Nr. 787
Die Stunde des Rebellen
Er verliert eine Schlacht – doch er gewinnt eine neue Chance für sein Volk
von Ernst Vlcek
Die Erwartungen, die Perry Rhodan an die Rückkehr in die Heimatgalaxis der Menschheit knüpfte, wurden bitter enttäuscht. Und nachdem der 80-Jahresplan, der Befreiungsplan von der Gewaltherrschaft der Laren, initiiert wurde, verlässt die SOL, mit Atlan an Bord, Anfang des Jahres 3582 wieder die Galaxis.
Der Rückflug geht viel schneller vonstatten, und im April 3582 ist es soweit! Perry Rhodans Generationenschiff erreicht den Mahlstrom der Sterne – doch die Erde ist durch den Schlund gegangen und verschwunden.
Nach der Begegnung mit dem Boten von ES, der erklärt, dass es notwendig sei, die Erde schnellstens zu finden, handelt Perry Rhodan sofort. Die SOL verlässt den Mahlstrom der Sterne und erreicht die Galaxis Dh'morvon, wo die Solaner es nach vielen Abenteuern im All und auf fremden Welten schließlich schaffen, ihre Chancen, die Erde wieder aufzufinden, zu verbessern.
Das Jahr 3582 ist bald um, als Perry Rhodan ersten Kontakt mit der mysteriösen Kaiserin von Therm aufnehmen kann, von der er den neuen Standort der Erde zu erfahren hofft, sobald er einen wichtigen Auftrag der Kaiserin erfolgreich erledigt hat.
Doch gerade diese Mission ist es, die Perry Rhodan und seine Solaner in Schwierigkeiten bringt. Die Feyerdaler, bisher in allen Belangen treue Diener der Kaiserin, begehren auf, dass Fremde etwas erledigen sollen, was in ihren eigenen Aufgabenbereich fällt.
Tehlarbloe, der feyerdalische Rebell, schlägt los, als die SOL im Kaylaandor-System erscheint. Er hält seine Stunde für gekommen – DIE STUNDE DES REBELLEN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Perry Rhodan – Der Terraner besucht den Berührungskreis von Blotgrähne.
Galto Quohlfahrt – Der Posbifreund hat Pech in der Liebe.
Tehlarbloe – Ein Rebell wird zum Erneuerer.
Atlan – Der Arkonide stellt ein Ultimatum.
Ras Tschubai und Gucky – Perry Rhodans Befreier werden zu Gefangenen.
1.
Das Außenschott des Leichten Kreuzers schloss sich gleichzeitig mit dem Innenschott – und dazwischen standen Dr. Calau und ich. Wir waren in der Luftschleuse gefangen.
Das hatte ich wieder genial eingefädelt!
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte Dr. Calau unbehaglich.
»Ach, da wird mir schon etwas einfallen«, sagte ich gedehnt.
»Gibt es denn keine Möglichkeit, uns aus dieser misslichen Lage zu befreien?«, fragte Dr. Calau.
Ich schüttelte mit falschem Bedauern den Kopf.
»Der Start ist nicht mehr rückgängig zu machen. Wir müssen bis zur Landung auf Blotgrähne warten.«
»Das ist ja schrecklich!«
»Nur ein bisschen eng«, widersprach ich. »Aber wenn wir auf Tuchfühlung bleiben, vergessen wir leichter, dass wir nur durch ein Schott von der Unendlichkeit des Alls getrennt sind.«
Dr. Calau lehnte sich fröstelnd an mich.
Meine Rechnung schien aufzugehen!
Als ich die Namen derjenigen erfahren hatte, die Rhodan bei seinem Unternehmen begleiten sollten, machte ich mich sofort daran, das Innenschott der Luftschleuse zu präparieren. Wir gingen knapp vor dem Start an Bord, und ich richtete es so ein, dass Dr. Calau und ich den Abschluss bildeten. Durch meine kleine technische Spielerei geschah es, dass sich mit dem Außenschott auch gleichzeitig das Innenschott schloss, so dass wir in der Luftschleuse gefangen waren.
Inzwischen war der Countdown abgelaufen, und der Leichte Kreuzer HAVAMAL hatte den Hangar der SOL verlassen.
»Wie lange wird der Flug dauern?«, erkundigte sich Dr. Calau.
»Bestimmt an die drei Stunden«, antwortete ich. »Aber keine Sorge, uns wird es nicht langweilig werden. Erzählen Sie mir etwas über Ihr Fachgebiet, die Astronomie.«
»Galto, bist du noch am Leben?«, ertönte da eine besorgte Posbi-Stimme im Empfänger meiner Pickelhaube. Gleichzeitig wurde von der anderen Seite gegen das Innenschott geklopft. »Halte aus, Galto, wir werden alles unternehmen, um dich so schnell wie möglich zu befreien. Es wird nicht lange dauern ...« Ich wusste es natürlich besser, denn ich hatte die Fehlerquelle so raffiniert untergebracht, dass sie nicht so schnell zu finden war.
»Macht euch um mich nur keine Sorge«, sagte ich über Sprechfunk. »An Langeweile werde ich bestimmt nicht sterben, denn ich befinde mich in angenehmer Gesellschaft.«
»Galto!«, rief der Posbi entsetzt aus. »Wir wissen, dass die Person, mit der du in der Luftschleuse eingeschlossen bist, weiblichen Geschlechts ist. Sei nur ja vorsichtig. Halte Distanz. Vermeide jede Berührung. Verhülle dein Gesicht mit dem bakteriziden Atemschutz, den du bei dir trägst. Halte dich nur ja von der Frau fern, Galto!«
»Selbstverständlich«, versicherte ich und legte meinen Arm um Pia Calaus Schulter. Sie ließ es lächelnd geschehen. Ich versuchte mir gerade darüber klar zu werden, ob ihr Lächeln eine Aufforderung war, oder ob sie nur den Ernst der Lage noch nicht erkannt hatte, als sich Rhodan über die Rundrufanlage meldete.
»Ist bei Ihnen alles in Ordnung, Galto?«, fragte er mit seltsamem Unterton. Und ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Leider können wir im Augenblick nichts für Sie tun. Wir können den Schaden nur beheben, wenn wir auch das Außenschott öffnen. Sie werden sich also bis zur Landung auf Blotgrähne gedulden müssen. Aber das überrascht Sie wahrscheinlich gar nicht.«
»Wieso? ... Ich ... wie sollte ich wissen ...«, stotterte ich.
»Dr. Calau!«, schnitt mir Rhodan das Wort ab, indem er sich an die Astronomin wandte. »Wenn Ihnen Ihre Lage unbehaglich ist, sagen Sie es frei heraus. Wir würden dann zur SOL zurückkehren.«
»Danke, das ist nicht nötig«, erwiderte sie. »Als Solgeborene fühle ich mich dem Weltraum verbunden. Schlimmer wäre es, der freien Natur eines Planeten ausgesetzt zu sein.«
»Es freut mich, dass Sie es mit Fassung tragen«, sagte Rhodan. »Es ist notwendig, dass ich Ihnen allen vor unserer Landung auf Blotgrähne die Hintergründe für unser Unternehmen erkläre. Einige Details werden Ihnen wahrscheinlich bekannt sein, aber selbst diejenigen, die die Zusammenhänge kennen, bitte ich um Aufmerksamkeit. Das gilt auch für Sie, Galto!«
»Ich bin ganz Ohr, Sir«, versicherte ich und zog schnell meine Hand von der Astronomin fort.
»Sie alle wissen aus den Berichten, was auf Pröhndome passiert ist«, begann Rhodan. »Der dortige Berührungskreis der Kaiserin von Therm musste sich selbst vernichten, um nicht der Inkarnation VERNOC in die Hände zu fallen. Noch bevor es zu der Selbstzerstörung kam, setzte sich die Kaiserin von Therm über eine ihrer höheren Einheiten mit mir in Verbindung. Die SOL erhielt den Auftrag, das havarierte MODUL zu retten.
Dabei handelt es sich um eine einzigartige Anlage der Kaiserin von Therm, über die wir leider keine Detailangaben besitzen. Aber immerhin wissen wir, dass das MODUL schier unersetzlich ist, weil es auf einer Großen Schleife geflogen ist und dabei wichtige Informationen über die Mächtigkeitsballung der Superintelligenz BARDIOC sammeln konnte. Diese Informationen sollen wir in Sicherheit bringen.
Wir sind im Besitz der ungefähren Koordinationsdaten des MODULS, und unsere Chancen, die Anlage zu finden, stehen nicht schlecht. Dennoch machten wir uns nicht sofort an die Aufgabe, das MODUL zu retten, und das hat durchaus eigennützige Gründe.
Schließlich ist es unser oberstes Ziel, die verlorene Erde zu finden und der darauf lebenden Menschheit zu helfen. Vielleicht kann uns das MODUL bei diesem Unterfangen nützen, denn diese Anlage hat Bilder von einem Sonnensystem gesendet, bei dem es sich um Medaillon mit Terra und Goshmos Castle gehandelt haben könnte.
Ich sage könnte – denn wir haben keine Gewissheit. Deshalb sind wir zu dem Entschluss gekommen, bevor wir uns in dieses Abenteuer stürzen, von der Kaiserin von Therm weitere Informationen einzuholen. Es wäre den auf SOL lebenden Menschen gegenüber verantwortungslos gewesen, auf den Wunsch einer fremden Robotstation hin einfach ins Ungewisse zu fliegen.
Auf der Suche nach einer feyerdalischen Kontaktwelt der Kaiserin von Therm wurden wir durch Ortungen, Beobachtung und dem Abhören des galaktischen Funkverkehrs auf das Kaylaandor-System aufmerksam, auf dessen zweiten Planeten, Blotgrähne, es einen Berührungskreis der Superintelligenz gibt.
Wir nahmen Verbindung mit den Feyerdalern auf und erhielten die Zusicherung, dass neun Personen den Berührungskreis betreten dürfen. Sie werden sich nun fragen, warum gerade Sie als meine Begleiter bestimmt wurden. Nun, das haben Sie den Feyerdalern zu verdanken.«
Rhodan machte eine kurze Pause, bevor er fortfuhr: »Ursprünglich habe ich eine andere Begleitmannschaft genannt, die jedoch von den Feyerdalern nicht akzeptiert wurde. Sie können sich vorstellen, dass ich Mutanten und Fachkräfte mitnehmen wollte, die an der Untersuchung des Berührungskreises interessiert gewesen wären. Doch die Feyerdaler – und vor allem die Feinsprecher – dürften unsere Absichten durchschaut haben. Deshalb suchten sie aus der Mannschaftsliste willkürlich fünf Begleiter für mich aus. Die restlichen drei durfte ich selbst wählen. Da ich jedoch nicht einmal darin freie Hand hatte, bestimmte ich Galto Quohlfahrt und je einen seiner Posbis und Matten-Willys.«
»Das hört sich nicht gerade schmeichelhaft für mich an«, warf ich leicht empört ein.
»Sie haben unbestrittene Qualitäten, Galto«, kam Rhodans Antwort aus dem Lautsprecher. »Doch die kommen in der Luftschleuse sicherlich besser zur Geltung als im Berührungskreis der Kaiserin von Therm.«
»Warum haben Sie mich dann als Ihren Begleiter bestimmt?«, fragte ich fast trotzig. »Und zu allem Überfluss noch zwei meiner Aufpasser!«
»Das kann ich Ihnen leicht beantworten«, sagte Rhodan. »Tests haben ergeben, dass Sie sich in dieses Team am besten würden einfügen können. Der Posbi und der Matten-Willy sollen dafür sorgen, dass Sie keine Dummheiten machen.«
Dr. Calau räusperte sich und schüttelte wie nebenbei meine Hand ab, die ich ihr um die Hüfte gelegt hatte.
»War da ein abfälliger Unterton herauszuhören, als Sie von diesem Team sprachen, Perry Rhodan?«, fragte sie.
»Keineswegs«, kam die Antwort. »Aber im Grunde genommen handelt es sich um gar kein Team, weil einer den anderen gar nicht kennt. Deshalb würde ich vorschlagen, dass sich jeder seinen Kameraden kurz vorstellt. Wollen Sie damit beginnen, Dr. Calau? Würden Sie dazu bitte das Visiphon der Luftschleuse einschalten, damit Ihre Kameraden auch einen optischen Eindruck von Ihnen bekommen?«
*
Was für ein Esel ich doch war – da hatte ich glatt vergessen, das Bildsprechgerät zu sabotieren! Nun war es vorbei mit meiner kleinen Idylle in der Luftschleuse.
Die Astronomin schaltete das Bildsprechgerät ein. Was die anderen auf dem Bildschirm der Empfängeranlage zu sehen bekamen, war nicht von schlechten Eltern. Eine große, gertenschlanke Frau, Ende der Zwanzig, schwarzes Haar, kurz geschnitten, ein Gesicht so geheimnisvoll wie das der Sphinx – aber keineswegs so maskenhaft.
»Ich heiße Dr. Calau und arbeite in der Astronomischen Abteilung der SZ-1«, begann sie. »Meine Kollegen nennen mich einfach Pia. Ich bin eine Solgeborene, zu meinen terranischen Eltern habe ich keinen Kontakt mehr. Ich habe in den vergangenen beiden Tagen hauptsächlich an der Erforschung des Kaylaandor-Systems und des zweiten Planeten Blotgrähne gearbeitet ...«
»Können Sie uns etwas über die erzielten Forschungsergebnisse sagen, Pia?«, warf Rhodan ein. »Das wäre für uns alle interessant.«
»Gerne.«
Pia zählte in kurzen, prägnanten Worten alle bekannten Fakten auf. Das Kaylaandor-System besaß insgesamt fünf Planeten. Da es sich bei dem Muttergestirn um eine schwache rote Sonne mit relativ geringer Oberflächentemperatur handelte, war nur der zweite Planet für die Zwecke der Feyerdaler geeignet. Aber nicht einmal Blotgrähne entsprach ihren Erwartungen ganz.
Nach den bisherigen Erfahrungen besiedelten die Feyerdaler nur Welten, die ihrem Heimatplaneten so ähnlich wie möglich waren. Das traf auf Blotgrähne jedoch nicht zu.
Der zweite Planet der Sonne Kaylaandor hatte nicht nur eine exzentrische Umlaufbahn, sondern eine so starke Polachsenneigung, dass es zu einem krassen Wechsel der Jahreszeiten kam. Beide Pole waren stark vereist, und trotz der Sonnennähe betrugen die mittleren Tagestemperaturen selbst am Äquator nur plus 18 Grad.
Da Blotgrähne so gar nicht den Lebensbedingungen der Feyerdaler entsprach, wurde daraus geschlossen, dass er nur wegen seiner strategisch wichtigen Lage – als Kontaktwelt zur Kaiserin von Therm – besiedelt worden war. Die bisherigen Ortungsergebnisse deuteten auch darauf hin, dass Blotgrähne darüber hinaus hauptsächlich als Werftplanet dient.
Als nächste bat Rhodan Dr. Amara Orloff vor das Bildsprechgerät. Bei ihrem Anblick stockte mir der Atem. Bisher hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, sie näher zu betrachten, so dass sie mir gar nicht weiter aufgefallen war. Als ich sie jetzt auf dem Bildschirm sah, bereute ich es, dass ich nicht sie in die Luftschleusen-Falle gelockt hatte.
Sie wirkte noch besser proportioniert als Pia, hatte ein weich gezeichnetes Gesicht, das von einer kastanienbraunen Lockenpracht umgeben war.
»Nennen Sie mich bitte Amara«, sagte sie. »Mein Fachgebiet ist die Xenopsychologie – mit allen Grenzgebieten. Die Feyerdaler sind mir nicht fremd, da ich mich der Verhaltensforschung dieses Volkes gewidmet habe.«
»Dann können Sie uns vielleicht auch sagen, warum sich die Feyerdaler von Blotgrähne uns gegenüber so abweisend verhalten haben?«, fragte Rhodan. »Immerhin haben sie die Landeerlaubnis für uns zwei Tage hinausgezögert, und dass sie an den von mir bestimmten Begleitmannschaften immer etwas auszusetzen hatten, war reine Schikane.«
»Für das seltsame Verhalten der Feinsprecher von Blotgrähne gibt es eine einfache Erklärung«, sagte die Xenopsychologin Amara. »Man muss sich vorstellen, dass die Feyerdaler seit Jahrtausenden die Vertrauten der Kaiserin von Therm sind. Die Feyerdaler haben sich völlig in ihren Dienst gestellt, dabei ihre natürlichen Instinkte – etwa den Forscherdrang – unterdrückt und ihr Leben ganz nach den Forderungen der Superintelligenz ausgerichtet. Wenn man all dies bedenkt, kann man vielleicht ermessen, welche Opfer dieses Volk gebracht hat. Und noch etwas: Die Feinsprecherei der Feyerdaler scheint zwar eine lange Tradition zu haben, doch dürfte auch sie erst von der Kaiserin von Therm – oder zumindest ihretwegen – eingeführt worden sein ...«
»Können Sie zum Thema kommen, Amara?«, bat Rhodan.
»Bin schon dabei. Die Feyerdaler stehen in einem viel innigeren Verhältnis zu ihrer Superintelligenz als die Terraner zu ES. Und dann müssen sie plötzlich erfahren, dass die Kaiserin einen wichtigen Auftrag an uns Fremde vergeben hat. Für die Feyerdaler ist die Bergung des MODULS eine Prestigeangelegenheit. Sie können es nicht verwinden, dass wir ihnen bevorzugt wurden. Deshalb diese Schikanen.«
»Danke«, sagte Rhodan. In der Folge wandte er sich über den Bildschirm an uns, das verhinderte Liebespaar, das in der Luftschleuse eingeschlossen war, und bemühte sich, gleichzeitig mit den in der Kommandozentrale Anwesenden zu sprechen.
»Die Feinsprecher von Blotgrähne fühlen sich in ihrem Stolz gekränkt. Ich befürchte weitere Schikanen. Bereiten Sie sich also darauf vor, dass sie uns auf Blotgrähne das Leben so schwer wie möglich machen. Aber eines können sie nicht, nämlich uns am Betreten des Berührungskreises hindern. Das würde die Superintelligenz sofort über ihre Verbindungselemente erfahren.«
Rhodan trat zur Seite und machte auf dem Bildschirm einem Mann von etwa fünfzig Jahren Platz, den ich vorher noch nie an Bord der SOL gesehen hatte. Er war klein und klapperdürr und hatte ein zerknittertes Gesicht, in dem die Augen ständig unruhig zwinkerten. Wie die anderen auch, trug er die lindgrüne Kombination der Bordmannschaft, doch das Abzeichen – ein geflügeltes Pferd – sagte mir nichts über sein Betätigungsfeld.
»Ich bin freier Schriftsteller«, erklärte er, dabei nervös zwinkernd. »Mein Name ist Nemo Iljew Jenkins, ich werde aber ›Nietsch‹ genannt. Obwohl nicht auf der SOL geboren, fühle ich mich den Solanern zugehörig. Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, eine eigene Schiffschronik aufzuzeichnen, die sich vom Logbuch vor allem durch lyrische und epische Sequenzen und eine dramaturgische Abhandlung unterscheidet. Es kommt weniger auf den Inhalt als auf die Sprache an ...«
»Das erinnert mich an die feyerdalischen Feinsprecher«, warf ich ein.
Er zuckte beim Klang meiner Stimme erschrocken zusammen und machte mit seinen Spinnenfingern eine Art Abwehrbewegung.
»Sie haben recht, Galto«, sagte er dann. »Ich bin dankbar, dass ich an dieser Mission teilnehmen darf. Vielleicht vermittelt mir die Feinsprecherei neue Impulse für meine Poesie, so dass ich mein Werk ›Ode an die Kinder der SOL‹ – denn das sind wir alle – noch komischer und ausdrucksstärker gestalten kann ... Was ist denn?«
Diese letzte Unmutsäußerung bezog sich auf einen Zwischenfall. Während Nemo Iljew Jenkins noch sprach, schoben sich zwei Köpfe ins Bild und versuchten, ihn zu verdrängen. Ich brauche eigentlich nur einen der Köpfe zu beschreiben, denn sie ähnelten einander wie ein Ei dem anderen – und erinnerten mich auch sonst an ein solches. Denn sie waren völlig haarlos, ebenso wie die wulstigen Augenbrauen, die große, wasserhelle Augen überschatteten. Ein breiter, fast lippenloser Mund, volle Backen, von einer glatten, fast porenlosen, albinoblassen Haut überzogen.
»Das sind die Pegasus-Zwillinge«, erläuterte Nietsch, während er aus dem Bild gedrängt wurde. »Meine Assistenten Charib und Skyllo. Sie haben sich schon in frühester Jugend geschworen, nur ...«
»Wir können für uns selber sprechen«, unterbrach ihn der eine Pegasus-Zwilling – und auf einmal wusste ich, was das geflügelte Pferd auf ihren Kombinationen zu bedeuten hatte.
»Ohne wie du zu radebrechen«, schloss der andere Zwilling an.
»... nur noch in Versen zu sprechen«, vollendete Nietsch unbeirrt seinen Satz. »Zum Glück fällt ihnen äußerst selten ein Reim ein, so dass sie die meiste Zeit über schweigen.«
Dies trug ihm vorwurfsvolle Blicke der Zwillinge ein, und sie zogen sich aus dem Bildkreis des Visiphons zurück. Rhodan tauchte wieder auf.