David Leddick
Heriberto Sanchez
ESCORTS
40 Männer 40 Profile 40 Erfahrungen
Aus dem Amerikanischen von Oliver Fehn
BRUNO GMÜNDER
Titelei
Einführung
Mike Jones
Bull Stanton
Scott
Josh
Scott und Josh
Kevin Thomas
Jaime Lee
Tyler Michaels
Geronimo
Marlone Star
Cody Johnson
Arpad Miklos
Seth Segarra
Chris
Doug Masters
Franco
Maximus
Ridge
Eli Duran
Rafael Alencar
Marcos David
Trey Rexx
Alexander
Eduardo
Ricky Ferraro
A.G.
Sloan Christian
Bobby Brock
The Horsecock
Martin
Master Dieter
David Handsome
Rico Suave
Kacorot
Dylan
Diego
Marcel
Tony Serrano
Antton Harri
Chad Brock
Joe Kent
Ein paar Gedanken über Escorts
Über die Autoren
Impressum
David Leddick
Heriberto Sanchez
ESCORTS
40 Männer 40 Profile 40 Erfahrungen
Aus dem Amerikanischen von Oliver Fehn
BRUNO GMÜNDER
Einführung
Als ich für dieses Buch den Titel Escorts vorschlug, hatten einige meiner Bekannten Einwände. Sie hätten einen umgangssprachlicheren Titel wie Stricher für besser gehalten. Ich denke jedoch, die Bezeichnung Escorts weist darauf hin, dass man im 21. Jahrhundert über Männer, die für Geld mit anderen Männern schlafen, einfach anders denkt. Und in diesem Punkt ist mein Verlag sich mit mir einig und ermutigte mich dazu, in dieser Untersuchung aufzuzeigen, wie sehr das Denken der Menschen in Bezug auf das sexuelle Geschehen um uns im Wandel begriffen ist.
Der Tausch von Sex gegen Geld ist eine uralte Praxis, galt jedoch in vornehmen Gesprächen als Tabu, ja man durfte nicht einmal davon wissen. Im bekannterweise puritanischen Klima der Vereinigten Staaten erfahren die meisten Menschen ein Leben lang nichts über den Kauf und Verkauf von Sex, und sind auch froh, mit diesem Thema nie konfrontiert zu werden. Andere würden gern mehr darüber erfahren, quälen sich aber stattdessen durch ein Leben aus Triebunterdrückung und mangelnder Erfahrung. Stets unerfüllt. Niemals schlau geworden. Zufrieden vielleicht, weil sie nie gesündigt haben. Aber irgendwie hat man da seine Zweifel.
Das Internet hat alles verändert. Heute ist es jedem möglich, seinen Wünschen direkt nachzugehen. Wie oft werden seitdem Verabredungen zwischen Fremden getroffen, nur um ein paar Stunden lang romantisch zu sein, erregt zu sein, zu experimentieren. Manchmal wird auch Geld geboten. Aus solchen zwanglosen Treffen entstanden Service-Angebote wie rentboy.com, male4malescorts.com, men4rent.com und viele andere. Sie gestatten es jedem, seine Fantasien auszuleben. Wir sehen jetzt, dass unter der Oberfläche aus Konformität ein richtiger Sturm an sexuellen Bedürfnissen und Interessen wütet. Die Literatur und Kunst beschäftigt sich schon seit Jahrhunderten damit. Nur unserem Land widerstrebte es, dies vor Erfindung des Internets zu akzeptieren, einzugestehen und da-rüber zu diskutieren.
Dieses Buch wagt einen ersten Schritt unter die Oberfläche der Scheinheiligkeit. Hier findet der Leser Annoncen, wie sie von solchen Männern geschaltet werden. Und Interviews, in denen er herausfinden kann, wer diese Männer sind, woher sie kommen, wie sie über ihr Leben denken. Hinzu kommen Porträts des äußerst talentierten Männerfotografen David Vance.
Hier präsentieren sie sich, wie sie wirklich sind: Die geheimnisvollen Fremden hinter der Escort-Werbung.
David Leddick
Mike Jones
Ein landesweiter Skandal rückte Mike Jones ins Rampenlicht der amerikanischen Öffentlichkeit. Er ist der Escort, der den Geistlichen Ted Haggard aus Denver auffliegen ließ. Und bei den Wählern vielleicht ein grundlegendes Umdenken auslöste, ehe bei den Bundeswahlen 2006 die Demokraten das Ruder übernahmen. Interessant war, dass er, als wir ihn am Flughafen abholten, unter einem Schild mit der Aufschrift TED/UNITED AIRLINES stand. Ironischerweise war er via TED zu unserem Interview und Foto-Shooting geflogen.
Hier seine Version der Geschichte: »Ich hatte in Denver drei Jahre lang einen Kunden, den ich nur als Art aus Kansas City kannte. Ich dachte einfach, er sei jemand, der regelmäßig aus beruflichen Gründen in die Stadt kam. Im Laufe der Jahre wurde er zu einem Stammkunden, und wir probierten in sexueller Hinsicht so einiges aus.
Eines Abends sah ich fern. Aus irgendeinem Grund war ich gerade zufällig auf dem History Channel, wo eine Diskussion über den Antichristen im Gange war. Und da sah ich Art aus Kansas City. Nur dass es nicht Art war, sondern irgendein örtlicher Geistlicher. Sein Name wurde auf dem Bildschirm eingeblendet, doch ich war so überrascht, dass er mir entging.
Am nächsten Morgen um fünf Uhr ging ich ins Fitnessstudio, was ich regelmäßig tue, und während ich mich dort auf dem Laufband betätigte, schaltete jemand den christlichen Fernsehsender Daystar ein, und sie brachten eine Wiederholung vom Vorabend. Und da kam es, aus heiterem Himmel. Da war Art, und da stand sein richtiger Name: Reverend Ted Haggard. Der Name sagte mir etwas. Man hatte über ihn berichtet, er wolle sich für eine Verfassungsänderung einsetzen, derzufolge es nur Männern und Frauen erlaubt sein solle, zu heiraten. Mir wurde klar, dass ich etwas unternehmen musste.
»Ich ging zu einem örtlichen Fernsehsender, wo man sich ausführlich mit mir unterhielt. Sie hielten die Story lange Zeit zurück. Drei Monate vergingen, und es geschah nichts, also wandte ich mich an eine lokale Radiostation. Am nächsten Tag war ich mit meiner Story im Radio. Als der Fernsehsender von dem Interview erfuhr, fuhren sie nach Colorado Springs, um Ted Haggard zur Rede zu stellen. Die Nachricht kam am 1. November 2008 um 22 Uhr. Offenbar hatten sie große Angst davor, in der Verantwortung zu stehen, falls ich log. Ich versorgte sie mit so vielen Details wie möglich, aber wie gesagt, ich hatte die wahre Identität meines Kunden ja selbst erst vor Kurzem erkannt.«
Trotz all der Interviews, die er gegeben hat, und trotz aller Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde, ist Mike Jones ein angenehmer, witziger, lockerer Mann geblieben, dem man sein Alter von 49 Jahren überhaupt nicht ansieht. Seine regelmäßigen Besuche im Fitnessstudio haben sich ausgezahlt, und sein starker, wohlproportionierter Körper passt hervorragend zu seiner aufgeschlossenen, optimistischen Wesensart.
Er stammt aus einer Art frühzeitigem Denver Clan, der inzwischen vier Generationen umfasst: Siedler aus alten Tagen, die Ende des 19. Jahrhunderts nach Colorado kamen. Eine seiner Urgroßmütter wurde in Central City geboren, einer der ältesten Goldgräberstädte. Laut Familiengeschichte war sie eine Puffmutter, die ein Haus von üblem Ruf betrieb. Die Familie zog nach Fort Morgan, Colorado, wo seine Großmutter zur High School ging. Einer ihrer Mitschüler war der berühmte Bandleader Glenn Miller.
Mikes Vater war Polizeibeamter, und seine Mutter organisierte im ganzen Staat Bowling-Turniere. Er hat zwei Brüder, einen älteren und einen jüngeren. Sein Bruder wurde irgendwann Profi-Bowler. Mike besuchte die High School in Edgewater, einem Ort in der Nähe von Denver.
»Als ich 13 war, begann ich zu trainieren«, erinnert er sich. »Ich wurde in der Schule tyrannisiert und dachte mir: ›Denen zeigst du es.‹ Ich benutzte die Geräte, die sie an der Schule hatten. An der High School nahm ich an Bodybuilding- und Powerlifting-Wettbewerben teil und errang nationale Titel.
Nach der High School jobbte ich ein wenig herum und trainierte weiter. Ich legte mir einen Decknamen zu, ging in Bars, und es kamen Männer auf mich zu, die bereit waren, mich zu bezahlen. Zuvor hatte ich mich, um sexuelle Kontakte zu knüpfen, in Läden herumgetrieben, die mit Pornos handelten.
Dass ich schwul war, war mir schon mit fünf klar, aber ich wusste nicht, was das bedeutete. Ich wusste nur, dass ich mich für Jungs in meinem Alter interessierte. Meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich als Sechsjähriger mit zwei Brüdern, die nebenan ein Klubhaus hatten. Ich kam zum Orgasmus, auch wenn mir dabei keiner abging. Ich trieb es auch mit einem Pfosten auf dem Spielplatz. Zu einem Problem wurde meine Homosexualität erst, als ich negative Dinge übers Schwulsein zu hören bekam.
Nachdem ich als Excort zu arbeiten begann, eröffnete ich auch ein Fitnessstudio, das ich fünf Jahre lang betrieb, und ich erlernte auch Massage. Fünf Jahre lang hatte ich eine Beziehung mit einem geschiedenen Mann. Er hatte fünf Kinder. Meiner Escort-Tätigkeit ging ich nach, wenn er mit den Kids beschäftigt war. Es war die Zeit zwischen meinem 30. und 38. Lebensjahr. Dann verließ er mich wegen einem Jüngeren. Seitdem hätte ich genug Gelegenheiten gehabt, jemanden kennenzulernen, aber ich muss zugeben, dass es schwierig ist, mit jemandem intim zu sein, wenn man gleichzeitig als Escort tätig ist.
Natürlich kommt es vor, dass Kunden sich in mich verknallen. Sie schenken mir Armbanduhren oder so, aber ich lasse mich nie persönlich mit einem Kunden ein. Ich würde sagen, dass 80 Prozent meiner Kunden verheiratet sind, aber trotzdem wünschen sie sich manchmal, dass ich ihr fester Freund werde. Das Beziehungs-Syndrom. Ich würde auch sagen, 20 Prozent von ihnen sind Geistliche. Priester, Pastoren, Pfarrer, viele Kunden stammen aus einem anderen Ort. Oft sind es auch Männer, die auf Urlaub oder Geschäftsreise in Denver sind.
Auch Politiker, Filmstars und Profisportler zählten bereits zu meinen Kunden. Wenn sie in meine Wohnung kommen, lasse ich sie nie in mein Schlafzimmer. Ich habe einen Massagetisch, wo sie sich, falls sie Lust haben, massieren lassen können.« Die Frage, ob es unter seinen Kunden eine spezielle Altersgruppe gibt, verneint Mike. »Meine Kundschaft deckt von 20 bis über 80 alle Altersgruppen ab.« Allerdings hatte er schon sehr ausgefallene Kunden. »Einer von ihnen sagte: ›Ich bin ein großer Mann‹. Dann stand da ein 175-Kilo-Typ vor mir. So etwas macht mich leider gar nicht an. Wenn so etwas vorkommt, lege ich mich einfach nur auf den Boden, und sie bekommen das ›Express‹-Paket anstatt der ›Deluxe‹-Packung.«
Eine Massage kostet nur 100 Dollar, und Mike erklärt, dass unter seinen Kunden auch Heteros sind, die außer einer Massage nichts wollen. Wird auch Sex verlangt, steigt das Honorar auf 200 Dollar.
Obwohl er Annoncen schaltet, weiß er, dass sich auch in der Piano Bar in ›Brown’s Palace Hotel‹ Kundschaft finden lässt. Er sagt: »Ich könnte Unmengen von Sugardaddys haben, aber so etwas wollte ich nie. Dafür ist mir meine Unabhängigkeit zu wichtig. Ich bin Sternzeichen Stier – ein Bulle.«
Über die ausgefallenen Aspekte seiner Arbeit sagt Mike: »Man hört von Männern, denen es Spaß macht, wenn zwei Frauen es miteinander treiben. Es gab einen Mann, der zu mir kam, weil seine Frau zusehen wollte, wie ich Sex mit ihm hatte. Danach wollte er mir beim Sex mit der Frau zusehen. Es hat mich ziemlich angetörnt. Ich war immer ein Exhibitionist. Es macht mir nichts aus, wenn man mir beim Sex zusieht.
Ich kann auch ziemlich schnoddrig und aggressiv sein. Ich habe an zahlreichen Leather Contests teilgenommen. Ich war beim Mr. Rocky Mountain Leather Contest und kam ins Finale. In San Francisco wurde ich beim Mr.-Drummer-Wettbewerb Zweiter. Bei einem Contest auf Fire Island wurde ich auch Zweiter. Ich habe bei solchen Wettbewerben Tausende von Dollars gewonnen. Ich kann echt dominant sein. Ich kann auch anderen gut den Arsch versohlen. Ein Freund aus New York sagte mal zu mir: ›Du kannst der netteste, süßeste Kerl sein, den ich kenne. Du kannst aber auch der widerwärtigste Hurensohn sein.‹ Das kann ich nach Belieben an- und abstellen.«
Zum Thema Reverend Haggard sagt er noch: »Er kam immer in Bluejeans und einem langärmligen Polohemd. Er liebte meine Cockring-Sammlung. Ich hatte noch eine Menge solches Zeug aus meinen Ledertagen. Das liegt jetzt alles hinter mir.
Eine seiner Fantasien war es, Sex mit Typen im College-Alter zu haben, so zwischen 18 und 22. Er fragte, ob ich nicht mal eine Orgie veranstalten könne, aber dazu ist es nie gekommen. Er lieh sich Pornofilme aus und wollte ein paar Hardcore-Videos. In dem Geschäft hatten sie keine vorrätig. Er gab ihnen seine Nummer, damit sie ihn anrufen konnten, wenn seine Videos eingetroffen waren. Ich war also nicht das einzige Risiko, mit dem er lebte. Er war kein übler Kunde, aber ich wollte nicht mit schlechtem Gewissen sterben. Ich wollte nicht mit dem schlechten Gewissen leben, seine Heuchelei nicht öffentlich gemacht zu haben.
Natürlich erntete ich ebenso viel Kritik wie Glückwünsche. Als die Sache in den Nachrichten kam, wurde ich mit E-Mails bombardiert, und viele Escorts sagten, ich hätte gegen ihren Kodex verstoßen, da ich Dinge über einen Kunden ausgeplaudert hätte. Aber ich habe keinen Kontakt zu anderen Escorts und Massagetherapeuten in Denver, also ist das kein großes Problem.«
Auch künftig will Mike Jones körperlich in Topform bleiben. Sein tägliches Workout besteht aus einer halben Stunde Kardio- und einer Stunde Hanteltraining. »Außerdem bin ich ein sehr guter Tennisspieler«, betont er.
Was sein Privatleben betrifft, sagt er: »Ich hätte gern eine feste Beziehung. Ich würde den Rest meines Lebens gern mit jemandem teilen.«
Bull Stanton
Groß und burschikos, nett und kompliziert – das ist Bull Stanton. Einer der führenden und interessantesten Escorts der letzten zehn Jahre. Erstaunlicherweise war Bull Stanton bis Mai 2005 mit seiner zweiten Frau verheiratet. Die Scheidung ist noch nicht rechtskräftig. Während ihres gemeinsamen Lebens in Tampa, Florida billigte sie seine einträgliche Tätigkeit als Escort. »Sie hatte gegen meine Art des Broterwerbs nichts einzuwenden«, sagt er.
Als Zehnjähriger zog Bull Stanton von seinem Geburtsort Rhode Island nach Fort Lauderdale. Er begann, Sport und kurz darauf auch Bodybuilding zu betreiben und war ein typisch amerikanischer Highschool-Footballspieler. Zwei Jahre lang studierte er an der Universität von Miami, doch Knieverletzungen setzten seiner Football-Karriere ein Ende.
Er heiratete eine Cheerleaderin aus seiner Schule, und die Jungvermählten zogen nach Los Angeles, wo Bull zu einem der ersten Personal Trainer wurde – einer ganz neuen Berufsgruppe in jenen Tagen. Er betrieb weiter Bodybuilding und wurde 1984 zum Mr. Southern State, zwei Jahre später zum Mr. Los Angeles gekürt. An der Westküste trainierte er mit demselben Mann, der auch den Bodybuilding-Weltmeister Bob Paris trainierte. Dieser Mann war außerdem Bob Paris’ Lebensgefährte gewesen.
»Ich bin meiner Frau immer treu gewesen«, sagt Bull, doch mit 28 ging er ein Verhältnis mit einer Bodybuilderin ein und heiratete zum zweiten Mal. Mit seiner neuen Frau zog er nach Tampa, Florida, wo er weiter als Personal Trainer arbeitete und Bodybuilding betrieb. Seine Frau ermutigte ihn dazu, sich als Escort zu versuchen.
Seine Kunden waren Männer aus Tampa sowie andere, die extra dorthin fuhren, um sich mit ihm zu treffen. »Manche Kunden«, sagt er, »wollen dich regelmäßig dreimal pro Woche treffen, andere seltener. Aber wie in vielen anderen Berufen sind Stammkunden das Wichtigste.«
Er reiste auch in Städte wie San Francisco und New York und lebte für 18 Monate am Stück in San Francisco.
In der Escort-Branche gibt es Online-Kritiken von Kunden – Bull Stanton wird darin stets für seine Herzlichkeit, seine Konversationskunst und seine sexuelle Dynamik gelobt.
Wann er am meisten zu tun hat? »In New York bekomme ich manchmal eine Woche lang sechs oder sieben Anrufe am Tag. Das ist eine Menge. Danach brauche ich Ruhe.« Gibt es auch seltsame oder schwierige Kunden? Er sagt, das komme sehr selten vor. Nur an eine Situation kann er sich erinnern, bei der er das Gefühl hatte, sich nur mit Gewalt daraus befreien zu können. »Wenn ein Kunde sich nicht korrekt verhält, frage ich mich, was ich falsch gemacht habe.«
Scott
Scott, wie er sich selbst nennt, hat einen eiskalten Blick. Er ist ein ruhiger Mann, und obwohl er einen muskulösen Körper hat, ist er kein Muckibuden-Freak. Um sich körperlich in Form zu halten, läuft und schwimmt er. Er lebt in Fort Lauderdale – einer idealen Stadt für alle, die laufen, schwimmen und stets braungebrannt sein wollen. Scott lebt dort zusammen mit seinem Partner Josh, und beide arbeiten als Escorts.
Scotts Vergangenheit ist ungewöhnlich, selbst für einen männlichen Escort. Er ist Mitte 30 und stammt eigentlich aus dem Nordosten der USA. Er war früher verheiratet und arbeitet erst seit zwei Jahren als Escort. Er wuchs in einer ländlichen Gegend auf und heiratete seine Highschool-Freundin, als beide ihren College-Abschluss machten. Sie stammte aus einer streng katholischen Familie mit einem sehr dominanten Vater. Eigentlich hatte er eine Karriere im Strafvollzug geplant, doch nach seinem Abschluss stieg er ins Automobil-Business ein. »Eigentlich wollte ich nicht heiraten«, sagt Scott. »Ich wusste, dass ich homosexuell bin. Ich habe es vor allem getan, um sie von ihrer Familie zu erlösen. Ich war nicht in sie verliebt. Aber ich liebte sie, und liebe sie noch immer.«
Als junges Paar lebten und arbeiteten sie in einer Kleinstadt, die sich in der Nachbarschaft einiger größerer Städte dieses Landesteils befand. Nach einigen Ehejahren verspürte Scott den Drang, seine Homosexualität auszuleben. Er hatte gehört, dass es in einer der Nachbarstädte eine Schwulenbar gab, und fuhr dorthin. Es war sein erster Besuch in einer solchen Bar, und an jenem Abend lernte er einen älteren Mann kennen, der zehn Jahre lang sein Lover bleiben sollte.
Es war ein gutaussehender Mann, verheiratet und mit Kindern, der in einer anderen Kleinstadt, nicht weit entfernt von Scotts Wohnort lebte. Über ihn sagt Scott: »Er war pfiffig und einfühlsam, und er wusste mit meinen Unsicherheiten zu spielen und mich zu manipulieren. Keiner hat je zu mir gesagt, ich wäre hübsch, attraktiv oder sexy, und er tat es auch nicht. Ich fühlte mich unattraktiv, und mir gefiel meine Situation gar nicht, und ich glaubte, mit meiner Frau darüber sprechen zu müssen.« Das tat er auch.
Sie wollte die Ehe nicht beenden. In ihrem provinziellen Freundes- und Familienkreis galt es den Anschein zu wahren. Sie war einverstanden damit, dass Scott sich weiterhin mit seinem Liebhaber traf, sie und Scotts Freund wurden ebenfalls dicke Freunde, die fast jeden Tag miteinander sprachen. Der Liebhaber konspirierte sogar mit Scotts Familie und der seiner Frau, als sie zu dem Schluss gelangt waren, Scott sei krank und müsse in ärztliche Behandlung. In den letzten Jahren ihrer Beziehung lebte Scott mit ihm zusammen, arbeitete als Lkw-Fahrer und fuhr quer durchs Land. Zu seiner Frau hatte er noch immer engen Kontakt. »Ich kam mir damals ausgesprochen unattraktiv vor«, sagt er. »Ich hatte einen Bart und trug Wollhemden, und ich kam mir hässlich vor.«
Scott befreite sich schließlich aus seiner Situation, indem er sich eine Auszeit nahm und in seine Heimatstadt zurückkehrte, wo er seine Zeit mit einer Freundin verbrachte, die alleinerziehende Mutter war. Diese Frau sagte ihm offen ins Gesicht, dass er keineswegs krank sei und man ihn lediglich zwingen wolle, sein innerstes Wesen zu ändern, damit er sich mit einer Situation, die nicht gut für ihn sei, abfinde. Scott berichtet, wie es war, als er von ihr zurückfuhr: »Mein Geliebter holte mich am Flughafen ab. Klar, wir lebten seit Jahren zusammen, aber es war nicht okay. Als ich ankam, war er in bester Stimmung und hatte schon ein Abendessen und einen Theaterbesuch mit mir geplant. Wie der Zufall es wollte, war es ausgerechnet der Tag, an dem in unserer Gegend gleichgeschlechtliche Ehen erlaubt wurden. ›Was hältst du davon?‹, fragte er mich im Auto. Ich sagte: ›Mir gefällt die Vorstellung überhaupt nicht. Jedenfalls nicht, was uns beide anbelangt.‹ Daraufhin war unsere Beziehung zu Ende.«
Zu seiner Familie hat Scott so gut wie keinen Kontakt mehr. Aufgrund ihres streng religiösen, bäuerlichen Backgrounds lehnten sie seine Homosexualität pauschal ab. Sein Vater sagte: »So geht der Welt ein Mann verloren.« Über die anderen Familienmitglieder sagt Scott: »Ich hatte einen Onkel, den jüngsten Bruder meiner Mutter, der mich sehr unterstützte. Er war ein Truckfahrer, der quer durchs Land reiste und besser Bescheid wusste, was in der Welt so vor sich ging. Als ich dann selbst mit einem Lkw herumfuhr, trafen wir uns an allen möglichen Orten. In Louisiana, in Oklahoma, wo auch immer. Er war ein starker Typ. Er starb vor kurzem mit Anfang 60 an Lungenkrebs, und ich vermisse ihn sehr. Er war der einzige aus der ganzen Familie, von dem ich das Gefühl hatte, dass er mich echt mochte, und dem es nicht egal war, was mit mir passierte.«
Da er weder seine Ehe noch die Beziehung zu seinem Freund fortsetzen wollte, zog Scott weit hinaus aufs Land und lebte ein paar Monate lang in totaler Abgeschiedenheit. Eines Abends besuchte er eine ziemlich weit entfernte Schwulenbar. Dort lernte er Josh kennen. Beide waren sie zum ersten Mal in dieser Bar. An diesem Abend begann ihr Leben zu zweit.
Josh
Josh hat stechende, grün-graue Augen, nicht unähnlich denen seines Partners Scott, und dazu ein strahlendes Lächeln. In seinem sonnenbraunen Gesicht zeigt das sofort Wirkung.
Joshs Geschichte ist völlig anders verlaufen als die von Scott. Er kommt aus etwa der gleichen Gegend, wurde sich seiner Homosexualität jedoch schon als Teenager bewusst und lebte sie auch aus. »Als ich 13, 14 und älter war, schlief ich mit einer Menge anderer Jungs. Erst war es nur einer, dann zwei, dann viele. Manchmal machten wir es in Gruppen.«
Joshs Eltern waren keine ungebildeten Leute, und zu ihren Bekannten zählte auch ein Schwulenpaar. Den Winter verbrachten sie immer in Fort Lauderdale, und die schwulen Freunde wohnten in der Nachbarschaft. Das Verhältnis zu ihrem Sohn änderte sich auch dann nicht, als er ihnen seine Homosexualität gestand.
Kurz nach seinem Abschluss an einem nahe gelegenen College, wo er Politikwissenschaft studiert hatte, ging Josh eine langjährige Beziehung ein und betrieb mit seinem Lebensgefährten ein Restaurant. Seinen Plan, Jura zu studieren, hatte er wieder aufgegeben. Während ihrer zehnjährigen Beziehung gab es viele Hochs und Tiefs, und irgendwann zerbrach sie. Es war in der Zeit, als Josh jene Schwulenbar besuchte, die ebenfalls recht weit von seinem Wohnort entfernt lag, und Scott kennenlernte. Sie gingen zu einer Poolparty, die von einem reichen schwulen Ortsansässigen organisiert wurde, und danach in Scotts Wohnung in dem kleinen Dorf, wo er lebte. Drei Monate lebten sie dort zusammen, doch das schwule Pärchen erntete nur Feindseligkeit. Die Bewohner stellten klar, dass sie zwei Männer, die sich liebten, niemals als Teil der Dorfgemeinschaft akzeptieren würden.
Josh und Scott beschlossen, nach Fort Lauderdale zu reisen, das Josh wegen der Freunde seiner Eltern bereits kannte. In Florida stießen sie auf eine freizügigere und einladendere Atmosphäre. Obwohl sie dort nur Ferien hatten machen wollen, kehrten sie nicht in den Norden zurück. Sie mieteten sich ein Apartment und suchten sich einen Job.
Auf die Frage, wie sie zu Escorts geworden seien, antwortet Josh: »Ich weiß es nicht. Die Leute hielten uns einfach dafür. Auf einer Party fragte mich eine ältere Frau, ob wir Escorts seien, und ich beschloss, mir die Idee durch den Kopf gehen zu lassen. Wir arbeiteten beide als Kellner für einen ziemlich widerwärtigen Chef, und eines Tages hatten wir Streit mit ihm und kündigten.
Wir gingen in ein Internet-Café, stellten einige Handy-Fotos von uns ins Netz, boten uns als Escorts an und gingen wieder. ›Ich kann nicht zulassen, dass du es ohne mich tust‹, sagte ich zu Scott. Ich vermutete, Scott als Initiator der Idee würde den ersten Anruf bekommen. Aber schon zehn Minuten später, als wir von dem Café nach Hause fuhren, war ich es, der den ersten Anruf bekam. Und so fing alles an.«
Er lacht, dann sagt er: »Unser erster Einsatz war ein Albtraum. Er war für zehn Uhr abends geplant. Ich saß den ganzen Tag wie auf Kohlen. Dann goss es auch noch in Strömen. Ich fuhr um die Ecke, dann ging mir das Benzin aus, und ich musste in einem angrenzenden Friedhof parken. Ich lief durch den Regen, um Benzin zu besorgen. Danach musste ich nach Boca Raton fahren, was ganz schön weit entfernt liegt. Schließlich kam ich dort an, und alles war prima. Eine geschlossene Ortschaft. Ein Deutscher, sehr gebildet und interessant, den kennenzulernen mir ein Vergnügen war. Er war sehr verständnisvoll und höflich. Alles entwickelte sich prächtig. Der Mann ist heute noch mein Kunde.«
Josh sagt, er habe viele junge Kunden. Vor allem einer von ihnen ist ein treuer Stammkunde, den Josh seine »Trainingsgrundlage« nennt. »Wenn ich bei einem Kunden bin, versuche ich immer daran zu denken, dass ich wahrscheinlich eines Tages selbst auf Escorts zurückgreifen werde. Entsprechend versuche ich mich dann zu verhalten.« Josh erzählt weiter: »Ich habe in der Servicebranche gearbeitet, und diese Einstellung versuchen wir auch, in unserem Job rüberzubringen. Wenn ich Ihnen ein Stück Kuchen bringe, und Sie sind zufrieden, dann habe ich meinen Job gut gemacht. Wenn ein Kunde sich schwierig benimmt, suchen wir die Schuld bei uns selbst, weil wir uns vielleicht nicht genug über ihn schlau gemacht haben.« Er fügt hinzu, dass Besuche bei Kunden, die Drogen nehmen, nur selten ein Erfolg seien.
Joshs Verhältnis zu seinen Eltern ist anders als das von Scott. »Meine Mutter interessiert sich nur dafür, wann wir endlich heiraten. Sie will eine große Party für uns geben und uns von einer lesbischen Pfarrerin in ihrer Kirche trauen lassen«, sagt er. Seine Eltern wissen nichts von seinem derzeitigen Job, und er hat auch nicht vor, es ihnen zu sagen. »Scott und ich hatten gar nichts, als wir in Fort Lauderdale waren«, sagt er. »Einen schrecklichen Job. Eine schreckliche Wohnung. Möbel von der Heilsarmee. Eigentlich gar keine Zukunft. Und heute geht es uns sehr gut. Wir haben ein nettes Zuhause. Einen Teil unseres Jobs üben wir in unserer Wohnung aus. Ich weiß nicht, was als Nächstes kommt, aber wir haben was erreicht.«
Scott und Josh
In ihrem gemeinsamen Leben betreiben Scott und Josh ihren Escort-Service als Geschäft. Alles begann damit, dass sie in einem Müllcontainer einen Computer entdeckten und ihn reparierten. Über ihre ersten Fotos, die sie mit einem Handy gemacht hatten, und wie schlecht diese waren, müssen sie heute lachen. Ihre Fotos machen sie immer noch selbst, aber inzwischen sind diese professioneller. Sie klinkten sich in die Internetverbindung von Joshs Mutter ein, um E-Mails erhalten zu können, und so fing alles an.
Sie halten genau fest, wie viele Verabredungen jeder von ihnen pro Woche hatte und wie viel dabei verdient wurde. Pro Termin und Mann gilt ein Einheitspreis. Teurer wird es, wenn sie erst nach Miami Beach oder zu einer anderen Stadt in der Nähe fahren müssen. Teurer wird es auch, wenn man beide zusammen bucht, was häufig der Fall ist.
Im Internet und einschlägigen Magazinen inserieren sie getrennt, weisen aber darauf hin, dass man sie auch gemeinsam buchen kann. Obwohl das nicht in ihren Inseraten steht, sind sie nun in der Szene von Fort Lauderdale zu Hause und können als Team gemietet werden. Bei etwa 40 Prozent ihrer Termine arbeiten sie zusammen, und derzeit sind es pro Woche rund 16 Termine.
»Unsere Kunden sind keineswegs nur ältere, reiche Männer«, sagt Josh. »Wir haben viele junge, gutaussehende Kunden, von denen wir später herausfinden, dass es bekannte Leute sind. Sogar Sportler. Manchmal stolpern wir in Zeitschriften über sie. Erst vorige Woche haben wir das Foto eines Tennisprofis gesehen und ihn sofort erkannt. Als das deutsche olympische Schwimm-Team in Fort Lauderdale war, hatten wir auch Kundschaft. Wenn sie uns buchen, legen sie sich Tarnnamen zu.«
Bei der Arbeit als Team oder auch einzeln kommt es oft zu lustigen Situationen. Josh erzählt von einem älteren Kunden, der ihn zu sich gebeten hatte, und als sie gerade loslegen wollten und über den vom Mondlicht beschienenen Yachthafen blickten, sagte der Mann: »Bitte sei vorsichtig. Ich habe monatelang keinen Sex mehr gehabt.« Und Josh musste sich ein Lachen verkneifen, da er wusste, dass der gleiche Mann die Nacht zuvor bei Scott gewesen war.
Scott hat auch schon Aufträge bekommen, bei denen ein weiblicher Escort beteiligt war. Aber so etwas entpuppt sich oft als Voyeurismus oder so. In punkto Gefahren sagt er: »Wenn wir getrennt arbeiten, wissen wir stets, wo der andere steckt. Und 40 Prozent unserer Zeit arbeiten wir gemeinsam.« Treffen, die eine ganze Nacht lang dauern, übernehmen sie nur als Team.
»Einige Kunden sind ziemlich jung, und das Honorar, das sie bezahlen müssen, ist für sie eine Menge Geld, aber sie tun es trotzdem. Wir hatten Kunden, die waren nicht älter als 18. Aber finanzielle Abstriche machen wir da nicht. Was wir kosten, das kosten wir. Das ist schließlich ein Geschäft.« Josh erklärt, dass sie manchmal Dates mit jungen, gutaussehenden Männern haben, die glauben, ihre Attraktivität könne ihnen eine Bezahlung für den Escort-Service ersparen. Darauf aber gehen die beiden nicht ein.