Bree Despain
Urbat
Der verlorene Bruder
Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Andreas Brunstermann
Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel The Lost Saint bei Egmont USA, New York
ISBN E-Pub 978-3-8412- 0314-4
ISBN PDF 978-3-8412-2314-2
ISBN Printausgabe 978-3-351-04141-0
Aufbau Digital,
veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, September 2011
© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, Berlin
Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 bei Aufbau,
einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG
Original Copyright © Bree Despain, 2011
Published by Arrangement with Bree Despain
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung ist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen, die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.
Umschlaggestaltung Kathrin Schüler, Berlin
unter Verwendung des Motivs der Orginalausgabe
© Jose Torralba, 2009 / courtesy getty Images
Konvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,
KN - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgart
ww.aufbau-verlag.de
Konsequenz
KAPITEL 1 Der Himmel stürzt ein
KAPITEL 2 In dubio pro reo
KAPITEL 3 Am Ende der Kräfte
KAPITEL 4 Wie eine Bombe
KAPITEL 5 Hilflos
KAPITEL 6 Wie wir einst waren
KAPITEL 7 Was April weiß
KAPITEL 8 Das Depot
KAPITEL 9 Talbot
KAPITEL 10 Grenzen
KAPITEL 11 Der Fremde
KAPITEL 12 Der Barmherzige Samariter
KAPITEL 13 Rettung
KAPITEL 14 Ein normales Leben
KAPITEL 15 Test
KAPITEL 16 Die Bestien von Gevaudan
KAPITEL 17 Grundtraining
KAPITEL 18 Tanz mit den Wölfen
KAPITEL 19 Abschlussprüfung
KAPITEL 20 Verlangen
KAPITEL 21 Die schreckliche Grace
KAPITEL 22 Der Große Böse Wolf
KAPITEL 23 Das Lagerhaus
KAPITEL 24 Steh mir bei
KAPITEL 25 In der Höhle des Löwen
KAPITEL 26 Gefangen
Danksagung
In liebevoller Erinnerung an Mildred Coy Rane.
Ich weiß nicht, wie sehr du dich für meine fantastischen Geschichten über Werwölfe und Dämonenjäger interessiert hast, aber du warst immer stolz auf mich und hast mich stets unterstützt.
Ich vermisse dich jeden Tag.
Deine dich liebende Enkelin
Bree
»Tu, was er sagt, und du überlebst vielleicht«, klang eine barsche Stimme ans Ohr des Jungen, bevor er einen heftigen Stoß in seine Nieren verspürte. Er fiel nach vorn auf den Zementboden, die Arme vom Körper abgespreizt.
»Er ist also derjenige, der abzuhauen versuchte?«, fragte eine weitere Stimme aus dem Schatten. Sie war tiefer, älter und kehliger. Fast wie ein Fauchen. »Das ist hier kein Trainingslager, Junge. Du kannst nicht einfach mit dem Spiel aufhören und nach Hause gehen.«
Der Junge hustete. Blutdurchtränkter Speichel lief aus seinem Mundwinkel. »Ich wollte nicht … Ich hab nicht …« Er versuchte, sich auf die Knie aufzurichten, doch ein Tritt von hinten stieß ihn wieder hinunter auf den Boden. Seine Gedanken wirbelten durcheinander, versuchten zu verstehen, was er getan hatte, um an diesem Ort zu landen.
Dieser Ort.
Sie hatten ihm gesagt, dieser Ort sei sein Zuhause. Sie hatten ihm gesagt, sie seien seine Freunde. Sie nannten ihn ihren Bruder.
Mehr brauchte es nicht. Das war alles, was er wollte.
Doch dieser Ort war kein Zuhause.
»Du gehörst mir«, sagte der Mann, als er aus dem dunklen Alkoven trat. »Und deshalb wirst du mir sagen, was ich wissen will.«
Dieser Ort war ein Gefängnis. Und diese Leute waren nicht seine Familie.
Der Mann, den die anderen Vater nannten, stand hoch aufgeragt über dem Jungen und blickte mit glühend gelben, mörderischen Augen auf ihn hinunter. »Sag es mir!«, brüllte der Mann, rammte seinen gestiefelten Fuß auf den Ring, der an der flach ausgestreckten Hand des Jungen steckte, und malmte den Ring mit dem Stiefelabsatz in den Boden.
Der Junge schrie – doch nicht wegen des stechenden Schmerzes, den er spürte, als der zerbrechende Ring in sein Fleisch schnitt und die Sehnen von den zersplitternden Knochen seiner Finger abrissen.
Er schrie, weil er etwas Schreckliches getan hatte und nun wusste, dass jeder, den er jemals geliebt hatte, und alles, was er zurückgelassen hatte, sterben würde.
KAPITEL 1
Donnerstagnacht, Übung 82
»Du kannst es, Grace«, stieß Daniel unter heftigen Atemzügen hervor. »Du weißt, dass du es kannst.«
»Ich versuch’s ja.« Meine Hände zitterten, als ich sie zu Fäusten ballte.
Die Schmerzen der Verwandlung überraschten mich immer wieder – egal, wie vorbereitet ich mich auch glaubte. Es begann mit einem brennenden Gefühl tief in meinem Körper. Meine Muskeln zogen sich zusammen, meine Schultern erbebten und meine Beine zitterten. Mein Bizeps schien vor Anspannung zu glühen.
»Los, Grace. Lass mich jetzt nicht im Stich.«
»Halt die Klappe!«, gab ich zurück und versuchte einen weiteren Schwinger.
Daniel lachte und wich nach links aus. Mein Schlag verfehlte seinen Boxhandschuh komplett.
Ich stolperte vorwärts, doch Daniel fing mich auf, bevor ich hinfiel, und stieß mich zurück. Ich fletschte die Zähne und schwankte rückwärts über den Rasen. Ich sollte viel beweglicher sein! »Hör auf, so herumzuspringen.«
»Dein Gegner«, keuchte Daniel, »wird nicht einfach nur dastehen und sich von dir schlagen lassen.« Er hielt seine Boxhandschuhe auf Gesichtshöhe und wartete auf einen neuen Angriff.
»Wäre aber besser für ihn.« Mit einer Kombination aus Haken und Gerader sprang ich nach vorn, doch Daniel fälschte meine Versuche mit seinen Handschuhen ab. Er wirbelte herum – und mein nächster Stoß ging ungebremst ins Leere.
»Gah.« Ich schüttelte den Kopf. Mein Mondsteinanhänger schlug mir vor die Brust. Er fühlte sich auf meiner bereits geröteten Haut ganz warm an.
»Deine Schläge sind viel zu intensiv. Spar dir die Energie. Kurze Stöße. Lass deinen Arm nach vorn schnappen und zieh ihn gleich wieder zurück.«
»Ich versuch’s doch.«
Der Schmerz in meinen Muskeln wurde stärker. Doch nicht vor Müdigkeit. Es waren meine Kräfte. Meine ›Fähigkeiten‹, wie Daniel sie nannte. Wann immer wir trainierten, lagen sie bereit, doch gerade eben außer Reichweite. Wenn ich nur die Feuerwand zwischen ihnen und mir hätte durchdringen können! Dann wäre es mir möglich gewesen, meine Kräfte zu fassen und sie anzuwenden. Sie zu besitzen.
Ich zuckte zusammen, als die halbmondförmige Narbe auf meinem Arm pochend aufflackerte. Ich ließ den Arm sinken und versuchte den Schmerz abzuschütteln.
»Arme hoch«, ordnete Daniel an. »Regel Nummer eins: Nie die Deckung aufgeben.« Er boxte mir leicht gegen die Schulter.
Es sollte ein spielerischer Schlag sein, doch der Schmerz in meiner Narbe durchzuckte mich wie Elektrizität. Ich blickte ihn wütend an.
»Jetzt wirst du langsam sauer«, stellte Daniel fest. Das schiefe Lächeln umspielte seine Lippen.
»Meinst du wirklich?« Ich ließ eine weitere Kombination folgen. Drei Geraden und einen Haken in Richtung seiner Boxhandschuhe. Ich spürte einen Kraftschub in meinem Körper – endlich – und der letzte Stoß kam schneller und härter als erwartet. Daniel verlor seine Deckung und meine Faust rammte gegen seine Schulter.
»Whoa!« Er wich zurück und lockerte seine Schultern. »Zügel deine Kräfte, Grace. Lass nicht deine Gefühle die Oberhand gewinnen.«
»Warum versuchst du dann, mich wütend zu machen?«
Sein schiefes Grinsen nahm einen verschlagenen Zug an. »Damit du deine Balance trainieren kannst.« Er klopfte seine Handschuhe gegeneinander und machte mir ein Zeichen, ihn erneut anzugreifen.
Ich spürte, wie mich meine Kräfte durchströmten, endlich unter meiner Kontrolle. Ich lachte und tänzelte ein paar Meter zurück. »Wie findest du diese Balance?«, fragte ich grinsend, und schneller, als ich auch nur denken konnte, wirbelte mein Körper herum und landete einen direkten Schlag gegen Daniels ausgestreckten Handschuh.
Daniel stöhnte und stolperte nach hinten. Seine Knie schwankten, gaben unter ihm nach und er taumelte rückwärts zu Boden.
»Oh nein!« Ich fasste nach ihm und ergriff seinen Arm. Ich konnte allerdings nicht mehr verhindern, dass er hinfiel, und stürzte mit ihm zusammen auf den Rasen.
Seite an Seite landeten wir im Gras. Ich war sofort wie betäubt – der Sturz hatte mir die Luft genommen; meine Kräfte hatten mich verlassen. Daniel rollte auf die Seite und stöhnte erneut. Erschrocken wurde ich mir der Realität bewusst.
»Oh je. Tut mir leid!« Ich setzte mich auf. »Das hab ich nicht gewollt. Meine Kräfte waren plötzlich da und ich … Alles in Ordnung?«
Daniels Stöhnen verwandelte sich in ein halbes Lachen. »Diese Art von Balance hab ich nicht gemeint.« Er zuckte zusammen, zog seine Boxhandschuhe ab und warf sie zur Seite.
»Im Ernst, bist du okay?«
»Jepp.« Daniel beugte sich vor und massierte seine Knie. Sie hatten ordentlich was abbekommen, als er vor knapp zehn Monaten von der Empore der Pfarrkirche gefallen war. Und da ich ihn gleich nach dem Sturz vom Fluch des Werwolfs geheilt hatte, waren seine übermenschlichen Kräfte verloren gegangen. Jetzt musste er wie jeder normale Mensch abwarten, bis seine Wunden verheilten. Obwohl er mehrere Wochen auf Krücken gegangen war und sich einer Physiotherapie unterzogen hatte, machten seine Knie noch immer große Probleme. »Einen Krüppel schlagen – was würde wohl dein Vater dazu sagen?«
»Ha-ha.« Ich schnitt eine Grimasse.
»Aber mal ganz im Ernst. Du wirst besser.« Er stöhnte wieder, legte sich ins Gras zurück und verschränkte die Arme hinterm Kopf.
»Nicht gut genug.«
Ich brauchte fast eine Stunde intensiven Trainings, bevor meine Kräfte auch nur ansatzweise spürbar waren, und wenn sie dann einsetzten, hielten sie bloß – wie lange? – vielleicht dreißig Sekunden an. Das war der Haken an meinen Fähigkeiten. Sie setzten schubweise ein, wann immer sie es wollten, und lagen völlig außerhalb meiner Kontrolle. Meine Verletzungen heilten schneller, als es bei normalen Sterblichen der Fall war. Doch noch immer war ich nicht in der Lage, diese Kräfte einfach so aus mir herauszuholen, wie Daniel es früher gekonnt hatte. Ich konnte mich nicht aus eigenem Willen heilen. Ich bekam plötzliche Ausbrüche von Kraft und Wendigkeit, als hätte mein Körper ein eigenes Bewusstsein, wie gerade eben, als ich Daniel geschlagen hatte. Aber normalerweise konnte ich nicht steuern, wann das passierte.
Nachdem Daniels Arzt ihm wieder Bewegung erlaubt hatte, begannen wir dreimal pro Woche mit dem Training – allerdings nur, wenn ich nicht gerade Hausarrest hatte. Wir fingen an zu joggen, probierten Hindernisläufe, boxten wie heute mit Handschuhen und übten, über große Distanzen zu sehen und zu hören. Obwohl ich deutlich schneller und stärker war als noch vor ein paar Monaten, schien es mir langsam, als würde ich niemals in der Lage sein – egal, wie sehr ich es auch versuchte – meine Kräfte so anzuwenden, wie ich es wollte. Stattdessen kontrollierten sie mich.
Daniel seufzte. Er zeigte zum Himmel. »Sieht so aus, als ob wir gerade rechtzeitig aufhören. Der Meteoritenschauer setzt ein.«
Ich blickte auf und sah eine Sternschnuppe über uns durch die dunkle, klare Nacht zischen. »Oh ja. Das hab ich fast vergessen.«
Daniel und ich hatten geplant, nach unserem heutigen Training den Meteoritenschauer zu verfolgen. Für ein wissenschaftliches Schulprojekt, das unsere Noten verbessern würde, sollten wir zählen, wie viele Sternschnuppen wir innerhalb von dreißig Minuten entdecken konnten.
Wie ich wusste, ärgerte sich Daniel über Direktor Conway, weil er nicht mal erwogen hatte, ihn für die Abschlussprüfung im letzten Jahr zuzulassen. In den Jahren, in denen Daniel versucht hatte, dem Fluch zu entkommen, der jeden seiner Gedanken beherrschte, hatte er einfach zu viel Unterricht verpasst. Ich hingegen war froh, dass er noch nicht zum College aufgebrochen war. Mithilfe seines Sommerunterrichts, ein paar übernommener Zusatzaufgaben und einiger Testläufe in verschiedenen Klassen würden wir im nächsten Frühjahr gemeinsam den Abschluss machen können.
»Ich mach das Licht aus«, sagte ich, nachdem ich meine Handschuhe ausgezogen hatte. Ich streckte die Finger und dehnte meinen schmerzenden Knöchel, während ich quer über den Hof von Maryanne Dukes altem Haus lief. Dann knipste ich das Verandalicht aus, schnappte mir mein Kapuzenshirt und lief zurück zum Rasen. Ich legte mir das Sweatshirt wie eine Decke über die Brust, nahm einen tiefen Atemzug von der herbstlichen Luft und ließ mich auf dem kühlen Gras neben Daniel nieder.
»Das war die sechste«, sagte ich nach einem langen Augenblick.
Daniel grunzte zustimmend.
»Wow! Hast du die gesehen?« Ich zeigte auf eine besonders helle Sternschnuppe, die funkelnd über den Himmel zog, bevor sie sich im Nichts verlor.
»Ja«, sagte Daniel leise. »Wunderschön.«
Ich blickte zu ihm. Er lag auf der Seite und sah mich an.
»Du hast ja gar nicht richtig hingeguckt«, neckte ich ihn.
»Doch, hab ich.« Daniel lächelte mich auf seine typisch spitzbübische Art an. »Sie hat sich in deinen Augen gespiegelt.« Er streckte die Hand aus und fuhr mit den Fingern über meine Wange. »Eins der schönsten Dinge, die ich je gesehen habe.« Er legte mir einen Finger unter das Kinn und zog mein Gesicht näher zu sich heran.
Ich wandte den Blick von seinen tiefen, dunkelbraunen Augen ab und betrachtete die Rundung seiner Muskeln unter dem dünnen Laufshirt, das er für unser Training angezogen hatte. Dann sah ich zu seinem zottigen Haar, das über den Sommer einen hübschen, goldblonden Ton angenommen hatte – die dunkle Farbe hatte sich schließlich ausgewaschen. Ich betrachtete die Linie seines Kinns und ließ meinen Blick schließlich auf der Wölbung seines lächelnden Mundes ruhen. Es war nicht mehr das spöttische Grinsen, sondern ein Lächeln, das er sich für Momente wie diesen aufsparte. Ein Lächeln, das bedeutete, dass er wirklich glücklich war.
Er war noch immer erhitzt von unserem Boxkampf, und ich konnte spüren, wie nur ein paar Zentimeter neben mir die Wärme von seinem Körper abstrahlte. Mich zu ihm zog. Mich die kleine Lücke zwischen uns schließen lassen wollte. Ich sah wieder in seine Augen, liebte dieses Gefühl, dass ich mich auf ewig in ihnen verlieren könnte.
In Augenblicken wie diesem konnte ich manchmal kaum glauben, dass er überhaupt hier war.
Dass er noch lebte.
Dass er mir gehörte.
Ich hatte ihn einmal sterben sehen. Ihn in meinen Armen gehalten und seinem Herzschlag gelauscht, bis er verklungen war.
Es war in der Nacht geschehen, in der mein Bruder Jude dem Fluch des Werwolfs erlegen war – nur Tage, bevor er eine Nachricht auf dem Küchentisch hinterlassen hatte, in den Schneesturm hinausgegangen und verschwunden war.
In derselben Nacht, in der Jude mich mit den Kräften infiziert hatte, die mich jetzt verhöhnten.
Der Nacht, in der ich fast alles verloren hatte.
»Da ist noch eine.« Daniel lehnte sich vor und küsste mich sanft neben meinem Auge. Er führte seine Lippen über Wange und Kinn; seine köstliche Berührung durchströmte meinen ganzen Körper.
Daniels Mund traf auf meinen. Erst eine leichte Berührung, dann ein sanfter Druck. Seine Lippen öffneten sich und verschmolzen mit meinen.
Meine Beine taten weh, als ich ihn zu mir heranzog und schließlich die Lücke zwischen uns schloss.
Es war mir egal, dass wir uns auf dem Hof hinter Maryanne Dukes altem Haus befanden. Es war mir egal, dass wir eigentlich die Sternschnuppen für den Unterricht zählen sollten. Außer seiner Berührung existierte nichts anderes. Unter den fallenden Sternen gab es nur Daniel, mich und das Bett aus Gras unter uns.
Plötzlich wich er ein Stückchen zurück. »Bei dir summt’s«, flüsterte er.
»Häh?«, murmelte ich und küsste ihn.
Er rückte weiter von mir ab. »Ich glaub, das ist dein Handy.«
Jetzt bemerkte ich es auch. Das Handy in der Tasche meines Sweatshirts.
»Na, und?« Spielerisch fasste ich nach seinem T-Shirt und zog ihn wieder an mich. »Die können ja ’ne Nachricht hinterlassen.«
»Es könnte deine Mom sein«, mahnte Daniel. »Ich hab dich gerade erst wieder. Ich möchte nicht wieder zwei Wochen auf dich verzichten.«
»Verdammter Mist.«
Daniel grinste. Er fand es immer wahnsinnig komisch, wenn ich fluchte. Aber er hatte recht, zumindest was meine Mom betraf. Seitdem Jude weggegangen war, gab es bei ihr nur zwei Betriebsformen: Zombie Queen und Durchgeknallte Mama-Bär. Ihr höchstpersönliches Modell einer bipolaren Störung.
Ich war heute Abend aufgebrochen, bevor sie von Tante Carols Verabschiedung am Bahnhof zurückgekommen war. Daher wusste ich nicht, in welchem Modus sie sich gerade befand. Sollte es der superstrenge sein, könnte sie mich womöglich wieder zu Hausarrest verdonnern, wenn ich beim zweiten Klingeln nicht ans Handy ging.
Ich setzte mich auf und kramte in der Tasche meines Kapuzenshirts. Doch es war schon zu viel Zeit vergangen; der Anrufer hatte aufgelegt, bevor ich das Handy endlich fand. »Verflucht.« Es war völlig unmöglich, Daniel zwei weitere Wochen nur in der Schule sehen zu können. Ich klappte das Handy auf, um die entgangenen Anrufe zu überprüfen, und hoffte im Stillen, dass es nicht meine Mutter gewesen war. Was ich jedoch entdeckte, verwirrte mich. »Wo ist dein Handy?«, fragte ich Daniel.
»Ich hab’s drinnen gelassen. Auf meinem Bett.« Daniel gähnte. »Wieso?«
Während ich weiter auf das Display meines Handys starrte, stand ich auf. Eine dunkle Vorahnung kroch in mir hoch. Die Haare in meinem Nacken richteten sich auf und meine Muskeln verspannten sich so, wie sie es immer taten, wenn mein Körper Gefahr witterte. Das Telefon in meiner Hand fing wieder an zu klingeln. Ich ließ es fast fallen.
»Wer ruft dich denn an?«
»Du.«
Ich fummelte an dem Handy herum, dabei rutschte es mir beinahe wieder aus den Händen. Nervös drückte ich auf den Annahmeknopf und hielt das Handy ans Ohr. »Hallo?«, fragte ich vorsichtig.
Stille.
Ich sah wieder auf das Display, um mich zu vergewissern, dass ich den Anruf auch angenommen und nicht versehentlich den falschen Knopf gedrückt hatte. Dann brachte ich das Telefon wieder an mein Ohr. »Äh, hallo?«
Immer noch nichts.
Ich sah zu Daniel und zuckte mit den Achseln. »Muss wohl irgendeine Fehlschaltung sein.« Ich wollte gerade auflegen, als ich etwas in der Leitung hörte. Es hörte sich wie eine Hand an, die den Hörer bedeckte.
»Hallo?« Meine Haut kribbelte. Eine Gänsehaut überlief meine Arme. »Wer ist da?«
»Sie sind hinter dir her«, sagte eine gedämpfte Stimme. »Du bist in Gefahr. Ihr seid alle in Gefahr. Du kannst sie nicht aufhalten.«
»Wer ist denn da?«, fragte ich erneut. Ähnlich der Spannung in meinen Muskeln wurde meine Panik größer. »Wie kommen Sie an Daniels Telefon?«
»Vertrau ihm nicht«, sagte die Stimme zitternd. »Er lässt dich glauben, dass du ihm vertrauen kannst. Aber das kannst du nicht.«
Daniel griff nach dem Handy, doch ich entzog mich ihm.
»Wovon reden Sie überhaupt?«, fragte ich.
»Du kannst ihm nicht vertrauen.« Die Stimme schien plötzlich deutlicher, als ob sich die Hand nicht mehr über dem Hörer befand – und ihre Vertrautheit ließ mir fast das Herz stehen bleiben. »Bitte, Gracie, glaub mir dieses eine Mal. Ihr seid alle in Gefahr. Du musst wissen, dass …« Die Stimme erstarb mit einem klappernden Geräusch, als hätte jemand das Telefon fallen gelassen.
Dann war die Leitung tot.
»Jude!«, schrie ich in mein Handy.
Ungefähr zehn Sekunden später
»Warte!«, rief Daniel mir nach, während er sich vom Boden aufzurappeln versuchte.
Doch ich hatte bereits die Taste gedrückt, um Daniels Handy zurückzurufen, und war schon vom Rasen zur hinteren Veranda gelaufen, bevor es auch nur zu klingeln anfing. Undeutlich konnte ich hören, wie von seinem Handy in der Kellerwohnung von Maryanne Dukes altem Haus eine Metal-Version der ›Mondscheinsonate‹ ertönte. Ich verspürte einen Schub übernatürlicher Schnelligkeit. Innerhalb von Sekunden war ich um das Haus herumgelaufen und stürmte die Betonstufen hinunter, die zu seiner Wohnung führten.
Die alte gelbe Tür stand halb offen. Meine Handflächen wurden plötzlich feucht. Normalerweise achtete Daniel sehr darauf, dass seine Tür verschlossen war. Die Angeln quietschten, als ich die Tür etwas weiter aufstieß.
»Jude?«, rief ich in die kleine Wohnung hinein. Das Handy hatte zu klingeln aufgehört und die Wohnung war dunkel. Ich konnte ein Paar von Daniels Chucks neben einem unordentlichen Haufen schmutziger Wäsche auf dem Boden erkennen. Das Bettsofa war ausgeklappt, doch die Bettdecke fehlte und die dünne Matratze war nur halbwegs von den Laken bedeckt.
»Grace, warte mal.« Daniel erschien oben an der Treppe. »Vielleicht ist das am Telefon gar nicht dein Bruder gewesen.«
»Er war es. Ich würde seine Stimme immer wiedererkennen.« Es war mir, unter Androhung der Todesstrafe, von meinem Vater verboten worden, Daniels Wohnung in seinem Beisein zu betreten. Ich machte trotzdem einen Schritt in das Apartment hinein. »Jude, bist du hier?«
»Das hab ich nicht gemeint.« Daniel hinkte die Stufen herunter. »Ich meinte, dass Jude vielleicht nicht dein Bruder war, als er angerufen hat. Vielleicht stand er unter dem Einfluss des Wolfs.«
Wieder einmal hatte Daniel nicht ganz unrecht. Ich zitterte bei dem Gedanken an die Dinge, die Jude bereits zuvor unter dem Einfluss des Wolfs getan hatte. Wie um die Erinnerungen zu unterstreichen, zwickte die halbmondförmige Narbe an meinem Arm. Dennoch, wenn Jude hier war, musste ich es wissen. Mein Herz schlug schneller, als ich die Wohnung betrat.
»Jude?« Ich drückte ein paarmal auf den Lichtschalter. Nichts geschah.
Meine Schritte passten sich meinem Herzschlag an, während ich weiter in den dunklen Raum hineinging. Eine düstere Vorahnung bemächtigte sich meiner Muskeln und prickelnder Schmerz durchfuhr meine Sehnen. Mein Körper schien sich auf etwas vorzubereiten. Flucht oder Kampf.
Ich trat neben das Sofa und suchte zwischen den zerknitterten Laken nach dem Handy, das Daniel angeblich hier liegen gelassen hatte. Daniel öffnete währenddessen die Tür zum Badezimmer und inspizierte vorsichtig den kleinen Raum. Ich hörte, wie er das Spiegelschränkchen auf- und zumachte, dann das Rascheln des Duschvorhangs.
Der kribbelnde Schmerz breitete sich bis zu meinen Fingerspitzen aus und ich verkrampfte die Hand um mein Telefon. Dann drückte ich noch mal die Wiederholungstaste. Ich konnte das Klingeln in meinem Handy hören, bevor der metallene Ton von Daniels Telefon einsetzte. Das Geräusch war erst leise, klang aber dann lauter und näher.
Instinktiv wirbelte mein Körper zu dem Klingelton herum. Ich fand mich in geduckter Stellung wieder, bereit zum Angriff. Ein leises Knurren entfuhr meinen Lippen.
»Wow, Gracie!« Daniel stand vor mir. Er hatte die Hände zur Verteidigung hochgehoben. Mit einer Hand hielt er sein Handy umklammert. »Ich bin’s nur. Ich hab mein Handy in der Dusche gefunden.«
Ich stürzte nach vorn und schlang meine Arme um ihn. »Heilige Sch…, ich dachte du wärst … du wärst …« Ich versuchte zu Atem zu kommen, presste den Mondsteinanhänger gegen meine Brust und ließ die Angst langsam aus meinem Körper hinausfließen. Ich weiß nicht, was ich hinter mir erwartet hatte. Einen Werwolf mit einem Handy zwischen den Klauen? Plötzlich kam ich mir ziemlich albern vor.
»Schon in Ordnung.« Daniel strich mit den Fingern durch mein Haar. »Es ist niemand hier.«
»Aber irgendjemand war hier«, erwiderte ich. »Falls du nicht die Angewohnheit hast, unter der Dusche zu telefonieren.«
»Versuch, deine Kräfte zu benutzen. Sie können dir sagen, ob es Jude war«, sagte Daniel. »Setz deine Sinne ein, so wie ich es dir gezeigt habe.«
Ich hatte zwar nicht viel Hoffnung, dass es funktionierte, doch ich nahm einen tiefen Atemzug, behielt die Luft hinten in der Kehle und versuchte, sie in meine Sinne eindringen zu lassen, so wie es mir Daniel in den letzten Monaten bestimmt zwei Dutzend Male gezeigt hatte. Ich musste die Luft auf Spuren meines Bruders überprüfen und neben Daniels Mandelduft und dem scharfen Geruch nach Ölfarbe, der seine Wohnung immer durchdrang, einen bekannten Duft oder Geschmack herausfiltern.
Mit einem langen, frustrierten Hauch atmete ich schließlich aus. Daniel blickte mich voller Hoffnung an. Ich schüttelte den Kopf. Wieder einmal hatte ich versagt.
»Das ist in Ordnung«, meinte Daniel. »Es wird schon noch kommen. Es braucht bloß Zeit.« Das sagte er immer.
»Ja, ich weiß.« Ich hoffte, dass er nun nicht wieder davon anfangen würde, wie viel Balance vonnöten war, wie gut ich es bis jetzt schon machte und wie viele Jahre die meisten Urbats brauchten, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln. »Ich kann mich übrigens gar nicht mehr erinnern, wie mein Bruder riecht. Und geschmeckt hab ich ihn ganz sicher noch nie.«
Daniel lächelte. Vortrag abgewendet.
Ich nahm sein Handy und suchte es mit meinen menschlichen Augen nach Spuren ab. Das Gehäuse war zersprungen, als wäre das Handy hingefallen. Ich war überrascht, dass es überhaupt noch funktionierte. Ich überprüfte Zeit und Telefonnummer des letzten Anrufs, der von diesem Telefon gemacht worden war. »Er hat mich definitiv von diesem Handy angerufen.« Ich schauderte. »Er war hier drinnen, während wir draußen waren.«
»Was hat er gesagt?«, fragte Daniel.
»Er sagte, ich sei in Gefahr. Dass wir alle in Gefahr seien. Er sagte, dass ›sie hinter mir her seien‹ und dass ich sie nicht aufhalten könne. Und dann sagte er noch, dass ich jemandem nicht trauen könne …« Ich biss mir auf die Lippe. »Ich weiß nicht, aber ich glaube, er meinte dich.«
Daniel verschränkte die Arme vor der Brust. »Klingt, als hätten sich seine Gefühle mir gegenüber nicht verändert.« Ein sorgenvoller Ausdruck trat in seine dunklen braunen Augen.
Ich fragte mich, ob er das Gleiche dachte wie ich – dass Jude vielleicht andere Absichten verfolgt hatte, als er in die Wohnung eingebrochen war. Hatte Jude angenommen, dass Daniel allein hier war? Allein und wehrlos? Das ergab keinen Sinn. Wenn er Daniel hätte angreifen wollen, hätte ihn meine Anwesenheit sicher nicht daran gehindert. Das hatte es schon früher nicht.
»Hat er noch etwas anderes gesagt?«, fragte Daniel.
»Nein. Die Verbindung brach ab. Ich glaube, er hat das Handy fallen gelassen. Er schien nervös. Vielleicht hat seine Hand gezittert.« Oder vielleicht war er gerade die Wandlung durchlaufen.
»Glaubst du, dass er dir nur Angst einjagen wollte?«, mutmaßte Daniel. »Vielleicht ist das ja nur so ein krankes Spiel. Er wollte nie, dass wir zusammen sind.«
»Ich weiß nicht.« Ich blickte auf das Handy in meiner Hand. »Das ist möglich. Aber es ergibt doch keinen Sinn, dass er hierherkommt, nur um einen blöden Witz zu machen. Ich glaube, da steckt etwas anderes dahinter.«
Vielleicht lag es an meinen neuen Wolfsinstinkten oder es gab so eine Art geschwisterlicher Verbindung, aber irgendetwas tief in meinem Innern sagte mir, dass Jude recht hatte. Wir waren alle in Gefahr.
Ich wusste nur nicht, ob die Gefahr von ihm ausging.
KAPITEL 2
Zu Hause, zwanzig Minuten später
Daniel bestand darauf, mir auf seinem – für ihn – neuen Motorrad nach Hause zu folgen. Langsam legte ich die wenigen Meilen zwischen unserem Haus und Oak Park zurück und behielt beim Fahren die Straßen im Auge. Ich bremste jedes Mal ab, wenn ein Fußgänger vorbeikam. Das geschah nicht oft, da es schon nach zehn Uhr war.
Wieder und wieder rief ich Dads Handy an, doch jedes Mal ging sofort die Mailbox an. Welchen Sinn hatte es eigentlich, dass er uns allen Mobiltelefone gekauft hatte, damit wir in Verbindung bleiben konnten, er aber ständig vergaß, seins aufzuladen? ›Ruf mich zurück‹, lautete die Nachricht, die ich immer wieder hinterließ. Angesichts der Energie, die er in den letzten Monaten in die Suche nach Jude gesteckt hatte, wollte ich Dad nicht einfach per Mailbox über das Wiederauftauchen meines Bruders informieren. Das ist eine Neuigkeit, die du jemandem persönlich überbringen musst. Am besten, wenn er oder sie direkt vor dir steht – oder, besser noch, sitzt.
›Chaos‹ ist das einzige Wort, das die Szene hätte beschreiben können, die sich mir beim Öffnen der Haustür bot: Die Zehn-Uhr-Nachrichten schallten mir aus dem Wohnzimmer entgegen, als hätte jemand die Lautstärke voll aufgedreht, um den Nachrichtensprecher bei dem Geheul von James, der in Charitys Armen auf der Treppe um seine Freiheit kämpfte, noch verstehen zu können. Es sah aus, als hätte sie gerade versucht, ihn ins Bett zu verfrachten. Der Kleine ruderte derart mit den Armen, dass nun beide die Treppe herunterzufallen drohten.
Die vibrierenden Töne verstärkten sich plötzlich in meinem Kopf um das Zehnfache. Ich zuckte zusammen und bedeckte meine Ohren mit den Händen. Perfekter Zeitpunkt für das unerwartete Einsetzen meines Supergehörs. »Was ist denn hier los?«, rief ich in den Lärm. »Ich hab doch James schon vor zwei Stunden ins Bett gesteckt.« Bevor ich gegangen war, hatte ich darauf geachtet, dass James im Bett lag und Charity an ihren Hausaufgaben saß. Da Dad nicht da war, war es das Mindeste, was ich tun konnte.
»Ich weiß nicht. Er ist vor einer Stunde schreiend aufgewacht«, rief Charity und entging mit ihrem Gesicht nur knapp einem Faustschlag von James. »Ich konnte ihn beruhigen. Aber er ist völlig ausgeflippt, als ich versucht habe, ihn wieder in sein Zimmer zu bringen. Vielleicht hatte er einen Albtraum und dachte, dass da etwas vor seinem Fenster sei oder so was.«
Ich warf Daniel einen Blick zu. Er nickte. Was James vor seinem Fenster gesehen hatte, war womöglich kein Albtraum gewesen.
»Ah, James! Hör auf!«, schrie Charity, als James in ihren Armen einen Buckel machte und mit den Beinen strampelte. Beinahe wäre er ihr aus den Armen gerutscht und sie hätte ihn auf die Treppe fallen lassen.
»Ich nehme ihn.« Daniel trat neben mir in den Flur und hob James aus Charitys Armen. »Beruhige dich, Baby J«, sagte Daniel und klopfte ihm spielerisch auf den Po. Fast augenblicklich wurde James still und schlang seine zitternden Arme um Daniels Hals. Daniel war noch immer sein großer Held. James, in seinem Schlafanzug, sah in Daniels starken Armen ganz winzig aus. Ich musste wieder daran denken, wie Daniel ihn aufgefangen hatte, als er von dem zwölf Meter hohen Abhang in den Wäldern hinter unserem Viertel herabgestürzt war.
»Wie wär’s, wenn ich dir eine Geschichte vorlese?«, fragte Daniel und rubbelte seine Nase über James’ Wange.
James nickte und rieb seine verweinten roten Augen.
»Was hältst du von Wo die wilden Kerle wohnen? Ich mag den Jungen im Wolfskostüm.« Das war James’ Lieblingsbuch – ein Geschenk von Daniel zu seinem zweiten Geburtstag vor sechs Monaten.
James schüttelte den Kopf. »Nöö, zu guselig.« Sein Kinn zitterte. Er musste ziemliche Angst gehabt haben.
»Dann lieber Pu, der Bär?« Daniel hob James auf seine Schultern und sah mich an. »Ich bringe ihn ins Bett.«
»Danke«, sagten Charity und ich wie aus einem Munde.
Ich sah zu, wie Daniel die Treppe hinauftrottete und in seiner besten iah-Stimme auf James einredete – was mehr wie Marlon Brando klang, wenn ihr mich fragt. Wie konnte bloß irgendjemand ihn nicht lieben? Und wieso sollte Jude immer noch denken, dass man ihm nicht trauen konnte?
»Endlich«, murmelte Charity. »Ich muss noch drei Seiten Mathe machen.«
»Tut mir leid. Wenn ich das gewusst hätte, wäre ich nicht so lange weggeblieben.«
»Schon okay.« Sie fuhr mit dem Finger über die Maserung des Eichengeländers. »Du bist ohnehin nicht diejenige, die sich um James kümmern sollte.« Sie blickte durch den Flur zum Wohnzimmer. »Kannst du Mom nicht fragen, ob sie den Fernseher leiser stellt? Ich muss mich wirklich etwas konzentrieren.«
»Ist sie wieder in ihrem Zombie-Queen-Modus?«
Charity nickte.
Ich hätte wissen müssen, dass ein Tag mit Tante Carol meine Mutter auch nicht in bessere Stimmung versetzen konnte. Carol kam gerne vorbei, um ›auszuhelfen‹, wenn Dad manchmal nicht da war. Doch ihre höhnischen Kommentare über unsere gar nicht so perfekte Divine-Familie wurden schnell unangenehm.
»Möchte wissen, wie lange es diesmal anhält«, sagte Charity und lief die Treppe hinauf.
Ich atmete tief durch und ging ins Wohnzimmer. James hatte zu weinen aufgehört. Ich konnte aus seinem Zimmer sogar Gelächter hören, doch die Lautstärke des Fernsehers war immer noch voll aufgedreht. Meine Ohren pochten, als ich näher an den Apparat heranging.
Ich nahm die Fernbedienung in die Hand, als die Nachrichten gerade zu einer neuen Meldung überwechselten. Ein Reporter stand an einer Absperrung vor einem Juweliergeschäft mit dem Namen ›Familienschmuck‹. Ich war schon mehr als einmal dort vorbeigekommen, wenn ich mich im Antiquitätenviertel der Stadt aufhielt. »In den letzten 48 Stunden wurden mitten am Tag zwei Juweliergeschäfte überfallen«, sagte der Reporter. »Da es keine Zeugen für diese dreisten Verbrechen gibt, steht die Polizei vor einem Rätsel. Die Angestellten beider Geschäfte geben an, dass man sie bewusstlos geschlagen habe, bevor sie irgendetwas bemerkten. Beide Läden wurden innerhalb von wenigen Minuten komplett demoliert und ausgeraubt. Die Überwachungskameras konnten an den Tatorten nichts aufzeichnen. Die Behörden vermuten, dass sie auf irgendeine Weise vor den Überfällen außer Funktion gesetzt wurden.«
Die Kamera wechselte zu einem untersetzten Nachrichtensprecher mit strubbeligem Haar, der hinter einem Schreibtisch saß. »Wow, Graham«, meinte er. »Die Überfälle kommen einem unheimlich bekannt vor, nicht wahr?«
»Ja«, erwiderte der Reporter. »Diese beiden Überfälle könnten mit einer Reihe anderer bizarrer und unerklärlicher Diebstähle und Angriffe in Verbindung gebracht werden, über die wir in den letzten Monaten berichtet haben. Doch anscheinend ist die Polizei genauso verwirrt wie alle anderen.«
»Hmm«, fuhr der Nachrichtensprecher fort. »Vielleicht sollten wir uns alle Gedanken darüber machen, ob das Markham Street Monster wieder erwacht ist und sich der organisierten Kriminalität zugewandt hat …«
Ich stellte den Fernseher leiser und unterbrach damit den Nachrichtensprecher, der über seinen eigenen blöden Scherz kicherte. Ich hatte Witze über das Markham Street Monster noch nie lustig gefunden – zumal ich mittlerweile die Wahrheit über es kannte … oder ihn, sollte ich wohl eher sagen.
Mom schien es egal zu sein, dass ich die Lautstärke drosselte. Sie starrte weiterhin wie gebannt auf den Bildschirm und betrachtete die Schaulustigen, die zu den mysteriösen Überfällen befragt wurden. Ihr Blick richtete sich auf jedes einzelne Gesicht in der Menge. Ich wusste, wen sie suchte.
»Mom?« Ich räumte das leere Weinglas und die Schale mit kalter Tomatensuppe vom Couchtisch. »Du hast ja gar nichts gegessen. Soll ich dir irgendwas anderes machen?«
Mom rückte ein kleines Stückchen zur Seite, sodass sie an mir vorbeisehen konnte.
»Dad hat gesagt, dass ich Dr. Connors anrufen soll, wenn du wieder mit dem Essen aufhörst.«
Sie zuckte nicht mal mit der Wimper.
Jede Faser in mir wollte Mom von Judes Anruf berichten. Dass er hier in Rose Crest gewesen war. Dass ich mit ihm gesprochen hatte. Dass er vielleicht, während sie gerade in den Nachrichten nach irgendeiner Spur von ihm suchte, genau vor dem Schlafzimmerfenster ihres anderen Sohns gewesen war.
Doch genau jener letzte Gedanke hielt mich ab. Ich wusste nicht, warum Jude zurückgekommen war. Ich wusste nicht, ob er, wenn er in die Fenster der Menschen blickte, die er einst seine Familie genannt hatte, eher Monster oder eher Mensch war. Und ich wusste nicht, ob er nach dem heutigen Abend überhaupt zurückkommen würde. Ich wusste nur, dass es, zumindest im Augenblick, besser war, Mom nichts zu erzählen.
Sie griff nach der Fernbedienung und stellte die Lautstärke wieder ein paar Stufen höher. Ich trug ihre Suppenschale zum Spülbecken in der Küche. Beim Ausleeren beobachtete ich, wie die rote, dickflüssige Tomatensuppe im Ausguss verschwand. Dann spülte ich die Schale aus, füllte das Spülbecken mit dem heißesten Wasser, das aus dem Hahn kam, und machte mich an das restliche Geschirr. Ich weiß nicht wieso, doch ich mochte es, wie die Hitze meine Hände anschwellen ließ, während ich sie in das brühheiße Wasser tauchte und den Abwasch machte. Moms Zombie-Queen-Modus rief in mir immer das Bedürfnis hervor, ein extrastarkes Gefühl erleben zu wollen – als ob ich den Schmerz für uns beide spüren wollte.
Während ich einen Topf ausscheuerte, betete ich im Stillen, dass Mom in den Nachrichten niemanden entdecken würde, der vielleicht wie Jude aussah. Dann würde sie sich total aufregen, Dad anrufen und ihn in jede xbeliebige Stadt, jeden Staat, ja, sogar jedes Land schicken, wo sie glaubte, ihn entdeckt zu haben. Und Dad würde hinfahren, auch wenn er bereits seit fast zwei Wochen unterwegs war. Weil es sich diesmal vielleicht tatsächlich um Jude handeln könnte. Vielleicht könnte er ihn diesmal finden und nach Hause bringen.
Als Mom zum ersten Mal geglaubt hatte, Jude im Fernsehen zu sehen, war ich ebenso hoffnungsvoll wie sie. Die ganze Nacht hatte ich mit ihr am Fenster gewartet, während Dad nach ihm Ausschau hielt.
Als Dad allein zurückgekommen war, hatte es sich angefühlt, als hätte Jude uns ein zweites Mal verlassen. Mom aß eine ganze Woche lang nichts, bis sie glaubte, Jude im Hintergrund einer CNN-Nachrichtensendung über einen Brand in einer Industrieanlage in Kalifornien entdeckt zu haben. Auch diesmal war es ein Schlag ins Wasser; Mom ging es nur schlechter und schlechter, je länger Dad fortblieb. Nach dem dritten Mal, als er einer ihrer Spekulationen nachging – diesmal der Angriff eines Bären im Yellowstone Nationalpark, bei dem ein dunkelhaariger Junge anscheinend ein junges Mädchen vor dem Tod gerettet hatte – war ich wütend geworden. Ich hatte mich mit verschränkten Armen in der Tür aufgebaut und wollte Dad nicht gehen lassen. Er hatte meine Hand genommen und sich neben mich auf die Veranda gesetzt. »Du kennst doch die ›Geschichte vom Guten Hirten‹, nicht wahr, Grace?«
Obwohl ich sie kannte, schüttelte ich den Kopf. Ich war viel zu aufgeregt zum Sprechen.
»Die Bibel sagt, dass ein guter Hirte, selbst wenn er hundert Schafe hat und nur eines von ihnen in der Wildnis verliert, die anderen neunundneunzig zurücklassen und nach dem einen suchen muss.«
»Aber bedeutet das denn nicht, dass er eigentlich die restlichen Schafe den Wölfen überlässt?«
Dad seufzte. »Das ist genau das, was ich für Daniel getan habe – ich habe ihm geholfen, unter welchen Umständen auch immer. Es ist genau das, was du für Daniel getan hast. Und jetzt schulden wir deinem Bruder dasselbe.«
Dagegen hatte ich nichts mehr sagen können.
Dad drückte meine Hand. »Außerdem lasse ich den Rest der Familie in fähigen Händen.« Dann war er aufgestanden und gegangen.
Allerdings fühlte ich mich momentan nicht besonders fähig. Ich meine, was sollte ich tun, wenn das verlorene Schaf zu uns zurückkam, aber der Gute Hirte nicht da war? Und was wäre, wenn das Schaf gar keines war?
Wenn es sich um den Wolf handelte?
Später
Ich hatte den Abwasch fast beendet, als Daniel in die Küche kam. »James hat sich endlich beruhigt.« Er streichelte meinen Arm, nahm sich dann ein Geschirrtuch und trocknete den Saucentopf ab.
»Danke«, sagte ich und reichte ihm eine frisch gespülte Tasse.
Er runzelte die Stirn, als er meine gerötete Haut sah. »Du solltest besser auf dich aufpassen.«
Ich blickte auf meine Hand, schloss die Augen und konzentrierte mich darauf, den Schmerz auszulöschen. Ich wartete ein paar Sekunden, doch als ich die Augen wieder öffnete, war die Haut noch genauso rot und empfindlich wie zuvor. Ich war nicht überrascht.
»Ich sollte Mom ins Bett bringen«, meinte ich und trocknete mir die Hände an meiner Hose ab.
»Möchtest du, dass ich hierbleibe? Nur für den Fall, dass Jude … zurückkommt. Ich kann auf dem Sofa schlafen.«
So sehr ich den Gedanken mochte, dass Daniel die Nacht hier verbrachte – es wäre fast so, als ob Dad da wäre –, wusste ich, dass es nicht möglich war. »Das wäre wohl etwas zu viel für meine Mom.«
»Hmm. Du hast wohl recht.«
»Andererseits ist es vielleicht gar keine schlechte Idee. Wenn man eine Reaktion bei ihr hervorrufen könnte, wäre es das Risiko wert.« Ich war sehr froh, dass Mom mir keinen Hausarrest verpasst hatte, weil ich erst nach den Zehn-Uhr-Nachrichten nach Hause gekommen war. Doch so sehr ich es auch hasste, dass Mom jeden meiner Schritte überwachte, wenn sie sich in ihrer durchgedrehten Mama-Bär-Manie befand, war dies dem Zombie-Zustand, in dem sie nun gerade verweilte, immer noch vorzuziehen.
Daniels schelmisches Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit. Zärtlich legte er meine Hand in seine und führte sie an seine Lippen. Der Ausdruck in seinen Augen, während er meine geröteten Knöchel küsste, ließ meine Knie weich werden. Für einen Moment wünschte ich, wir lägen noch immer zusammen im Gras.
»Keine gute Idee«, flüsterte ich und entzog ihm meine Hand. Wenn Mom wieder zu Sinnen käme, würde ich für den Rest meines Lebens Hausarrest bekommen.
»Wie Sie wünschen, Ma’am«, sagte Daniel und nahm eine weitere Tasse zum Abtrocknen. »Ich helfe dir noch mit dem Rest hier, bevor ich gehe.«
Ich seufzte. Ich wusste, dass sich das Haus kalt und leer anfühlen würde, sobald er gegangen war. Jedes Geräusch würde mich hochschrecken lassen. Jede Minute würde sich wie ein Jahr anfühlen, bevor ich endlich einschlafen könnte. »Ich wünschte, dass wenigstens mein Dad hier wäre … Andererseits glaube ich auch nicht, dass er uns beschützen könnte.«
Daniel runzelte die Stirn und stellte die Tasse ab. Dann verlagerte er das Gewicht von dem verletzten Bein auf das gesunde.
Eine Woge schlechten Gewissens überspülte mich. »Ich meinte nicht dich.« Ich legte eine Hand auf seine Schulter. »Ich wollte damit nicht sagen, dass du uns nicht mehr beschützen kannst. Ich hab mehr von mir selbst gesprochen, ehrlich.«
»Ist schon in Ordnung. Ich weiß, dass ich es nicht kann, Gracie. Eine Nebenwirkung meiner schwindenden Kräfte.«
»Aber du bist immer noch stark. Du kannst …«
»Nein.« Daniel erwiderte endlich meinen Blick. »Aber du. Eines Tages, das verspreche ich dir. Du wirst es schon noch rauskriegen …«
»Ich habe das Gefühl, dass eines Tages einfach nicht rechtzeitig genug ist. Ich glaube, Jude hat mich angerufen, weil er meine Hilfe braucht.« Ich blickte auf meine albernen roten Hände, die sich weigerten, wieder normal zu werden. »Ich bin nicht stark genug, um irgendetwas zu tun.«
»Grace, du bist der stärkste Mensch, den ich kenne. Um mich zu retten, musstest du es sein. Du kannst die Heldin werden, die du sein willst.« Er senkte die Stimme und blickte zu Mom nebenan auf dem Sofa hinüber, als ob er befürchtete, dass sie uns zuhörte. »Deine ganze Kraft ist zum Greifen nah. Gemeinsam werden wir schon noch herausfinden, wie du sie packen und festhalten kannst. Du brauchst nur etwas mehr Zeit, Geduld und Balance. Dann wird es funktionieren. Vielleicht haben wir zu Beginn zu sehr darauf gedrängt. Vielleicht müssen wir es ruhiger angehen. Und uns mehr Zeit für dein Training nehmen …«
»Aber was ist, wenn wir nicht mehr Zeit haben? Was ist, wenn Jude recht hat? Wenn tatsächlich jemand hinter uns her ist?« Zum ersten Mal spürte ich wirklich die Gefahr – wie ein Gewicht, das mich hinunterzuziehen versuchte. »Was ist, wenn ich meine Kräfte jetzt brauche?«
Frustriert griff Daniel nach einer Strähne seines struppigen Haars und zog daran. »Ich weiß nicht, was du gern von mir hören möchtest, Grace. Was sollte ich deiner Meinung nach tun? Ich werde dich auf keinen Fall noch schneller trainieren. Du weißt genau, dass das nicht sicher wäre. Ich werde nicht zulassen, dass du dich an den Wolf verlierst.«
»Ich werde mich nicht an den Wolf verlieren, Daniel. Das will ich doch überhaupt nicht … Ach, ich weiß selbst nicht, was ich will! Vielleicht eine Möglichkeit, die Zeit anzuhalten. Eine magische Methode, meine Kräfte schneller freizusetzen. Ich weiß es nicht.«
»Ich auch nicht.« Daniel nahm eine Schale von der Arbeitsplatte und stellte sie gleich wieder zurück. »Ich glaube immer noch, dass Jude dir nur einen Schrecken einjagen wollte, Grace. Wahrscheinlich ist es für den Wolf der totale Kick, wenn er Menschen quält, die er mal liebte.« Er betonte die Vergangenheitsform extra deutlich.
Doch ich wollte das nicht akzeptieren. Daniel hatte mich auch geliebt, als er vom Wolf gesteuert wurde. Trotz allem hatte er nach einem Weg gesucht, um zu unserer Familie zurückzukommen. Dasselbe wollte ich jetzt im Hinblick auf Jude glauben. Ich musste ihm dieselbe Möglichkeit einräumen – in dubio pro reo. Im Zweifel für den Angeklagten. Tief in mir wollte ich glauben, dass er mich nicht aus einer kranken Laune heraus angerufen hatte, sondern weil er mich warnen musste. Er wollte noch immer mein Bruder sein.
»Du hast nicht gehört, wie besorgt seine Stimme geklungen hat«, sagte ich. »Ich glaube, es war ein Hilferuf.«
Daniel schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte ihn für dich finden. Aus ihm herauskriegen, was er verdammt noch mal will. Oder diese Person stoppen, die angeblich hinter uns her ist. Aber ich bin nicht derjenige mit den Superkräften.«
»Ich anscheinend auch nicht«, grummelte ich.
Er sah mich an, seine dunklen Augen waren von Traurigkeit überschattet, doch er sagte nichts. Für ein paar lange Minuten schwiegen wir beide. Mom guckte mittlerweile eine auf Video aufgenommene Nachrichtensendung eines anderen Kanals. Es war fast die identische Wiederholung der Sendung davor. Unsichtbare Räuber. Schreckliche Verbrechen mitten am Tag. Selbst ein ähnlicher Witz über das Markham Street Monster und die organisierte Kriminalität.
»Bereust du es?«, fragte ich Daniel schließlich. Es war eine Frage, die ich seit Monaten unterdrückt hatte. Eine
Ich blickte auf das Spülbecken. Auf der Wasseroberfläche hatte sich ein trüber Seifenfilm gebildet. »Manchmal wünsche ich mir fast, ich könnte zurückgehen und Jude davon abhalten, mich mit dem Werwolffluch zu infizieren. Aber ich halte dann immer inne. Denn wenn es darum geht, deine Seele zu retten, so würde ich nicht riskieren, etwas an dem zu ändern, was ich in jener Nacht getan habe. Diesen Teil bereue ich überhaupt nicht. Diesen Teil würde ich für nichts in der Welt eintauschen. Dich retten und dich heilen. Dafür würde ich mich tausend Mal infizieren lassen.« Mit der Fingerspitze zeichnete ich einen Kreis in den Seifenwasserfilm. »Ich wünschte nur, dass sich, was Jude betrifft, die Dinge anders entwickelt hätten, verstehst du? Ich wünschte, ich wüsste, wie ich ihn nach Hause bringen könnte.« Ich seufzte. »Ich wünschte, ich wüsste, wie ich diese Kräfte richtig anwenden kann, wenn ich schon mit ihnen infiziert bin. Wie ich sie benutzen könnte, um jetzt Jude zu helfen.«
Daniel blieb, bis wir die Küche aufgeräumt hatten und Mom sich durch alle aufgezeichneten Nachrichtensendungen der anderen Kanäle gezappt hatte. Ich verabschiedete ihn an der Tür. In der Sekunde, als er gegangen war, fühlte sich das Haus völlig leer an – genauso, wie ich es vorausgeahnt hatte. Ich verschloss alle Türen und Fenster, schaltete den Fernseher aus und schickte Mom ins Bett. Als ich allein in meinem Zimmer war, versuchte ich Dad anzurufen. Sofort schaltete sich die Mailbox ein.
Mit dem Telefon in der Hand überprüfte ich die Verriegelung an meinem Fenster und entdeckte dabei ein schwaches Leuchten im Innern des Corolla. Ich hatte ihn neben der Einfahrt vor dem Haus stehen lassen. Ich linste durch die Jalousien und sah Daniel, der sich auf dem Rücksitz zusammengerollt hatte. Für mich sah es so aus, als wäre er beim Lesen eines Buchs eingenickt.
Ich klappte mein Handy auf und schickte Daniel eine SMS: Ich liebe dich.
Für immer.
Schließlich kam noch eine Meldung.
Bitte mach dich nicht allein auf die Suche nach Jude, o.k.?
, schrieb ich zurück.