Schicksal Afrika
Denkanstöße und Erfahrungsberichte
Kapitel I – Partnerschaft mit Afrika |
HORST KÖHLER: Schicksal Afrika |
MANFRED LAHNSTEIN: Lebensfreude als Kraftquell |
SUSAN KIGULI: Überleben und siegen |
Kapitel II – Ungleiche Partner? |
JOHN AGYEKUM KUFUOR: Afrika erwacht |
BETHUEL KIPLAGAT: Vom Kolonialismus zur Partnerschaft |
HANS-ULRICH KLOSE: Vernachlässigen wir Afrika? |
MARIE-ANGÉLIQUE SAVANÉ: Das afrikanische Zeitalter |
THABO MBEKI: Partnerschaft auf Augenhöhe – Fiktion oder Wirklichkeit? |
CHIRIKURE CHIRIKURE: Wir werden nicht schlafen |
Kapitel III – Ausbeutung, Almosen oder Interessen-Partnerschaft? |
JAMES SHIKWATI: Lehren aus Bukura: Welche Entwicklung braucht Afrika? |
HEIDEMARIE WIECZOREK-ZEUL: Zenzeleni! Entwicklungszusammenarbeit ist globale Zukunftspolitik |
USCHI EID: Von Wohltätern und Nutznießern zu Partnern |
BERNHARD VOGEL: Partnerschaft statt Patenschaft |
FESTUS MOGAE: Wider den Fluch der Ressourcen |
CLAAS DAUN: Wirtschaftspartner Afrika. Erfahrungen eines deutschen Unternehmers in Simbabwe und Südafrika |
ANDREAS BARNER: Partnerschaftliche Zusammenarbeit statt Scheingefechte: Erfolge im Kampf gegen Aids |
HARTWIG FISCHER: Was geht meinen Wahlkreis Afrika an? |
LEBOGANG MASHILE: Meine Farbenlehre |
Kapitel IV – Blickwinkel |
BINYAVANGA WAINAINA: Ceteris paribus – Alles andere bleibt gleich |
HENNING MANKELL: Von der Kunst des Zuhörens |
JÜRGEN LANGEN: (K)eine Lobby für Afrika |
PATRICK MEINHARDT: Glaubwürdigkeit ist keine Einbahnstraße |
UTE SCHAEFFER: Redet nicht über, sondern mit uns! |
VOLKER SCHLÖNDORFF: Die Rückkehr der Griots: Afrikas Neuerfindung des Kinos |
ADÉ BANTU UNTER MITARBEIT VON ANGELA KAMARA: Revolution im Cyberspace |
JUDDY OTIENO: Niemand ist eine Insel |
SUSAN KUGULI: Brief aus Bunia |
Kapitel V – Werte und Traditionen |
ASFA-WOSSEN ASSERATE: Von Wurzeln und Werten |
UNITY DOW: Diamanten bedeuten Liebe. Kühe etwa nicht? |
STRIVE MASSIYIVA: Sind Afrikaner andere Unternehmer als Europäer? |
MIRIAM SHABAFROUZ: Go Germany … Go Africa … |
FATOU DIOME: Doppelt fremd oder doppelt beheimatet? |
VIRGINIA WANGARE GREINER: Echt sein |
LEBOGANG MASHILE: Alphabet |
Kapitel VI – Zwischentöne, kein Schlussakkord |
MATTHIAS MÜLMENSTÄDT: Der Drahtseilakt |
CHRISTOPH BERTRAM UND EMMANUEL GYIMAH-BOADI: Ein spontaner Think-Tank |
WOLFGANG NIEDECKEN: Einmal Paralleluniversum und zurück: Mit Horst Köhler in Afrika |
BARTHOLOMÄUS GRILL: Just do it! |
CHIRIKURE CHIRIKURE: Zeit weiterzuziehen |
Kapitel VII – Zwei Generationen, eine Zukunft |
WOLE SOYINKA: Die Lehren zweier Generationen |
UNOMWINJO KATJIPUKA SIBOLILE: Jetzt dient uns! |
YOUNG LEADERS: Erklärung von Accra |
Autorenporträts |
Danksagung |
Tafelteil |
Kapitel I
Die Afrika-Initiative des Bundespräsidenten
«Für mich entscheidet sich die Menschlichkeit unserer Welt am Schicksal Afrikas.»
Diese Aussage bei meiner Amtseinführung 2004 steht im Kern meines Afrika-Engagements. Die meisten Presseartikel im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl im Jahr 2009 erwähnten auch Afrika. Aber nicht selten wurde dies mit dem Tenor versehen: Der Köhler liebt eben Afrika.
Die Wirklichkeit ist komplizierter.
Lassen Sie uns unseren Nachbarkontinent zunächst mit einem moralischen, werteorientierten Blick betrachten. Wir sind in Deutschland mit Recht stolz auf unser Grundgesetz, das die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Das Grundgesetz hat eine solide Ordnung geschaffen, in der sich freie Bürgerinnen und Bürger ein gutes Leben in einer gerechten Gesellschaft erarbeiten können.
Aber was geschieht, wenn Neugierige ihren Blick über die Grenzen Deutschlands und Europas werfen? Was würden wir auf die Fragen eines «lesenden Arbeiters» von Bertolt Brecht zu Afrika antworten? Wer ist für die Armut in Afrika verantwortlich? Warum ertrinken so viele Menschen aus Afrika bei der Flucht nach Europa? Tut die Welt genug, um den bewaffneten Banden Einhalt zu gebieten, die im Kongo Massenvergewaltigungen als Kriegswaffe benutzen? Fließt der Rohstoffreichtum des Kontinents hauptsächlich in die Entwicklung Afrikas und dient damit insbesondere den Zukunftschancen seiner Jugend?
Die Liste der Fragen ließe sich beliebig verlängern. Aber das Erschreckende in Deutschland ist, dass viele dieser Fragen überhaupt nicht gestellt werden. Das Schicksal unseres Nachbarkontinents wird immer noch von vielen ausgeblendet – Afrika, so heißt es, sei der vergessene Kontinent. Während zum Beispiel China, Indien oder Brasilien immer mehr ins Zentrum unserer Aufmerksamkeit rücken, erscheint es manchmal, als ob südlich der Straße von Gibraltar die Welt zu Ende wäre. Dies kann nicht so bleiben.
Wer sich mit den Fragen zu Afrika näher beschäftigt, dem wird schnell klar, dass sie ebenso leicht zu stellen wie schwer zu beantworten sind – schon gar nicht mit einem knackigen Soundbite von 20 Sekunden. Ebenso wird bei genauerem Hinsehen offensichtlich, dass einige der Verantwortungsstränge für die derzeitige Lage in Afrika nach Europa führen. Wie können wir in Deutschland für Respekt vor Institutionen und Gesetzen werben, die möglicherweise direkt oder indirekt zur Armut in Afrika beitragen? Wir können es uns nicht erlauben, die Würde des Menschen nur auf Deutschland zu begrenzen.
Lassen Sie uns nun aus realpolitischer Perspektive auf Afrika sehen: Im Jahre 2010 wird die Bevölkerung Afrikas die Milliardengrenze überschreiten. Für das Jahr 2050 prognostizieren die Vereinten Nationen zwei Milliarden Afrikaner – das wären über 20 Prozent der Weltbevölkerung. Dieses Bevölkerungswachstum birgt Chancen und Risiken. Risiken, weil es eine gewaltige Herausforderung darstellt, den Menschen in Afrika angemessene Ernährung, Arbeit und ein menschenwürdiges Leben zu geben. Chancen, weil die Welt mit moderner Technologie, angemessener Lebensweise und gerechter Verteilung die Bedürfnisse der Menschen auch in Afrika erfüllen kann.
Afrika verfügt über erhebliche Rohstoffreserven. Das beginnt beim Erdöl (bis 2015 beabsichtigen die USA, aus Afrika ebenso viel Erdöl zu importieren wie aus Saudi-Arabien) und geht über Uran, Kohle bis hin zu Edelmetallen. Die Anteile an den weltweiten Reserven liegen dort oft über 60 Prozent, zum Beispiel für Platingruppenmetalle, Kobalt, Koltan und Chrom. In Afrika befinden sich einige der größten zusammenhängenden Regenwaldflächen der Erde, deren CO2-Speicherkapazität für das Weltklima von großer Bedeutung ist.
Dieser Kontinent ist für uns wichtig. Was in Afrika misslingt, betrifft unweigerlich früher oder später Europa; sei es durch Flüchtlinge, Schmuggel, Piraterie oder Terrorismus. Was in Afrika gelingt, bedeutet für Deutschlands Unternehmen Zugang zu Rohstoffen und Exportchancen und fördert weltweit Sicherheit und Stabilität. Die wechselseitige Abhängigkeit mit unserem Nachbarkontinent zeigt: Es ist in unserem ureigenen nationalen und europäischen Interesse, Eigenanstrengungen in Afrika zu unterstützen.
Sowohl die moralische als auch die realpolitische Betrachtung lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Afrika muss in unserer Einen Welt wirklich zu unserem Partner werden. Das soll nicht heißen, dass es in Deutschland bislang keine Beschäftigung mit Afrika gab. Ethnologen, Zoologen und Entwicklungspolitiker haben sich schon immer mit dem Kontinent beschäftigt. Aber Afrika war in Deutschland insgesamt eher ein Thema für Experten. Und es war viel zu oft nur Objekt dieser Aktivitäten – sei es in der Forschung oder als Hilfsempfänger.
Meine Initiative Partnerschaft mit Afrika zielte darauf ab, hier Veränderungen zu bewirken. Das heißt, unserem Nachbarkontinent offene und ehrliche Aufmerksamkeit zu geben, vor allem aber Respekt als Voraussetzung für eine Partnerschaft auf Augenhöhe. Dazu war zunächst einmal ein starker Partner in Deutschland notwendig. Ich freue mich, ihn mit der ZEIT-Stiftung gefunden zu haben, gemeinsam haben wir über die letzten Jahre die Initiative gestaltet.
In Abgrenzung zu Verhandlungen zwischen Regierungsvertretern, bei denen alle Beteiligten zunächst ihre Positionen verteidigen, sollte die Initiative ganz bewusst Afrikaner und Deutsche in einer offenen Gesprächsatmosphäre zusammenbringen. Das erste Afrika-Forum auf dem Bonner Petersberg im November 2005 hat dazu Staatspräsidenten mit Vertretern von Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft aus Afrika und Europa zusammengebracht. Es diente dazu, überhaupt erst den Grundstein für eine vertrauensvolle partnerschaftliche Diskussion zu legen.
Das ist gerade zwischen Afrika und Europa nicht einfach. Afrika liegt uns geographisch so nahe und erscheint doch manchmal so fern. Die Geschichte verbindet unsere Kontinente und bildet bis heute eine tiefe Trennlinie. Europäer haben Afrika jahrhundertelang bereist und – gewollt oder ungewollt – nicht verstanden, sondern vorrangig ausgebeutet. Stereotype von «wilden» Afrikanern mussten dazu herhalten, um die Kolonialisierung zu begründen. Hegel ging sogar so weit, den Afrikanern ihre eigene Geschichte abzusprechen. Während Menschen in Europa im Zeitalter der Aufklärung selber für mehr politische Partizipation und Gerechtigkeit kämpften, nutzten Europäer ihre technische Überlegenheit aus, um weltweit Dominanz auszuspielen. Von allen Kontinenten hat dies in Afrika wahrscheinlich die tiefsten Spuren hinterlassen. Wir haben alleine schon aufgrund dieser Geschichte eine Mitverantwortung für Afrika.
Diese gemeinsame Geschichte ist im kollektiven Gedächtnis der Afrikaner ständig präsent. Auch in Deutschland sollte sie zur Allgemeinbildung gehören. Wir Deutschen haben nach 1945 mühsam lernen müssen, dass eine gründliche gesellschaftliche Aufarbeitung unserer Geschichte die Voraussetzung für echte Partnerschaft mit unseren Nachbarn bedeutet. Dies gilt auch für unser Verhältnis mit Afrika. Dabei ist es bemerkenswert, dass afrikanische Teilnehmer in den Diskussionen die Geschichte vor allem als Basis zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft betrachten. Der Kenianer Bethuel Kiplagat hat dafür einmal das Bild eines Rückspiegels benutzt, in dem uns die Scheinwerfer eines hinter uns herannahenden Wagens blenden: «Geschichte ist gut, aber wir dürfen es der Geschichte nicht erlauben, dass sie so stark leuchtet, dass sie uns blendet und daran hindert, in die Zukunft zu blicken.»
Beim zweiten Forum in Ghana im Januar 2007 stand der Dialog mit der Jugend aus Deutschland und Afrika im Zentrum. Afrika, die Wiege der Menschheit, ist ein junger Kontinent. Die Jugendlichen zwischen 12 und 24 Jahren stellen ein Drittel der Bevölkerung. Dies kontrastiert deutlich mit der Bevölkerung im alternden Europa. Einerseits steckt Afrikas Jugend voller Dynamik, Kreativität und Potenzial. Andererseits bedrohen bewaffnete Konflikte, Arbeitslosigkeit, Krankheiten, Armut und Hunger vor allem die Jugend. Wie sehen Jugendliche aus Deutschland und Afrika ihre Zukunft? Was haben sie für Erwartungen und Wünsche, und wie sind sie bereit, sich in der Gesellschaft einzubringen?
Wir haben dazu je 25 Jugendliche aus Deutschland und Afrika zusammengebracht. Zunächst einmal sollten sich die Jugendlichen, die Young Leaders, untereinander auf gemeinsame Standpunkte und Fragen verständigen. Dazu mussten sie Partnerschaft vorleben. Diese Diskussionen erfolgten sowohl per Internet als auch während einer Klausur in Wittenberg, bei der die jungen Menschen auch mir selber bei einem Treffen schonungslos Fragen stellten.
Dann hatten die Jugendlichen Gelegenheit, ihre Fragen direkt an prominente Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur zu stellen. Dabei blieb es nicht nur bei den Fragen, sondern es kam zu einem echten Dialog. In einer der Arbeitsgruppen beklagte sich einer der Jugendlichen vehement über die Benachteiligung junger Menschen in den politischen Parteien. Es seien ohnehin immer die Alten, die alles bestimmten. Ein anwesender afrikanischer Staatspräsident stellte darauf die Gegenfrage, ob sich der Jugendliche denn selber in den Parteien engagiert habe? Als der Jugendliche dann antwortete, er habe dies nicht getan, weil es ohnehin zum Scheitern verurteilt sei, musste er sich den Vorwurf mangelnder Risikobereitschaft gefallen lassen. Demokratische Politiker müssten eben auch mit der Möglichkeit des Scheiterns rechnen. Ich glaube, dieses Gespräch hat alle Beteiligten zum Nachdenken angeregt.
In vielen afrikanischen Ländern verlangt die Tradition, dass Jugendliche zwar gesehen, aber nicht gehört werden. Angesichts dieses Hintergrunds sind Form und Inhalt der Diskussionen bemerkenswert. Wir müssen es sowohl in Deutschland als auch in Afrika schaffen, die Jugendlichen an der Gestaltung der Gesellschaft zu beteiligen. Das beginnt damit, den Jugendlichen zuzuhören und ihre Vorstellungen ernst zu nehmen.
Der Hunger der Jugend nach Gerechtigkeit ist groß. Dabei wissen Jugendliche in Afrika durch das Internet sehr wohl, was in der Welt geschieht, und werden Ungleichheit immer weniger tolerieren. Wenn ihr Hunger nicht gestillt wird, geraten viele der Jugendlichen aus Hoffnungslosigkeit in den Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt. Noch haben wir die Möglichkeit, gegenzusteuern. Die Erklärung «Zwei Generationen, eine Zukunft» der Young Leaders von Accra macht mir Mut. Mut, dass Deutsche und Afrikaner trotz aller Unterschiede gemeinsam akzeptierte Werte finden können.
Die Begegnung zwischen jungen Menschen hat viel zur Aussöhnung in Europa beigetragen. Auch für ein besseres Verhältnis zwischen Europa und Afrika brauchen wir möglichst viele Begegnungen junger Afrikaner und Europäer. Das baut Vorurteile ab und bringt unser Miteinander voran. Ich werde daher die Idee eines deutsch-afrikanischen, und damit europäisch-afrikanischen Jugendaustausches, auch in meiner zweiten Amtszeit weiter verfolgen.
Beim dritten Forum im Kloster Eberbach im November 2007 diskutierten wir über die Frage, wie Menschen in Afrika und Deutschland mit den Herausforderungen der Globalisierung umgehen. Obwohl wir bewusst die Afrikaner eingeladen hatten, auch zur Lage in Deutschland zu sprechen, kreisten die Gespräche doch hauptsächlich um die Lage in Afrika. Dies machte deutlich, wie groß der Gesprächsbedarf dazu ist.
Selbst in Deutschland fühlen sich nicht wenige von der Geschwindigkeit und den Auswirkungen der Globalisierung überfordert. In Afrika stellt sich die Lage noch viel schwieriger dar: Während Europa seine Form der Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung über Jahrhunderte entwickeln konnte, soll Afrika dies alles innerhalb einer Generation gelingen. Während Europa den Luxus hatte, seine Modernisierung ohne viel wirtschaftlichen Wettbewerb mit anderen Gesellschaften durchzuführen, soll Afrika das alles in einem viel höheren Veränderungstempo bewerkstelligen.
Dennoch war die Zuversicht der Afrikaner beeindruckend. Wer sich die langen Schlangen vor den Wahllokalen vieler Länder Afrikas vor Augen führt, der merkt, dass die Menschen dort ihr Recht, mitzureden, sehr ernst nehmen. Immer mehr Parlamentarier schauen ihren Regierungen immer genauer auf die Finger. Nach meinen zahlreichen Begegnungen mit Politikern und Vertretern der afrikanischen Zivilgesellschaft bin ich fest davon überzeugt, dass die Demokratie auch in Afrika weiter Fuß fassen wird. Der Geist der Mitbestimmung lässt sich nicht wieder in die Flasche zurückdrängen, auch wenn es in Afrika immer wieder Machthaber gibt, die dies nicht wahrhaben wollen.
Die Demokratie in Afrika kann nach meiner Meinung aber nur dann erfolgreich sein, wenn sie ein afrikanisches Gesicht trägt. Und dieses Gesicht ist oft weiblich. Wer weiß in Deutschland schon, dass das Parlament von Ruanda mit über 50 Prozent den höchsten Frauenanteil von Abgeordneten weltweit hat? Auch sonst ist es ermutigend zu sehen, wie Afrikaner dabei sind, eigene Traditionen von Gewaltenteilung und Mitbestimmung wieder aufzugreifen und in die Debatten einzubringen. Die Antworten mögen manchmal für uns überraschend sein, aber wir müssen sie verstehen lernen, sie respektieren.
Ebenso wichtig sind die afrikanischen Vorstellungen über ihre Staatswesen. Europa hat seine Vorstellung vom Nationalstaat nach Afrika exportiert. Die Konsequenzen aus den kolonialen Grenzziehungen, der Fiktion eines Staatsvolkes und einer Staatssprache sind in Afrikas Vielvölkerstaaten nur zu gut bekannt. Weniger bekannt sind die Überlegungen, Staatsformen ins Leben zu rufen, die der komplizierten Realität afrikanischer Staatswesen Rechnung tragen. Dies beinhaltet auch die Fragen der Rechtsprechung. Auch hier stecken Synthesen traditionellen afrikanischen Rechtes mit universalen Rechtsvorstellungen noch in den Kinderschuhen.
Die Europäische Union beschäftigt sich intensiv mit Fragen geteilter Souveränität. Tendenz und Geschwindigkeit der Regionalisierung in Afrika geben Anlass zur Hoffnung, dass afrikanische Staaten vielleicht auf ihrem Weg zu regionalen Zusammenschlüssen einige schmerzhafte Entwicklungsphasen überspringen werden. Dies wäre ein «politisches leapfrogging». Die Diskussionen im Rahmen der Partnerschaftsinitiative haben mir gezeigt, dass Afrikaner oft noch viel zu wenig über die Entwicklungen auf ihrem eigenen Kontinent informiert sind. Es ist gut, wenn wir hier eine Gelegenheit zum besseren Verständnis bieten können.
In den Diskussionen wurde sehr deutlich, dass Afrikaner zwar häufig ihre Energie ausschließlich darauf konzentrieren müssen, sich durchzuschlagen, aber sich dennoch mit den gewaltigen Veränderungen um sie herum intensiv auseinandersetzen. In einer Welt stetigen Wandels – gleich ob er das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und der Gruppe, zwischen Männern und Frauen und zwischen Alt und Jung betrifft oder den Kontrast zwischen dem Leben auf dem Lande und in der Stadt – braucht Afrika Zeit und Verlässlichkeit. Zeit, um eigene Lösungen zu finden. Verlässlichkeit, um Eigenanstrengungen langfristig zu ermutigen. Nicht immer sind neue Entwicklungskonzepte gefragt, sondern die beharrliche Unterstützung der Reformkräfte in Afrika.
Der Wille zu Reformen ist in Afrika spürbar. Mit dem Ende des Kalten Krieges und der Apartheid in Südafrika als letztem Symbol weißer Vorherrschaft hat Afrika endlich die Chance, sich aus Stellvertreterkriegen und postkolonialen Konflikten zu befreien. Die Gründung der Afrikanischen Union und die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (New Economic Partnership for Africa’s Development, NEPAD) sind ermutigende Zeichen für einen Neuanfang. Die Reformpolitiker lassen im African Peer Review Mechanism (APRM) ihre Länder von den eigenen Bürgern und befreundeten Staaten auf Herz und Nieren testen. Sie bekennen sich ausdrücklich zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlichen Reformen. Und sie wissen dabei genau, dass ihre Volkswirtschaften mehr eigene Wertschöpfung erreichen müssen, um die Armut zu bekämpfen. Die Industriestaaten sollten diese Chance erkennen und dieses Afrika beim Wort nehmen.
Das bisher letzte Afrika-Forum in Nigeria im November 2008 beschäftigte sich mit der Frage von Asymmetrien in der Partnerschaft. Den afrikanischen Teilnehmern ist schmerzlich bewusst, dass sie bei internationalen Verhandlungen mit einem Handicap in die Gespräche gehen. Während die europäische Seite für jedes Dossier einen spezialisierten Beraterstab zur Verfügung hat, fehlen der afrikanischen Verwaltung oft die Fachleute. Dieses Grundproblem zeigt sich auf der internationalen Bühne auch in vielen anderen Situationen. Daher ist die Frage, wie sich trotz dieser Ungleichheit eine Partnerschaft auf Augenhöhe erreichen lässt.
Die Antworten waren auch hier ermutigend: Trotz eines unterschiedlichen Zugangs zu Ressourcen ist ein Dialog auf gleicher Augenhöhe möglich. Dazu gehört aber für beide Seiten, sich radikal von alten Gedanken zu verabschieden. Die Offenheit und Selbstkritik, mit der Afrikaner ihre eigene «Opferhaltung» kritisieren, ist bemerkenswert. Solange gutmeinende «Geber» hilfsbedürftigen «Nehmern» gegenüberstünden, werde es keine gleiche Augenhöhe geben.
Für uns Deutsche heißt es, dass wir – außer bei humanitären Katastrophen – von der Mentalität des großzügigen Gebers und mildtätigen Spenders Abschied nehmen müssen. Wir können die Afrikaner bei der Lösung afrikanischer Probleme unterstützen, aber wir dürfen unsere Rezepte nicht aufdrängen. Mehr und mehr wird uns Europäern bewusst, dass wir mit Entwicklungszusammenarbeit die Gesellschaften nicht von außen umkrempeln können und das auch nicht sollten.
Um Afrika effektiv zu unterstützen, müssen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Beseitigung struktureller Ungerechtigkeiten, wie beispielsweise in der Handels- oder Agrarpolitik, lenken. Wenn in Deutschland über Reformen der Landwirtschaftspolitik nachgedacht wird, sollten wir dabei immer die Auswirkungen auf die Weltagrarmärkte im Blick haben. Wenn Bundesländer und Kommunen bei ihrer Beschaffungspolitik auf fair gehandelte Produkte achten, unterstützen sie damit die Entwicklung Afrikas oftmals nachhaltiger als einzelne Hilfsprojekte. Wenn wir Korruption in Afrika an den Pranger stellen, müssen wir auch in Deutschland konsequent gegen Firmen vorgehen, die in Afrika «schmieren».
Ein wichtiges Beispiel für eine erfolgreiche Partnerschaft trotz Asymmetrien ist die Zusammenarbeit zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda. Deutsche und Ruander haben in den vergangenen 25 Jahren etwas aufgebaut, was selbst die Katastrophe des Völkermords von 1994 in Ruanda überdauert hat. Diese langfristig angelegte Partnerschaft erstreckt sich auf viele Institutionen wie Schulen, Betriebe, Krankenhäuser, Feuerwehren, Jugendorganisationen, aber auch Gemeinden und Kreise. Es bestehen über 300 verschiedene Partnerschaften mit einem dichten Netz persönlicher Kontakte. Dies geht weit über den Transfer von Geld hinaus. Die Motivation und der immaterielle «Gewinn» für die Beteiligten in Rheinland-Pfalz sind spürbar, lassen sich aber eben nicht so leicht messen wie Finanztransfers. Für mich ist dieses partnerschaftliche Engagement auf Landesebene von großer Bedeutung.
Die afrikanischen Teilnehmer der Afrika-Foren strahlten viel Selbstbewusstsein aus, bei einigermaßen fairen Welthandelsregeln im Wettbewerb mithalten zu können. Strive Massiyiwa, ein Unternehmer aus Simbabwe, zitiert dazu sogar Adam Smith, der Handel als eine der Aktivitäten beschreibt, bei der Partner trotz Asymmetrien gute Geschäfte miteinander machen können. Es gibt in Afrika Kräfte, die den Kontinent weder als Armenhaus noch als bloßen Rohstofflieferanten sehen, sondern auf Chancengerechtigkeit in einer global vernetzten Welt setzen.
Die Welt braucht angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise und des drohenden Klimawandels dringend neue Konzepte für ein Zusammenleben auf unserem Einen Planeten. Dabei lohnt sich eine gründliche Beschäftigung mit dem Blick auf den afrikanischen Gedanken, dass die Natur nicht ausschließliches Eigentum der jetzigen Generation ist. Eigentum im afrikanischen Kontext ist oftmals stark an soziale Verantwortung geknüpft. Präsident Mogae beschreibt in seinem Beitrag für dieses Buch, dass der Rohstoffreichtum Botsuanas dem Land nur dadurch zum Vorteil gereichte, dass nicht vollständig privatisiert wurde. Prinz Asfa-Wossen Asserate fordert in seinem Artikel dazu auf, den Dämon der Gier einzudämmen. Auch in Afrika gibt es Warner gegen die Maßlosigkeit.
Das Schicksal Afrikas bleibt mit unserem aufs Engste verknüpft. Daher werde ich mich auch weiterhin für eine Partnerschaft mit Afrika einsetzen, die im Partner den Gleichwertigen sieht.
Wer dabei sein durfte, wird diesen Abend im Januar 2007 nicht vergessen: Zum feierlichen Abschluss der dritten Konferenz der Initiative Partnerschaft mit Afrika in Accra hatten Ghanas Präsident John Agyekum Kufuor und Bundespräsident Horst Köhler in einen großen Garten vor den Toren der Millionenmetropole zum Empfang geladen. Im Hintergrund erinnerte ein düsteres Fort unübersehbar an die Zeiten von Sklavenhandel und Fremdherrschaft. Es war im Jahr, als Ghana 50 Jahre Unabhängigkeit feierte.
Auf dem Rasen bot sich ein eigentümliches Bild. Die afrikanischen Gäste in ihren prächtigen, farbenfrohen Gewändern waren hier zu Hause und fühlten sich auch so. Wir, die Deutschen in unserer offiziellen, gedeckten Kleidung, fremdelten zunächst und versuchten, so gut oder schlecht es ging, mit gut dreißig Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit fertig zu werden.
Als Mitglied seiner Delegation hatte der Bundespräsident auch den großartigen Kölner Musiker Wolfgang Niedecken mitgenommen. Schnell gesellte der sich zu seinen ghanaischen Kollegen. Auch Peter Eigen, der Begründer von Transparency International, hatte sein Tenorsaxophon mit nach Afrika gebracht und verstärkte die Band. Multikultureller Rock unter Palmen statt gediegener Klassik zwischen Buchsbaumkugeln, das war genau das Richtige für einen fröhlichen Anlass. Es zuckte einem schon in den Füßen, aber es handelte sich ja immerhin um einen offiziellen Empfang, zu dem auf Büttenpapier mit Reliefaufdruck eingeladen worden war. Also hieß es, Haltung zu bewahren.
Dann aber geschah das Außergewöhnliche, nicht Geplante, Protokollwidrige. Präsident Kufuor schnappte sich seine Gattin und legte eine flotte Sohle auf den kurz geschorenen Rasen. Lachend blickte er Luise und Horst Köhler an. Die beiden ließen sich nicht lange bitten und begannen ebenfalls zu tanzen. Da man bekanntlich seinen Präsidenten nicht stehen lassen darf, weder im Regen noch in einer heißen Tropennacht, eilte nun alles, was noch tanzfähige Beine hatte, auf die improvisierte Tanzfläche. Zurückhaltende Etikette und würdevolle Eleganz wichen der puren Lebensfreude.
Zuvor hatten der Bundespräsident und mehrere seiner afrikanischen Kollegen zwei Tage lang in der eher nüchternen Atmosphäre des Kofi Annan International Peace Keeping Training Center (ebenso unverständlich wie die Abkürzung KAIPTC) miteinander getagt. Sie hatten mit den übrigen Teilnehmern der Konferenz über Partnerschaft mit Afrika diskutiert, das Leitthema jener wunderbaren Initiative, die Horst Köhler zwei Jahre zuvor angestoßen hatte. Gut und ernsthaft waren diese Diskussionen gewesen, offen und von dem ehrlichen Bemühen um gegenseitiges Verständnis getragen. Jetzt aber, nach Gruppenfoto und Pressekonferenz, zeigten uns unsere Freunde das, was sie nach meiner Ansicht wirklich stark macht: eine große, ja großartige Lebensfreude, wie sie in dieser Unmittelbarkeit nur bei Afrikanern zu finden ist. Sie mögen in Ghana leben oder in Deutschland, in Angola oder Aruba – überall ist diese afrikanische Lebensfreude gleich einladend und ansteckend. Das Lachen des Taxifahrers an Accras Flughafen ist ebenso ansteckend wie das von Haile Gebrselassie im Berliner Marathonziel. Wir müssen uns nur anstecken lassen!
Natürlich sollten bei der Würdigung der Initiative Partnerschaft mit Afrika deren inhaltliche Akzente und Rückwirkungen auf die praktische Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Deutschland und unserem Nachbarkontinent im Vordergrund stehen. Das wird in diesem Buch sicherlich auch ausführlich geschehen. Ebenso selbstverständlich sollte es sein, dass wir angesichts von Armut und Elend, von Malaria und Aids, von großen inneren Schwächen und äußeren Abhängigkeiten nicht wegsehen dürfen. Hier warten auf Jahrzehnte hinaus harte Arbeit und internationale Bereitschaft zur Kooperation. Über dem Lachen dürfen wir die Tränen nicht vergessen.
Afrika ist aber nicht nur das. Es ist auch mehr als eine durch territoriale Willkürlichkeit überlagerte, komplexe und ungemein faszinierende Vielfalt im Kulturellen, die es ohne pauschalisierende Reduktion auf Exotik zu entdecken gilt. Afrika ist bunt und voller Widersprüche. Mehr als alles andere beeindruckt mich in und an Afrika aber diese große Lebensfreude, die ich als einen einzigartigen Kraftquell sehe. Sie hat mit fadem Hedonismus nichts zu tun, wohl aber mit einer unmittelbaren Bejahung der eigenen Existenz. Sie erzeugt Spontaneität, nicht Beliebigkeit. Sie gebiert Kreativität, die mit ihr zwangsläufig verbundene Vorläufigkeit eingeschlossen. Wenn sich diese Lebensfreude mit dem eher rationalen Kalkül unserer Weltsicht verbinden lässt, und das wird geschehen, dann werden die Resultate erstaunlich sein. Es ist auch das Verdienst des Bundespräsidenten, über seine Initiative deutlich gemacht zu haben, dass es diese Verbindung in Afrika bereits gibt.
All das erleben wir nun wieder, da Südafrika Gastgeber der Fußballweltmeisterschaft ist. Wer dieses Großereignis nur durch die Brille des verwöhnten und selbstgerechten Europäers sieht, der hat nichts, aber auch gar nichts begriffen. Was wiegen schon organisatorische Unzulänglichkeiten (zumal wir von ihnen ja auch nicht frei sind) gegenüber der befreienden, ganz Afrika befeuernden Wirkung des Geschehens? Mögen vor allem die Medien hier den richtigen Blickwinkel finden, anstatt wieder einmal billige Vorurteile zu produzieren.
Die ZEIT-Stiftung hat unseren Bundespräsidenten bei seiner so wichtigen Initiative, aus der auch dieses Buch gewachsen ist, über einige Jahre begleiten dürfen. Dafür sind wir dankbar. Wieder einmal dürfen wir hoffen, dass es dem Bundespräsidenten gelingt, zu Hause mehr Interesse und Verständnis für einen Kontinent zu wecken, der immer noch im Windschatten der internationalen Debatte gelassen wird. Wir haben gerne geholfen und haben viel gelernt.
Vielleicht ist zum Schluss ein sehr persönliches Wort erlaubt. Auch in Afrika hat Horst Köhler jene Zuversicht verbreitet, die sich aus nüchterner, genauer Analyse und ehrlicher Zuneigung speist – aber eben auch aus Lebensfreude. Und das darf einen Deutschen schon freuen.
Wenn ich die Leuchtkraft deiner Welt umfangen könnte
Und sie hineintragen in unsere, in meine
Wenn ich mein Leben meistern könnte
Mit der Kraft der Überzeugung
Die deines antreibt und meine Aufgaben erfüllen
Mit der Sorgfalt, die du bei deinen walten lässt
Wenn ich diese Lektionen lernen und ganz begreifen könnte
Ich bin überzeugt, dann würde eine Revolution beginnen
Eine Revolution, die Gewehre
Nicht einschüchtern könnten
Und Intellektuelle nicht reduzieren auf Jargon und Extrapolationen.
Wenn ich, verehrte Tante, zu lieben lernen könnte
Auf deine vollendete Weise
Und bescheiden versichern, dass
Ich meine Schuldigkeit tue
Wenn ich immer wieder lieben könnte
Auch die Gegner von Idealen
Im Zentrum meiner Vision
Dennoch weiter mit Einsicht meine Ziele verfolgen
Wenn ich beobachten und beten könnte
Und nie aus dem Blick verlieren, was mich stark macht
Dann würde eine Revolution beginnen
Eine Revolution, die keine Institution
Vereiteln könnte
Und keine trügerischen Ideen von Freiheit verwirren.
Lehre mich, Mutter meiner Freunde
Wie ich mir Bindungen schaffe in einem fremden Land
Verwandte, die zu erkaufen kein irdisches Blut je hoffen könnte
Wie ich mir ein neues Zuhause aufbaue
Und zu genau dem Geist werde, der es lebendig macht
Wie ich dem Himmel, unter dem ich lebe, mehr Farbe verleihe.
Lehre mich die intime Kenntnis meiner Heimat
Die sie zum Blühen bringt
Ich habe dich beobachtet
Mit dem gespannten Interesse eines gebannten Kindes
Frage mich immer, wie du deine Kühe ernährst
Und für Milch sorgst im Überfluss
Wie du deine Geflügelzucht betrieben hast
Über all die Jahre
Kräuter entdeckst, die die Speisen würzen
Und dazu einen Hautausschlag heilen
Gleichzeitig weißt, welche Pflanzen
Ein Wohnzimmer mit Stolz erfüllen.
Ich habe dich beobachtet
Mit dem gespannten Interesse eines gebannten Kindes
Wie du weitermachst, wo andere aufgegeben hätten
Weiterlebst, wenn der Mensch
Mit dem du in dieses Land kamst
Nicht mehr da ist, um deine Hand zu halten
Ein Dach baust für das Haus
Eines innig geliebten verstorbenen Sohnes.
Ich habe dich beobachtet
Mit dem gespannten Interesse eines gebannten Kindes
Wie du sie gelebt hast, die Philosophie von Überleben und Siegen
Ich bin überzeugt, wenn ich diese Lektionen lernen und ganz begreifen würde
Würde eine Revolution beginnen
Eine Revolution zur Erhaltung
Des wunderbaren Landes
In dem ich geboren bin.
Aus dem Englischen von Barbara Jung
Kapitel II
Auf der Suche nach der Augenhöhe
Partnerschaft: Um damit zu beginnen, muss man zunächst erklären, dass die Völker Afrikas während Sklaverei und Kolonialherrschaft auf den Status von Unterworfenen reduziert wurden. Die Kolonialmächte versagten ihnen ihr Bürgerrecht. Afrikaner hatten keinerlei Rechte und erwerben konnten sie diese nur durch Bitten und Betteln.
So wurde über fast 600 Jahre auf dem afrikanischen Ego herumgetrampelt. Die meisten der heutigen Staatsgrenzen des Kontinents wurden ohne Rücksicht auf einheimische Kulturen, Sprachen und Völker von den europäischen Eroberern gezogen. Viele der schier endlosen Konflikte und die vielen Rückschläge seit der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder haben darin ihre Ursache, so Korruption, soziale Instabilität und generelle Unterentwicklung.
Doch das Wunder ist, dass das Afrika von heute erwacht und sehr zielstrebig mit dem phänomenalen Globalisierungsprozess Schritt zu halten versucht. Möglich ist das durch eine neue Generation von Führern und Staatenlenkern, die in den letzten beiden Dekaden demokratisch gewählt wurden.
Glücklicherweise identifiziert und verfeinert Afrika die Zutaten für seinen Erfolg – sowohl auf der nationalen als auch auf der kontinentalen Ebene. Die treibenden Kräfte hinter dieser Entwicklung sind lokale, regionale und internationale Akteure, die rasch und kraftvoll emporstreben und eine Vorreiterrolle in Afrikas Entwicklung einnehmen: die neuen, die jungen, die selbstbewussten, die ehrgeizigen Afrikaner.
Dieses afrikanische Erwachen ist jedoch nicht so sehr das Resultat eines plötzlichen Diktats von Staatenlenkern als vielmehr Folge des zunehmend pragmatischen Bewusstseins innerhalb von Administrationen und Gesellschaften, dass sozio-ökonomische Entwicklung Wirtschaft braucht.
Die Kolonialmächte entließen ihre Kolonien mehr oder weniger panisch und planlos in die Unabhängigkeit, bedrängt durch die Nach-Weltkriegs-Realitäten, wie die Not, ihre eigenen Wirtschaften und Gesellschaften wieder aufzubauen, die qualvollen Spannungen des Kalten Krieges, aber auch die vielen rastlosen Aktivitäten der Unabhängigkeitsbewegungen in ihren Imperien. Die Unabhängigkeit der Kolonien ging jedoch nicht mit Befreiung einher.
Heute hingegen gibt es eine neue Befreiungsbewegung, diesmal eine des Geistes.
Afrika kann und sollte nicht nur durch die Brille der Vergangenheit in die Zukunft schauen. Wir sprechen von einer ganz neuen Partnerschaft. Einer Partnerschaft, die nichts mit jener zu tun hat, die von den Kolonialmächten oktroyiert wurde und in der Afrika das Wasser holte und das Holz fällte.
Im Juli 2001 wurde auf dem Gipfel der Organisation for African Unity eine Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung, die New Partnership for Africa’s Development (NEPAD) geboren. Initiiert von den Staats- und Regierungschefs von Algerien, Nigeria, Senegal, Südafrika und Ägypten, hat sich NEPAD folgende Primärziele gesteckt: die Armut zu beseitigen, Afrika sowohl kollektiv als auch auf die einzelnen Nationen bezogen auf den Pfad zu nachhaltigem Wachstum und Entwicklung zu bringen, der Marginalisierung Afrikas im Globalisierungsprozess entgegenzuwirken, Afrikas volle Integration in die Weltwirtschaft zu fördern und insbesondere Afrikas Frauen zu stärken.
Doch NEPAD und die Maschinerie dahinter können all dies nicht alleine schaffen. Wir brauchen neuartige Partnerschaften innerhalb der neuen wirtschaftlichen, ökonomischen und ökologischen Weltarchitektur. Nichts kann in unserer heutigen Welt in Isolation erreicht werden, weder von Nationen noch von Regionalorganisationen. Die Mächtigen sind ebenso wichtig wie die weniger Mächtigen.
So nehmen beispielsweise Handelsbeziehungen ganz neue Konturen an. Wer hätte noch vor zehn Jahren gedacht, dass Afrika, dessen Handelsbeziehungen hauptsächlich mit seinen ehemaligen Kolonialherren bestanden, den aufstrebenden Wirtschaftsmächten unserer Zeit so wichtig werden würde? Nach Japan, das bereits in den 1980er Jahren Handelsbeziehungen mit Afrika etablierte, hat nun auch China nachgezogen mit dem China-Afrika-Forum für Zusammenarbeit. Wir haben außerdem ein koreanisch-afrikanisches Wirtschaftsforum, ein indonesisches, ein indisches.
Die chinesische Präsenz in Afrika ist allgegenwärtig spürbar, vom Norden des Kontinents bis in den Süden, und die kürzlich verkündete Summe von 30 Milliarden Dollar Unterstützung für Afrika ist erstaunlich. Es mag in den Verhandlungen mit China Probleme geben und auch einige Skepsis China gegenüber, wie auch gegenüber Indien. Sicher ist jedoch die dynamische Veränderung der Kräfteverhältnisse in Afrika.
Und wenn Afrika entsprechend der NEPAD-Strategie die internationale Kooperation mit den wichtigsten Institutionen und strategischen Partnern weiter vorantreibt und das Funktionieren von Partnerschaftsabkommen und -mechanismen mit wichtigen Akteuren in Afrika und darüber hinaus optimiert, dann wird das nicht erneut nach der überkommenen Art der kolonialen Meister geschehen. Vielmehr werden es Partnerschaften sein des gegenseitigen Austauschs von Ideen, Technologie, hochwertigen und gut ausgebildeten Arbeitskräften sowie Kapital. Nichts davon wird allerdings auf dem Silbertablett präsentiert.
Natürlich werden diese neuen Partnerschaften um diejenigen entlang der alten Achse rotieren. Es werden Partnerschaften sein mit regionalen Zusammenschlüssen in Afrika, wie der Entwicklungsgemeinschaft im Südlichen Afrika, der Wirtschaftsgemeinschaft Afrikanischer Staaten oder der wiederbelebten Ostafrikanischen Wirtschaftsunion. So werden die Beziehungen auch mit der Europäischen Union gefestigt.
Afrikas Erwachen hat einen neuen Geist geboren. Einen Geist der Partnerschaft, von der alle profitieren.
Aus dem Englischen von Marlen Fleischer