IMPRESSUM
JULIA EXTRA erscheint vierwöchentlich im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
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© 2009 by Susan Stephens
Originaltitel: „Italian Boss, Proud Miss Prim“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Anike Pahl
© 2009 by Kate Hewitt
Originaltitel: „Royal Love-Child, Forbidden Marriage“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Marion Koppelmann
© 2009 by Helen Bianchin
Originaltitel: „Bride, Bought And Paid For“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: MODERN ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Rita Koppers
© 2009 by Fiona Harper
Originaltitel: „Invitation To The Boss’s Ball“
erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London
in der Reihe: ROMANCE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat
Fotos: RJB Photo Library_iStockphoto
Deutsche Erstausgabe in der Reihe: JULIA EXTRA
Band 316 (8/1) 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Veröffentlicht im ePub Format im 07/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
ISBN-13: 978-3-942031-84-4
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
JULIA EXTRA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
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Der Verkaufspreis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
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Susan Stephens
So heiß küsst nur ein Playboy
1. KAPITEL
Sechs Stunden und fünfzehn Minuten auf demselben harten Stuhl, am selben Schreibtisch, in demselben kalten Büroraum, in derselben Kleinstadt …
Sie verlor die Lust am Leben.
Beinahe …
Eine Telefonkonferenz mit Signor Rigo Ruggiero in Rom zu organisieren, war eine Tortur, selbst für eine so hartnäckige junge Anwältin wie Katie Bannister. Es bedeutete nämlich, sich zuerst an Ruggieros Armee versnobter Gefolgsleute vorbeilavieren zu müssen.
Sie hätte vor Wut laut schreien können, blieb äußerlich jedoch völlig gelassen – ganz in ihrem professionellen Element. Ohne jegliches Innenleben.
Kein Innenleben? Nein, das wäre zu einfach. Unglücklicherweise war Katie mit einer regen Fantasie gesegnet und besaß eine geradezu unglaubliche Vorstellungskraft, die sie regelmäßig in Schwierigkeiten brachte. Außerdem konnte sie im Handumdrehen vom unscheinbaren, reizlosen Mauerblümchen zur messerscharf argumentierenden, selbstbewussten Kämpferin werden.
Als Neuzugang in einer kleinen Anwaltskanzlei erwartete man von Katie üblicherweise nicht, sich um derart wichtige, einflussreiche Klienten zu kümmern. Aber laut ihrem Vorgesetzten handelte es sich lediglich um eine Kleinigkeit. Und wenn sie sich nach oben arbeiten wollte, sollte sie sich besser in diesen Fall verbeißen – unwichtig oder nicht.
„Pronto …“
Endlich! „Signor Ruggiero?“
„Si?“
Die tiefe, sonore Stimme am anderen Ende der Leitung ging Katie durch Mark und Bein. Die italienischen Worte klangen sexy und gleichzeitig leicht abwesend. Eilig ordnete Katie ihre Gedanken und warf einen Blick auf ihre Unterlagen mit den Sicherheitshinweisen, die sie sich notiert hatte. Denn erotische Stimme hin oder her, sie musste sicher sein, mit dem richtigen Mandanten zu sprechen.
Man musste Signor Ruggiero zugutehalten, dass er all ihre Fragen bereitwillig, ausführlich und höflich beantwortete. Und Katies Fantasie entschloss sich ausgerechnet in diesem Augenblick, wieder einmal ein Eigenleben zu führen. Immerhin wusste sie, wie er aussah: sehr groß, dunkler Typ und mit attraktiv nicht einmal annähernd zu beschreiben. Nun hatte sie diesen italienischen Tycoon endlich am Telefon und konnte ihm mitteilen, dass er der Begünstigte im Testament seines verstorbenen Bruders war.
„Meines verstorbenen Stiefbruders“, korrigierte er sie.
Der honigsanfte Bariton schmeichelte sich noch etwas tiefer in ihr Bewusstsein ein, obwohl ihr die Schärfe in seinen Worten nicht entging. Er klang ernst und desinteressiert.
Ein Mann, der so schwer erreichbar ist, legt sicher keinen gesteigerten Wert auf Smalltalk, sagte sich Katie und legte einen Gang zu. „Entschuldigen Sie, Signor Ruggiero, ich spreche natürlich von Ihrem Stiefbruder.“
Während des Gesprächs schnappte sie noch ein paar weitere Hinweise auf. Wenn sie irgendetwas gut konnte, war es, sich anhand der Stimme ein klares Bild von einem Menschen zu machen. Ihre Ausbildung zur Opernsängerin an einem der weltbesten Musikkonservatorien hatte ihr empfindsames Gehör dahingehend geschult, auch die leisesten Nuancen aus einem Ton zu extrahieren. Und die Stimme am anderen Ende der Leitung vereinte präzise eingesetzten Charme mit eiserner Entschlossenheit.
„Könnten Sie zum Punkt kommen, Signorina Bannister?“
„Natürlich.“
Katies Stärke lag auch darin, selbst ausgesprochen anstrengende, übel gelaunte Mandanten zu beruhigen. Aber nach einem langen Tag in einem kalten Büro, gekleidet in ein billiges Kostüm, hing ihre Geduld buchstäblich am seidenen Faden. Schließlich überbrachte sie Signor Ruggiero keine Hiobsbotschaft, sondern informierte ihn lediglich über ein Gelderbe.
Noch mehr Geld, dachte Katie und betrachtete ein Magazin, das eine Freundin ihr extra auf den Schreibtisch gelegt hatte. Das Titelbild zeigte Rigo Ruggiero – hinreißend sexy und schön. Nicht, dass sie an ihm interessiert wäre!
Entschlossen erläuterte sie dem buchstäblich reichsten Mann in Italien, warum sie ihn persönlich sprechen musste. In Rom, wohin sie als professionelle Sängerin auch hatte gehen wollen.
„Ich habe keine Zeit, dorthin zu kommen …“
Sie straffte die Schultern. „Diese Antwort hat Ihr Stiefbruder erwartet.“ Ihr Herz schlug schneller, als sie die Einzelheiten und Instruktionen aus dem letzten Willen des Verstorbenen rezitierte. Im Hinterkopf dachte sie über den allgemeinen Büroklatsch nach. Offenbar war Rigo Ruggiero nicht nur ein extrem erfolgreicher Unternehmer, sondern auch ein notorischer Playboy. Zu behaupten, Katie Bannister und er lebten auf unterschiedlichen Planeten, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.
Es trug zur allgemeinen Belustigung bei, dass ausgerechnet die offizielle Kanzleijungfer damit beauftragt wurde, Italiens begehrtesten Junggesellen zu treffen. Äußerlich ließ Katie sich zwar nichts anmerken, aber der Spott ihrer Kollegen traf sie sehr. Andererseits wäre sie wenigstens vor Ruggieros Avancen sicher, sobald er einen Blick auf ihr unspektakuläres Äußeres geworfen hätte. Was kümmerte sie also sein Ruf als Herzensbrecher?
Allmählich regte sie auf, wie lustlos er sich über den Tod seines Bruders äußerte. War es zu viel verlangt, wenigstens etwas Betroffenheit zu zeigen? „Die Anweisungen Ihres Stiefbruders sind leider eindeutig, Signor Ruggiero. Er beauftragte unsere Kanzlei Flintock, Gough and Coverdale damit, seinen letzten Willen zu vollstrecken. Mr. Flintock bat mich, die Erfordernisse entsprechend dieses Briefs …“
„Erfordernisse entsprechend eines Briefs?“ Verspottete er sie etwa? „Sprechen Sie grundsätzlich Juristenjargon mit Ihren Mandanten, Signorina Bannister? Das muss ziemlich verwirrend für die armen Menschen sein.“ Sein Tonfall war trocken und leicht amüsiert. „Ich selbst bevorzuge das klare, direkte Wort.“
Niemand hatte es je gewagt, Katie derart zu kritisieren. Sie sah diesen selbstgefälligen Milliardär im Geiste vor sich, wie er sich in seinem Schreibtischsessel ausstreckte und lächelte mit arrogantem Blick herausfordernd.
Instinktiv schloss sie die Augen. „Was ich Ihnen zu erklären versuche, Signor Ruggiero …“
„Bevormunden Sie mich nicht!“
Seine Warnung erschreckte sie. „Ich entschuldige mich. Es war nicht meine Absicht, bevormundend zu klingen.“
„In diesem Fall vergebe ich Ihnen.“
Jetzt klang seine Stimme ganz sanft, als wollte er Katie necken – mit ihr flirten. So unwahrscheinlich das auch war, ihr Inneres reagierte sofort darauf und signalisierte erhöhte Wachsamkeit. Zusammen mit freudiger Erregung!
„Können wir also bitte einen Termin festlegen?“, bat sie freundlich, aber bestimmt.
Stille am anderen Ende der Leitung, dann murmelte er schließlich eine Antwort. „Wann immer Sie wünschen.“
Sein heiserer Kommentar schien Katie von innen zu wärmen, während sie durch das Fenster hinaus in den verregneten, kalten Herbst von York sah. Hinter ihrer eher unscheinbaren Fassade schlug das Herz einer reisefreudigen Abenteurerin. Einst wollte sie die Opernhäuser dieser Welt besuchen. Würde sie es schaffen, als Anwältin nach Rom zu fliegen? Oder brach dieser Trip alte Wunden auf – Wunden und die Erinnerung, dass sie ihre Singstimme auf tragische Weise verloren hatte?
„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Signorina Bannister“, drängte Rigo Ruggiero. „Wann soll unser Treffen stattfinden?“
Ihr wäre eine Auszeit sehr recht, und sie könnte schon am nächsten Tag nach Rom unterwegs sein. Bevor Katie es verhindern konnte, sprudelten die Worte aus ihr heraus. „Wie siehst es morgen aus, Signor Ruggiero? Wenn Ihnen das passt?“
„Ich werde es einrichten“, entgegnete er knapp.
„Danke für Ihre Kooperation.“ Sie bekam kaum noch Luft, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Am Telefon zu sprechen, war eine Sache, aber wenn Rigo Ruggiero erst einmal mit eigenen Augen sah, was für eine langweilige Person Katie war … Und sobald sie einen Fuß in Rom auf die Straße setzte, würden alte Sehnsüchte in ihr erwachen, die äußerst schmerzhaft werden könnten.
„Ich freue mich darauf, Sie persönlich kennenzulernen“, sagte er. „Sie haben übrigens eine ganz reizende Stimme.“
Eine reizende Stimme! „Vielen Dank.“ Von Playboys erwartete man schließlich, dass sie flirteten. Und woher sollte Signor Ruggiero wissen, dass ihre einst so vielversprechende Singstimme nach einem Brand in Katies Studentenwohnheim zu einem rauen Krächzen verkümmert war?
Damals im Krankenhaus war sie außer sich vor Freude gewesen, als sie erfuhr, dass all ihre Freunde unverletzt geblieben waren. Doch zu hören, dass der inhalierte Rauch ihrer Gesangskarriere ein jähes Ende gesetzt hatte, zerstörte Katies Zukunftspläne. Und das war nicht der einzige Schaden, den sie von dem Feuer davontragen sollte.
Sie würde niemals wieder singen und hatte genügend Narben auf ihrem Rücken, um sich zu schwören, dass niemand sie jemals nackt sehen würde. Nachdem ihre Gesangskarriere unwiderruflich beendet war, begann Katie ein neues Leben als Anwältin. Das bedeutete ein Dasein im Schatten anstelle des Rampenlichts, das sie als Sängerin erwartet hätte. Aber Katie legte gar keinen Wert auf Spotlights – es war die Musik, die ihr fehlte.
„Signorina Bannister? Sind Sie noch dran?“
„Entschuldigen Sie, Signor Ruggiero. Ich habe nur gerade etwas fallen lassen.“
Verträumt warf sie einen Blick auf das Titelblatt der Zeitschrift, die noch immer vor ihr lag. Ein muskulöser Traum von einem Mann im Designeranzug, dessen Gesicht eher einem verruchten Piraten als einem gepflegten Multimilliardär glich. Dichtes schwarzes Haar, Dreitagebart und stechende smaragdgrüne Augen, in denen es gefährlich blitzte.
„Sie haben Ihre Meinung bezüglich unseres Treffens doch nicht etwa geändert?“
Seine Frage klang ziemlich herausfordernd, und Katie spürte wieder diese undefinierbare innere Erregung. „Ganz und gar nicht“, versicherte sie ihm fest.
Entschlossen langte sie über den Tisch und wollte gerade die Zeitschrift in den Abfalleimer befördern, als sie plötzlich innehielt. Der zynische Zug um seinen Mund brachte sie zwar auf die Palme, trotzdem war er der perfekte Rahmen für seine eindrucksvolle arrogante Stimme.
Und als gäbe es nicht schon genug Perfektion in seinem Leben, zeigte das Bild ihn auch noch mit einem blonden Mädchen im Arm, das eher wie eine Puppe und nicht wie ein lebendiger, atmender Mensch aussah.
Es wird schon werden, versuchte Katie sich Mut zu machen und richtete sich kerzengerade auf. Ich kann das! Dieser Trip nach Rom ist eine reine Geschäftsreise, und nichts könnte mich davon abhalten.
„Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Signorina Bannister.“
„Ja?“ Unwillkürlich umklammerte sie den Hörer etwas fester, während sie weiterhin auf das makellose Antlitz von Ruggieros Begleiterin starrte.
„Warum Sie?“, erkundigte er sich knapp.
Der Playboy war verschwunden, stattdessen wollte ein erfolgreicher Unternehmer wissen, warum man ihm eine junge, unerfahrene Anwältin zur Lösung seines Falls schickte.
Der Grund war ihr fließendes Italienisch, das sie ihrer Opernausbildung verdankte. Jedenfalls nahm Katie an, dass man sie deshalb ausgewählt hatte. Außerdem war sie unscheinbar, bescheiden und ungebunden und hatte als Neuzugang in der Sozietät ohnehin nichts zu sagen, soweit es um die Arbeitsverteilung ging.
Aber das wollte sie nicht unbedingt nach außen kehren. „Ich bin die einzige Anwältin unserer Kanzlei, die so kurzfristig nach Rom fliegen kann.“
„Sie sind also nicht so erfolgreich und eingebunden?“
„Signor Ruggiero …“
„Piano, piano, bella!“
Ich soll mich beruhigen, dachte sie und spürte, dass sein sexy Tonfall tatsächlich eine besänftigende Wirkung auf sie ausübte. Allein schon die italienische Sprache klang wie Musik in ihren Ohren. So stellte sie sich den perfekten Liebhaber vor …
„Schön“, schloss Ruggiero, „dann sehen wir uns morgen in Rom.“
Es fiel ihm erschreckend leicht, Katie um den Finger zu wickeln. Einen Moment lang war er streng und fordernd, im nächsten faszinierte er sie mit Witz und Charme. Und natürlich lag er richtig mit seinen Vorbehalten hinsichtlich ihrer beruflichen Qualifikation. Sie war keine gute Anwältin und würde auch nie eine gute werden – dazu fehlten ihr der Biss und die Hingabe für die Juristerei.
Manchmal fragte Katie sich, ob sich die Leidenschaft, mit der sie Opernsängerin hatte werden wollen, überhaupt auf ein anderes professionelles Feld übertragen ließ. Im Augenblick hatte sie wenigstens einen guten Job, bei dem sie im Hintergrund agieren konnte – und das passte ihr ausgesprochen gut.
Inzwischen dachte sie an nichts weiter als an die harte, wirtschaftliche Realität. In der Kanzlei spekulierten die Angestellten bereits über Entlassungen, und der Trip nach Rom würde Katies Position definitiv verbessern. Trotzdem kostete es sie eine furchtbare Überwindung, sich dem berühmten Multimilliardär Rigo Ruggiero in ihren Kaufhausklamotten und ihrem unübersehbaren Kleinstadtgehabe zu präsentieren. Leider blieb ihr keine andere Wahl.
„Ich werde dann den Flug buchen“, sagte sie mehr zu sich selbst.
„Das würde ich empfehlen“, bemerkte er trocken. „Mailen Sie mir die Einzelheiten, und ich sorge dafür, dass Sie am Fiumicino Airport abgeholt werden.“
„Das ist sehr …“
Fassungslos starrte sie auf den toten Hörer in ihren Händen. Wie ausgesprochen rüde, einfach aufzulegen! Oder sollte sie es eher als Herausforderung betrachten?
Als die anderen Frauen in der Kanzlei behaupteten, sie hätte genügend verstecktes Feuer in sich, um diesen berüchtigten Eigenbrötler von Playboy im Handumdrehen in die Tasche zu stecken, hatte Katie nur gelacht und müde abgewinkt. Vielleicht war das früher einmal der Fall gewesen. Außerdem hatten ihre Kolleginnen nicht persönlich mit ihm gesprochen und sich lediglich ein Bild aus der Presse gemacht.
Dieser Kerl war kaltblütig und herzlos genug, um den Tod eines nahen Verwandten teilnahmslos hinzunehmen. Und er beendete ein Gespräch ohne das geringste Gebot der Höflichkeit! Rigo Ruggiero war ein arrogantes Monster, und je eher sie ihren Auftrag für ihn erfüllte, desto besser. Es beunruhigte Katie allerdings, dass er eine gewisse Wirkung auf sie ausübte …
Nachdem er den Hörer aufgelegt hatte, lehnte Rigo sich auf seinem Stuhl zurück. Obwohl Katie Bannister mit ihm über einen Mann sprechen wollte, von dem er nie wieder zu hören gehofft hatte, brachte die junge Anwältin ihn zum Schmunzeln. Ihm gefiel ihre Stimme. Sie war jung, sie klang heiser und damit einfach sexy. Und intelligent. Sofort hatte er im Geiste ein Bild vor Augen.
Sein Stiefbruder hatte ihn also in seinem Testament bedacht. Womit? Mit einem Kelch vergiftetem Wein? Mit Anteilen an einem Verbrechersyndikat?
Rigo sprang auf und lief unruhig in seinem Büro umher. Warum sollte ihm ein Mann, der ihm Zeit seines Lebens nichts als Hass und Abscheu entgegengebracht hatte, irgendetwas hinterlassen? Und was waren das für persönliche Einflechtungen, die es erforderlich machten, dass eine englische Anwältin dafür extra nach Rom fliegen musste?
Er wusste, dass Carlo einige Jahre in Nordengland gewohnt hatte. Aber falls es etwas von Wert zu erben gab, so war es mit Sicherheit Diebesgut oder Hehlerware. Es musste sich um etwas handeln, mit dem Carlo seinen Stiefbruder auch noch nach seinem Tod kompromittieren konnte.
Als Rigo vierzehn Jahre alt war, heiratete sein Vater ein zweites Mal. Mit siebzehn verließ Rigo sein Elternhaus für immer. Bis dahin hatte er viele von Carlos grausamen Streichen und Intrigen über sich ergehen lassen müssen. Sein Elternhaus stand ihm nicht länger offen, da er die Liebe seines Vaters verloren hatte. Also ging Rigo nach Rom und verwirklichte seine Träume. Seitdem hatte er nichts mehr persönlich von Carlo gehört – der sieben Jahre älter gewesen war als er.
Im Grunde verdankte er seinem Stiefbruder enorm viel, dachte Rigo, während er durch die deckenhohen Panoramafenster auf die Stadt hinuntersah. Immerhin lebte er in einem exklusiven Stadtteil, und dieses Penthouse war nur eine seiner zahlreichen Immobilien. Das Landleben all die Jahre zuvor hinter sich zu lassen, hatte ihm Erfolg und Reichtum gebracht.
Und wieder dachte er an dieses Mädchen aus England, das er morgen irgendwie in seinen Tagesplan einbauen musste. Seufzend überflog er den Kalender. Gerade erst hatte er die letzte einer ganzen Serie unfähiger Privatsekretärinnen gefeuert – und einen adäquaten Ersatz zu finden, stellte sich als außerordentlich schwierig heraus.
Wenn Signorina Bannister nur halb so fesselnd war, wie ihre Stimme versprach, würde er mit Freuden den gesamten morgigen Tag für sie freimachen.
An Katie nagten Zweifel, ob sie für diesen Auftrag überhaupt geeignet war. Die Kanzlei hätte eher jemanden mit Biss und einem gewissen stilvollen Auftreten nach Rom schicken sollen. Jemanden, der kultiviert war und sinnbildlich die gleiche Sprache wie Rigo Ruggiero sprach. Trotz zwei neuer Strumpfhosen und einer noch unbenutzten weißen Bluse gab ihre Garderobe nichts her, das einem Besuch bei einem italienischen Multimilliardär angemessen wäre.
Um sich zu sammeln, atmete Katie ein paarmal tief durch. Wenn sie ohnehin keine Gelegenheit hatte, sich auf diese Weise zu behaupten, sollte sie es gar nicht erst versuchen. Sie war einfach eine kompetente junge Anwältin aus Nordengland, und das bedeutete, ein braunes Kostüm mit dazu passenden, halbhohen Schuhen passte als Outfit vollkommen.
Dies ist schließlich kein Privaturlaub, überlegte Katie, packte aber trotzdem noch ein Paar bequeme Jeans und ein Sweatshirt in ihre Tasche. Zwar sah der straffe Zeitplan keine Freizeit vor, aber falls sich doch eine Gelegenheit ergeben sollte, hätte sie zu diesem Zweck etwas anzuziehen.
Alles ist braun, stellte sie fest, als sie ihr kleines Häuschen verließ. Selbst meine Reisetasche. Ein Leben im Schatten ist das Eine, aber wann ist die Farbe aus meinem Dasein gewichen? Gleichzeitig mit der Musik?
Energisch schob sie ihr Kinn vor und beschloss, das Beste aus ihrem Kurztrip herauszuholen. Immerhin traf sie einen der aufregendsten Männer der Gegenwart, und das im wunderschönen Rom. Natürlich würde sie kein Teil von Rigo Ruggieros Leben sein, aber für wenige Stunden durfte sie ihn als beeindruckter Beobachter aus der Nähe betrachten. So könnte sie anschließend zumindest den Mädels im Büro ihre Kaffeepausen mit Einzelheiten über den Milliardär der Träume versüßen.
Signor Ruggiero hatte gelogen. Schützend klammerte Katie sich an ihre Reisetasche und sah verwirrt auf den stark bevölkerten Bürgersteig vor dem Fiumicino Airport. Die Sonne brannte heiß auf sie hinunter, und jeder um sie herum schien zu wissen, wohin er gehen musste. Nur Katie wurde von niemandem erwartet und hatte im ersten Moment keine Ahnung, was sie tun sollte.
Warum habe ich mich nicht gleich selbst um alles gekümmert, ärgerte sie sich und kramte die Adresse aus ihren Unterlagen heraus, unter der sie Rigo Ruggiero möglicherweise finden konnte. Gerade als sie nach einem der wartenden Taxis winken wollte, trat ihr ein elegant gekleideter, großer Mann entgegen.
„Signorina Bannister?“
Die Stimme schien durch Katies Brustkorb zu dringen und sie von innen heraus zu wärmen. Beinahe wäre sie in die Arme des Mannes gestolpert, dessen Aussehen alle offiziellen Fotos von ihm verblassen ließ.
Ihr Herz schien nur noch unregelmäßig zu schlagen, während sie die tiefbraune Farbe seiner Hände betrachtete. Man hatte das Gefühl, dieser Mann war so heiß, dass man ihn nur mit Schutzhandschuhen anfassen konnte. So ein Frauenschwarm würde jemanden wie Katie – sosehr sie es sich auch wünschen mochte – niemals bemerken. Außer natürlich an einem Tag wie heute, wenn er keine andere Wahl hatte.
„Oh, ja, Entschuldigung!“ Hastig richtete sie sich auf, bevor er mit der Kunstfaser ihres Kostüms in Berührung kommen konnte. „Signorina Bannister? Das bin ich.“
„Sind Sie sicher?“
Ihre Wangen wurden flammend rot. „Selbstverständlich bin ich sicher …“ Sie reichte ihm die Hand. Doch Signor Ruggiero betrachtete sie nur schweigend, und sein professionelles Lächeln erreichte seine Augen nicht. Ratlos ließ sie ihren Arm wieder sinken. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass Sie mich persönlich abholen würden.“
„Es ist mir ein Vergnügen“, entgegnete er höflich und verbeugte sich sogar. Aber sein Tonfall strafte seine Worte Lügen.
Katie sah ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Rigo Ruggiero konnte seine Enttäuschung offenbar nur mühsam verbergen. Nachdem er ihre heisere Stimme am Telefon gehört hatte, rechnete er wohl damit, einer verführerischen Sirene zu begegnen.
Da waren wir wohl beide auf dem falschen Dampfer, dachte Katie. Jetzt ist es nicht mehr nur ein geschäftlicher Termin für mich – jetzt ist es persönlich geworden!
„Sie hatten hoffentlich einen guten Flug.“
„Sehr gut, danke.“ Diesen Ton hätte er auch seiner alleinstehenden Tante gegenüber angeschlagen, davon war Katie fest überzeugt. Seufzend betrachtete sie den eindrucksvollen Mann vor sich.
Er besaß eine starke, charismatische Ausstrahlung, eine Art leuchtender Aura, und wirkte selbst in dem kostspieligen Maßanzug rau und gefährlich. Dunkle Haut lugte aus seinem leicht aufgeknöpften weißen Hemd hervor, und der feine Stoff seiner Kleidung umschmeichelte eine außergewöhnlich athletische Figur.
Das könnte man wohl Lust auf den ersten Blick nennen, dachte Katie ironisch und schämte sich gleich darauf für diesen ungewohnten Gedanken.
Unglücklicherweise rutschte ihr in diesem Augenblick die Handtasche vom Unterarm, und ein Teil des Inhalts fiel direkt vor Rigos polierte Lederschuhe.
„Erlauben Sie, Signorina Bannister …“
Sofort bückte er sich und hob Pass, Flugtickets, Toffees, Taschentücher und andere demütigende Artikel vom Boden auf.
„Darf ich Ihnen die Reisetasche abnehmen?“, bot er an und sah ihr direkt in die Augen.
Dieses hässliche, braune alte Ding? „Sehr gern. Und werfen Sie bitte einen Blick in meinen Pass, um meine Identität zu bestätigen“, fügte Katie tonlos hinzu.
„Das wird wohl nicht nötig sein“, antwortete er. „Warum stecken Sie den Pass nicht irgendwo hin, wo Sie ihn nicht so schnell verlieren können?“
Ich bin keine alte Tante, dachte sie. In seinen Augen bin ich ein unselbständiges Kind!
Was für ein großartiger Eindruck, den sie da in den ersten Minuten ihres Kennenlernens hinterlassen hatte. Sie hatte sich als schlecht angezogener, rotwangiger Trottel präsentiert, an dem kein Mann von Welt ernsthaftes Interesse haben konnte.
„Gut“, verkündete er. „Ich werde den Wagen holen.“
„Nicht nötig. Es ist völlig in Ordnung für mich, ein Taxi zu nehmen.“
„Damit wir im Konvoi bei meinem Penthouse ankommen?“, erkundigte er sich trocken.
Wie viel schlimmer konnte es noch werden? „Da haben Sie natürlich recht“, murmelte Katie erstickt.
Kurze Zeit später hielt ein schnittiger, knallroter Sportwagen vor ihr, und Katie schoss sofort durch den Kopf, dass die Dinge ab jetzt einen deutlich besseren Verlauf nehmen konnten – wenn sie sich nur anstrengte. Es rumorte in ihrer Magengegend, als sie bemerkte, wie um sie herum das allgemeine Gemurmel anschwoll. Ganz offensichtlich hatte man Rigo Ruggiero erkannt, und nun wollte jedermann wissen, mit wem er sich am Flughafen traf.
„Ich beiße nicht, Signorina Bannister“, rief er ihr über das Dach des Sportwagens zu, als er ausstieg und Katie aus ihrer Versteinerung riss.
Mit wackligen Beinen bewegte sie sich auf das Auto zu. Alle starrten sie an, und Katie meinte, die Enttäuschung der Umherstehenden körperlich zu spüren und ihr unterdrücktes mitleidiges oder auch spöttisches Gelächter zu hören.
Ich bin eben keine Schönheit, sagte sie sich und straffte die Schultern. Na und? Kann ja schließlich nicht jeder wie ein Supermodel aussehen!
Beim Einsteigen wurde Katie plötzlich ganz heiß, weil sie im Grunde keine Ahnung hatte, wie man sich elegant in ein derart niedriges Auto setzte. Und ihre Befürchtungen waren berechtigt, denn gleich darauf steckte sie praktisch fest. Aber es kam noch schlimmer. Rigo eilte ihr zu Hilfe und hob sie dabei mühelos an, um sie dann langsam in den Schalensitz niederzulassen, der – wie Katie erst jetzt bemerkte – offenbar um den winzigen Po einer Elfe herum geformt worden war.
Wenigstens schirmte er sie so vor den neugierigen Blicken der Menge ab.
„Sitzen Sie bequem?“, erkundigte er sich, nachdem er ebenfalls eingestiegen war.
„Perfekt.“
Sex lag in der Luft, daran gab es für Katie keinen Zweifel mehr. Purer, animalischer Sex, den Rigo Ruggiero ganz einfach durch sein Dasein ausstrahlte.
„Ich muss gestehen, ich habe nicht damit gerechnet, von Ihnen kontaktiert zu werden“, erklärte er während der rasanten Fahrt. „Jetzt bin ich natürlich neugierig geworden und frage mich: Was kann so wichtig sein, dass man Sie persönlich mit der Ausführung dieser Testamentsanordnungen betraut?“
Mit einem Seitenblick schien er noch hinzuzufügen: Warum schickt man ausgerechnet jemanden wie Sie? Katie sank noch etwas tiefer in sich zusammen und starrte auf ihre Schuhe. Ihre schmucklosen, langweilig braunen Schuhe. Schnell schob sie die Füße nach vorn außer Sichtweite.
„Und entspannen Sie sich, Signorina Bannister! Ich bin ein guter Autofahrer.“ Ihm war nicht entgangen, dass sie sich rechts und links am Sitz festklammerte. „So eilig habe ich es nun auch wieder nicht mit diesem Testament.“
„Tut mir leid, ich bin es nur nicht gewohnt …“ Zu spät bemerkte Katie, dass er sie nur aufziehen wollte. Ihre plumpe Reaktion war nicht gerade förderlich für ihr Selbstvertrauen, und so sah sie stumm aus dem Fenster.
Schön, Katie Bannister zu begegnen, war also ein kleiner Schock gewesen, aber allmählich gewöhnte Rigo sich an ihre eigenartige Anziehungskraft. Sie war ganz anders als der Typ Frau, mit dem er sich normalerweise umgab. Doch das musste nicht zwingend schlecht sein. Eben nur anders.
Rigo legte keinen gesteigerten Wert auf falsche Brüste und ein falsches Lächeln – vor allem aber konnte er keine Komplikationen gebrauchen. Signorina Bannister war eine stille, kleine Maus, und das bedeutete lediglich, dass er mehr Zeit als erwartet mit ihr verbringen musste. Wie könnte er sie schließlich den Wölfen von Rom zum Fraß vorwerfen?
Sie war in einem fremden Land, und dank ihm hatte sie kaum Zeit gehabt, sich auf diesen Aufenthalt vorzubereiten. Hier schlug der Puls schneller als im ruhigen, ländlichen Nordengland. Jetzt hatten sie erst einmal eine dreiviertelstündige Fahrt vor sich, und er wollte das unangenehme Schweigen auf jeden Fall beenden.
„Mir wäre es lieber, Sie würden mich Rigo nennen.“
Als eine Antwort ausblieb, warf er ihr einen Seitenblick zu. Katie machte auf ihn den Eindruck einer Person, zu der das Leben nicht immer gut gewesen war. Aber deshalb gleich den Sozialarbeiter spielen? Sie weckte zwar seinen Beschützerinstinkt, andererseits war er alles andere als ein Weichling. Vielleicht reichte es, ihr klarzumachen, dass sie von ihm nicht das Geringste zu befürchten hatte.
„Sie können Signorina Bannister zu mir sagen“, erwiderte sie schließlich, und Rigo lachte laut auf.
Zum ersten Mal an diesem Tag entspannte er sich. „Gut, Signorina Bannister“, lenkte er fröhlich ein. „Ihr Wunsch ist mir Befehl.“ Jedenfalls soweit es die Namensfrage betraf.