© 2005 by Debra Melzer
© Marianne Müller
© 2005 by Christopher Moisan
Die Briefe in diesem Roman richten sich zwar an lebende Personen, sind aber rein fiktiv.
Für
Nicole,
meinen Inbegriff von Schönheit.
Wie wäre es mit einem Teekessel? Wie wäre es, wenn die Tülle beim Austreten des Wasserdampfs wie ein Mund auf- und zuklappte und hübsche Melodien pfiffe, Shakespeare aufsagte oder einfach mit mir ablachte? Ich könnte auch einen Teekessel erfinden, der mir zum Einschlafen mit Dads Stimme etwas vorliest, vielleicht auch einen ganzen Haufen Kessel, die im Chor den Refrain von »Yellow Submarine« singen, einen Song der Beatles, die ich wahnsinnig gern mag, denn die Entomologie ist eine meiner raisons d’être, und das ist eine französische Redewendung, die ich gelernt habe. Eine super Idee wäre auch, meinem Hintern beizubringen, beim Furzen zu sprechen. Ganz besonders komisch wäre es, ihm beizubringen, dass er jedes Mal »Das war ich nicht!« sagt, wenn ich einen unglaublich fiesen Furz loslasse. Und wenn ich je einen unglaublich fiesen Furz im Spiegelsaal loslassen sollte, der in Versailles ist, das bei Paris ist, das in Frankreich ist, versteht sich von selbst, würde mein Hintern sagen: »Ce n’était pas moi!«
Oder kleine Mikrophone etwa. Wie wäre es, wenn jeder eins schlucken würde und wenn sie über kleine Lautsprecher, die in den Taschen unserer Overalls steckten, unseren Herzschlag übertragen würden? Wenn man dann nachts mit dem Skateboard durch die Straßen fährt, könnte man den Herzschlag aller anderen Menschen hören, und sie könnten unseren hören, ähnlich wie mit einem Echolot. Ich frage mich allerdings, ob dann alle Herzen gleichzeitig zu schlagen begännen, denn Frauen, die zusammenleben, bekommen ja auch zur gleichen Zeit die Regel, darüber weiß ich Bescheid, obwohl ich es lieber nicht wüsste. Das wäre wirklich krass, nur die Station im Krankenhaus, wo die Babys auf die Welt kommen, die klänge wie ein Kronleuchter auf einem Hausboot, weil die Babys noch keine Zeit hatten, ihren Herzschlag aufeinander abzustimmen. Und beim Zieleinlauf des New York City Marathon wäre ein Krach wie im Krieg.
Außerdem gibt es ziemlich viele Situationen, in denen man sofort die Flucht ergreifen muss, aber Menschen haben keine Flügel, jedenfalls noch nicht, wie wäre es also mit einem Vogelfutter-Hemd?
Wie auch immer.
Vor dreieinhalb Monaten hatte ich meine erste Ju-Jutsu-Stunde. Aus nahe liegenden Gründen war ich sehr an Selbstverteidigung interessiert, und Mom war der Meinung, dass mir eine weitere körperliche Betätigung außer Tamburin-Spielen gut täte, also hatte ich vor dreieinhalb Monaten meine erste Ju-Jutsu-Stunde. Wir waren vierzehn Kinder im Kurs, und wir trugen alle blütenweiße Gewänder. Wir übten die Verbeugung, und dann setzten wir uns hin, indianermäßig, und Sensei Mark bat mich, zu ihm zu kommen. »Tritt mir in die Eier«, sagte er zu mir. Das ließ mich aufhorchen. »Excusez-moi?«, sagte ich. Er spreizte die Beine und sagte zu mir: »Ich möchte, dass du mir mit voller Wucht in die Eier trittst.« Er legte sich die Hände auf die Hüften, holte Luft und schloss die Augen, und ich kapierte, dass es ihm Ernst war. »Hammerhart«, sagte ich, dachte aber: Was zum? Er sagte zu mir: »Na los, Junge. Zertritt mir die Eier.« »Ihnen die Eier zertreten?« Er lachte laut auf, die Augen immer noch geschlossen, und sagte: »Selbst wenn du wolltest, könntest du mir die Eier nicht zertreten. Ich will dir nur zeigen, dass ein durchtrainierter Körper jeden Schlag wegstecken kann. Und jetzt tritt mir in die Eier.« Ich erwiderte: »Ich bin Pazifist«, und da die meisten Kinder in meinem Alter noch nicht wissen, was das ist, drehte ich mich um und erklärte es den anderen: »Ich finde es falsch, jemand anderem die Eier zu zertreten, ganz grundsätzlich.« Sensei Mark sagte: »Darf ich dich etwas fragen?« Ich drehte mich wieder zu ihm um und sagte: »›Darf ich dich etwas fragen?‹ ist doch schon eine Frage.« Er sagte: »Träumst du davon, ein Ju-Jutsu-Meister zu werden?« »Nein«, erwiderte ich, obwohl ich eigentlich auch nicht mehr davon träume, später den Juwelierladen unserer Familie zu übernehmen. Er sagte: »Möchtest du wissen, wie ein Ju-Jutsu-Schüler zum Ju-Jutsu-Meister wird?« »Ich will alles wissen«, sagte ich zu ihm, aber auch das stimmte nicht mehr. Er sagte zu mir: »Ein Ju-Jutsu-Schüler wird zum Ju-Jutsu-Meister, indem er seinem Meister die Eier zertritt.« Ich erwiderte: »Wirklich faszinierend.« Vor dreieinhalb Monaten hatte ich meine letzte Ju-Jutsu-Stunde.
Ich hätte jetzt so gern mein Tamburin dabei, weil ich trotz allem immer noch Bleifüße habe, und manchmal hilft mir das beim Spielen. Das schwierigste Stück, das ich auf meinem Tamburin spielen kann, ist »Der Hummelflug« von Nikolai Rimski-Korsakow, und das ist auch der Klingelton, den ich mir aufs Handy heruntergeladen habe, das ich nach Dads Tod bekam. Dass ich den »Hummelflug« kann, ist eigentlich ein Wunder, denn streckenweise muss man sehr schnell spielen, und das fällt mir ziemlich schwer, weil meine Handgelenke noch nicht kräftig genug sind. Ron wollte mir ein fünfteiliges Drum-Set kaufen. Money can’t buy me love, versteht sich von selbst, aber ich habe ihn doch gefragt, ob auch ein Becken-Set von Zildjian dabei wäre. Er sagte: »Was immer du willst«, und dann nahm er sich mein Jo-Jo vom Schreibtisch und tat so, als führte er einen Hund aus. Er meinte es einfach nur nett, aber ich war unglaublich genervt. »Jo-Jo moi!«, habe ich gesagt und riss ihm das Ding aus der Hand. In Wahrheit wollte ich sagen: »Du bist nicht mein Dad, und du wirst es nie sein.«
Ist doch krass, dass die Toten immer mehr werden, obwohl die Erde gleich groß bleibt und es irgendwann keinen Platz mehr gibt, um die Toten zu begraben, oder? Letztes Jahr hat mir Oma zu meinem neunten Geburtstag ein Abo für National Geographic geschenkt. Sie nennt die Zeitschrift immer »die National Geographic«. Und weil ich nur Weiß trage, hat sie mir außerdem einen weißen Blazer geschenkt, der mir viel zu groß ist, er bleibt mir also noch lange erhalten. Sie hat mir auch Großvaters Kamera geschenkt, die ich aus zwei Gründen besonders gern mochte. Ich fragte sie, warum Großvater die Kamera nicht mitgenommen habe, als er sie verlassen hat. Sie sagte: »Vielleicht wollte er, dass du sie bekommst.« Ich sagte: »Aber da war ich doch minus dreißig Jahre alt.« Sie sagte: »Trotzdem.« Wie auch immer – faszinierend fand ich, dass laut National Geographic die Zahl der heute lebenden Menschen die Zahl all derer übertrifft, die im Laufe der Menschheitsgeschichte gestorben sind. Anders gesagt: Wenn alle Menschen zur selben Zeit Hamlet spielen wollten, ginge das nicht, weil es nicht genug Schädel gibt!
Wie wäre es mit unterirdischen Wolkenkratzern für die Toten? Sie befänden sich unter den Wolkenkratzern der Lebenden, die auf der Oberfläche stehen. Man könnte die Menschen hundert Stockwerke tief in der Erde begraben, und unter der Welt der Lebenden gäbe es eine Welt der Toten. Ich fände es auch krass, wenn der Fahrstuhl am Platz bleiben und stattdessen der Wolkenkratzer auf und ab fahren würde. Um ins 95. Stockwerk zu gelangen, müsste man einfach die Taste mit der Fünfundneunzig drücken, und dann würde das Stockwerk zu einem kommen. Das könnte unter Umständen ziemlich hilfreich sein, denn wenn man sich im fünfundneunzigsten Stockwerk befindet und unter einem ein Flugzeug einschlägt, könnte einen das Gebäude ins Erdgeschoss fahren, und dann wären alle in Sicherheit, selbst wenn man ausgerechnet an dem Tag sein Vogelfutter-Hemd zu Hause gelassen hätte.
Bisher bin ich nur zwei Mal mit einer Limousine gefahren. Beim ersten Mal war es schrecklich, obwohl die Limousine große Klasse war. Ich darf weder zu Hause noch in einer Limousine Fernsehen gucken, aber ich fand es trotzdem super, dass ein Fernseher im Auto war. Ich wäre total gern an der Schule vorbeigefahren, damit mich Toothpaste und The Minch in einer Limousine gesehen hätten, aber Mom meinte, die Schule läge nicht auf dem Weg, und wir dürften nicht zu spät zum Friedhof kommen. »Warum nicht?«, fragte ich, und das hielt ich für eine klasse Frage, denn wenn man genauer darüber nachdenkt, warum nicht? Inzwischen ist es anders, aber früher war ich Atheist, und das bedeutet, dass ich nur an Dinge geglaubt habe, die ich auch sehen konnte. Ich habe geglaubt, wenn man tot ist, ist man tot und fühlt nichts mehr und träumt auch nichts mehr. Es ist auch nicht so, dass ich jetzt an etwas glauben würde, das ich nicht sehen kann, bestimmt nicht. Inzwischen glaube ich eher, dass alles unglaublich kompliziert ist. Und im Übrigen haben wir Dad auch gar nicht wirklich beerdigt.
Obwohl ich mich ziemlich zusammenriss, fand ich es nervig, dass Oma mich immer wieder betatschte, und deshalb kletterte ich auf den Beifahrersitz und tippte dem Fahrer auf die Schulter, bis er endlich auf mich aufmerksam wurde. »Wie. Lautet. Ihre. Benennung«, fragte ich mit meiner Stephen-Hawking-Stimme. »Wie bitte?« »Er möchte wissen, wie Sie heißen«, sagte Oma von hinten. Er gab mir seine Karte.
GERALD THOMPSON
Sunshine Limousine
In allen fünf Bezirken
(212) 570–7249
Ich gab ihm meine Karte und sagte: »Sei. Gegrüßt. Gerald. Ich. Bin. Oskar.« Er fragte mich, warum ich so rede. Ich erwiderte: »Oskars CPU ist ein Neural Net Processor. Ein lernfähiger Computer. Je mehr Kontakt er mit Menschen hat, desto mehr lernt er.« Gerald sagte: »O«, und dann sagte er: »K.« Weil ich nicht genau wusste, ob er mich mochte, sagte ich: »Ihre Sonnenbrille ist große Klasse.« Er sagte: »Zweite Wahl, glaube ich.« »Kennen Sie viele Schimpfwörter?« »Ein paar schon.« »Ich darf keine Schimpfwörter benutzen.« »Ist ja die Härte.« »Was bedeutet ›Ist ja die Härte‹?« »Nichts Gutes.« »Kennen Sie ›Scheiße‹?« »Auch ein Schimpfwort, oder?« »Nicht, wenn Sie stattdessen ›Scheibenkleister‹ sagen.« »Dann wohl nicht.« »Schleckopeck mich doch am Balzacarsch, du Scheibenkleister.« Gerald schüttelte den Kopf und lachte, aber nicht auf die fiese Art, das heißt, er lachte mich nicht aus. »Ich darf nicht einmal ›Muschi‹ sagen«, erzählte ich ihm, »es sei denn, ich meine meine Katze. Sie haben coole Autohandschuhe.« »Danke.« Dann fiel mir etwas ein, und ich musste es sofort loswerden: »Wenn Limousinen superlang wären, bräuchten sie überhaupt keinen Fahrer. Man könnte einfach hinten einsteigen, durch die Limousine gehen und vorne aussteigen, und dann wäre man am Ziel. Was in diesem Fall heißen würde, dass der Fahrersitz auf dem Friedhof wäre.« »Und ich jetzt das Spiel gucken könnte.« Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte: »Wenn Sie im Wörterbuch ›urkomisch‹ nachschlagen, finden Sie da ein Bild von sich.«
Auf der Rückbank hielt Mom etwas in ihrer Handtasche fest. An ihren Armmuskeln konnte ich sehen, dass sie fest drückte. Großmutter strickte weiße Fäustlinge, und ich wusste, die waren für mich, obwohl es draußen noch nicht kalt war. Ich hätte Mom gern gefragt, was sie so festhielt und warum sie es versteckte. Ich weiß noch, dass ich dachte: »Diese Fäustlinge ziehe ich nie an, nie im Leben, selbst wenn ich an Unterkühlung leide.«
»Da fällt mir noch was ein«, sagte ich zu Gerald, »man könnte ja auch eine unglaublich lange Limousine bauen, mit dem Rücksitz in der Scheide Ihrer Mutter und mit dem Vordersitz in Ihrem Mausoleum, dann wäre sie so lang wie Ihr Leben.« Gerald sagte: »Klar, aber wenn alle so lebten, würden sich die Menschen nie begegnen, oder?« Ich sagte: »Echt?«
Mom drückte ihre Handtasche, und Oma strickte, und ich sagte zu Gerald: »Ich habe mal ein französisches Huhn in den Bauch getreten.« Ich wollte ihn zum Lachen bringen, weil meine Bleifüße dann ein bisschen leichter geworden wären. Er erwiderte nichts, wahrscheinlich hatte er mich nicht gehört, also wiederholte ich: »Ich habe gerade gesagt, dass ich mal ein französisches Huhn in den Bauch getreten habe.« »Häh?« »Es hat ›œuf‹ gesagt.« »Was soll das sein?« »Ein Witz. Möchten Sie noch einen hören, oder haben Sie schon un œuf gehabt?« Er sah im Rückspiegel Oma an und fragte: »Was meint er damit?« Sie sagte: »Sein Großvater hat die Tiere mehr geliebt als die Menschen.« Ich sagte: »Kapiert? Œuf?«
Ich kroch wieder nach hinten, weil es gefährlich ist, mit dem Fahrer zu sprechen, besonders auf dem Highway, und auf dem fuhren wir gerade. Oma fing wieder an, mich zu betatschen, und das nervte mich, obwohl ich eigentlich Geduld mit ihr haben wollte. Mom sagte: »Mein Schatz«, und ich sagte: »Oui«, und sie sagte: »Hast du dem Postboten einen Schlüssel für unsere Wohung gegeben?« Diese Frage fand ich krass, denn sie war völlig aus der Luft gegriffen, aber wahrscheinlich suchte Mom nach etwas, das vom eigentlichen Thema ablenkte. Ich sagte: »Die Person, die die Post austrägt, ist eine Postbotin.« Sie nickte vage in meine Richtung und fragte mich, ob ich der Postbotin einen Schlüssel gegeben habe. Ich nickte, denn bevor all die Sachen passiert sind, habe ich sie nie belogen. Es war einfach nicht nötig. »Und warum?«, fragte sie. Also erzählte ich es ihr: »Stan …« Und sie sagte: »Wer?« Und ich sagte: »Stan, der Portier. Manchmal holt er sich an der Ecke einen Kaffee, und ich wollte sichergehen, dass ich alle meine Päckchen kriege, also dachte ich, wenn Alicia …« »Wer?« »Die Postbotin. Wenn sie einen Schlüssel hätte, könnte sie uns die Sachen in den Flur stellen.« »Aber du kannst doch einer Fremden nicht unseren Schlüssel geben.« »Glücklicherweise ist Alicia keine Fremde.« »Wir haben viele Wertgegenstände in unserer Wohnung.« »Ich weiß. Wir haben echt tolle Sachen.« »Manchmal sind Leute, denen man vertraut, nicht so vertrauenswürdig, wie man glaubt, verstehst du? Was, wenn sie dich bestohlen hätte?« »Das würde sie nie tun.« »Und wenn doch?« »Sie würde es nicht tun.« »Hat sie dir denn einen Schlüssel für ihre Wohnung gegeben?« Mom war offenbar sauer auf mich, aber ich wusste nicht, warum. Ich hatte nichts Falsches getan. Und wenn doch, dann unabsichtlich. Ich hatte bestimmt nichts Falsches tun wollen.
Ich rutschte auf der Rückbank der Limousine näher an Oma und sagte zu Mom: »Wozu sollte ich einen Schlüssel für ihre Wohnung brauchen?« Sie merkte, dass ich dichtmachte, und ich merkte, dass sie mich nicht wirklich liebte. Ich kannte die Wahrheit, und die Wahrheit war, dass wir jetzt zu meiner Beerdigung führen, wenn sie die Wahl gehabt hätte. Ich sah zum Schiebedach der Limousine hoch, und ich stellte mir die Welt vor der Erfindung von Decken vor, und das führte mich zur Frage: Hat eine Höhle keine Decke, oder besteht eine Höhle nur aus Decke? »Vielleicht kannst du mich das nächste Mal vorher fragen, okay?« »Sei doch nicht sauer auf mich«, sagte ich, und ich langte über Omas Schoß und verriegelte und entriegelte ein paar Mal die Tür. »Ich bin überhaupt nicht sauer auf dich«, sagte sie. »Auch kein kleines bisschen?« »Nein.« »Hast du mich noch lieb?« Wahrscheinlich war dies nicht gerade der Moment, um ihr zu gestehen, dass ich den Schlüssel schon längst für den Pizza-Hut-Boten, den Mann vom UPS und auch für die netten Typen von Greenpeace hatte nachmachen lassen, damit sie mir Artikel über Rundschwanz-Seekühe und andere aussterbende Tierarten dalassen konnten, wenn Stan sich einen Kaffee holen ging. »Ich habe dich noch nie so lieb gehabt wie jetzt.«
»Mom?« »Ja?« »Ich möchte dich etwas fragen.« »Okay.« »Was drückst du da in deiner Tasche?« Sie zog die Hand heraus und öffnete die Tasche, und die war leer. »Ich drücke einfach nur«, sagte sie.
Obwohl es ein unglaublich trauriger Tag war, war Mom wunder-wunderschön. Ich suchte die ganze Zeit nach Worten, um es ihr zu sagen, aber alles, was mir einfiel, war blöd und falsch. Sie trug das Armband, das ich ihr gemacht hatte, und deshalb fühlte ich mich große Klasse. Ich mache gern Schmuck für sie, weil sie dann immer so glücklich ist, und sie glücklich zu machen ist noch eine meiner raisons d’être.
Inzwischen ist alles anders, aber ich habe sehr lange davon geträumt, den Juwelierladen unserer Familie weiterzuführen. Dad meinte immer, ich sei zu klug, um einen Laden zu führen. Das leuchtete mir nie ein, weil er klüger war als ich. Ich sagte es ihm. »Zunächst einmal«, erwiderte er, »bin ich nicht klüger als du, ich weiß höchstens mehr, und das liegt auch nur daran, dass ich älter bin. Alle Eltern wissen mehr als ihre Kinder, und alle Kinder sind klüger als ihre Eltern.« »Außer, das Kind ist geistig behindert«, sagte ich. Darauf hatte er nichts zu erwidern. »Du hast ›zunächst einmal‹ gesagt. Was ist das ›sodann‹?« »Das ›sodann‹ ist: Wenn ich wirklich so klug wäre, warum führe ich dann einen Laden?« »Stimmt«, sagte ich. Und dann fiel mir etwas ein: »Nein, halt – es wäre doch gar kein Familienbetrieb, wenn er nicht von jemandem aus unserer Familie geführt würde.« Er erwiderte: »Doch, natürlich. Nur, dass es die Familie von jemand anderem wäre.« Ich fragte: »Ja, aber was ist dann mit unserer Familie? Eröffnen wir einen neuen Laden?« Er sagte: »Irgendwas eröffnen wir dann schon.« Darüber dachte ich bei meiner zweiten Fahrt in einer Limousine nach, als ich gemeinsam mit dem Mieter Dads leeren Sarg ausgraben wollte.
Ein tolles Spiel, das ich mit Dad an manchen Sonntagen spielte, war die Aufklärungs-Expedition. Manchmal waren diese Aufklärungs-Expeditionen superleicht, etwa, wenn er mir den Auftrag gab, irgendetwas aus jedem Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts mitzubringen – ich war schlau und brachte einen Steinbrocken mit –, und manchmal waren sie unglaublich schwierig und zogen sich über Wochen hin. Für unsere letzte Expedition, die wir nicht mehr zu Ende führen konnten, gab er mir eine Karte vom Central Park. Ich sagte: »Und?« Und er sagte: »Und was?« Ich sagte: »Bekomme ich denn keine Hinweise?« Er sagte: »Wo steht geschrieben, dass man immer Hinweise bekommen muss?« »Es gibt immer Hinweise.« »Für sich genommen, besagen Hinweise gar nichts.« »Gar keine Hinweise?« Er sagte: »Außer, dass fehlende Hinweise auch schon ein Hinweis sein könnten.« »Kein Hinweis soll ein Hinweis sein?« Er zuckte mit den Schultern, als hätte er keine Ahnung, was ich meinte. Das fand ich super.
Ich rannte den ganzen Tag im Park herum und suchte nach Hinweisen, aber die Schwierigkeit bestand natürlich darin, dass ich überhaupt nicht wusste, wonach ich suchen sollte. Ich sprach mehrere Menschen an und fragte sie, ob sie wichtige Informationen für mich hätten, denn manchmal plante Dad die Aufklärungs-Expeditionen so, dass ich mit Leuten reden musste. Aber keiner, den ich fragte, sagte mehr als Was zum? Ich suchte rund um das Reservoir nach Hinweisen. Ich las jeden Anschlag an jedem Laternenpfahl und jedem Baum. Ich las die Beschreibungen der Tiere im Zoo. Ich brachte die Leute, die Drachen steigen ließen, sogar dazu, ihre Drachen einzuholen, damit ich sie untersuchen konnte, obwohl ich wusste, dass es eigentlich Quatsch war. Aber Dad war manchmal ziemlich gerissen. Ich fand nichts, und das war natürlich schlecht, außer, das Nichts wäre ein Hinweis. War das Nichts ein Hinweis?
An dem Abend bestellten wir uns General Tsos Tofu zum Essen, und mir fiel auf, dass Dad eine Gabel benutzte, obwohl er supergut mit Stäbchen umgehen konnte. »Halt mal!«, sagte ich und stand auf. Ich zeigte auf seine Gabel. »Ist die Gabel ein Hinweis?« Er zuckte mit den Schultern, und ich glaubte in dieser Geste eine Bestätigung dafür zu erkennen, dass es sich um einen zentralen Hinweis handelte. Ich dachte: Gabel, Gabel. Ich rannte in mein Labor und holte den Metalldetektor aus der Kiste im Schrank. Weil ich abends nicht allein in den Park durfte, kam Oma mit. Ich begann am Eingang in der 86. Straße, und um ja nichts auszulassen, ging ich in schnurgeraden Linien wie diese Mexikaner, die immer den Rasen mähen. Ich wusste, dass die Insekten lärmten, denn es war Sommer, aber ich hörte sie nicht, weil ich Kopfhörer trug. Es gab nur mich und das Metall im Boden.
Wenn das Piepen hektischer wurde, musste Oma die Taschenlampe auf die Stelle richten. Ich zog meine weißen Handschuhe an, holte die kleine Schaufel aus dem Beutel und grub supervorsichtig. Wenn ich etwas fand, entfernte ich die Erde wie ein richtiger Archäologe mit einem Pinsel. Obwohl ich an dem Abend nur einen kleinen Teil des Parks absuchte, förderte ich einen Vierteldollar und einige Heftklammern zu Tage, außerdem ein Kettchen, mit dem man eine Lampe an- und ausknipst, und einen Kühlschrank-Magneten mit Werbung für Sushi, über das ich Bescheid weiß, obwohl ich lieber nichts davon wüsste. Ich tat alle Beweisstücke in eine Tüte und markierte die Fundstellen auf der Karte.
Zu Hause untersuchte ich die Beweisstücke der Reihe nach in meinem Labor unter dem Mikroskop: ein krummer Löffel, ein paar Schrauben, eine rostige Schere, ein Spielzeugauto, ein Stift, eine Fahrradkette, ein Schlüsselanhänger, die kaputte Brille eines Menschen, der unglaublich schlechte Augen gehabt haben musste …
Ich brachte alles Dad, der am Küchentisch die New York Times las und dabei die Druckfehler mit seinem Rotstift anstrich. »Hier, das habe ich gefunden«, sagte ich und schubste meine Katze mit dem Tablett voller Beweisstücke vom Tisch. Dad warf einen Blick auf die Sachen und nickte. Ich fragte: »Und?« Er zuckte mit den Schultern, als hätte er keine Ahnung, was ich meinte, und er vertiefte sich wieder in seine Zeitung. »Kannst du mir nicht mal verraten, ob ich auf der richtigen Fährte bin?« Buckminster schnurrte, und Dad zuckte mit den Schultern. »Wie soll ich das wissen, wenn du mir nichts verrätst?« Dad umkringelte etwas in einem Artikel und sagte: »Das kannst du auch anders sehen: Warum solltest du auf der falschen Fährte sein?«
Er ging sich ein Glas Wasser holen, und ich sah nach, was er umkringelt hatte, denn er konnte ziemlich gerissen sein. In dem Artikel ging es um das vermisste Mädchen und die weit verbreitete Meinung, dass sie vom Kongressabgeordneten ermordet worden war, der sie gepoppt hatte. Ein paar Monate später wurde ihre Leiche im Rock Creek Park, Washington D.C., entdeckt, aber zu dem Zeitpunkt interessierte sich außer ihren Eltern schon niemand mehr für sie.
Stellungnahme, die Hunderten von Pressevertretern im provisorischen Pressezentrum hinter dem Haus der Familie verlesen wurde, unterstrich Mr Levy seine feste Überzeugung, dass man seine Tochter finden werde. »Wir hören nicht auf zu suchen, bis wir einen konkreten Grund zur Einstellung der Suche haben, nämlich Chandras Rückkehr.« Während der kurzen Fragezeit wollte ein Reporter der Zeitung El Pais von Mr Levy wissen, ob er unter ›Rückkehr‹ eine ›wohlbehaltene Rückkehr‹ verstehe. Da der emotional erschütterte Mr Levy diese Frage nicht beantworten konnte, ergriff sein Anwalt das Wort. »Wir hoffen und beten weiter, dass Chandra wohlauf ist, und werden alles in unserer Macht Stehende tun, um sie
Das war kein Fehler! Das war eine Botschaft für mich!
An den nächsten drei Tagen ging ich jeden Abend wieder in den Park. Ich grub eine Haarspange und eine Rolle Pennys aus, eine Reißzwecke und einen Kleiderbügel, eine 9-Volt-Batterie und ein Schweizer Taschenmesser, einen winzigen Bilderrahmen und die Plakette eines Hundes namens Turbo, einen quadratischen Fetzen Alufolie und einen Ring, eine Rasierklinge und eine superalte Taschenuhr, die entweder um 5:37 Uhr morgens oder abends stehen geblieben war. Je mehr ich fand, desto weniger kapierte ich.
Ich breitete die Karte auf dem Esszimmertisch aus und beschwerte die Ecken mit 8-Volt-Batterien. Die Punkte, mit denen ich die Fundstellen markiert hatte, glichen Sternen am Himmel. Ich verband sie miteinander wie ein Astrologe, und wenn ich meine Augen zu Schlitzen zusammenkniff wie ein Chinese, schienen sich die Linien zum Wort »fragil« zu verbinden. Zerbrechlich. Was war fragil? War der Central Park fragil? War die Natur fragil? Waren meine Fundstücke fragil? Eine Reißzwecke ist nicht fragil. Ist ein krummer Löffel fragil? Ich radierte die Linien aus und verband die Punkte neu, und es ergab sich das Wort »Tür«. Daraufhin fiel mir porte ein, Französisch für Tür, versteht sich von selbst. Ich radierte die Linien noch einmal aus und verband die Punkte zu »porte«. Auf einmal wurde mir klar, dass ich die Punkte zu Wörtern wie »Cyborg«, »Schnabeltier«, »Bockmist« und, eine extreme Schlitzäugigkeit vorausgesetzt, sogar zu »Oskar« verbinden konnte. Ich konnte sie zu allen möglichen Wörtern verbinden, und das hieß, dass die Sache sinnlos war. Und nun werde ich nie mehr erfahren, was ich eigentlich finden sollte. Und das ist noch ein Grund, warum ich nachts nicht einschlafen kann.
Wie auch immer.
Fernsehen ist mir zwar verboten, aber ich darf mir Dokumentarfilme ausleihen, die für mein Alter freigegeben sind, und lesen darf ich sowieso alles. Mein Lieblingsbuch ist Eine kurze Geschichte der Zeit, das ich allerdings noch nicht durch habe, weil die Berechnungen darin unglaublich schwierig sind und Mom mir dabei keine große Hilfe ist. Am besten gefällt mir das erste Kapitel, in dem Stephen Hawking von einem berühmten Wissenschaftler erzählt, der einen Vortrag darüber hält, wie die Erde um die Sonne kreist und die Sonne im Sonnensystem und so weiter. Schließlich meldet sich eine ganz hinten sitzende Frau und sagt: »Was Sie da erzählen, ist doch völliger Unsinn. In Wahrheit ist die Erde eine Scheibe, die auf dem Rücken einer riesigen Schildkröte ruht.« Daraufhin fragt sie der Wissenschaftler, worauf die Schildkröte ruhe. Und sie antwortet: »Aber es sind doch alles Schildkröten, bis ganz unten.«
Diese Geschichte finde ich super, weil sie zeigt, wie dumm die Menschen manchmal sein können. Und auch, weil ich Schildkröten so gern mag.
Ein paar Wochen nach dem allerschlimmsten Tag fing ich an, lauter Briefe zu schreiben. Warum, weiß ich auch nicht, aber es war eine Sache, die meine Bleifüße leichter machte. Krass war nur, dass ich keine normalen Briefmarken benutzte, sondern welche aus meiner Sammlung, auch wertvolle, und manchmal fragte ich mich insgeheim, ob ich in Wahrheit nicht bloß Ballast abwerfen wollte. Den ersten Brief schrieb ich an Stephen Hawking. Ich frankierte ihn mit einer Briefmarke, die Alexander Graham Bell zeigte.
Lieber Stephen Hawking,
darf ich bitte Ihr Protegé sein?
Dankeschön,
Oskar Schell
Ich erwartete natürlich keine Antwort, klaro, weil er ein so außergewöhnlicher Mensch ist und ich so normal bin. Aber dann kam ich eines Tages aus der Schule, und Stan gab mir einen Brief und sagte mit der AOL-Stimme, die ich ihm beigebracht hatte: »Du hast Post!« Ich rannte die hundertfünf Stufen zu unserer Wohnung hinauf, und ich rannte in mein Labor, und ich ging in die Kammer, knipste meine Taschenlampe an und öffnete den Umschlag. Der Brief darin war getippt, versteht sich von selbst, denn Stephen Hawking kann seine Hände ja nicht mehr benutzen, weil er amyotrophische Lateralsklerose hat, über die ich Bescheid weiß, leider.
Vielen Dank für Ihren Brief. Da ich sehr viel Post bekomme, kann ich nicht alles persönlich beantworten. Trotzdem lese ich sämtliche Briefe und bewahre sie in der Hoffnung auf, sie eines Tages gebührend beantworten zu können. Bis dahin mit freundlichen Grüßen,
Ihr Stephen Hawking
Ich rief Mom auf dem Handy an. »Oskar?« »Du hast noch vor dem Klingeln abgenommen.« »Alles in Ordnung?« »Ich brauche ein Laminiergerät.« »Ein Lamiergerät?« »Ich habe hier was unglaublich Tolles, das ich unbedingt in Folie einschweißen muss.«
Dad deckte mich immer richtig gut zu, und dann erzählte er mir die tollsten Geschichten und wir lasen gemeinsam die New York Times, und manchmal pfiff er auch »I Am the Walrus«, denn das war sein Lieblingssong, obwohl er mir nie die genaue Bedeutung erklären konnte, was mich ziemlich frustrierte. Super war auch, dass wir in jedem Artikel, den wir lasen, irgendeinen Fehler fanden. Manchmal waren es Fehler in der Grammatik, manchmal stimmte ein Detail nicht, zum Beispiel eine geographische Angabe, und manchmal erzählte der Artikel einfach nicht die ganze Geschichte. Ich fand es Klasse, einen Dad zu haben, der schlauer als die New York Times war, und ich fand es Klasse, dass ich durch sein T-Shirt die Haare auf seiner Brust an der Wange spüren konnte und dass er selbst am Ende des Tages immer noch nach Rasieren roch. Bei ihm kam mein Kopf zur Ruhe. Ich brauchte mir nichts mehr auszudenken.
Als Dad mich an dem Abend richtig gut zudeckte, am Abend vor dem allerschlimmsten Tag, fragte ich ihn, ob die Erde eine Scheibe sei, die auf einer riesigen Schildkröte ruhe. »Wie bitte?« »Ich frage mich ja nur, warum die Erde nicht durch das All fällt, sondern bleibt, wo sie ist.« »Ist das wirklich mein Oskar, den ich hier zudecke? Haben ihm irgendwelche Außerirdischen zu Forschungszwecken das Gehirn geklaut?« Ich sagte: »Wir glauben doch nicht an die Existenz von Außerirdischen.« Er sagte: »Die Erde fällt durch das All. Das weißt du doch, Kumpel. Sie fällt die ganze Zeit in Richtung Sonne. Genau das meint man, wenn man sagt, dass sie sich um die Sonne dreht.« Also sagte ich: »Versteht sich von selbst, aber warum gibt es die Schwerkraft?« Er sagte: »Du fragst mich, warum es die Schwerkraft gibt?« »Ja, aus welchem Grund?« »Wer hat behauptet, dass es dafür einen Grund geben muss?« »Niemand. Eigentlich.« »Meine Frage war nur rhetorisch.« »Und was heißt das?« »Das heißt, dass ich keine Antwort erwartet habe, sondern nur etwas betonen wollte.« »Was betonen?« »Dass es keinen Grund geben muss.« »Aber wenn es keinen Grund gibt, warum gibt es das Universum dann überhaupt?« »Wegen günstiger Entstehungsbedingungen.« »Und warum bin ich dann dein Sohn?« »Weil Mom und ich miteinander geschlafen haben und weil eines meiner Spermien eines ihrer Eier befruchtet hat.« »Entschuldigung, aber mir wird übel.« »Tu nicht so kindisch.« »Naja, ich kapiere einfach nicht, warum wir existieren. Nicht wie, sondern warum.« Ich sah den Glühwürmchen seiner Gedanken zu, die in seinem Kopf auf ihrer Umlaufbahn kreisten. Er sagte: »Wir existieren, weil wir existieren.« »Was zum?« »Man kann sich alle möglichen Universen vorstellen, aber entstanden ist nun einmal dieses.«
Ich wusste, was er meinte, und ich widersprach ihm nicht, stimmte ihm aber auch nicht zu. Atheist zu sein heißt ja nicht, dass man nicht gern einen guten Grund dafür hätte, dass man existiert.
Ich stellte meinen Weltempfänger an, und mit Dads Hilfe bekam ich jemanden herein, der Griechisch sprach, und das war prima. Wir verstanden ihn zwar nicht, aber wir lagen da, betrachteten die im Dunkeln leuchtenden Sterne, die unter meiner Zimmerdecke klebten, und hörten eine Weile zu. »Dein Großvater konnte Griechisch«, sagte Dad. »Du meinst wohl, er kann Griechisch«, sagte ich. »Stimmt. Nur, dass er es hier nicht spricht.« »Vielleicht ist das ja seine Stimme im Radio.« Die erste Seite der Zeitung war wie eine Decke über uns gebreitet. Hinten zeigte sie das Foto eines Tennisspielers, und obwohl man nicht eindeutig sagen konnte, ob er fröhlich oder traurig war, wirkte er wie der Sieger.
»Dad?« »Ja?« »Erzählst du mir eine Geschichte?« »Gern.« »Eine gute?« »Im Gegensatz zu all den langweiligen, die ich dir sonst erzähle?« »Genau.« Ich schmiegte mich ganz, ganz dicht an ihn, so dicht, dass sich meine Nase in seine Achselhöhle bohrte. »Und du unterbrichst mich auch nicht?« »Ich gebe mir Mühe.« »Denn sonst kann man keine Geschichte erzählen.« »Und außerdem nervt es.« »Außerdem nervt es.«
Am liebsten mochte ich den Moment, bevor er anfing.
»Es gab einmal eine Zeit, da hatte New York einen sechsten Bezirk.« »Was ist ein Bezirk?« »Das meine ich mit Unterbrechung.« »Ja, klar, aber wenn ich nicht genau weiß, was ein Bezirk ist, kapiere ich die Geschichte doch gar nicht.« »Ein Bezirk ist deine unmittelbare Nachbarschaft. Oder auch die etwas weitere.« »Wenn es früher einen sechsten Bezirk gab, was sind dann die fünf Bezirke?« »Brooklyn, Queens, Staten Island, die Bronx und natürlich Manhattan, versteht sich von selbst.« »War ich schon mal in einem der anderen Bezirke?« »Bist du jetzt bald still?« »Ich will es doch einfach nur wissen.« »Vor ein paar Jahren waren wir in der Bronx im Zoo. Weißt du noch?« »Nein.« »Und wir sind in Brooklyn gewesen, um uns die Rosen im Botanischen Garten anzuschauen.« »War ich in Queens?« »Ich glaube nicht.« »War ich in Staten Island?« »Nein.« »Hat es wirklich einen sechsten Bezirk gegeben?« »Genau das wollte ich dir gerade erzählen.« »Keine Unterbrechungen mehr – versprochen.«
Als Dad zu Ende erzählt hatte, stellten wir das Radio wieder an und bekamen jemanden herein, der Französisch sprach. Das war besonders toll, weil es mich an den Urlaub erinnerte, aus dem wir gerade zurückgekehrt waren und der von mir aus für immer hätte weitergehen können. Nach einer Weile fragte Dad mich, ob ich wach sei. Ich sagte Nein, denn ich wusste, dass er nicht gehen würde, bevor ich nicht richtig schlief, und außerdem wollte ich nicht, dass er am nächsten Tag bei der Arbeit müde war. Er gab mir einen Kuss auf die Stirn und wünschte mir eine gute Nacht, und dann war er zur Tür hinaus.
»Dad?« »Ja?« »Nichts.«
Das nächste Mal hörte ich seine Stimme, als ich am Tag darauf von der Schule nach Hause kam. Wegen dem, was passiert war, hatten wir früher Schluss. Ich machte mir keine Sorgen, weil Mom und Dad in Midtown arbeiteten, und Oma arbeitete sowieso nicht, versteht sich von selbst, also waren alle Menschen, die ich liebte, in Sicherheit.
Ich weiß noch, dass ich um 10:22 Uhr zu Hause war, denn ich schaue oft auf die Uhr. Die Wohnung war ganz still und leer. Auf dem Weg zur Küche dachte ich mir einen Hebel aus, vielleicht für die Haustür. Er würde im Wohnzimmer ein riesiges Rad in Bewegung setzen, dessen Speichen in ein an der Decke aufgehängtes Zahnrad fassten, das tolle Musik spielte, zum Beispiel »Fixing a Hole« oder »I Want to Tell You«, und dann wäre die Wohnung eine riesige Jukebox.
Erst kraulte ich Buckminster, um ihm zu zeigen, dass ich ihn lieb hatte, und dann hörte ich den Anrufbeantworter ab. Ich hatte noch kein Handy, und nach der Schule hatte Toothpaste gesagt, er wolle mich anrufen und mir sagen, ob ich ihm im Park beim Üben von Skateboard-Tricks zuschauen solle oder ob wir uns in der Drogerie mit den Nischen heimlich Playboy-Magazine anschauen würden.
Nachricht eins. Dienstag, 8:52 Uhr. Ist jemand zu Hause? Hallo? Hier ist Dad. Wenn ihr da seid, nehmt bitte ab. Ich habe es gerade im Büro versucht, aber niemand hat abgenommen. Hört zu, hier ist irgendwas passiert. Mir geht es gut. Wir sollen bleiben, wo wir sind, und auf die Feuerwehr warten. Wird schon gutgehen, bestimmt. Ich rufe nochmal an, wenn ich genauer weiß, was los ist. Wollte euch nur sagen, dass es mir gut geht. Macht euch keine Sorgen. Bis bald.
Dad hatte noch vier Mal angerufen: Um 9:12 Uhr, um 9:31 Uhr, um 9:46 Uhr und um 10:04 Uhr. Ich hörte mir alle Nachrichten an, und ich hörte sie mir ein zweites Mal an, und noch bevor ich wusste, was ich tun oder denken oder fühlen sollte, klingelte das Telefon.
Es war 10:26:47 Uhr.
Ich schaute auf die Nummer des Anrufers und sah, dass er es war.
21.5.1963
An mein ungeborenes Kind: Ich war nicht immer stumm, ich konnte reden und reden und reden und reden, ich konnte nicht den Mund halten, das Schweigen überkam mich wie Krebs, es passierte bei einer meiner ersten Mahlzeiten in Amerika, ich wollte dem Kellner sagen: »Die Art, wie Sie mir das Messer gereicht haben, erinnert mich an …«, aber ich konnte den Satz nicht beenden, ihr Name kam mir nicht über die Lippen, ich versuchte es wieder, ihr Name kam nicht, sie war in mir verschlossen, wie seltsam, dachte ich, wie frustrierend, wie lächerlich, wie traurig, ich zog einen Stift aus der Tasche und schrieb »Anna« auf meine Serviette, zwei Tage später passierte mir das Gleiche und tags darauf noch einmal, sie war das Einzige, worüber ich reden wollte, es passierte mir immer wieder, wenn ich keinen Stift dabeihatte, schrieb ich »Anna« in die Luft – rückwärts von rechts nach links –, damit mein Gesprächspartner sah, was ich selbst nicht sagen konnte, und wenn ich telefonierte, wählte ich die Nummern – 2, 6, 6, 2 –, damit mein Gesprächspartner hörte, was ich selbst nicht sagen konnte. Als Nächstes ging mir das Wort »und« verloren, vielleicht, weil mich dieses Wort mit ihr verband, was für ein einfaches Wort, so leicht auszusprechen, was für ein schwer wiegender Verlust, ich musste »plus« sagen, das klang absurd, aber es war nicht zu ändern, »ich hätte gern einen Kaffee plus etwas Süßes«, wer möchte schon so sein. »Wollen« war ebenfalls ein Wort, das mir früh verloren ging, was nicht hieß, dass ich plötzlich nichts mehr gewollt hätte – ich wollte im Gegenteil umso mehr –, ich konnte meine Wünsche einfach nicht mehr in ein Wort kleiden, also sagte ich stattdessen »begehre«, »ich begehre zwei Brötchen«, sagte ich zum Bäcker, was natürlich nicht ganz passte, der Sinn meiner Gedanken entglitt mir wie Blätter, die von einem Baum in einen Fluss fallen und davonschwimmen, der Baum war ich, der Fluss war die Welt. Als ich eines Nachmittags mit den Hunden im Park war, ging mir »komm« verloren, »gut« ging mir verloren, als mir der Friseur nach dem Schneiden den Spiegel hinhielt, »heulen« ging mir verloren – Verb und Substantiv, beides zugleich, es war zum Heulen. Ich verlor »tragen«, ich verlor die Dinge, die ich bei mir trug – »Tagebuch«, »Wechselgeld«, »Brieftasche« –, ich verlor sogar »Verlust«. Nach einiger Zeit hatte ich nur noch eine Hand voll Wörter, einen Gefallen nannte ich: »Die Sache, für die man sich bedankt«, wenn ich hungrig war, zeigte ich auf meinen Bauch und sagte: »Ich bin das Gegenteil von satt«, das »Ja« war mir verloren gegangen, aber ich hatte noch das »Nein«, also antwortete ich auf die Frage: »Bist du Thomas?« mit: »Nicht nein«, aber dann ging mir auch das »Nein« verloren, ich suchte einen Tattoo-Laden auf und ließ mir JA auf die linke Handfläche und NEIN auf die rechte Handfläche tätowieren, was soll ich sagen, das Leben wurde dadurch zwar nicht schöner, aber immerhin lebbarer, wenn ich mir mitten im Winter die Hände reibe, wärmt mich die Reibung von JA und NEIN, wenn ich in die Hände klatsche, zeige ich meinen Beifall durch die Trennung und Vereinigung von JA und NEIN, ich sage »Buch«, indem ich meine gefalteten Hände langsam auseinander falte, für mich stellt jedes Buch eine Balance zwischen JA und NEIN dar, selbst dieses, mein letztes, ganz besonders dieses. Bricht es mir das Herz? Natürlich, in jeder Sekunde an jedem Tag und in mehr Teile als die, aus denen es besteht, ich habe mich nie für einen stillen Menschen gehalten, schon gar nicht für einen schweigsamen, im Grunde habe ich nie darüber nachgedacht, alles ist anders, was mich von meinem Glück getrennt hat, war nicht die Welt, es waren nicht die Bomben und brennenden Häuser, ich war es, mein Denken, das Krebsgeschwür des Nicht-Loslassen-Könnens, ist Unwissenheit ein Glück, ich weiß es nicht, aber das Denken tut so weh, und wer kann mir verraten, was ich je durch das Denken erreicht habe, an welche herrlichen Orte hat mich das Denken je geführt? Ich denke und denke und denke, ich habe mich eine Million Mal aus dem Glück hinausgedacht, aber nicht einmal hinein. »Ich« war das letzte Wort, das ich noch sagen konnte, eigentlich furchtbar, aber so war es, ich lief durch mein Viertel und sagte: »Ich, ich, ich, ich.« »Möchtest du eine Tasse Kaffee, Thomas?« »Ich.« »Und vielleicht auch etwas Süßes?« »Ich.« »Wie findest du das Wetter?« »Ich.« »Du wirkst so verstört. Stimmt etwas nicht?« Ich hätte gern geantwortet: »Natürlich nicht«, ich hätte gern gefragt: »Was stimmt denn schon?« Ich hätte gern am Faden gezupft und den Schal meines Schweigens aufgeribbelt und wieder ganz von vorn begonnen, aber stattdessen sagte ich: »Ich.« Mir ist klar, dass ich nicht der Einzige mit dieser Krankheit bin, auf der Straße kann man alte Menschen hören, und manche von ihnen stöhnen: »Ach, ach, ach«, aber manche klammern sich auch an ihr letztes Wort, »Ich«, sagen sie, weil sie völlig verzweifelt sind, es ist kein Gejammere, es ist ein Gebet, und dann ging mir »Ich« verloren, und mein Schweigen war komplett. Ich begann, Bücher mit leeren Seiten mit mir herumzutragen, so wie dieses, und ich füllte sie mit allem, was ich nicht sagen konnte, so fing es an, wenn ich beim Bäcker zwei Brötchen kaufen wollte, schrieb ich auf die nächste leere Seite: »Zwei Brötchen, bitte« und zeigte sie ihm, und wenn ich Hilfe brauchte, schrieb ich: »Hilfe«, und wenn ich über etwas lachen musste, schrieb ich: »Ha, ha, ha!«, und statt unter der Dusche zu singen, schrieb ich die Texte meiner Lieblingslieder auf, die Tinte färbte das Wasser blau oder rot oder grün, und die Musik lief mir an den Beinen hinunter, am Ende jeden Tages nahm ich das Buch mit ins Bett und ging die Seiten meines Lebens durch:
Zwei Brötchen, bitte
Ich hätte nichts gegen etwas Süßes einzuwenden
Tut mir Leid, aber ich habe es nicht kleiner
Sag es allen weiter …
Das Übliche, bitte
Vielen Dank, aber ich platze gleich
Weiß nicht genau, auf jeden Fall schon ziemlich spät
Hilfe
Ha, ha, ha!
© 2005 by Debra Melzer
Noch vor dem Ende des Tages gingen mir oft die leeren Seiten aus, und wenn ich dann jemandem auf der Straße oder in der Bäckerei oder an der Bushaltestelle etwas sagen musste, blieb mir nichts anderes übrig, als mein Tagebuch nach einem Satz zu durchforsten, den ich wiederverwenden konnte, wenn mich jemand fragte: »Und wie geht es dir?«, konnte die passendste Antwort lauten: »Das Übliche, bitte«, oder vielleicht auch: »Ich hätte nichts gegen etwas Süßes einzuwenden«, wenn mir Mr Richter, mein einziger Freund, vorschlug: »Warum versuchst du es nicht einmal wieder mit einer Skulptur? Was soll denn schon Schlimmes passieren?«, raschelte ich durch die Seiten meines vollen Buches: »Weiß nicht genau, auf jeden Fall schon ziemlich spät.« Ich verbrauchte Hunderte von Büchern, Tausende davon, sie lagen überall in der Wohnung herum, ich benutzte sie als Türstopper und Papierbeschwerer, ich stieg darauf, wenn ich an etwas herankommen musste, ich schob sie unter die Beine wackeliger Tische, ich benutzte sie als Bierdeckel und Untersetzer, ich legte die Vogelkäfige mit ihnen aus und erschlug damit Insekten, die ich hinterher um Vergebung bat, ich hielt meine Bücher nie für etwas Besonderes, sondern nur für notwendig, manchmal riss ich eine Seite heraus – »Tut mir Leid, aber ich habe es nicht kleiner« –, um irgendeine Schweinerei aufzuwischen, und manchmal riss ich einen ganzen Tag aus meinem Leben, um damit die Notreserve an Glühlampen einzuwickeln, ich erinnere mich an einen Nachmittag, den ich mit Mr Richter im Zoo des Central Park verbrachte, ich war schwer mit Futter für die Tiere beladen, nur ein Mensch, der nie ein Tier gewesen ist, kann Schilder aufhängen, die das Füttern untersagen, Mr Richter erzählte einen Witz, ich warf den Löwen Hamburger hin, er rüttelte mit seinem Lachen an den Käfigstäben, die Tiere trotteten in die Ecken ihres Geheges, wir lachten und lachten, gemeinsam und jeder für sich, schweigend und laut, wir genossen unsere Gesellschaft und uns selbst auf die beste und ehrlichste Art, wir waren entschlossen, alles zu verdrängen, was verdrängt werden musste, aus dem Nichts eine neue Welt zu erschaffen, wenn an unserem Leben schon nichts mehr zu retten war, es war einer der besten Tage meines ganzen Lebens, ein Tag, an dem ich einfach nur lebte, ohne über mein Leben nachzudenken. Später im Jahr, als der Schnee die Eingangsstufen des Hauses allmählich zudeckte, als ich begraben unter allem, was ich verloren hatte, auf dem Sofa saß und der Morgen zum Abend wurde, machte ich mir ein Feuer und entfachte es mit meinem Lachen: »Ha, ha, ha!« »Ha, ha, ha!« »Ha, ha, ha!« »Ha, ha, ha!« Als ich deiner Mutter begegnete, hatte ich schon längst keine Wörter mehr, vielleicht hat das unsere Heirat überhaupt erst möglich gemacht, sie brauchte mich nie wirklich kennen zu lernen. Wir begegneten uns in der Columbian Bakery am Broadway, wir waren beide einsam, gebrochen und verwirrt nach New York gekommen, ich saß in der Ecke und rührte im Kaffee die Sahne um, ich ließ den Löffel in der Tasse kreisen, unablässig, es war ein kleines Sonnensystem, der Laden war halb leer, aber sie glitt neben mich auf die Bank, »Du hast alles verloren«, sagte sie, als teilten wir ein Geheimnis, »das sehe ich.« Wäre ich ein anderer Mensch in einer anderen Welt gewesen, dann hätte ich mich auch anders verhalten, aber ich war ich selbst, und die Welt war, wie sie war, und deshalb schwieg ich. »Ist schon gut«, flüsterte sie, den Mund zu dicht an meinem Ohr, »ich bin genauso. Das sieht man schon von weitem. Ist nicht, als wäre man Italiener. Wir stechen hervor wie Aussätzige. Schau doch nur, wie man uns anguckt. Sie wissen vielleicht nicht, dass wir alles verloren haben, aber sie wissen, dass uns etwas abhanden gekommen ist.« Sie war der Baum und auch der Fluss, dessen Wasser vom Baum fort floss, »Es gibt Schlimmeres«, sagte sie, »Schlimmeres, als wie wir zu sein. Immerhin sind wir am Leben, denk daran«, ich merkte, dass sie diese letzten Worte gern zurückbekommen hätte, aber die Strömung war zu stark, »Und man darf nicht vergessen, dass herrliches Wetter ist«, ich rührte im Kaffee. »Aber wie ich höre, soll es heute Abend schlechter werden. Das hat man jedenfalls im Radio gesagt«, ich zuckte mit den Schultern, ich wusste nicht genau, was sie mit ›schlechter‹ meinte. »Eigentlich wollte ich bei A&P Thunfisch kaufen. Heute Morgen hatte ich ein paar Gutscheine in der Post. Man kann fünf Dosen zum Preis von drei bekommen. Ein echtes Schnäppchen! Im Grunde mag ich Thunfisch gar nicht. Ehrlich gesagt, bekomme ich davon Bauchschmerzen. Aber der Preis ist unschlagbar«, sie wollte mich zum Lachen bringen, aber ich zuckte nur mit den Schultern und rührte im Kaffee, »Aber ich bin unschlüssig«, sagte sie. »Das Wetter ist herrlich, und im Radio hat man gesagt, dass es heute Abend schlechter wird, also sollte ich stattdessen lieber in den Park gehen, obwohl ich leicht einen Sonnenbrand kriege. Und außerdem werde ich den Thunfisch heute Abend bestimmt nicht mehr essen. Wahrscheinlich nie, um ganz ehrlich zu sein. Ich kriege davon Bauchschmerzen, ehrlich gesagt. Das hat also überhaupt keine Eile. Aber das Wetter, das wird nicht bleiben, wie es ist. Jedenfalls ist es noch nie geblieben, wie es war. Du solltest vielleicht wissen, dass mir mein Arzt geraten hat, öfter vor die Tür zu gehen. Meine Augen sind schlecht, und er meint, dass ich viel zu selten vor die Tür gehe, er meint, dass es helfen könnte, wenn ich ein bisschen öfter vor die Tür ginge, wenn ich nur ein bisschen weniger Angst hätte …« Sie streckte eine Hand aus, und da ich nicht wusste, wie ich sie ergreifen sollte, brach ich ihr mit meinem Schweigen die Finger, sie sagte: »Du willst nicht mit mir reden, oder?« Ich holte mein Tagebuch aus dem Beutel und suchte nach der nächsten leeren Seite, es war die vorletzte. »Ich spreche nicht«, schrieb ich, »tut mir Leid.« Sie schaute mich von der Seite an und dann wieder ins Buch, sie legte sich die Hände vor die Augen und weinte, Tränen sickerten zwischen ihren Fingern durch und sammelten sich in kleinen Netzen, sie weinte und weinte und weinte, Servietten waren nicht in Reichweite, also riss ich die Seite aus dem Buch – »Ich spreche nicht. Tut mir Leid.« – und trocknete ihr damit die Wangen, meine Erklärung und meine Entschuldigung liefen ihr wie Maskara übers Gesicht, sie nahm mir den Stift weg und schrieb auf die nächste Seite meines Tagesbuchs, auf die letzte:
Bitte heirate mich