SASCHA LOBO, GEBOREN 1975, ARBEITET FREIBERUFLICH ALS
STRATEGIEBERATER. 2008 SCHRIEB ER MIT KATHRIN PASSIG
«DINGE GEREGELT KRIEGEN – OHNE EINEN FUNKEN SELBST-
DISZIPLIN» (ROWOHLT BERLIN). 2010 ERSCHIEN SEIN ERSTER,
VIELBEACHTETER ROMAN «STROHFEUER». FÜR SPIEGEL ONLINE
SCHREIBT ER EINE WÖCHENTLICHE KOLUMNE ÜBER DIE
DIGITALE WELT. IN SEINER FREIZEIT ZEST ER NEUE WORTE, SEIN
STECKENPFERD SEIT SEINER BESCHÄFTIGUNG MIT PLIASMEN
(DEM FREMDWORT FÜR «ERFUNDENE FREMDWÖRTER»).
NEON ERSCHEINT MONATLICH IM VERLAG GRUNER + JAHR.
DAS VIELFACH AUSGEZEICHNETE MAGAZIN VERÖFFENTLICHT
DIE RUBRIK «WORTSCHATZ» SEIT MÄRZ 2010 IN JEDER AUSGABE.
DIESES BUCH IST DIE ERSTE UND EINE SEHR ERFREULICHE
ZUSAMMENARBEIT MIT DEM AUTOR SASCHA LOBO.
SASCHA LOBO
LEBENSLAGEN
Rowohlt Taschenbuch Verlag
WORTSCHATZ
698
NEUE WORTE
FÜR ALLE
ROWOHLT DIGITALBUCH,
VERÖFFENTLICHT IM ROWOHLT VERLAG,
REINBEK BEI HAMBURG, NOVEMBER 2011
COPYRIGHT © 2011 BY ROWOHLT VERLAG GMBH,
REINBEK BEI HAMBURG
DIESES WERK IST URHEBERRECHTLICH GESCHÜTZT,
JEDE VERWERTUNG BEDARF DER GENEHMIGUNG DES VERLAGES
UMSCHLAGGESTALTUNG FRANK HÖHNE & JI-YOUNG AHN
ILLUSTRATIONEN FRANK HÖHNE
GRAPHIK JI-YOUNG AHN
SATZ AUS DER FINNEGAN UND NOBEL
EBOOK PRODUKTION ROMBACH, FREIBURG, WWW.ROMBACH.DE,
IN ZUSAMMENARBEIT MIT CRAFT AG, FREIBURG, WWW.BIBLON.DE
ISBN BUCHAUSGABE 978-3-499-62823-8 (1. AUFLAGE 2011)
ISBN DIGITALBUCH 978-3-644-45471-2
WWW.ROWOHLT-DIGITALBUCH.DE
DIGITALE WELT
EINLEITUNG
ARBEIT & BÜRO
FAMILIE & FREUNDE
LIEBE & SEX
ZWISCHEN MENSCHEN
BIOLOGISCHES &
BIOUNLOGISCHES
Menschen, Tiere, Kompensationen
NEUE GRAMMATISCHE
ENTWICKLUNGEN
Wortartvariationen, Verbformen,
Sprachanpassungen
TOP TRENDS & NEUE
BUZZWORDS
Für Medien, Marketing, Moden
NEUE EMOTIONALE UND
RATIONALE ZUSTÄNDE
Rund um aktuelle und fast aktuelle
Lebensgefühle
NEUE WORTE FÜR NEUE
NEGATIVE GEFÜHLE
GERÄTE & ANWENDUNGEN,
die bitte unbedingt noch erfunden
werden müssen
BUNDESLANDEN
NEUE KRANKHEITEN,
HIPPE STÖRUNGEN UND
SYNDROME DES ALLTAGS
Zum Angeben auf Partys und im Inter-
net sowie für das solide begründete
Selbstmitleid zur rechten Zeit
NEUE EUPHEMISMEN
Unser Wort soll schöner werden
100 NEUE WORTE
FÜR SCHNEE
35 NEUE FACETTEN FÜR
DIE WEITLÄUFIGE BEGRIFFS-
WELT DER MENSCHLICHEN
DUMMHEIT
MASSEINHEITEN FÜR
GEFÜHLE
POLITIK & SOZIALES
MEDIEN & MEDIEN
WORTE FÜR UNTERWEGS
NATURGESETZE DES
ALLTAGS
Von A bis Z
DIE ZEHN VERSCHIEDENEN
PALIEN DES MODERNEN
LEBENS
SCHATTENWORTE
Worte, die es geben sollte, weil sie sich
so anhören
NEON-LESERKAPITEL
DANKSAGUNG
EINLEITUNG
I
7
Unangefochten auf dem ersten Platz
steht aber die allererste Erfindung,
die der Mensch überhaupt gemacht
hat: die Sprache.
Beinahe enttäuschend ist es, dass
viele tausend Jahre Zivilisation es nicht
geschafft haben, eine größere, fa-
mosere, folgenreichere Erfindung in
die Welt zu setzen als das Wort.
Sprache steht am Anfang jedes Lebens,
die Entwicklung des Gehirns wird
durch sie geprägt. Es gibt sie in allen
Farben und Formen, von Gebärden-
sprache über Schriftsprache bis
Geheimsprache in Hunderttausenden
Variationen und Dialekten. Worte
sind die DNA des Denkens.
n den Top Ten der besten Erfindungen
der Menschheit streiten sich die
Zentralheizung, das Internet und der
Buchdruck um die vorderen Plätze.
In der Mitte tummeln sich das Rad,
die Elektrizität und Weißwein. Etwas
abgeschlagen folgt das Penicillin.
Weiter hinten auf Rang neun und zehn
versuchen Klavier und Ottomotor
das Fahrrad, die Hose und den Kopf-
hörer aus den Top Ten zu halten.
Sogar das meistimregalstehende
Buch der Welt, die Bibel, gibt in der
Schöpfungsgeschichte einen Hin-
weis auf die beste aller Erfindungen.
Im ersten Buch Mose im Alten
Testament heißt es: «Im Anfang schuf
Gott die Himmel und die Erde»,
wobei «die Himmel» nicht falsch ist,
sondern Plural. Im zweiten Satz wird
im Dunklen en passant das Wasser
eingeführt, aber schon der dritte Satz
lautet: «Und Gott sprach: Es werde
Licht!» Man muss weder Sprachwis-
senschaftler noch Christ sein, um
aus diesem Satz zu schließen: aus bi-
blischer Sicht wurde die Sprache
noch vor dem Licht erfunden, und das
ist schon verdammt früh. Im Neuen
Testament im Johannes-Evangelium
steht sogar «Im Anfang war das
Wort» und «Alles ist durch das Wort
geworden».
Von Beginn an war Sprache ein Evolu-
tionsvorteil. Das manifestiert sich
zum Beispiel in den Sätzen: «Vorsicht,
ein Felsen!» oder «Leg doch unser
8
Baby bitte nicht neben den Säbelzahn-
tiger». Zum Glück war die erste und
beste Erfindung der Menschheit keine,
die fertig vom Himmel gefallen ist.
Stattdessen wird die Sprache ständig
weiterentwickelt. Die Funktion von
Sprache ist so vielfältig wie die Welt
selbst, jeder Fortschritt bedeutet
automatisch auch eine Weiterenwick-
lung der Sprache. Schon um zu
benennen, was da gerade erfunden
oder entdeckt wurde.
Die Arbeit an der Sprache, die Ent-
wicklung neuer Worte ist deshalb
wichtiger Bestandteil der Zivilisation,
also der Gesamtheit allen Zeugs,
das der Mensch in die Welt gestemmt
hat, um ein irgendwie besseres Leben
zu führen. Aus keinem anderen
Grund als der Verbesserung des Le-
bens und damit der Welt führt NEON
eine Rubrik, die sich Wortschatz
nennt. Darin stehen nabelneu erfun-
dene Worte, die bisher einfach gefehlt
haben. Mit einem ausreichend guten
Kurzzeitgedächtnis ausgestattete
Leserinnen und Leser erinnern sich,
die anderen dürfen nachschlagen:
Wortschatz steht auch auf dem Um-
schlag dieses Buchs.
Das ist selbstredend programmatisch
zu verstehen. Wie die NEON-Rubrik
Wortschatz, so versammelt auch das
vorliegende Buch «Wortschatz –
698 neue Worte für alle Lebenslagen»
neue Worte für alle Lebenslagen.
Zugegeben: der Begriff «alle» kommt
etwas übertrieben und spektakulär
daher. «698 neue Worte für mittel-
viele Lebenslagen» wäre vielleicht
ehrlicher und bescheidener gewesen,
aber der Zug ist ja nun abgefahren.
Tatsächlich soll dieses Buch helfen,
sich besser zurechtzufinden in einer
Welt, in der jeden Tag mehr passiert,
als auf den größten Server passt.
48,9 Prozent ihrer Wachzeit (Schätz-
wert) beschäftigen sich volljährige
Personen in Mitteleuropa mit etwas,
das es vor zwanzig Jahren noch nicht
gab. Nicht volljährige Personen sind
sogar selbst etwas, das es vor zwanzig
Jahren noch nicht gab. Ein sicheres
Zeichen dafür, dass neue Worte drin-
gender benötigt werden als je zuvor.
ABER NEUE WORTE
ERFINDEN –
GEHT DAS EINFACH SO?
NAJEIN.
Ein kurzer Blick auf die Geschichte
der Worterfindung lohnt an dieser Stel-
le. Kinder denken sich ständig neue
Worte aus, wenn sie ihre Mutterspra-
che lernen. Aus Falschverstehnissen,
Sprechschwierigkeiten und Zufällen
entsteht eine Melange, die zur privaten
Sprachkultur jeder Familie gehört.
Jahre später erzählen Eltern dann im
ungünstigsten Moment, bei der Vor-
stellung neuer Lebenspartner, mit
welchen selbsterfundenen Worten man
als Kind den Gang aufs Töpfchen
kommentiert hat. Ansonsten wirkt die
erste Freude bei der Weiterentwick-
lung der Sprache kaum nach. Leider.
Für Erwachsene haben sich im
20. Jahrhundert drei große Quellen
von Wortneuschöpfungen etabliert:
• technischer Fortschritt
• Werbung
• Jugendkultur
Die Jugendkultur ist außerordentlich
aktiv in der Erfindung neuer Worte
und Wendungen. Deren Verwendung
ist allerdings für Außenstehende ge-
9
fährlich. Bis auf einige ausgewählte
Fernsehsendungen gibt es nichts,
womit man sich als Erwachsener noch
peinlicher zum Horst machen kann
als mit der Verwendung von Jugend-
sprache. Nur ab und zu schwappt ein
Begriff ohne Horstgefahr vom Schul-
hof oder aus den Chaträumen in die
Restwelt, zum Beispiel das dritthäss-
lichste Wort der Neuzeit: simsen.
Die Werbung ist der zweite Hort der
Sprachschöpfer. Diejenigen, die mit
ihren Ideen Medien, Märkte und Men-
schen in ständiger Wallung halten,
werden oft gleichzeitig unter- und über-
schätzt. Denn selbst mit neuen, wohl-
klingenden Worten kann man keine
schlechten Produkte verkaufen. Aber
schon mittelgute Produkte verkaufen
sich viel besser, wenn man sich eine
fadenscheinige Begründung dafür
ausdenkt – und die enthält häufig
ganz neue Begriffe. Denn Sprache
bestimmt das Bewusstsein. Schnell
wurde «porentief rein» in Werbespots
als Steigerung von «sauber» umge-
deutet: andere Waschmittel machen
bloß sauber, das geben sie ja selbst
zu, unseres dagegen macht sogar
porentief rein. Kaufen! Wegen der
Wortschöpfung «porentief rein»
wurde allein 1974 in Deutschland mehr
Waschmittel verkauft als wegen der
Modestörung Waschzwang im ganzen
20. Jahrhundert. Aber aus Marketing-
gründen erfundenen Worten haftet
ein Makel an. Man fühlt sich schnell als
laufender Werbespot missbraucht
und benutzt sie deshalb eher ungern
oder höchstens ironisch.
Die dritte, große Quelle neuer Worte
ist vermutlich die derzeit prägendste:
neue Technologien. Zwischen Com-
puter und Internet sind in den letzten
Jahren eine Vielzahl von Begriffen
entstanden, die das Leben der meisten
Leute beeinflussen. Zum Beispiel
das «Handy», ein schönes, schein-
englisches Wort, vermutlich erfunden
von einer Sekretärin der Deutschen
Post als Abkürzung für das englische
«handheld».
Im Normalfall sind bei der Benennung
neuer Technologien ein Haufen
Ingenieure im Raum. Dann entstehen
abkürzende Zeichenfolgen wie
«MP3» oder «TFT»-Screen, die gut
funktionieren, aber den Charme
einer Betriebsanleitung versprühen.
Ganz wie Ingenieure es lieben. Selte-
ner sind geschmeidig klingende
Wortschöpfungen wie Pixel. Dieses
Wort stammt wahrscheinlich aus
einer amerikanischen Patentschrift
von 1965 und ist zusammengesetzt
aus «picture» und «element». Streng
genommen müsste man Pixel auf
Deutsch als Kofferwort aus Bild und
Element übersetzen, also zum Beispiel
mit «Biment». Aber das hört sich sogar
für an Beklopptheit gewohnte Ohren
zu bekloppt an. Neue Worte aus der
Technologie sind oft sperrig, Pixel ist
da eher ein zufälliger Erfolgstreffer,
und man muss froh sein, dass es nicht
Picel heißt. Aber in ihrer Sperrigkeit
zeigen diese neuen Worte immerhin
wahrheitsgemäß an, dass Technologie
eine komplizierte Welt ist.
Wenn es ungünstig läuft, schaltet
sich bei der Neuwortentwicklung
für Technik eine Marketingabteilung
ein. Die besteht darauf, dass das
neue Wort in den gängigsten tausend
Sprachen einfach auszusprechen,
kindersicher, selbsterklärend, positiv,
modern und vor allem patentierbar
ist. Solche Worte gibt es natürlich
10
nicht. Ein beliebiger ausgedachter Be-
griff hört sich in irgendeiner Sprache
immer so an wie «Pupsnudel»,
«Fischbrötchengestank» oder «Arsch».
Da steht man dann, hat eine welt-
bewegende Erfindung gemacht, und
Millionen Leute lachen einen aus,
weil sie wegen eines ahnungslosen
Praktikanten in einem Teil von Asien
heißt wie eine Geschlechtskrankheit.
Eine kleine Gruppe von Sprachschöp-
fern aber operiert außerhalb der drei
großen Bereiche Jugend, Werbung
und Technik. Sie betrachten die Ent-
wicklung neuer Worte als Selbstzweck.
Die Welt zu erforschen war immer
ein Bedürfnis der Forscher und Aben-
teurer. Entweder waren sie selbst
Schreiber, oder sie wurden von einem
begleitet, denn zur Erschließung des
Unbekannten gehört auch immer
dessen Benennung. Die Entdeckung
Amerikas wäre ohne einen treffen-
den Namen für den neuen Kontinent
der Öffentlichkeit kaum vermittelbar
gewesen. Aber nicht nur die Natur,
auch die Kultur möchte erforscht und
benannt werden. Neue gesellschaft-
liche Entwicklungen müssen in Worte
gefasst, neue Zusammenhänge mit
einem neuen Wort auf den neuen
Punkt gebracht werden.
Das ewige Vorbild, der Abgott der
Worterfinder, ist ein Mann, dem jedes
deutschsprachige Worterfindungs-
buch zwingend gewidmet sein muss:
Philipp von Zesen. Noch immer ist
er zu vielen Leuten unbekannt. Es gibt
nicht einmal eine Philipp-von-Zesen-
Straße in Deutschland. Nur einen
Philipp-von-Zesen-Gedenkwander-
weg bei Raguhn-Jeßnitz, wie zum
Hohn. Dabei hat Philipp von Zesen
die deutsche Sprache mit seinen
Worterfindungen geprägt wie nie-
mand anderes.
Unter dem Deckmäntelchen, Worte
aus dem Französischen zu übersetzen,
ging er seiner Worterfindungsleiden-
schaft nach und erschuf Hunderte
neue Worte. Da er 1619 geboren
wurde, lässt sich eine unter Umständen
zugrundeliegende Franzosenfeind-
lichkeit als verjährt betrachten. Dann
kann man sich erfreuen an der Viel-
zahl seiner hervorragenden Worte.
Dazu gehören:
ABSTAND
ANSCHRIFT
AUGENBLICK
AUSFLUG
BESPRECHUNG
BÜCHEREI
EMPORKÖMMLING
ENTWURF
FREISTAAT
GOTTESHAUS
GRUNDSTEIN
KREISLAUF
LEIDENSCHAFT
LETZTER WILLE
MUNDART
NACHRUF
RECHTSCHREIBUNG
STERBLICHKEIT
VERFASSER
VOLLMACHT
WELTALL
11
Leicht erkennt selbst der Laie, dass
sich Worterfindungen nicht nur kurz-
fristig durchsetzen können, sondern
auch über lange Zeit erhalten bleiben.
Jeder, der Rechtschreibung sagt,
transportiert – meistens unbewusst –
ein bisschen Philipp von Zesen mit.
Vielleicht gibt es deshalb auch keine
nach ihm benannte Straße, weil er
irgendwie schon in allen Köpfen vor-
handen ist. Was es aber geben muss
– supermuss! –, ist ein nach ihm
benanntes Wort. Es soll das Grund-
steinwort für dieses Buch sein und
gleichzeitig eine Hommage:
ZESEN
Zesen bedeutet, neue Worte zu erfin-
den. Benannt ist es nach Philipp
von Zesen, der im 17. Jahrhundert
viele noch heute in Betrieb befindli-
che Worte zeste. Zesen ist aber
mehr als nur ein Wort; zesen ist
auch eine Kulturtechnik, die immer
wichtiger wird. Und schon bald
wird aus dem früheren Dreiklang
der Bildung ein gereimtes Wort-
quartett:
RECHNEN UND LESEN,
SCHREIBEN UND ZESEN.
O
IM VORWORT VON
KRACAUER SCHON 1930:
12
«ZITATE, GESPRÄCHE UND
ARBEIT &
BÜRO
hne die Gewöhnung an Umstände und
Kollegen wirkt jedes Meeting wie
eine wirre Zusammenkunft Geistes-
schwacher:
«Haben wir schon results für Q2?»
«Ja, und Sales performt schon wieder
under!»
Passend zu dieser lächerlichen Nicht-
kommunikation sind auch noch 90 %
aller Arbeiten im Büro vorgetäuschte
Scheintätigkeiten zur Selbstverge-
wisserung der eigenen Nützlichkeit.
Im besten Fall haben sie gar keine
Folgen. Im nicht einmal schlechtesten
Fall machen sie weitere Schein-
tätigkeiten erforderlich. Büroarbeit
am Anfang des dritten Jahrtausends
ist abgesehen vom notwendigen
Geldverdienen die kollektive Illusion,
man sei geschäftig und betriebsam
im Geschäft oder Betrieb, während
man in Wirklichkeit einen Lebens-
partner sucht oder jemanden, um den
Lebenspartner zu betrügen, oder we-
nigstens einen Grund, um zu saufen.
«DIE ANGESTELLTEN»
SCHREIBT SIEGFRIED
BEOBACHTUNGEN AN ORT
UND STELLE BILDEN DEN
GRUNDSTOCK DER ARBEIT.
SIE WOLLEN NICHT ALS
EXEMPEL IRGENDEINER
THEORIE, SONDERN ALS
EXEMPLARISCHE FÄLLE DER
WIRKLICHKEIT GELTEN. DIE
ARBEIT IST EINE DIAGNOSE
UND VERZICHTET ALS
SOLCHE BEWUSST DARAUF,
VORSCHLÄGE FÜR
VERBESSERUNGEN ZU
MACHEN.»
Ohne dass er es auch nur ansatzweise
so gemeint hätte, muss man Kracauer
heute zustimmen: Arbeit ist eine
Diagnose. Das passt zu der Betrach-
tungsweise von Arbeitsphilosoph
Frithjof Bergmann, den man tatsäch-
lich so schreibt und der die klassische
Arbeit als «eine Form der milden
Krankheit» betrachtet. Jedenfalls ist
das, was wir alle jeden Werktag im
Büro tun oder zumindest tun sollten,
vielleicht alltäglich, aber nicht normal.
Wenn man bereits so tief in diesem
Schlamassel namens Job steckt,
dass jeder Meteoriteneinschlag eine
willkommene Verbesserung wäre,
dann ist man es sich wenigstens
selbst schuldig, die Dinge beim Na-
men zu nennen. Und zwar gerade die
Dinge, die noch gar keinen Namen
haben, weil die werktätige Bevölke-
rung aus einer Jobschockstarre her-
aus bisher nicht zur Benennung kam.
Und weil jeden Tag neuer, bis dahin
unbekannter Irrsinn entsteht, der
endlich mal benannt werden müsste:
Voilà.
13
TEEKO
Mit dem wichtig anmutenden Ausruf
«Herr Vonnebrink bitte sofort in die
Teeko» kann man jeden Kollegen aus
komplizierten Situationen befreien,
ohne zu lügen. Die Teekonferenz fin-
det, wie der Name bereits andeutet,
in der Teeküche statt.
NOBBING
Unter Nobbing leidet man, wenn
man im Bekanntenkreis als Einziger
keine zermürbende Mobbing-
Geschichte mit brüchiger Stimme
vortragen kann, weil man noch nie
gemobbt wurde. Nobbing-Betroffene
berichten häufig von einem unbe-
stimmten Gefühl, irgendwie ausge-
schlossen zu sein; erste Fälle von
Berufsunfähigkeit wegen Nobbing
werden derzeit vor den Gerichten
verhandelt.
iGESCHLAFEN
Zustand derjenigen Körperteile,
die durch überlange Klositzungen
mit dem iPhone einschlafen.
ICH-GBR
Selbständige, deren Verdienst zu
gering für eine anständige Ich-AG ist,
müssen sich mit einer Ich-GbR
begnügen. In der Regel vereinigen
sich in der Ich-GbR die ärgerlich
langen Arbeitszeiten der Selbständi-
gen mit der ärgerlich intensiven
Abhängigkeit der Angestellten, weil
der einzige regelmäßige Kunde aus
seinen scheichhaften Ansprüchen
absolut keine scheichhafte Bezah-
lung ableiten möchte.
FEIERTRAGISCH
Wie es sich anfühlt, an einem Tag zu
arbeiten, der in praktisch allen ande-
ren Bundesländern ein Feiertag ist.
EDV
Abkürzung für Einigung Deutscher
Verhinderer. EDV ist eine von Welt-
hass getriebene Sekte mit dem
selbstgewählten Auftrag, das Land
in die kollektive Verzweiflung zu
treiben. Die EDV wurde vom Verfas-
sungsschutz bereits 2003 als
staatsgefährdend eingestuft; wegen
eines bisher unaufgeklärten Daten-
verarbeitungsfehlers im Zentral-
system der Behörde fand diese Tat-
sache jedoch nie den Weg in die
Öffentlichkeit.
EGOLF
Oberhalb des mittleren Manage-
ments dehnt sich der Ich-Wettstreit
vom Büro auf den Golfplatz aus.
Nicht zum Spaß, sondern als Zeichen
ihrer Elitenzugehörigkeit und für
das eigene Ego spielen Führungs-
kräfte Egolf. Das ausgeklügelte Regel-
werk dieses Ich-Sports wurde bisher
nicht schriftlich niedergelegt: die
15.000 Mitglieder des zuständigen
Egolf-Verbands konnten sich bei
15.000 internen Bewerbungen noch
nicht auf einen Vorstand einigen.
ARBEIT & BÜRO
ABTEILUNGSLEIDER
Das kollektive Bedauern der gesam-
ten Abteilung über die Beförderung
der falschestmöglichen Person zum
Chef.
ALTER!
Ausspruch der Erkenntnis, wenn man
das erste Mal ausgerechnet hat,
wie viel Rente man bekommt, wenn
man mit vermutlich 82 Jahren in
den Ruhestand treten wird.
ABKOTEN
Weniger gebräuchliche Abkürzung
für «an einer Arbeitskonferenz
teilnehmen».
KRA
ENZANGE
Dem Aussehen nachempfundene
Bezeichnung für den kleinen,
scherenähnlichen Gegenstand, der
auf jedem Büroschreibtisch liegt,
von dem aber niemand weiß, wie
er heißt oder wofür er gut sein soll.
Das Gerücht, man könne mit diesem
Gegenstand Heftklammern aus
dem Papier ziehen, hat sich in lang-
jährigen Praxistestreihen als
absurde Fehlinformation erwiesen.
TELETIC
➔
(
a
u
c
h
:
HANDYZUCKEN)
Das nervöse Zucken zum eigenen
Telefon, sobald irgendwo ein Handy
klingelt. Gegen den Teletic hilft es
erwiesenermaßen nicht, sein eigenes
Gerät auf einen absonderlichen
Klingelton einzustellen, da das Gehirn
seit den 90er Jahren neuronal auf
die gleichen zehn Klingeltöne kondi-
tioniert ist. Bei Patienten im fort-
geschrittenen Stadium des Teletics
sind bereits Handyzuckungen beob-
achtet worden, wenn im Radio
klingeltonähnliche Melodiefolgen zu
hören sind. Der Teletic ist nur durch
vollständige Taubheit heilbar und
kann in Verbindung mit einem klingel-
tonähnlichen Tinnitus direkt in den
Wahnsinn führen.
AOS
Mit AOS wird diejenige Abteilung
in Großunternehmen bezeichnet,
von der niemand weiß, was sie ge-
nau macht. Auf Nachfrage bei
Mitarbeitern der AOS werden die
Buchstaben A, O und S nach einem
Zufallsprinzip mit verschiedenen
Bedeutungen belegt. Die beliebtes-
ten Kombinationen lauten:
• Augmentive Operational System
• A-Level Organisation & Service
• Automated Overview Streamlining
Tatsächlich ist AOS ein bundesweit
akzeptiertes Akronym für Abteilung
o
h
n
e
S
i
n
n
.
PRAKTIVITÄTEN
Sammelbegriff für diejenigen Arbei-
ten, die durch Praktikanten aus-
geführt werden, also alle Tätigkeiten
außer Dienstreisen.
AUFZUCK
Der kurze Moment des Zusam-
menzuckens, wenn ein äußerst un-
sympathischer und geruchlich
herausfordernder Kollege droht mit
in den Aufzug zu steigen.
MARKETINGELN
Das ständige Umherschwirren
derjenigen Mitarbeiter, die außer
der Entscheidung über die Farbe
15
des Firmenfuhrparks praktisch
nichts zu tun haben und diesen Um-
stand durch geschäftiges Herum-
laufen zu verbergen versuchen. Die
moderne Firmenforschung sieht
im Marketingeln eine privatwirtschaft-
liche Entsprechung zur Arbeits-
beschaffungsmaßnahme und warnt
dringend vor einer Regulierung. Die
Entwicklung anderer Mechanismen
der Arbeitsvortäuschung könnt kaum
abseh- und bezahlbare Auswirkungen
auf die Marketingabteilungen der
Republik haben.
WEIHNACKTFEIER
Jede Betriebsweihnachtsfeier nach
zwei Uhr morgens.
PRÄSENTARIAT
Das Präsentariat bezeichnet die
Horden unterbezahlter Agentur-
mitarbeiter. In der Regel hängen sie
der Illusion an, dass sich mit inten-
sivem Arbeitseinsatz die Chancen
auf eine Übernahme in die Festan-
stellung erhöhen.
VERBOSSEN
Der Prozess der Verbossung beginnt
in den meisten Fällen bereits, wenn
ein Mitarbeiter eine Beförderung in
Aussicht gestellt bekommt und
deshalb seine Kollegen auf Vorrat
schlecht behandelt. Mit der Er-
nennung zum Chef verbosst eine
Person schließlich unwiderruflich,
bietet seinen exbefreundeten
Neuuntergebenen das Sie an und
verhält sich auch sonst in jeder
Hinsicht krawattig. Verbossung gilt
als einzige Krankheit, wegen der
sich andere krankschreiben lassen.
ANZÜG
Das unverschämt zeigefreudige
Kostüm der attraktiven Kollegin aus
der Buchhaltung. In der Regel liegt
der Anzüg so eng an, dass er nicht
nur der Trägerin, sondern auch allen
anderen die Luft abschnürt.
KOSTENSTILLE
Die ausgedehnte Phase der Lautlosig-
keit, wenn in einem Unternehmen
die Frage nach der Kostenstelle auf-
kommt, kurz: wer das Projekt
eigentlich bezahlt.
KANTOFFEL
Bei der Kantoffel handelt es sich um
einen entfernten Verwandten der
Kartoffel, der bereits bei der Ernte
extrem mehlig und vollkommen ge-
schmacksfrei ist und deshalb in den
Kantinen der Welt bevorzugt ein-
gesetzt wird. Die Verwendung von
Kantoffeln ist nach dem immer noch
KRAWATTIG
Es muss die Ironie des Wortgottes
sein, dass Krawalle und Krawatte
derart ähnliche Wörter sind. Denn
krawattig sind Leute, deren Portrait
auf der Unternehmenswebsite auch
durch eine Krawatte ersetzt werden
könnte, und niemand würde es be-
merken.
UROZENTRISMUS
ARBEIT & BÜRO
gültigen Kölner Kantoffelkonkordat
von 1673 ansonsten nur in der
Schweinezucht und in Universitäts-
mensen erlaubt.
ARBEITS-LOSER
Dieser deutsch-englische Misch-
begriff entstand, als Anfang des
Jahrtausends weite Teile der latent
neoliberalen Mittelschicht allen
Ernstes der Ansicht waren, dass
Arbeitslose selbst an ihrem Zustand
schuld seien.
EXCEM
Allergische Reaktion auf Excel. Excel
ist unterdessen gesundheitsamtlich
als einziges Virus anerkannt, das
vom Computer auf den Menschen
übertragen wird und in manchen
Firmen einen Verbreitungsgrad von
104 % (bei Einberechnung freier
Mitarbeiter) erreicht.
LAUFGABEN
Laufgaben sind Aufgaben, bei denen
man trotz aller digitalen Vernetzt-
heit im Büro herumlaufen muss, soll,
kann oder will. Laufgaben eignen
sich für Tage, an denen man sonst
gar nichts hinbekommt, ebenso wie
für Kollegen, die schon mit dem
Starten eines Computers überfordert
sind und einfach zu erzielende
Erfolgserlebnisse benötigen. Lauf-
gaben haben den Vorteil, dass
durch die vielen Kontakte beim
Herumlaufen in der Firma der Ein-
druck eines hohen Beschäftigungs-
volumens verbreitet wird. Aber
auch den Nachteil, dass – für alle
offensichtlich – das Geldsammeln
für das Abschiedsgeschenk des
82-jährigen Zeitarbeit-Pförtners
nur sehr, sehr indirekt zum Unter-
nehmenserfolg beiträgt.
Bildungsbürgerlicher Euphemismus
für Geldgier.
REnte
Blüm’sche Falschmeldung, nach der
die Rente sicher sei.
SCHMEETING
Kurzform für Scheißmeeting. Aus
jedem Meeting kann binnen Sekun-
den ein Schmeeting werden, in der
Geschichte des Kapitalismus ist aber
noch niemals aus einem Schmeeting
wieder ein Meeting geworden.
REISEKOSTEN-
ABRECHNUNG
Bei diesem scheinbar bereits existie-
renden Wort handelt es sich in
Wahrheit um eine der perfidesten
Erniedrigungsmethoden der westli-
chen Arbeitswelt, vergleichbar nur
noch mit Windows 95, die meist nur
unter Zwang und Androhung ernster
Konsequenzen ausgeführt wird.
Auf gewerkschaftlichen Druck hin soll
das Reisekostenabrechnen in der
nächsten Auflage der Genfer Konven-
17
tion zu den Massenverpflichtungs-
waffen gezählt werden, um ein allge-
meines Verbot oder wenigstens eine
Gefahrenzulage bei der Ausfüllung
zu erreichen.
STEUERVERKLÄRUNG
Die völlig aussichtslose, aber stets
wiederkehrende Hoffnung, dass
dieses Mal keine Steuernachzahlung,
sondern sogar eine Rückzahlung
herauskommen würde, wie man Pi
mal Stinkefinger bereits ausge-
rechnet zu haben glaubt. Bei Selb-
ständigen führt die Steuerverklärung
regelmäßig zur Privatinsolvenz oder
zur Fremdenlegion.
SABBERTJAHR
Umgangssprachlich für Elternzeit.
URLAU
Die dreiste Hoffnung des Chefs,
man würde seinen Urlaubsanspruch
für lau verfallen lassen. Leider hat
er damit wegen der unanständig
knapp bemessenen Streichungsfrist
von nur wenigen Jahren meistens
sogar recht.
BUCHBEHALTUNG
Virtuelle Abteilung derjenigen
Mitarbeiter (Buchbehalter), die sich
Bücher leihen, ohne sie je wieder
zurückzugeben.
EINZELLBÜRO
Die Art von Kammer, die man bei der
Verhandlung mit dem Chef als «Ein-
zelbüro» angepriesen bekommt, die
dann aber nur aus eilig zusammen-
geklebten Rigipsplatten mit Fertigtür
in Zellengröße besteht (biologische
Zellen, nicht etwa Gefängniszellen).
Durch die geringe Dämmkraft der
papierdünnen Wände verbindet das
Einzellbüro den Hauptnachteil des
Großraumbüros (Lärm) mit dem
Hauptnachteil des Einzelraums (klaus-
trophobische Ausmaße).
BÜROCKER
Die coole Sau aus Abteilung VI, der
Friedrich Merz der Firma, der Tee-
küchencharmeur und Betriebsaus-
flugs-Casanova. Der Bürocker zieht
sein gesamtes Selbstbewusstsein
aus der Tatsache, dass es in jeder
Firma ebenso traurige weibliche
Gestalten gibt, die ihn aus Verzweif-
lung oder Langeweile mit vorge-
täuschter Anhimmelei belohnen.
SCHWANGERSCHAFFEN
Spezielle Arbeitsweise, bei der mit
dem schwangeren Bauch bewusst
anstrengend erscheinende Arbeiten
vorgenommen werden, um positive
Aufmerksamkeit und Mitleid der
Kollegen zu erregen. Funktioniert in
den Augen der Schwangerschaf-
fenden selbst immer, in denen der
Kollegen nie. Es muss allerdings
hinzugefügt werden, dass ausnahms-
los jede Aktivität schwangerer
Frauen von der Mehrheit der Nicht-
schwangeren als falsch oder unklug,
auf jeden Fall jedoch als tadelnswert
angesehen wird.
RÜCKENTAG
Der Tag zwischen Feiertag und
Wochenende, an dem man sich
wegen Rückenschmerzen krank-
meldet.
ARBEIT & BÜRO
RENTENBESCHEISS
Erst wenn man die inzwischen Ren-
tenbescheid genannte Abrechnung
bekommt, erkennt man, dass das
«ß» am Schluss des ursprünglichen
Worts seinerzeit vom Kabinett Kohl
II aus Gründen der Volksberuhigung
durch ein weniger offensives «d»
ersetzt worden ist.
BÜROFLICH
Büro, beruflich, wer soll das aus-
einanderhalten können? Niemand,
und deshalb gibt es dieses Wort.
RODIOT (GEBELPT)
Ein wallisches Holz- oder Metall-
Gebrock mit verschraubter Hörristik
und einem in der Regel mechani-
schen Geschlunder. Ungebelpte
Feinstoff-Rodioten gelten bei Ken-
nern in Europa als verpönt, in Asien
hingegen als Delikatesse.
FEUCHTAKQUISE
Die Feuchtakquise oder feuchte
Akquise hat zwei Dimensionen der
Schlüpfrigkeit. Die erste beruht
darauf, dass die meisten Geschäfte
nicht im Meetingraum, sondern an
der Hotelbar getätigt werden. Dabei
versuchen die Geschäftspartner per
Alkoholvergiftung die Erträglichkeit
der zukünftigen Zusammenarbeit mit
dem Geldwert der Leistung in Ein-
klang zu bringen. Die Leistung selbst
spielt dabei nur eine untergeordnete
Rolle. Sie ist in den meisten Fällen
austauschbar, außer bei der Fein-
schlosserei Bückenberg & Compagnie
aus Beutenbüttel im Südharz, die
tatsächlich die besten Gewinde-
Flanschmuffen aus 1000er Titanstahl
fertigt, die am Weltmarkt zu bezie-
hen sind. Die zweite Dimension der
Schlüpfrigkeit ist noch wesentlich
schlüpfriger als die erste, denn hierbei
wird die feuchte Akquise im Hotel-
zimmer fortgeführt.
BÜROHKOST
Die angeblich leichten Salate, die
vorzugsweise abnehmwillige Kollegen
in der Mittagspause verzehren –
durchtränkt von einer Salatsoße, mit
deren Kaloriengehalt man die Pol-
kappen drei Winter lang eisfrei halten
könnte.
TELEWEG
Per Telefon und per Mail nicht zu
erreichen sein, obwohl man dort ist,
wo man immer ist, und es auch alle
ahnen. Im Zeitalter von Mail, Handy,
SMS und ständiger Erreichbarkeit
muss die Gesellschaft diese Form der
Abwesenheitslüge tolerieren. Nur
Narren und Verzweifelte fangen in
diesem Fall an, mit unterdrückter
Rufnummer anzurufen, bei Kollegen
nachzufragen oder sogar auf Face-
book nachzusehen, woraus sich regel-
mäßig äußerst unangenehme Situ-
ationen für alle Beteiligten ergeben.
PROBEZEITARBEIT
Eine neue Form der Zeitarbeit, die
sich unübernommen von Probezeit
zu Probezeit hangelt und deshalb
nur Sechsmonatsverträge kennt.
WETTBEWERBEN
Studentische Freundeskreise üben
sich regelmäßig im Wettbewerben,
wenn jeder aufzählt, wie viele erfolg-
lose Bewerbungen sie oder er bereits
19
abgeschickt hat. Faustregel: Je
erfolgloser im Wettbewerben, desto
Doktorarbeit.
UNTERLASTUNG
Die Überlastung ist als Gefahr be-
kannt, das spezifische Wort für den
darauf folgenden Tod – Karoshi –
gehört längst zusammen mit Sushi
und Yakuza zu den am häufigsten
verwendeten japanischen Begriffen
in Deutschland. Die große Gefahr
der Unterlastung wird bisher aber
viel zu selten thematisiert. Die
bohrenden Zweifel, ob man Montag,
Mittwoch oder Freitag als freien
Wochentag installieren sollte oder
das lieber situativ entscheidet. Das
peinigende Gefühl, mit dem ersten
Bier nach Feierabend noch Stunden
warten zu müssen, weil es erst
14 Uhr ist. Das nervenerschütternde,
ersatzlose Wegfallen jeder Mög-
lichkeit, darüber zu klagen, dass man
sich nicht spontan an einem Wochen-
tag in die Sonne legen kann, weil
man sich an einem Wochentag spon-
tan in die Sonne legen kann. Unter-
lastung ist eine schwere Bürde.
Wenn auch vielleicht nicht ganz so
schwer wie Überlastung.
LEBENSLÄUFIG
den aufgegeilten Lebenslauf
betreffend
BLACK-UP
Dieses Mischwort aus Black-out
und Back-up bezeichnet diejenige
Sicherungskopie, von der man
geschworen hätte, dass man sie
rechtzeitig gemacht hat, die sich
aber aus rätselhaften Gründen als
derart nicht vorhanden erweist, dass
man sie unter Schmerzen als ein-
gebildet verbuchen und stattdessen
das vorhandene Back-up von vor
sieben Monaten benutzen muss.
Drei bis fünf Jahre später findet sich
das Black-up in der Regel an den
abstrusesten Orten, etwa völlig
falsch benamt im Pornoordner.
BÜROKLAMM
Es sind immer die Gleichen, die ihr
«Portemonnaie vergessen» haben,
just in diesem Moment «kein Klein-
geld zur Hand» haben oder sich
«dieses eine Mal noch etwas leihen»
wollen: die Kollegen nämlich, die
grundsätzlich büroklamm sind.
OFFICEWORDEXCEL-
POWERPOINT
Büro- und Lebenslaufsprache für die
sichere Beherrschung des Anschalters
beim Computer und die motorische