaxis Dh'morvon waren.
Nach ihrer eigenen Aussage, waren sie die Beauftragten der »Kaiserin von Therm«. Wer oder was auch immer hinter diesem Begriff stehen mochte, es war der Name für eine Superintelligenz vom Rang des ES.
Die beiden Feyerdaler kamen mit einer Antigravplattform in die Schleuse des SOL-Mittelteils geschwebt. Jeder von ihnen hatte einen Translator umhängen, wie ihn auch die Tbahrgs benutzten. Hommersolth, der um eine Spur kleiner war als Kordahl, trug ein zusätzliches Gerät, das sofort meine Aufmerksamkeit erregte.
Es war ein etwa zwanzig Zentimeter langes Oval, ziemlich flach und hatte eine vielfach durchlöcherte Oberfläche. Aus dem oberen Ende ragte ein Griff heraus, den Hommersolth mit den vier Fingern umfasst hatte, während er die beiden Daumen an die Seiten presste, wo sich eine Art Tastatur befand.
Ich begrüßte die Feyerdaler und erklärte ihnen, dass mich Perry als ihr Führer durch die SOL zur Verfügung gestellt hatte.
Hommersolth hob das ovale Gerät und fragte über seinen Translator: »Ist es uns erlaubt, Aufzeichnungen zu machen?«
»Klar. Fühlt euch nur wie zu Hause. Wir haben keine Geheimnisse vor euch. Wo wollen wir mit der Besichtigung beginnen? Im Maschinenraum? In der Rechenzentrale?«
Die beiden Feyerdaler wechselten einen stumpfen Blick – damit meine ich, dass ihre Augen etwas von ihrem Glanz verloren. War das Ausdruck ihrer Enttäuschung?
»Das überlassen wir Ihnen«, sagte Kordahl.
Ich zuckte zusammen.
»Au, das tut meinen Ohren weh«, entfuhr es mir unwillkürlich.
»Ist etwa mein Translator übersteuert, dass Sie ...?«, erkundigte sich Kordahl besorgt, doch ich unterbrach ihn.
»Dieses förmliche Sie schmerzt meine Ohren«, erklärte ich. »Es gibt kein Wesen im Universum, mit dem ich per Sie bin.«
»Dann sagen wir doch du zueinander«, meinte Hommersolth.
*
Ich glaube, ich war den beiden Feyerdalern ein guter Führer, zumindest war ich bemüht, mein Bestes zu geben. Wenn doch nicht alles zu ihrer Zufriedenheit lief, lag es einfach daran, dass ich nicht wusste, was sie wollten. Von den Augen konnte ich ihre Wünsche schließlich nicht lesen, und aus ihren Gehirnen durfte ich nicht.
Ich führte sie zuerst in den Maschinenraum, ließ ihnen vom Chefingenieur das Prinzip der Normaltriebwerke ebenso wie der Ferntriebwerke erklären. Sie sagten »interessant« und »faszinierend« und lauschten scheinbar aufmerksam, als sie auch über die Beschleunigungswerte und Reichweite der Triebwerke informiert wurden und erschöpfende Auskunft über die Treibstoffprobleme erhielten.
»Sehr aufschlussreich«, meinte Hommersolth, und der Glanz seiner Augen wurde ein wenig trüb.
Ich schleppte die Feyerdaler durch die wissenschaftlichen Abteilungen, zog die Wissenschaftler der verschiedensten Fachgebiete heran und ließ sie erschöpfend über ihre Tätigkeiten referieren. Hommersolth und Kordahl lauschten mit höflichem Interesse, doch es kam kein Glanz in ihre Augen.
In der Hoffnung, dass ihnen das Gebiet der Medizin mehr zusagte, führte ich sie auf die Medostation. Wieder dasselbe Ergebnis. Die Feyerdaler lauschten dem Arzt, der ihnen sämtliche Instrumente und Hilfsmittel vom Skalpell über die Medoroboter bis zu den Herz-Lungenmaschinen erklärte und zwischendurch auf Weltraumkrankheiten zu sprechen kam. Bevor er auf die Gefahren auf fremden Welten überleiten konnte, brachte ich Hommersolth und Kordahl schnell in Sicherheit.
Ihre Augen waren nun völlig glanzlos.
»Ich habe das unbestimmte Gefühl, dass euch diese Exkursion wenig Freude bereitet«, sagte ich geradeheraus.
»Wir finden alles wirklich hochinteressant«, behauptete Kordahl.
Da war nichts zu machen. Sie waren viel zu höflich, um zuzugeben, dass sie sich langweilten. Meine letzte Rettung war die Rechenzentrale mit dem SENECA/Shetanmargt-Rechenverbund. Wenn ich schon nicht aus den Gedanken der Feyerdaler erfahren konnte, was sie an der SOL interessierte, dann würden vielleicht Dobrak und seine Kelosker dies berechnen können.
Auf dem Weg zum Rechenzentrum kamen wir auch durch die Freizeitsektion mit den verschiedenen Vergnügungsstätten. Hier war immer etwas los.
»Ah, hier pulsierte das Leben auf der SOL«, stellte Hommersolth fest, und es blitzte in seinen Augen auf. »Dieser Teil des Schiffes scheint so etwas wie die ›Glücksstadt‹ der Tbahrgs zu sein.«
Um von ihm nicht auf eine Stufe mit den Tbahrgs gestellt zu werden, sagte ich zur Verteidigung der Terraner: »Nicht ganz. Um sich zu vergnügen, brauchen Menschen nicht erst aufgeladen zu werden. Hinzu kommt noch, dass ihr Geschlechtstrieb nicht zyklenbedingt ist.«
Kordahl ließ seine Gehörnerven vibrieren.
»Das haben wir bereits von Galto Quohlfahrt erfahren.«
»Nun«, schränkte ich ein. »Galto ist vielleicht auch nicht der richtige Maßstab. Nicht alle Menschen haben, so wie er, nichts als Sex im Kopf.«
»Ah«, machte Hommersolth verstehend, »seine so genannte Pickelhaube ...«
»Nein, das war anders gemeint.« Ich wechselte schnell das Thema. »Machen wir besser, dass wir in die Rechenzentrale kommen.«
Ich hätte merken müssen, dass die Feyerdaler über diese Aussicht nicht recht erfreut waren.
Da die beiden Feyerdaler einen Freipass fürs ganze Schiff hatten, war es für uns nicht weiter schwierig, die Kontrollen zu passieren und in die Rechenzentrale zu gelangen.
Ich war erleichtert, Dobrak und einen Teil seiner Kelosker anzutreffen.
»Dobrak, wärest du so nett, unseren beiden Freunden aus Dh'morvon das Prinzip des Rechenverbunds zu erklären«, bat ich den Rechenmeister.
Dobrak legte los. Ich hörte erst gar nicht hin, weil ich von Dobraks Erklärungen sowieso nicht den Bruchteil verstand. Ich wusste nicht, wie es den beiden Feyerdalern erging, als Dobrak sich über n-dimensionale Mathematik ausließ, denn sie verzogen keine Miene.
Ich kapselte mich jedenfalls davon ab, ließ meine Gedanken abschweifen, streckte meine telepathischen Fühler aus ... Und da erhaschte ich einen Gedankenzipfel Kordahls – ganz und gar ungewollt, muss ich hinzufügen.
Bei den Minderkindern! Wir wollen Menschen kennenlernen und nicht ...
Das war es also!
Im selben Moment verstummte Dobrak.
»Ich dimensioniere, dass ich Sie langweile«, sagte er zu den Feyerdalern. »Das tut mir leid. Aber ich musste erst berechnen, dass Sie gar nicht an der Technik, sondern mehr an der soziologischen Struktur an Bord interessiert sind.«
»Das haben Sie endlich erkannt?«, rief Hommersolth erfreut.
Ich riskierte noch einen spionierenden Gedanken und erfuhr so, dass es ihm nur seine Höflichkeit verboten hatte, gegen meinen Fremdenführerstil aufzubegehren; die Feyerdaler befürchteten, gegen irgendwelche Tabus zu verstoßen.
»Ich muss Sie aber warnen«, sagte Dobrak. »Die soziologische Struktur auf der SOL sagt nichts über die menschliche Zivilisation aus. Auf dem Schiff herrschen Extrembedingungen, wie Sie sie im Universum der Terraner sonst nirgends finden.«
»Eben diese Extremsituation – dass Menschen verschiedenster Abstammung und mit unterschiedlichen Weltanschauungen und Fremdwesen auf engstem Raum und über eine so lange Zeitspanne zusammenleben – erscheint uns besonders interessant«, erklärte Kordahl. »Daraus lassen sich wertvollere Schlüsse ziehen als aus nüchternen technischen Angaben. Das Geschöpf macht die Zivilisation, der Geist, der hinter den Errungenschaften steht.«
»Der Geist ist viel unberechenbarer als eine mathematische Gegebenheit«, erklärte Dobrak. »Ich würde eine solche Methode als n-dimensionale Antiklimax bezeichnen.«
»Ach?«, meinte Kordahl, nachdem der Translator ihm Dobraks Sermon übersetzt hatte.