Dante Alighieri
Commedia
In deutscher Prosa von Kurt Flasch
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Dante Alighieri wurde zwischen dem 14. Mai und dem 13. Juni 1265 in Florenz geboren. 1283 beginnt er sein Schaffen mit Gedichten, gefolgt von literarischen, politischen und philosophischen Werken in Versen und in Prosa, in italienischer und in lateinischer Sprache. Ab 1300 hatte er wichtige politische Ämter in Florenz inne, von wo er 1302 verbannt wurde. Von 1302 bis 1321 hielt er sich an verschiedenen Höfen in Ober- und Mittelitalien (Verona, Ravenna) auf und war mit diplomatischen Aufgaben betreut. In diesem Zeitraum, ca. 1304-1321, hat Dante die Commedia verfasst. Er starb am 13. oder 14. September 1321 in Ravenna und gilt als wichtiger Erneuerer und Theoretiker früher Lyrik und als einer der bedeutendsten Autoren der italienischen und der Weltliteratur überhaupt.
Kurt Flasch, 1930 in Mainz geboren, gilt als einer der besten Kenner mittelalterlicher Philosophie und als der »urbanste philosophische Schriftsteller Deutschlands« (Gustav Seibt, Süddeutsche Zeitung). In seinen zahlreichen Büchern erschließt er kenntnisreich und streitbar uns so fern scheinende Autoren wie Meister Eckhard, Augustinus – immer neugierig auf die nie zur Ruhe kommenden Antworten auf ihre Texte. Zuletzt erschien seine große Monographie ›Meister Eckhart – Philosophie des Christentums‹. Für sein Schaffen wurde Kurt Flasch vielfach ausgezeichnet, darunter 2000 mit dem Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, 2009 mit dem Hannah-Arendt-Preis, 2010 mit dem Lessing-Preis für Kritik sowie mit dem Essay-Preis Tractatus.
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© S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2011
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ISBN 978-3-10-401702-0
Diese Zusammenfassungen zu Beginn jedes Gesangs stammen nicht von Dante. Allerdings bringen schon alte Handschriften eine ähnliche Kurzfassung des stofflichen Inhalts des einzelnen canto.
Dante liebt Zeitangaben. Sie scheinen aber nicht immer im modernen Sinn exakt. Daher ist es umstritten, ob Dante die Jenseitsreise am Karfreitag, dem 25. März des Jahres 1300, angetreten hat. Dazu Inglese 51. – Wenn nach Psalm 89, 10 das Leben des Menschen siebzig Jahre währt, liegen Wegmitte und Dantes Lebenskrise in seinem 35. Lebensjahr. Das ergibt sich aber nicht aus dem Psalm, der von siebzig bis achtzig Jahren spricht, sondern aus Convivio 4, 24, 3.
Che in Vers 3 – ältere Ausgaben haben: ché, was die Handschriften nicht unterscheiden – hat die Bedeutung von: in cui, Inglese 39 mit Verweis auf Gerhard Rohlfs, Historische Grammatik der italienischen Sprache, Band 2, Bern 21972, S. 231 Nr. 484.
Der »Planet« ist die Sonne, ptolemäisch gedacht. – Das altrui in Vers 18 hat unbestimmten Sinn: Die Sonne leitet nicht ›andere‹, sondern alle Menschen, Inglese 40.
Der feststehende Fuß war immer der untere, das heißt: Es ging steil bergauf. Dazu und zum Übermaß an Allegorie vgl. Kurt Flasch, Philosophie hat Geschichte, Frankfurt/M. 2003, S. 148–150.
Die Sterne stehen günstig. Es ist ein Frühlingsmorgen. Die Sonne steht wie bei der Erschaffung der Sterne im Sternbild des Widders.
Es gibt übertriebenes, pedantisches Allegorisieren der Deuter (dazu Anm. 4), aber es gibt in der Commedia, besonders in deren erstem canto, von Dante intendierte Allegorien: der dunkle Wald, der sonnenbestrahlte Hügel, die drei wilden Tiere, die dem Verirrten den Aufstieg verwehren, der Weg – das sind Metaphern des falschen Lebens und der Schwierigkeit, zum richtigen Ziel zu finden. Der schnelle Gepard, sagen die alten Erklärer, sei die Wollust, der Löwe der Stolz und der Wolf die Habgier. Boccaccio schreibt, das sagten alle; er selbst teilte diese Deutung, Esposizioni zu canto 1, 2, vgl. Giovanni Boccaccio, Esposizioni sopra la Comedia di Dante, hg. Giorgio Padoan, Mailand 1965, S. 72–87, resümiert 87. Nachdem Napoleon nicht nur behauptet, sondern vorgeführt hat, daß die Politik das Schicksal ist, hat Foscolo die drei Tiere politisch gedeutet: Florenz als Gepard, der König von Frankreich als stolzer Löwe, die Kurie als gierige Wölfin. Die beiden Deutungen sind untereinander und mit dem Text Dantes vereinbar: Es geht in der Commedia um den richtigen persönlichen Weg Dantes und um die soziale und politische Erneuerung Italiens, des Reichs, der Kirche und der Menschheit. Etwas anders: C37–38.
Ombra, lat. umbra, Schatten, ist in der Aeneis des Vergil das Wort für die Seele des Verstorbenen. Vergil (70 bis 19 vor Christus) ist bei Dante ein konkreter Mensch, identifiziert nach Zeit (später als Caesar, 100 bis 44 vor Christus, und Zeitgenosse des Augustus), Geburtsort (Mantua) und Hauptwerk (Aeneis), zugleich ist er Einsicht, Poesie, Güte. Er hat alle Tugenden eines Heiden. Dazu hier Fußnote 8.
Was sind ›Schatten‹? Dazu meine Einladung, S. 118.
Vergil zieht die Erkennungsszene hin und umschreibt sein Werk indirekt: Der Sohn des Anchises ist Aeneas, von dem die Aeneis erzählt, daß er aus Troja entkam und Rom gründete.
Vergil ist nicht nur der für Dante wichtigste Dichter, sondern er ist Weiser, Lebensführer, die Stimme der Vernunft, die Dante durch Inferno und Purgatorio führt, dem aber der christliche Glaube fehlt. Er galt als Prophet, der ein neues Geschlecht kommen sah. Dante sah ihn als politischen Dichter, der von einem »gerechten« Herrscher singt. Vergil bringt konkreten politisch-ethischen Bezug in diesen canto; nach den traumhaft-visionären Versen, die vorausgingen, kommt die Gründung des Römischen Reichs in den Blick. Er nennt die Heroen der römischen Geschichte. Er sagt von dem Berg, den Dante besteigen soll, er sei die Glückseligkeit, Prinzip und Ursache aller Freude. Daß die Ethik zur Glückseligkeit führt, war Konsens der antiken Philosophen; Dantes Vergil folgt Aristoteles, vor allem dem ersten und zehnten Buch der Nikomachischen Ethik. Dante stellt in der Monarchia 3, 15 klar: Das irdische Paradies ist ein allegorischer Ausdruck für diese Seligkeit des Menschen als Menschen.
Absichtlich dunkle prophetische Stelle, die eine umfassend ethisch-politische Neuordnung verheißt. Vergil ist Prophet; er sagt einen Retter, einen Kaiser (?) voraus, der in Italien Gerechtigkeit und Frieden schafft. – Heinrich VII. wurde am 27. 11. 1308 gewählt. Die Hoffnung auf einen Friedenskaiser ist in der Commedia ein durchgängiges Motiv, es kehrt wieder z.B. Purg. 20, 10–15; Purg. 30, 40; Par. 27, 142–148.
105: »Zwischen Filz (feltro) und Filz (feltro)«: Vielleicht eine Anspielung auf das Land zwischen Feltre am Piave und Montefeltro in der Romagna. Ist der Herrscher dieses Gebiets, Cangrande, der »große Hund« von Verona, gemeint? Als Beauftragter eines neuen Kaisers?
Feltro, Filz könnte auch ein Wort sein für die dichte, kompakte Materie der Himmelsschalen. Dann würde es bedeuten: Bei einer günstigen Konstellation der Sterne kommt der ethisch-politische Erneuerer. Die Diskussion ist nicht abgeschlossen. Feltro könnte auch die Filzkappe bedeuten, vielleicht die der Zwillingssöhne Jupiters, Castor und Pollux, so schon in Richard Lansing, The Dante Encyclopedia, New York 2000, S. 374, dazu K 20–21, ferner ED 2, 833–835 a; C30 zu 105 und 39 und Inglese 47.
Der Eingang zum Purgatorium.
Pietate in Vers 5 heißt: Angst, dazu Rohlfs Band 2, 342 b und Inglese 52.
Vers 7: O Muse, o alto ingegno, or m’aiutate. – ingegno ist nicht Dantes eigene Begabung, sondern der ›hohe Geist‹, ein anderes Wort für die Musen, die Dante als selbständige Geistwesen denkt, in der Art der kosmologischen Intelligenzen, ähnlich wie Fortuna.
Ich übersetze den Text nach Inglese 53.
Dante, einsam nachdenkend in der Nacht, legt Vergil seine Zweifel vor, ob er der Jenseitsreise würdig sei. Die berühmten anderen Fälle einer Jenseitswanderung können seine Bedenken nicht zerstreuen; ihre Lage war anders. – Dante erwähnt nicht die volkstümlichen Legenden, sondern den bei Vergil, Aen. 6, beschriebenen Abstieg des Aeneas, des Vaters von Silvius, in die Unterwelt, bei dem ihm seine Sendung zur Gründung Roms erklärt wird, und die Entrückung des Apostels Paulus (das »Gefäß der Erwählung«, nach Apg. 9, 15) in den dritten Himmel (2 Kor. 12, 2–4). – Dante spielt auf die legendäre Schenkung Konstantins an. Dort war geregelt, daß der Papst die kaiserlichen Gewänder tragen darf. Dazu gehören rote Stiefel aus Kalbsleder, wie sie Papst Benedikt XVI. noch trug.
Boccaccio interpretierte Vers 57, in sua favella, als florentinischen Dialekt. Dagegen argumentlos C57 zu 57, als dürfe ein Himmelswesen nicht Dialekt sprechen.
Vers 61: amico mio, e non de la ventura übersetze ich: »kein Freund der Fortuna«, im Blick auf die bei C57 und Inglese 55 belegten Texte.
Beatrice, hier als mächtige himmlische Erscheinung der Geliebten, hat für Dante den Weg vom Himmel zur Hölle gemacht, um Vergil zu bewegen.
Von diesem Lob im Himmel hat Vergil nichts; er bleibt im Inferno. Liebenswürdige Inkonsequenz der Himmelsbewohnerin, die es – neben anderem – ausschließt, Beatrice mit der Theologie zu identifizieren, was manche Ausleger getan haben.
Daß Marias Mitleid die göttlichen Beschlüsse bricht, ist eine schöne, theologisch kaum korrekte Vorstellung Dantes, die er in Par. 20, 94 dahin abmildert, daß die göttliche Gerechtigkeit besiegt werden will. Ganz gegen die harte Rechtsmetaphysik, die Hugo Friedrich 1942 bei Dante zu finden glaubte. Die Szene ist in Sprache und Inhalt eine Transformation der Liebeskonzeption des Dolce Stil Novo, z.B. daß Maria gentile heißt, daß Beatrice als ›Herrin‹ befiehlt, die Stilhöhe, in der Vergil unterwürfig-rhetorisch antwortet, und daß mehrere Damen um Dante bemüht sind, der ihr fedele ist.
Vielleicht Anspielung an den Jordan, der in kein Meer mündet. Aber sollen wir uns Dante am Jordan vorstellen? Dazu Inglese 58. Das Textproblem von Vers 108 verschwindet nicht, wenn wir mit Sanguineti 14 und Inglese 58 onde lesen, wo Petrocchi ove schrieb.
Wuchtiger Prolog am Höllentor. Eindrucksvoll durch die gleichen Satzanfänge der ersten drei Verse. – Dante mildert kaum das Erschrecken, indem er die Hölle das Werk nicht nur der Allmacht, sondern der höchsten Weisheit und Liebe nennt, also der Trinität.
Die Hölle gehört zum ersten Schöpfungsplan; sie ist ewig in dem Sinn, daß sie nach ihrer Erschaffung immer dauern wird. Vor ihr wurde nur Immerdauerndes erschaffen: Die Engel, die Sternschalen und die Urmaterie, materia prima. So lehrten die Scholastiker seit Petrus Lombardus. Zur Lehre von den quatuor coaeva in Sentenzenkommentaren vgl. Thomas von Aquino, in 2 sent. 12, 1, 5.
Das Gut des Intellekts: was der Intellekt als sein Gutes erkennt, die Glückseligkeit, aristotelische Lehre.
Vers 31 bietet Textprobleme: Ist es orror oder error, der den Kopf einschnürt? C 83 zu 31 wählt orror, L 11: Grausen; Naumann 20: von Grausen umwunden … Sanguineti 17 hat error, ebenso Inglese 63. Ich folge ihnen.
Dante/Vergil spricht über die Neutralen eher verächtlich als mitleidend, Sapegno bei C 84 zu 35. Sie sind keines Blickes wert.
Berühmt gewordene Formel in Vers 60: il gran rifiuto. Dante nennt keinen Namen. Mittelalterliche und neue Erklärer vermuten, er habe an Papst Coelestin V. gedacht, der, statt die Christenheit zu reformieren, sich nur um sein Seelenheil kümmerte und sich nach fünf Monaten zurückzog, was die Politik der Anjou begünstigte und den schlimmen Bonifaz VIII. an die Macht brachte. Dazu C 99 und Inglese 65.
Der Ausspruch Vergils in Vers 95/96 ist in Italien zum Sprichwort geworden, oft in ironischer Verwendung gegen den Übermut der Ämter: vuolsi così colà dove si puote
ciò che si vuole, e più non dimandare.
Das qualunque s’adagia in Vers 111 ist verschieden ausgelegt worden. Die meisten Erklärer verstehen es in dem Sinne von ›wer zögert‹ oder ›wer säumt‹, doch anders C 95 und Inglese 67 zur Stelle, denen ich folge.
In Vers 114 lese ich mit Inglese 68 rende, nicht mit Petrocchi und C 95 vede.
Wollen die Sünder ihre Bestrafung? Hat die göttliche Allmacht ihren Willen ganz ausgelöscht, wie Inglese 68 meint? Dann würde Gott das Beste, was er im Menschen erschaffen hat, vernichten, nämlich den freien Willen. Farinata im 10. canto beweist, daß Verdammte ihre Strafe für gleichgültig erklären können. In den Versen 103 bis 105 zeigen sie sich gar nicht willenlos. Sie sind nicht Marionetten der Weltregierung, sondern verfluchen Gott und die Welt. Sie protestieren gegen den Richtspruch Gottes. Nach Vers 26 hört Dante auch Wutausbrüche. Es geht in Vers 126 um Affekte (von Angst zu Begierde), nicht um den Willen. Würden sie ihres Willens beraubt, wären die Höllenbewohner keine Seelen mehr. Ferner: canto 3 handelt von den Unentschiedenen, die von ihrer Intelligenz und ihrem Willen keinen Gebrauch gemacht haben.
Dante betritt den ersten Kreis der Hölle, den sog. Limbus, den Kreis ohne Glück und ohne Qualen, aber in Gottesferne. Augustin hätte das nach 397 nie mehr zugelassen, während er 395 noch großzügiger zu ungetauften Kindern war. Das Konzil von Karthago 418 hat es ausdrücklich verworfen; die Vorstellung des Limbus, wenigstens für die ungetauften Kinder (längst nicht für alle guten Nicht-Christen), war eine mittelalterliche Korrektur an Augustin, die Petrus Lombardus ermöglichte, 2 Sent 33, 2, und die Thomas von Aquino, De malo 5, 1–5, fixierte. Die Zulassung edler Heiden, gar eines Muslims wie Saladin, war ein radikaler weiterer Schritt.
Dante dachte die Hölle als einen Krater, der an der Erdoberfläche breit ist und sich zum Erdmittelpunkt verengt. An steilen Wänden führen rundum Terrassen, ähnlich wie in einem Theater die Ränge, zwischen denen für Vergil und Dante der Übergang möglich, wenn auch schwierig ist.
Die Vorstellung, Dante sei durch alle sieben Tore in die Burg gekommen, wirkt komisch, aber es überwiegt wohl die Idee, durch die sieben freien Künste betrete man die Burg der Weisheit. Von ihnen darf man keine auslassen.
Aristoteles, dessen Name nicht genannt wird, ist der Philosoph seit der Mitte des 13. Jahrhunderts. Dazu: Ferdinand van Steenberghen, Aristotle in the West, Louvain 21970; Kurt Flasch, Das philosophische Denken im Mittelalter, Stuttgart 22000.
Er hat im ersten Jahrhundert ein Pflanzenbuch verfaßt: De materia medica.
Vgl. Cesare Vasoli, s.v. ›Averroes‹ in ED 1, 473–481.
Vergil wiederholt die Wendung, die er gegenüber Charon gebraucht hatte, Inf. 3, 95–96.
In Vers 34 ist das Wort ruina nicht eindeutig, bezieht sich aber wohl auf eine geographische Situation, vergleichbar Inf. 12, 31, dazu Inglese 84.
Hier wird außerehelicher Geschlechtsverkehr bestraft, nicht Homosexualität, die in canto 15 drankommt.
Dante faßt die Nachrichten über Semiramis, Königin der Assyrer im 14. Jahrhundert vor Christus, zusammen, die er bei Orosius las. Sein Wortspiel libito fé lecito steht bei Orosius, Hist. 1, 4. – Semiramis war für mittelalterliche Autoren das Urbild der Wollust; sie soll ihren Sohn Ninos geheiratet und nach dessen Tod seine Nachfolge angetreten haben. Sie soll ein Gesetz erlassen haben, das den Inzest erlaubte.
Es ist Dido, die Königin von Karthago, die sich tötete, weil ihr geliebter Aeneas sie verließ, um seine höhere Mission, die Gründung Roms, zu erfüllen. Sie habe ihrem Gatten Sichaeus versprochen, ihm über seinen Tod hinaus Treue zu wahren, las Dante bei Vergil, Aen. 4, 552.
Francesca sagt, daß die Liebe sie nicht verläßt. Subjekt des Satzes ist nicht Paolo, sondern Amor.
Francesca deutet an, daß es ein Verwandter war, der die beiden ermordet hat und der darum in der tiefsten Hölle endet.
Francesca erklärt in drei Terzinen, die mit dem Wort Amor beginnen, ihr Konzept der Liebe: Amor regiert; er ist der eigentlich Handelnde. Er ergreift besonders die edlen Herzen; er bestimmt einen Menschen zur Liebe. Diese gilt der körperlichen Schönheit; sie erzeugt Wechselseitigkeit; sie dauert. Sie führt die Liebenden zum Tod.
Boccaccio erklärt Vers 120: dubbiosi desiri heißt nicht, wie bei Stefan George zweifelhafte Begierden; Inglese 91 und C 161.
Lanzelot ist ein altfranzösischer Versroman aus dem Ende des 12. Jahrhunderts. Er erzählt vom Kreis um König Artus, dessen Frau, Ginevra, ihren Verehrer Lanzelot durch einen Kuß in leidenschaftliche Liebe versetzt.
Der dritte Kreis beherbergt Schlemmer und Säufer. Die Abfolge der Hauptsünden nach Gregor dem Großen, Moralia 31, 45, bestimmt die Abfolge der Gesänge: Wollust, Schlemmerei, Habgier, Trägheit (acedia), Zorn, Neid, Hochmut. Im Purgatorio besteht die umgekehrte Reihenfolge; die Reinigung beginnt mit dem Hochmut und erreicht zuletzt die Wollüstigen. Doch zur Reihenfolge der Laster und zur Gliederung der Höllenkreise vgl. Inf. 11 mit dem Verweis auf die Ethik des Aristoteles als Gliederungsprinzip. Dort auch die Zeichnung der Struktur der Hölle.
Cerberus bewacht bei Vergil, Aen. 6, 417–423, und bei Ovid, Met. 4, 450, den Orkus. Bei Dante wird er ein Zwischenwesen zwischen Mensch und Hund. Mit seinen drei Mäulern ist er besonders gefräßig und paßt zu den Gefräßigen. – Zur Übersetzung der Wendung in Vers 13 crudele e diversa: Inglese 95.
Zusammenfassend zu innerstädtischen Parteien: C 191 zu 65 und 66, L 19f.
Die Partei der Wilden, der Ungehobelten, la parte selvagia, Vers 65: der Leute, die vom Land kamen, die Cerchi, im Gegensatz zu den alteingesessenen Donati.
Der Tod des Buondelmonte war der Anlaß der Aufspaltung in Guelfen und Ghibellinen, Purg. 28, 106–108 und Par. 16, 136–141. »Es wird Blut fließen«: Am 1. Mai 1300 kam es auf dem Platz Santa Trinità zu Straßenkämpfen zwischen den Cerchi und den Donati. Ricoverino di Cerchi wurde verwundet. Das führte zur Aufteilung der Guelfen in Schwarze und Weiße. Die Weißen (bianchi): die vom Land gekommen waren, die Cerchi, mehr Kaufleute; die Schwarzen (neri) waren eher agrarischer Adel, die Partei der Donati.
Hier als Prophezeiung ex eventu zu lesen. Dante hat sie niedergeschrieben, nachdem das Ereignis eingetreten war: Die Weißen vertrieben im Juni 1301 die Schwarzen, also die eher adlige Partei der Donati. Dante gehörte zu den Bianchi, kritisiert aber deren Exzeß.
Dante hat wohl an Bonifaz VIII. gedacht, der 1301 Karl von Valois nach Florenz geschickt hat, angeblich als Vermittler, aber in Wirklichkeit zur Unterstützung der Neri, die bald darauf die Bianchi verjagten. Diese Tatsache hat über das Leben Dantes entschieden; im canto mit Brunetto Latini, Inf. 15, 14–96, kommt er darauf zurück.
Man erkennt die drei Bestien des ersten canto, mit leichter Variation: Hochmut, Neid, Habgier.
Die aristotelische Philosophie. Je vollkommener ein Wesen ist, um so empfindlicher ist es für Freude und Schmerz. Die mit dem Leib wieder vereinigte Seele ist vollkommener als die leiblose, ›getrennte‹ und daher fähiger zu Freude und Schmerz. So Thomas von Aquino, Sth 1–2, 4, 5, aber auch schon Alexander von Hales und Bonaventura.
»Der große Feind«: ein Titel Satans. Hier auf Pluto angewandt, den Reichtum, auch den Gott der Unterwelt. Im nächsten canto geht es um Geiz und Verschwendung.
Plutos, Pluton, identifiziert mit lateinisch Plutus, Pluto: Gott zunächst der reichen Ernte, dann des Reichtums. In unverständlicher Sprache ruft er wohl Satan zu Hilfe, um Dante den Weg zu versperren.
Die Gewinnsucht erzeugt Konflikte: Die Menschen vollführen gegeneinander die ridda, einen Rundtanz, bei dem Menschen aufeinanderprallen.
Im vierten Kreis machen Geizige und Verschwender sich gegenseitig die entgegengesetzten Vorwürfe.
Sternensphären werden von Intelligenzen bewegt. Dante faßt Fortuna als Person in der Art der Intelligenzen. Zur Geschichte des Problems seit Boethius vgl. C 228–234 zu 97, die zu dem Ergebnis kommt, diese Theorie sei nicht thomistisch: si discosta dal comune insegnamento degli scolastici.
Dante nimmt schon hier, am Ende des 7. canto, den Übergang zum achten, dem der Zornigen, voraus. Von Vers 117 an geht es nicht mehr um Zorn, sondern um die dem Zorn entgegengesetzte Nicht-Aktivität, um das Hauptlaster der geistigen Trägheit, acedia.
Phlegyas: In der griechischen Mythologie der Vater der Koronis, die, durch Apollo verführt, Mutter des Asklepios wurde. Zornig über die Entführung seiner Tochter, zündete er in Delphi den Tempel an, der damals noch aus Holz war. Bei Vergil leidet er in der Unterwelt ewigen Hunger, Aen. 6, 618–619. Dante folgt der Assoziation von Feuer und Zorn und macht aus Phlegyas den Inbegriff des Zorns. Er ist wie Charon und Pluto Wächter der Unterwelt; er wirft die Zornigen in den Styx.
Weder Vergil noch Dante, der Wanderer, nannten den Namen des Philippo Argenti, der, wie Boccaccio berichtet, so hieß, weil er aus Anmaßung sein Pferd mit Silber beschlagen ließ, vgl. Dec. 9, 8. Er gehörte zur adligen Familie der Adimari und zu den Schwarzen, offenbar ein persönlicher Gegner Dantes. – Er ist die letzte Figur in Dantes oberer Hölle, dann kommt die Mauer, die die untere Hölle, die Satansstadt, umschließt.
Dis ist der bei Vergil, besonders Aen. 6, 127, übliche Name des antiken Unterweltgottes Dis, im Genitiv: Ditis, den die Römer mit dem Pluto der Griechen gleichsetzten. Für Dante ist Dis ein anderes Wort für Satan. Stadt des Dis bedeutet also: Satansstadt.
Dantes Beitrag zum Thema: Der lateinische Westen und der Islam. Die Moscheen sind Stätten der Dämonen, nicht der Verehrung Gottes, erklärt dazu Boccaccio. Näheres in canto 28.
Das Höllentor, das Christus durch seinen Abstieg geöffnet hat.
Der Satz ist schwierig. Zum Verständnis: Inglese 119.
Erichtho, die thessalische Magierin, hat nach Lukan, Phars. 6, 507–827 die Seele eines Toten in seinen Leib zurückversetzt, weil er weissagen sollte. Auch die Sibylle, die Aeneas führte, kannte den Weg schon, Vergil, Aen. 6, 565.
Medusa, deren Anblick versteinerte, kannte Dante aus Ovid, Met. 4, 779–781. Christliche Überinterpretation bei C 281 zu 52. – Theseus war in der Unterwelt, um Persephone zu rauben. Vgl. C 296–297 und ED 3, 883–884.
Aufforderung zu allegorischer Deutung, wie nur noch Purg. 8, 19–21. Dante selbst nimmt keine Deutung vor; fromme Leser sehen eine Warnung vor Ketzerei. Andere Deutung der Einzelheiten bei Inglese 123.
Nach der Aen. 6, 392–396 hat Herkules den Cerberus gekettet und aus dem Tor der Unterwelt herausgeschleppt, weil er sich seinem Eintritt entgegengestellt hatte. Durch die Reibung der Kette hatte er an Kinn und Hals sein Fell verloren.
Im Tal Josaphat soll nach Joel 3, 2 und Matth. 25, 1 das Jüngste Gericht stattfinden.
Epikur als Leugner der Seelenunsterblichkeit, im Conv. 4, 6, 11–12 noch nicht als Häretiker betrachtet, Dante bekannt durch Cicero, De finibus, vgl. auch Conv. 2, 8,8. Vgl. Giorgio Stabile, s.v. ›Epicurei‹ in der ED 2 697–701 und Inglese 128–129. Vgl. Dec. 6, 9. Dazu Kurt Flasch, Attributiver Atheismus, in: Friedrich Niewöhner (Hg.), Atheismus im Mittelalter und in der Renaissance, Wiesbaden 1999.
Dante hat den Wunsch, Farinata hier zu sehen, nicht ausgesprochen.
Farinata degli Uberti war der Anführer der Ghibellinen. 1248 vertrieb er die Guelfen und wurde, als diese zurückkehrten, 1258 selbst verbannt. Er besiegte, von Siena kommend, 1260 die Florentiner bei Montaperti an der Arbia, sprach aber im Rat gegen die Zerstörung der Stadt. Er starb vor der Schlacht bei Benevent 1266, nach der die Ghibellinen heimkehrten.
Die Alighieri gehörten zu den Guelfen, waren also Feinde des Farinata. Sie wurden zweimal vertrieben: 1248, als Friedrich II. die Ghibellinen unterstützte, und 1260, nach der Niederlage bei Montaperti. – Farinata redet, als habe er das alles allein gemacht.
Vielfach interpretierter Vers. Hinweis auf die intellektuelle Differenz zwischen Dante, der sich durch Vergil dem Jenseitsglauben näherführen ließ, und seinem averroistischen Freund Guido? Guido ist eine der wichtigsten verwandten Kontrastfiguren im Umkreis Dantes. Über ihn: Mario Marti in ED 1, 891–896; Giorgio Inglese, L’intelletto e l’amore. Studi sulla letteratura italiana del Due e Trecento, Mailand 2000, S. 3–56 und S. 199–226; ferner: Inglese 133; Gennaro Sasso, Dante, Guido e Francesca, Rom 2008.
Der Tote ist der Vater von Dantes Freund Guido Cavalcanti. Der Vater war Guelfe, er hatte, um politische Aussöhnung zu erreichen, die Tochter des Farinata geheiratet. Sein Sohn Guido, Philosoph und Dichter, war ein enger Freund Dantes, der ihm die Vita Nuova widmete und ihn dort seinen ersten Freund nannte; er hatte in der florentinischen Kultur in Dantes Jugend eine führende Rolle gespielt. Zeitlich nach Guido Guinizelli war er der wichtigste Dichter des Stil Nuovo, stand wie sein Vater im Verdacht, Epikureer zu sein, dazu Boccaccio, Dec. 6, 9. Dazu oben Anm. 71.
Ich folge in der Interpunktion Inglese 133, Sanguineti 54 und Petrocchi gegen C 318 zu 67–68.
Dante datiert die Jenseitsreise auf den April 1300. Farinata sagt ihm voraus, die Mondgöttin Proserpina, die in der Unterwelt herrscht, werde nicht fünfzigmal neu erscheinen, dann werde auch er wissen, wie schwer es ist, aus der Verbannung zurückzukommen. 50 Monate sind vier Jahre. Bis dahin waren die Versuche der Bianchi, zurückzukehren, alle gescheitert, und Dante brach mit ihnen im Juni 1304.
Volksversammlungen fanden in der Kirche statt.
Christlich-mittelalterliches Zeitverständnis: Viele Theologen nahmen an, es werde keine Zeit mehr geben nach dem Jüngsten Tag. Andere Betonung der Aufwertung der Zeit bei C 337 zu 13.
Vergil nutzt die Pause, um den Aufbau der Hölle und damit die Gliederung von Dantes Inferno philosophisch zu begründen.
Papst Anastasius II., 496–498, soll unter dem Einfluß des Diakons Photinus zu der Irrlehre geneigt haben, die in Christus nur eine Natur, nämlich die menschliche, behauptete. Er soll also Monophysit gewesen sein.
Vergil erklärt den Aufbau des unteren Teils der Hölle, der dem Wanderer jetzt bevorsteht. Zuerst kommt der siebte Kreis (cerchio) mit drei Ringen (gironi) oder Gräben (bolge), der achte mit zehn Ringen, der neunte mit vier. Der siebte Kreis ist in der unteren Hölle der erste, der achte Kreis der zweite, der neunte der dritte. Die Einteilung erfolgt nicht nach einzelnen Sünden, sondern nach ethischen Fehlhaltungen (Lastern), für deren Ordnung Vergil sich auf Aristoteles beruft. Auch der Einfluß von Ciceros De officiis ist nachweisbar. Dantes Hölle ist nach antik-philosophischen Prinzipien aufgebaut, mit geringen christlichen Korrekturen, z.B. für die Unterbringung der Ungetauften im Limbus und der Häretiker im sechsten Kreis.
Sodoma, nach Gen. 18–19 berüchtigt wegen der sexuellen Vergehen gegen die Natur, Cahors in Südfrankreich wegen des Wuchers.
Dante fragt nach dem Grund des Unterschieds der ersten fünf Höllenkreise zu denen von sechs bis neun, also der Satansstadt, città di Dite. – Die Seelen im Sumpf, das sind die Zornigen des 5. Kreises; die der Sturm jagt, das sind die Wollüstigen des 2. Kreises; die der Regen peitscht, das sind die Schlemmer des 3. Kreises. – Dantes Frage gibt Gelegenheit zu erklären, daß nicht alle ethischen Fehlhaltungen (Laster) gleich schwer sind.
Dante erörtert – beim Stand der florentinischen Geldwirtschaft verständlich – die Frage des Wuchers, also des Zinsnehmens, gesondert. Auch dafür beruft er sich auf die Philosophie, nicht auf die Bibel oder die Theologie.
»Ethik« und »Physik« sind hier Namen für Bücher des Aristoteles. – In der Physik 2, 2, 194 a lehrt Aristoteles, die Kunst – gemeint ist: Handwerk, Wissen und Kunst – ahme die Natur nach.
Anspielung auf Minotaurus.
Alcuna in Vers 9 lesen einige im Sinne von: nessuna, anders C 362 zu 9 und Inglese 147, denen ich zögernd folge mit »eine Art Weg«. Man kann sich vorstellen: Beim Bergsturz entstand ein Abhang von mäßiger Steilheit, so daß er zur Not zu begehen war.
Im Anschluß an Ovid, Met. 8, 155 heißt der Minotauros die »Schande von Kreta«. Er ist mehr Stier als Mensch. Er bewacht den Übergang zum 7. Höllenkreis, dem Kreis der Gewalttätigen. Er ist der Sohn der Frau des Königs Minos von Kreta, die sich von einem Stier begatten ließ. Der Künstler Daedalus baute ihr eine hölzerne Kuh, in die sie hineinkroch. Minos sperrte ihn ins Labyrinth und opferte ihm jährlich sieben Jungfrauen und sieben junge Männer. Theseus brachte ihn um und fand mit Hilfe eines Fadenknäuels, den ihm Ariadne, die Tochter des Minos, gegeben hatte, den Weg zurück.
Dante spielt auf Empedokles an, dem zufolge die Mischung der vier Elemente die Welt ordnet, während Liebe sie zum ursprünglichen Chaos zurückbringt. Aristoteles diskutiert das in der Physik 1, 4–5.
Aber doch nur in der Dichtung tun sie das, möchte man Dante zurufen. – Kentauren sind Mischwesen zwischen Pferd und Mensch, berüchtigt wegen ihrer Blutrünstigkeit, Ovid, Met. 12, 219. Dazu Inglese 151.
Ovid erzählt, Met. 9, 101–272: Nessus verliebte sich in Deianira, die Frau des Herkules. Er will mit ihr fliehen, trägt sie durch einen Fluß, aber ihn trifft ein vergifteter Pfeil des Herkules. Sterbend übergibt er ihr sein blutgetränktes Hemd und sagt ihr, wenn Herkules sich in eine andere Frau verliebe, dann solle sie ihm dieses Hemd geben, und er werde zu ihr zurückkehren. Sie gibt Herkules das Hemd, aber das Gift aus dem Blut des Kentauren tötet ihn. So hat er selbst seine Rache vollzogen.
Chiron ist wie bei Ovid und Statius groß und weise; er denkt vor sich hin, in sich versunken, gar nicht wild. Er ist den Kentauren übergeordnet und kommandiert sie vernünftig. Für einen Teufelsdiener zeigt er sich erstaunlich hilfsbereit.
Nach Ovid, Met. 12, 306–340, war er bei der Hochzeitsfeier des Königs betrunken und wollte voller Wut die Braut rauben.
Guido von Montfort rächte seinen Vater, der in der Schlacht gegen Heinrich III. von England gefallen war, indem er den jungen Heinrich von Cornwall während der Messe in der Kirche – Dante schreibt: in grembo di Dio – in Viterbo erstach.
Cecina im Norden, Corneto im Süden begrenzen die Maremmen, die wegen ihrer Wildheit berüchtigt waren.
Harpyien sind mythologische Ungeheuer, Raubvögel mit Frauenköpfen, nach Aen. 3, 209–258. – Nach der Aeneis haben die Harpyien den Trojanern auf den kleinen Inseln der Strophaden im ionischen Meer mit ihren Exkrementen den Aufenthalt unmöglich gemacht und ihnen Unheil in Italien geweissagt.
Der Kreis, cerchio, der Gewalttätigen ist in drei Ringe, gironi, eingeteilt. Im ersten büßen die, die Gewalt gegen die Nächsten ausgeübt haben, canto 12, im zweiten die, die Gewalt gegen sich selbst gebraucht haben. Canto 13 gilt der Selbstzerstörung in ihren verschiedenen Formen. Im dritten Ring fällt Feuerregen auf die Sandfläche, daher der Vorverweis auf den »grauenvollen Sand« von canto 14.
Vergil erinnert an seine eigene Dichtung, an die Episode Aen. 3, 22–33. Gut dazu L 36–37.
Es spricht Pietro delle Vigne, der berühmte Kanzler des Kaisers Friedrich II., der nach 1248 in Ungnade fiel. Dazu C 419–420.
Bei den beiden Männern handelt es sich um reiche Sienesen, die in der Schlacht, hier ironisch »Turnier« genannt, den Tod suchten, weil sie die drohende Armut fürchteten, denn sie waren berühmte Verschwender. Verschwendung des Vermögens wird im Inferno bestraft wie eine Art der Aggression gegen sich selbst. Wer sein Vermögen zerrissen hat, wird in Fetzen gerissen. – Die Schlacht bei Pieve al Toppo (1278) fand statt zwischen Aretinern und Sienesen. – Der Busch, in dem Lano sich versteckt, ist ein Florentiner.
Anspielung auf eine Legende vom Ursprung von Florenz: Ihr Stadtherr sei in der Antike der Kriegsgott Mars gewesen, den die Stadt zugunsten von Johannes dem Täufer verstoßen habe. Eine aus dem Arno geborgene Marsstatue soll am Ponte Vecchio aufgestellt gewesen sein.
Der Florentiner sieht in der kaum kenntlichen Marsstatue noch einen Schutz vor weiterer Kriegszerstörung. – Florenz als Stadt des Mars, in der ein Bürger sich erhängt wie Judas, im eigenen Haus.
Cato führte das geschlagene Heer des Pompeius durch die Libysche Wüste. Dante las das bei Lukan, Phars. 9, 382.
Dante spricht von der Rache Gottes. Das sollten Kommentatoren nicht abschwächen. Auch nicht seine Verurteilung der Homosexualität. Zur Rache: ED 5, 914–915, s.v. ›vendetta‹, und K 212.
Die mit dem Bauch nach oben liegen, sind Gotteslästerer; die zusammengesunken sind, sind Wucherer, die ständig gehen müssen, sind »Sodomiten«, also Homosexuelle. Diese waren in Florenz am zahlreichsten.
Den Bericht über Alexander in den Tropen las Dante bei Albert, Meteorologie 1, 4, 8. Der Alberttext liegt zugrunde auch Inf. 12, 4–6, dazu C 362 zu 4–6 und Inglese 431 zu 31–33.
In Vers 48 bestätigen Sanguineti 73 und Inglese 170 gegen Petrocchi, der marturi liest, das maturi, das C 434 zu 48 bevorzugt. Ich folge ihnen.
Heiße Schwefelquelle bei Viterbo, deren Wasser die Prostituierten in ihre Wannen aufteilten.
Um das Besondere des Baches zu erklären, erzählt Vergil nach Aen. 8, 324–332 und Ovid, Met. 1, 89–162, den Mythos vom Goldenen Zeitalter, in dem Saturn herrschte. Ihm folgte das Silberne, dann das Kupferne, zuletzt, bei uns, das Eiserne. Diese Deutung der Weltgeschichte verband Dante mit der Deutung, die Daniel dem Traum des Nebukadnezar gab, in dem eine hohe Figur vorkam, die aus verschiedenen Stoffen bestand. Vgl. Inglese 173–174.
Rhea, auch Kybele genannt, war die Frau des Saturn. Dieser fraß seine neugeborenen Söhne, weil eine Weissagung ihm angekündigt hatte, seine Söhne würden ihn einst entmachten. Um ihr Kind Jupiter zu retten, verbarg Rhea ihn in einer Höhle im Ida. Wenn das Kind weinte, ließ sie die Korybanten Geschrei machen, Aen. 3, 111–113 und Georgica 4, 150–152.
Die Statue im Berg Ida verbindet in sich zwei verschiedene Zurechtlegungen des Geschichtsverlaufs. Einerseits die Deutung des Traums des Königs Nebukadnezar durch Daniel (Dan. 2, 31–33), andererseits die Lehre Ovids vom Absteigen der Zeitalter von Gold über Silber und Bronze zum Eisen. Aber Dante benutzt beide Bilder nicht zur Geschichtsbetrachtung.
Phlegethon ist der ›Feuerfluß‹, hier der kochende Blutstrom. Lethe fließt im irdischen Paradies.
Brunetto Latini, gest. 1294, übersetzte die Nikomachische Ethik des Aristoteles und den Orator Ciceros; Notar, Politiker, als Guelfe verbannt, ging er nach Frankreich und verfaßte auf Französisch seine Enzyklopädie, den Tesoro. Mentor des jungen Dante, unvergessener väterlicher Freund.
Brunetto hatte wohl Dantes Horoskop gestellt. – Er hatte Cicero übersetzt und hatte seine Arbeit als Dienst an der ethisch-politischen Erneuerung aufgefaßt. Er hatte damit die Konzeption der Commedia angeregt. Dies dankt ihm Dante.
Die Schwarzen hassten Dante, und von den Weißen hat er sich getrennt. Er steht zwischen beiden Parteien, beide werden ihm gefährlich. Brunetto rät, er soll sich von beiden fernhalten, in Verona bleiben. Er benutzt die Legende vom Ursprung der Stadt Florenz: Als Caesar Fiesole zerstörte, seien dessen Bewohner nach Florenz gekommen und hätten den römischen Charakter verdorben.
Vers 85, Inglese 182: come l’om s’etterna. Es ist an die Verewigung in Werken und Nachruhm zu denken, vor allem aber mit Aristoteles und Albert daran, daß die intellektuelle Beschäftigung mit bleibenden Einsichten den Menschen ins Zeitlose versetzt.
Dante hat schon die Voraussagen seines künftigen Exils von Ciacco und Farinata gehört.
Stoischer Schicksalstrotz wie bei Vergil, der ihn gleich darauf bestätigt – es ist das einzige Wort, das er in diesem canto spricht. – Der Bauer soll seinen Boden bearbeiten, vielleicht will Fortuna, daß er einen Schatz findet.
Priscian, Name des berühmten Grammatikers des 6. Jahrhunderts; Francesco d’Accorso war ein angesehener Florentiner Jurist, der auch als Professor in Oxford lehrte.
Gemeint ist der Erzbischof von Florenz, Andrea dei Mozzi, den Bonifaz VIII., hier ironisch »Knecht der Knechte« genannt, nach Vicenza versetzte, wo er 1296 starb. – Die Zeilen 110 bis 114 sind von extremem Sarkasmus. Sexuelle Anspielung in Vers 114: li mal potesi nervi.
Der Tesoro ist das Hauptwerk von Dantes Lehrer Brunetto, eine Enzyklopädie, in französischer Sprache geschrieben. Eine schöne französische Ausgabe des Tesoro mit italienischer Übersetzung ist diejenige von Pietro G. Beltrami et al., Turin 2007.
Guido war florentinischer Adliger, Führer der Guelfen, bedeutender Heerführer.
Heerführer, der davor gewarnt hatte, die Schlacht bei Montaperti, 1256, gegen die Sienesen zu eröffnen, die verloren wurde.
Iacopo schiebt die Schuld auf seine Frau dafür, daß er sich der Knabenliebe zugewandt hat.
Dante erklärt im folgenden die Höllenlandschaft nach geographischen Lagen, die er kennt: Der achte Kreis liegt viel tiefer als der siebte, und der Phlegethon stürzt mit dem Getöse nieder, das wir vom Wasserfall des Montone kennen. Der Montone fließt nicht, wie alle anderen Wasser der Nordseite des Apennins, in den Po, der am Monteviso entspringt, sondern hat seine eigene Mündung bei Ravenna. Er heißt zunächst Acquacheta, aber etwa von Forlì an heißt er Montone. Er bildet einen Wasserfall oberhalb der Abtei von San Benedetto.
Hier, in Vers 127, bezeichnet Dante zum ersten Mal sein Werk als comedia. Inf. 21, 2 wiederholt diese Selbsteinordnung in eine Gattung, die mit Schlimmem beginnt und mit Glücklichem endet. Vgl. Inglese 194.
Geryon ist ein Unwesen der antiken Mythologie, das aus drei Körpern besteht: Mensch, Löwe, Schlange.
Gescheite Verteidigung des Vaterlands gegen den Vorwurf der Gefräßigkeit bei K 254–255.
Wir sind noch im 7. Kreis, in dem der Gewalttäter, genauer bei den Wucherern, die Gewalt üben gegen die Natur, die Tochter Gottes, und gegen die Kunst, die Enkelin Gottes. Dante erkennt keine einzelne Person; der Wucher macht sie alle gleich, aber er sieht, daß sie einen Geldbeutel mit dem Familienwappen um den Hals tragen. Er identifiziert die großen Bankiersfamilien von Florenz und von Padua, die Gianfigliazzi, die Obriachi und die Paduaner Scrovegni, deren Wappentier die Sau, scrofa, ist und deren Kapelle Giotto ausgemalt hat. – Das Wappen mit den drei Ziegenböcken gehört der Familie der Becchi, deren Vertreter Dante ironisch als »hochedlen Ritter« bezeichnet.
Infomativ zu den Wucherern: K 258–259.
Das Wort Malebolge hat Dante gebildet; bolge (im Singular: bolgia), sind Taschen oder Säcke, Vertiefungen, denn der Höllenkreis besteht aus zehn in den Stein gehauenen Gräben oder Rängen. Male bedeutet: für die Bösen, die malvagi. Zur Wortgeschichte und Übersetzungsmöglichkeiten vgl. K 266–267.
Venedico war ein mächtiger Mann in Bologna, der den Plan der Este unterstützte, sich Bolognas zu bemächtigen. Er soll deswegen seine Schwester an einen Este verkuppelt haben.
Die Flüsse Savena und Reno liegen im Osten und Westen von Bologna. In Bologna sagte man statt si das Wort sipa. – Es sind also in der Hölle mehr Leute aus Bologna als oben in der Welt, und zwar weil sie so habgierig sind.
Sie bleiben im selben Höllenkreis, verlassen aber die Zone der ruffiani, der Kuppler, sie kommen jetzt zu den Verführern, seduttori. Auch diese betrügen die Frauen, aber nicht zugunsten eines Dritten, sondern für sich selbst.
Die beiden Dichter befanden sich auf der schmalen Felsbrücke über den ersten Graben, dort, wo sie sich mit dem Damm kreuzt, der zwischen dem ersten und dem zweiten Graben verläuft. Dieser setzt sich fort zu einer zweiten Brücke, die den zweiten Graben überspannt. Die Wanderer stehen am Anfang dieser zweiten Brücke, sehen von hier herunter in den zweiten Graben, in dem die Schmeichler büßen, und gehen dann auf den höchsten Punkt dieser Brücke, um besser sehen zu können.
Die Apostelgeschichte 8, 9–20, erzählt, daß Simon, der Magier, den Aposteln die Fähigkeit, den Heiligen Geist zu verleihen, abkaufen wollte. ›Simonie‹ wurde ein Wort für den Kauf geistlicher Ämter oder den Verkauf geistlicher Gnaden.
Das Baptisterium von Florenz, San Giovanni, besaß ein Taufbecken, an dessen Rand Vertiefungen für die Taufenden eingelassen waren. – Als einmal ein Kind hineingefallen war, rettete Dante es und zerschlug dabei die Wandung. Dies wurde ihm vorgeworfen; die nächsten Zeilen – ein auffälliger autobiographischer Einschub – sollen die Debatten darüber beenden.
Lo perfido assessin, der gedungene Mörder, der gegen Geld im Auftrag mordet. Die vorgesehene Strafe war, daß er kopfüber in eine Grube versenkt und dann lebendig begraben wurde.
Der Sünder, der kopfüber im Loch steckt, ist Papst Nikolaus III., der in einem Buch der Weissagungen gelesen hat, Papst Bonifaz VIII. werde 1303 sterben (was zutraf; er ist am 11. Oktober 1303 gestorben), wir sind aber hier im Jahr 1300. Nikolaus hält Dante fälschlich für den nächsten Papst; er erwartet Bonifaz VIII. in der Hölle, weil er weiß, daß Bonifaz seinen Vorgänger Coelestin V. durch Betrug dazu gebracht hat, auf sein Papstamt zu verzichten, und weil Bonifaz die Kirche, die »schöne Frau«, durch Habgier geschändet hat.
Papst Nikolaus stammte aus dem Haus der Orsini, orso ist der Bär. Er betrieb Familienpolitik, d.h. er förderte die jungen Bären. Er hatte sich so bereichert, daß er Politik gegen Karl I. von Anjou, den König von Sizilien, treiben konnte. – Er sagt voraus, daß nicht nur sein Nachfolger Bonifaz, sondern auch dessen Nachfolger Clemens V. (1305–1314) in die Hölle kommen wird. – In den folgenden Zeilen erklärt er die Art der Unterbringung der simonistischen Väter der Christenheit.
86–87: fu molle suo re, così fia lui. Jason – das ist die griechische Form für Josua – bestach Antiochos IV., bekam so sein Amt (Makk. 4, 7–26) und führte fremde Gebräuche ein; so wird Clemens V. (1305 bis 1314) Philipp dem Schönen Geld geben für die Unterstützung seiner Wahl zum Papst und wird Geld bekommen für seine Gefügigkeit gegenüber Philipp. Er wird der Aufhebung des Templerordens zustimmen und 1309 die Kurie nach Avignon verlegen. Dazu Inglese 221–222.
Papstkritische Deutung der Stelle aus der Apokalypse 17, 15. Dante sieht die Papstkirche als die große Hure. Solange der Papst als Gatte der Kirche noch nicht durch Macht- und Geldgier korrumpiert war, besaß diese Kirche die sieben Gaben des Heiligen Geistes (die sieben Tugenden? Die sieben Sakramente?) und hielt sich an die Zehn Gebote.
Dante verurteilt die Konstantinische Schenkung; er sah sie als historisches Faktum an, hielt sie aber für illegitim und für einen großen Schaden. Ähnlich Purg. 32, 124–126 und Par. 20, 55–60.
Dante unterscheidet hier den einzelnen Gesang (canto) von den drei großen Teilen der Commedia. Das Inferno nennt er prima canzon. Heute ist der Ausdruck cantica üblich geworden für Inferno, Purgatorio und Paradiso. Dante selbst hat ihn gebraucht: Purg. 33, 140.
Magier setzen voraus, man könne das göttliche Urteil noch ändern. – Auf den tiefsten Stufen des Inferno ist Mitleid nicht am Platz. Auf den oberen Rängen hat Vergil es nicht getadelt: Dante, der Wanderer, hatte Mitleid mit Francesca (5, 72), mit Pietro delle Vigne (13, 84), mit Brunetto (15, 82) und mit den drei Florentinern (16, 529). Wichtige Richtigstellung bei Inglese 227.
Zu den Weissagern gehören auch Astrologen. – Amphiaraos war einer der sieben Könige bei der Belagerung von Theben. Er konnte, nach Statius, Theb. 7, 690–893, in die Zukunft blicken, versuchte dem vorausgesehenen Tod zu entgehen und stürzte vor dem feindlichen Heer in voller Montur in ein Erdloch. Es bekommt dem Menschen nicht, die Zukunft zu wissen.
Der Seher Teiresias schlug einmal, nach Ovid, Met. 3, 324, zwei kopulierende Schlangen mit seinem Zauberstab und wurde dadurch zur Frau. Erst als er sieben Jahre später noch einmal dasselbe tat, wurde er wieder zum Mann.
Arruns war ein berühmter etruskischer Weissager. Nach Lukan, Phars. 1, 584–587, wurde er zur Zeit des Kampfes zwischen Caesar und Pompeius nach Rom geholt und sagte den Sieg Caesars voraus. – Dante verschont ihn mit Tadel, den einsamen Zukunftsdeuter zwischen weißem Marmor.
Manto war die Tochter des Teiresias, Aen. 10, 198–200, und Statius, Theb. 4, 463–466 und 7, 758–759. Nach dem Tod ihres Vaters und als in Theben – der Stadt des Bacchus – der Tyrann Kreon herrschte, irrte sie lange umher, bis sie sich in Italien niederließ, dort, wo später Mantua entstand, die Heimatstadt Vergils. – Ein unaufgelöster Widerspruch: Hier trifft Dante Manto tief in der Hölle, aber in Purg. 22, 113 erklärt Statius, sie sei im Limbus.
Lago Benaco, der Gardasee.
Umstrittene Verse 64–66: Sanguineti 105 und Inglese 230, mit Hinweisen auf die Manuskripte, lesen: Apennino. Konnte dieser Name zur Zeit Dantes alle Hochgebirge bezeichnen? Also: Apennino = Pennino, »Bergland«? Dagegen Inglese 231. Vgl. C 608 und 619. Ich lasse die Frage offen.
Die Stadt nahm ab an Bevölkerung, weil der Stadtherr Graf Casalodi (Casaloldo) sich von Graf Pinamonte überreden ließ, viele adlige Familien zu vertreiben. Er herrschte dann in der so geschwächten Stadt als Tyrann.
Es gab andere Legenden, bei Vergil selbst, Aen. 10, 198. – Wir sind in dem Graben der Wahrsager und Magier, Vergil selbst galt als Wahrsager. Dante muß Vergil und Mantua absetzen gegen Manto.
Die Männer waren im Krieg gegen Troja.
Aen. 2, 114. Die Aeneis heißt Tragödie, weil im hohen Stil geschrieben, Dante nennt sein Gedicht im Gegensatz dazu comedia.
Michael Scotus, berühmter Gelehrter, Übersetzer, Magier am Hof Friedrichs II. Bedeutender Astronom und Astrologe, der aufgrund des Horoskops politische und militärische Ratschläge gab.
Guido Bonatti war ein berühmter Astrologe; Asdente, der Schuster aus Parma, betrieb statt seines Handwerks die Wahrsagerei.
Nach dem Volksglauben war der »Mann im Mond« der Brudermörder Kain, der zur Strafe ein Bündel Dornen tragen mußte. – Vergil macht eine genaue Zeitangabe; es ist gegen sechs Uhr am Morgen.
Anspielung auf canto 1: Offenbar erleuchtete der Mond den Wald, in dem Dante verirrt war.
Zita, die zweite Stadtheilige von Lucca. – Ein anziano von Lucca, ein Ältester, ist ein hoher Beamter, eine Art Minister oder Senator.
Wir sind im Kreis der barattieri, der Korrupten in öffentlichen Ämtern. Sie nehmen Geld für das, was sie ohnehin tun sollen. Dante sah Lucca als die Stadt mit den korrupten Amtsträgern an – wie er Bologna für die Stadt der Kuppler hielt. Der Schlimmste von ihnen war Bonturo, den er in ironischer Art erwähnt. – Lucca liegt am Serchio; das Heilige Antlitz ist ein altes, byzantinisches Christusbild, das in der Kirche San Martino verehrt wird. Hier in der Hölle nutzt es nichts, sich um Hilfe an es zu wenden.