ISBN 978 3 86638 1650
© axel dielmann – verlag
Kommanditgesellschaft in Frankfurt am Main, 2012
Alle Rechte vorbehalten
Satz und Gestaltung: Urs van der Leyn, Basel
Gesamtherstellung: Vestagraphics, Vosselaar, Belgien
Wir weisen gerne auf den vorhergehenden Band
Helden für den Mittelstand/Business Heroes in SMBs
hin (176 Seiten, 18 Euro, ISBN 978 - 3 - 86638 - 145 - 2), der zehn IT-Berater im deutschen Mittelstand zu Wort kommen lässt – ein begeisternder Band mit liebevoll erzählten Lebensläufen und Karrieren, welcher neben der zweisprachig deutschenglischen Ausgabe auch ins Japanische übersetzt wurde.
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axel dielmann – verlag
Kommanditgesellschaft in Frankfurt am Main
Kranichsteinerstraße 23
D – 60598 Frankfurt am Main
neugier@dielmann-verlag.de
0(049 –) 69 – 9435 9000
Vorwort von Dieter Schoon
Head of Human Resources itelligence AG
Herbert Vogel
Vorstandsvorsitzender der itelligence AG
Juan Carlos Endo Mugica, Spanien
Jean-Yves Popovic, Kanada
Alexander Gebhard, Malaysia
Reiko Miyajima, Japan
Tom Saeys, Niederlande
Ina Baum, Deutschland
Krzysztof Witczak, Polen
David Cairat, Frankreich
Armin Frei, Schweiz
Toru Yamashita, Japan
Präsident und CEO der NTT DATA Group
Hans Schlegel, Deutschland
Jennifer Roach, USA
Xiaodong Liam Song, China
Rajmund Pavla, Tschechien
Thomas Stig Nielsen, Dänemark
Roman Peresypkin, Russland
Alexander Baev, Russland
Leanne Gregson, England
Robert Leitner, Österreich
István Pótsa, Ungarn
Die Buchbeiträge sind von den Herausgebern
bei den Mitarbeitern und Freunden der itelligence AG
gesammelt worden und sind allen Vermittlern
zwischen den Kulturen der Welt gewidmet.
Vorwort von Dieter Schoon
Head of Human Resources itelligence AG
Über der großen Selbstverständlichkeit, mit der das Kommunizieren zu einem zentralen Lebensmoment für uns alle und alle unsere Geschäfte geworden ist, vergessen wir es oft: Kommunizieren geht nur dann wirklich gut, wenn wir den Gesprächspartner in seinen Grundhaltungen verstanden haben. Wir reden nur dann richtig miteinander, wenn wir entschlossen sind, den anderen im Kommunizieren immer besser zu verstehen.
Kommunizieren ist keine Sache der Oberfläche, gar Oberflächlichkeit. Sie führt nur dann auf einen gemeinsamen Weg, hat nur dann Reichweite und Nachhaltigkeit, auch im geschäftlichen Sinne, wenn Kommunikation mit einer gewissen Tiefe betrieben wird. – Um genau das zu leisten, treten wir IT-Berater jeden Tag aufs Neue an. Und zwar in einem zweifachen Sinn.
Wir verstehen handwerklich sehr viel von den Techniken und Instrumenten des Kommunizierens, das heißt von Hard- und Software. UND wir müssen täglich in der Lage sein, die Werte und Haltungen unserer Geschäftspartner zu verstehen – denn nur so vermögen wir es, ihre Kommunikationsstrukturen, ihre Datenflüsse, ihre Informationssysteme so an ihre Bedürfnisse anzupassen, dass alles fließt, was fließen soll. – Wer sich nicht in der Wurzel versteht, redet Unfug. Wer sein Gegenüber nicht angehört hat, hört die falschen Dinge heraus.
Itelligence und seine Leute stellen in dieser Hinsicht eine wahre Schatzkiste des Kommunizierens dar: Wir können uns austauschen mit den unterschiedlichsten Menschen und Unternehmenskulturen, wir verstehen bei itelligence eine Menge von dieser Kunst!
Deshalb auch hatten wir 2010 unser erstes Buch „Helden für den Mittelstand“ aufgelegt. Wir haben darin ein Selbstbild entworfen. Eine echte Darstellung der außergewöhnlichen Kultur der itelligence und ihrer Mitarbeiter – als Experten in Sachen Austausch und Kommunizieren.
Menschen, die das Zuhören beherrschen und als Berater Klartext zu reden gewohnt sind, hatten in dem Buch erzählt, wie ihre Arbeit und ihre Biographien aussehen, sie formulierten einen menschlichen Rahmen des Beratergeschäfts. Das war eine aufwendige, aber auch eine schöne Arbeit für alle Beteiligten. Und schon während dieser Arbeit mit dem ersten Buch kam die Frage auf: Wie sieht das alles eigentlich in den anderen Ländern aus? Wie erzählen sich Arbeitsleben und Mitarbeiter-Biographien im Ausland, dort, wo itelligence auf fremdem Terrain tätig ist? Wie gelingt dieses Anhören und Abgleichen, das Einfühlen und Austauschen, wo wir mit internationalen Kollegen und Kunden beraterisch unterwegs sind?
Zu diesen Fragen kam das Interesse der ausländischen Kollegen und Niederlassungen hinzu, die unser zweisprachiges Buch mit Neugierde aufgenommen hatten. Als obendrein auch noch unsere Geschäftsfreunde aus Japan interessiert waren, eine Download-Lizenz der englischen Buchhälfte zu erwerben, um es den eigenen Mitarbeitern zugänglich zu machen, und mehr noch: die Erzählungen sogar in einer eigenen japanischen Buchausgabe verlegen wollten – da wurde klar, dass wir ein weit größeres Projekt angestoßen hatten, als ursprünglich geplant.
Wir hatten es plötzlich damit zu tun, für verschiedene Länder, aus unterschiedlichsten Kulturen jene Geschichten einzufangen, die wir im ersten Band nur für Deutschland aufzeichneten. Nun schien es reizvoll, die ganze Bandbreite der Beraterwelten einzufangen – von Malaysien bis Frankreich, von von Niederlanden bis China, von den USA bis Tschechien. Die große Vielfalt von Beratungswelten und Kommunikationsformen wollten wir sichbar machen, ihre Arbeitsweisen und Lebenshaltungen, ihre Wertesysteme und Zielvorgaben.
Denn das war es ja, was die Kollegen in Japan an unserem ersten Buch so spannend fanden und was so aufschlussreich für unser gesamtes Geschäftsleben ist: Sie wollten sehen, wie wir bei itelligence mit Integration umgehen, wie wir die Brücken schlagen zwischen den Kulturen, wie wir Verbindungen schaffen und Nutzen zwischen zunächst fremden Unternehmenskulturen und Denkwelten. Kurz, sie wollten die Grundlagen unseres Kommunizierens kennenlernen und verstehen.
Unser Buch hatte für viele seiner Leser eine Art Logbuch der Zusammenarbeit geliefert. Die „Helden für den Mittelstand“ waren eine kleine Fibel des Zusammenarbeitens, generell des Beratens. Integration und Kollaborationsformen waren daraus ablesbar geworden. Und vor allem die Emotionalitäten, die Motivationen, die hinter diesen Netzwerk-Bildungen stehen.
Gleichzeit zeigte unser erstes Buch, dass wir in unserer Beratungstätigkeit etwas ganz Zentrales verlängert hatten. Um nämlich Geschichten einzufangen, muss man sie jemandem ablauschen. Jemand, der seine Geschichte erzählt, die dann ein anderer aufzeichnet. Und der sie sogar weiterreicht, von ihnen spricht wie von seinen eigenen Erlebnissen und Lebenswegen. Das gelingt nur dem, der etwas basal Beraterisches unternimmt: der in vertraulicher Umgebung das Persönliche mit dem Allgemeinen verbindet.
Ausgerechnet die abgeschotteten, die angeblich in sich gedrehten und oft als „Nerds“ karikierten IT-Berater sollten ihren Lebensnerv offenlegen und persönliche Erlebnisse aus sich herauskitzeln lassen? – Das hätte nie und nimmer funktioniert, wenn sie nicht ganz selbstverständlich in einer Unternehmenskultur lebten und arbeiteten, die das Austauschen verinnerlicht hat.
Es wird wohl so sein, dass wir während der Arbeit am ersten Buch „Helden für den Mittelstand“ etwas Grundlegendes über den Beraterberuf an sich verstanden haben: Als Berater will man möglichst selbständig sein, ist aber gleichzeitig abhängig von seinen Kunden und mit ihren Terminkalendern und Belangen verstrickt. So ist man ständig gezwungen, zu beobachten und Dinge herauszuhören, sprich eher zurückhaltend bis passiv zu sein, muss aber gleichzeitig Leitfäden geben und die Angelegenheiten des anderen mitsteuern, also für das gemeinsame geschäftliche Wohl aktiv werden. – An diesem Bild des Beraters als einem in die Tiefe gehenden Menschen, der zugleich das Ganze im Blick behält, der Phasen der Zurückgenommenheit mit denen des Impulsgebers wechselt, war etwas besonderes – das wollten wir weiter ausloten.
So gingen wir nun in die internationale Runde. Mit dem zweiten Band wollten wir das erste Buch fortsetzen, aber zugleich jenseits der eigenen Landes- und Kulturgrenzen das Überwinden von Grenzen und von Unterschieden erkunden.
Die Eroberung Amerikas aus der Sicht von Herbert Vogel, dem Vorstand der itelligence selbst, war eine dieser Geschichten, eine spannende Geschichte eines ersten Ausflugs von itelligence in eine scheinbar recht vertraute, aber doch sehr andere Wirtschaftskultur – das war ohne Frage eine schöne Story für Band 2.
Aber weiter, die Hierarchie sollte keine Rolle spielen: sondern das Erzählen! Und Erzählen heißt vor allem: neugierig in der Welt unterwegs sein, Zusammenhänge beobachtet haben, Lust bekommen haben, hier und da einzugreifen, zu optimieren, mitzulenken, etwas unternehmen zu wollen – und das ist die Job-Description für alle Berater. Und es gilt vom Vorstand einer Beratungsfirma bis zum „Frischling“ im Berater-Team. Es gilt für alle Themen, die dabei anfallen, es gilt für eine Mega-Universität, die als Highest-Tech-Location in der Saudischen Wüste aus dem Boden gestampft und mit SAP-Software versehen und von uns implementiert wird, so dass allein schon über die nächsten zehn Jahre etliche zehntausend Studenten und Professoren dort lehren und lernen können, bis hin zum Mittelständler, der einige wenige Hundert Mitarbeiter im beschaulichen Örtchen in den Schweizer Alpen beschäftigt. Es gilt für den alten Hasen, der seit bald 15 Jahren und in diversen Ländern für itelligence arbeitet, ebenso wie für den Neuling im weltweiten Team, der vor einem halben Jahr im heimeligen Österreich tätig war – wenn auch mit über 20 Jahren hellwacher Berufserfahrung in anderen Feldern der IT-Branche. – Dass schließlich noch Hans Schlegel, Ex-Vorstand der SAP, und unser großer Mitgründer und Vorreiter von itelligence Schweiz Armin Frei mit wundervoll klaren Rück- und Vorausblicken zu unserem Buch beitrugen, war weit mehr, als wir am Anfang von Band 2 erwarten durften!
Wir können mit diesem Band 2 zeigen, dass „Berater“ ein Mentalitätsmodell des Global Players ist: Jeder, der sich als globaler Mitspieler versteht, muss diese Features des Miteinanders, des Brückenschlagens, des Grenzüberquerens, des Kulturenüberschrittes verinnerlicht haben. „Global“ heißt nämlich nicht einfach nur „groß wie der Globus“. Es heißt vor allem, dass man transkontinental, metakulturell, intermental sein muss – und dies auch professionell beherrscht.
Dieses „global“ muaa nicht groß und unübersichtlich bedeuten. Es muss offen bedeuten, aufgeschlossen für die diversen Lebensformen und Arbeitswelten und neugierig auf Kommunikationsweisen und Denkfiguren – dabei handlungsfähig und „sendefähig“ zugleich zu sein und mitzuhandeln.
Insofern möchten wir mit dem zweiten Buch – weit über die Branchengrenzen des IT-Beratens hinaus – das Sprichwort „Think global, act local“ noch einmal neu formulieren. Das große Ganze mit allen seinen Unterschiedlichkeiten im Auge haben einerseits, aber zugleich im wachen Austausch mit dem jeweiligen Gegenüber vor Ort handlungsfähig bleiben.
Für mich ist das in dem Kunstwort „glocal“ zusammengepackt: glo-baler Blick aufs Ganze, lo-caler Austausch und beraterisches Mithandeln. – In diesem Sinne stelle ich diesem Buch glocale Grüße voran.
Herbert Vogel
Vorstandsvorsitzender der itelligence AG
Als Columbus sich im Jahr 1492 verirrt hatte und mit seinem Schiff nicht in Indien landete, sondern auf dem amerikanischen Kontinent, da war die Enttäuschung zunächst groß. Der Mann aus der alten Welt Europa ahnte noch nicht, wie wuchtig und eigenständig sich seine Entdeckung entwickeln würde.
Columbus wehrte sich zeitlebens gegen die Einsicht, dass er nicht den Seeweg zu den Indianos, wie er sie nannte, mit ihren sagenumwobenen Schätzen an Gewürzen und Seide gefunden hatte, und stattdessen nur einen weiteren unbekannten weißen Flecken auf dem Globus eintragen durfte. Aber schon bald zahlte sich die falsche Entdeckung aus, das amerikanische Gold wurde zum Quell des europäischen Reichtums und zur Grundlage des Einflusses der europäischen Denkweisen, und weitere Jahrhunderte später begann mit den Vereinigten Staaten von Amerika ein neues riesiges Kapitel der Wirtschafts-, Wissenschafts- und Kulturgeschichte.
Diverse Goldgräberstimmungen haben seither immer wieder den Weg von Europa nach Amerika verheißungsvoll gemacht. Aber als in den 1980er- und 90er-Jahren einige IT-Firmen, die gerade ihre Hochphasen und ihren Gründungsboom hatten, in die USA gingen, da konnte man mit „Go West“ längst nicht mehr Amerika entdecken. Oder doch?
Was da Ende der 80er-Jahre wie Gold schimmerte und mich im Jahr 1992 zu einem ersten Ausflug in die USA zog, war eine ganz andere Verlockung. Im Januar 1992 führte mich zunächst ein Urlaub in die USA, und natürlich wollte ich, ganz nebenbei, die amerikanische Präsenz von SAP kennenlernen. Erste Kontakte zur SAP in Philadelphia gab es bereits, sie intensivierten sich durch die Begegnungen. Und ich wäre kein Unternehmer, hätte sich nicht in meinem Hinterkopf die Frage formuliert, ob es nicht möglich sein könnte, für SAP im Land der unbegrenzten Möglichkeiten tätig zu werden.
Und es schien zunehmend vielversprechend, hier Lizenzen und Projekte zu verkaufen. Zudem wurde ein zusätzlicher Implementierungspartner in Teilen der USA gesucht. Dann erfuhr ich, dass einer unserer Mitarbeiter bei der itelligence gerne von Deutschland in die USA gehen wollte. Ralf Sürken war der Typus des geborenen Machers, einer von denen, die eines Tages ihren Rucksack schnüren und einfach losziehen müssen – um unternehmungslustig Neuland zu betreten, um sich ausprobieren zu können, um dem Bekannten und Gewohnten zu entfliehen, um seine alte gegen eine neue Welt einzutauschen. Das konnte ein Anfang sein, mit ihm könnte eine Basis in Amerika gelegt werden. Und spürte ich diese Lust am Aufbruch nicht selbst?
So viel war schon bei meinem ersten Besuch klar gewesen: Der Traum von der grenzenlosen Freiheit, den wir in Europa als Mythos und Film-Cliché kennen, ist hier nach wie vor greifbar. Er ist spürbar. Vom Tellerwäscher zum Millionär konnte hier zwar niemand mehr werden, gewiss, diese Zeiten waren vorbei, aber wer solides Wissen und Können in eine Nische der Wirtschaft einbrachte, der konnte ganz andere, weit höhere Lebensstandards für sich erreichen, als das in Deutschland nach den Zeiten des Wirtschaftswunders möglich war.
Es kam uns zwar mutig, wenn nicht gar mutwillig vor, dass Ralf in die USA gehen wollte. Nachvollziehbar schien es aber durchaus. Wenn er in der Branche würde Fuß fassen können, so würde er gewiss sein Glück machen. Denn SAP-Berater in Amerika, so hörte man allenthalben, waren nicht einfach nur sehr gut bezahlte Leute – ihre Tagessätze schienen geradezu astronomisch aus deutscher Sicht.
Sollte man das vielleicht nicht einfach nur unterstützen? Gab es da nicht vielmehr einen gemeinsamen Weg?
Daneben war mir sehr bewusst, dass das alte „Made in Germany“ die Wertarbeit deutscher Ingenieurskunst seit den Tagen vor dem Ersten Weltkrieg gerade in England und eben auch den USA auszeichnete – und noch immer galten und gelten in den USA deutsche Produkte viel. Technischer, aber auch logistischer Sachverstand wird im Amerika auch des 21. Jahrhunderts äußerst hoch eingeschätzt und geschätzt. Eindeutig war das auch jener Bonus gewesen, der schon den Walldorfern zu Gute gekommen war, als sie mit SAP America angetreten waren. Und wäre nicht die SAP-Nähe und das „Made in Germany“, nein, vielmehr das „Thought and engineered in Germany“ ein riesiger Bonus für itelligence in den USA?
Da rückte plötzlich ein faszinierender potentieller Kunde in den Fokus: Procter & Gamble mit seiner Firmenzentrale in Cincinnati! – Ich schnappte mir einen Stapel Visitenkarten, und los!
40 Leute waren wir damals in Bielefeld – das war ein solider Stützpunkt – aber war das auch ein ausreichendes Basislager für die Atlantik-Überquerung?
Es ist nicht mehr richtig auszumachen, sicher ist aber, dass Pioniergeist und sogar eine Portion Übermut im Spiel waren. Aber warum nicht?
Sofort tauchten ganz handfeste Fragen auf: Welche Rechtsformen gab es hierzulande? Mit welchem Stammkapital sollte man antreten? Wie damit umgehen, wenn man eine Green Card für gerade einmal 3 Monate erhielt? – Ja, eine Niederlassung, die heute mit 400 Leuten rund 100 Mio. Dollar Umsatz in den USA macht, war damals eine kecke Gründung.
Umgehend bekamen wir weitere kulturelle Unterschiede zu spüren. Da kam eine deutschstämmige Firma und trat in Amerika an. Einige erste Mitarbeiter aus Deutschland zogen im wahrsten Sinne mit, sie waren stolz darauf, dort zu arbeiten. Phasenweise waren es 10 bis 15 % der Mitarbeiter am neuen Standort, die aus Deutschland kamen. Das lag gewiss daran, dass die Nettoverdienste empfindlich höher waren, aber Amerika, das Land und die Idee, begeisterte einfach insgesamt ganz anders als etwa die schöne Schweiz, wohin von den damals 100 deutschen Mitarbeitern nur einer bis zwei gingen, als es um die dortige Gründung ging, oder die Niederlassung in Malaysia, wo jeweils fast ausschließlich Mitarbeiter von vor Ort bei der Gründung eingestellt wurden, und kaum ein Deutscher ging mit Alexander Gebhard in die Südsee, um itelligence Malaysia aufzubauen. Unsere Attraktivität als itelligence USA hingegen war groß – durch die Attraktivität Amerikas!
Das galt aber auch umgekehrt, wir waren genauso anziehend für unsere amerikanischen Mitarbeiter. Sie sahen sofort einen gravierenden Unterschied zu US-Arbeitgebern, denn wir waren keine hire & fire company, wie in Amerika üblich, es gab mehr Sozialleistung, man konnte den Chef quasi anfassen, so direkt waren wir alle im Kontakt miteinander.
Das trug dazu bei, dass nach kurzer Zeit unser Meilenstein-Projekt P&G eine erstklassige Visitenkarte im neuen Markt wurde. Es gelang uns eine höchst erfolgreiche Abwicklung mit gutem Gewinn. Wir hatten unser Büro in Downtown Cincinnati eröffnet. Und es ging weiter. Ein zweiter, dann dritter, dann vierter Kunde kam hinzu.
1997 erhielten wir den offiziellen Status als SAP-Partner, wurden globaler und dann Gold-Partner von SAP. Als wir 1999 die Übernahme von Missana Co. in Chicago ankündigten, saßen wir stabil im Sattel. Kurz träumten wir den Traum von einer zweiten Niederlassung in Atlanta – aber da kam die Krise des Jahres 2000, und wir schlossen sie wieder und konzentrierten uns auf unsere Zentrale in Cincinnati. Und das war gut so, wir mussten eine zwei, drei Jahre dauernde Talfahrt von Börse und Wirtschaft überstehen, aber in den Jahren 2000 und 2001, als es in Deutschland richtig schwierig war, lief das Geschäft in den USA stark, ja Amerika hat sogar als Vorbild gedient und die Homebase gestärkt. Heute machen wir dort rund 100 Mio. Dollar, sind in einem eigenen Gebäude, verfügen über ein Rechenzentrum.
Kann man also sagen, dass die andere Kultur, der Kulturunterschied letztlich genauso verlockend waren wie die geschäftlichen Möglichkeiten? Easy going? Man kann!
Sich in Amerika ein eigenes Haus zu leisten, war selbstverständlich, easy going! Die Steuerverhältnisse wurden als extrem freundlich dargestellt, easy going!
Wer offen war, sich umschaute, Chancen zu ergreifen verstand, konnte hier noch immer sein Eldorado finden. Easy going!
Das hat unser Geschäft sehr grundlegend geprägt. Nach dem dritten und vierten Kunden eroberten wir uns gezielt den amerikanischen Mittelstand. Und lernten dabei noch ganz andere, tiefersitzende Unterschiede im Umgang mit geschäftlichen und privaten Dingen.
Ein einzelner Kunde wurde (und wird) in Amerika fulltime betreut. Das ist nun nicht so ganz „easy going!“ und hat seinen Grund unter anderem in den großen Distanzen, die im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurückzulegen sind. Während es in Europa meist zwei, drei oder vier Kunden sind, die ein Berater in seinem Umkreis betreuen kann, ist dies auf dem US-Markt eher sehr selten, und man muss sich in Amerika meist auf einen Kunden konzentrieren und beschränken wegen der langen Anfahrten. Da wirkt sich die weitläufige Geografie ganz direkt im Way of Life aus: Montags hin zum Kunden, drei, vier Tage dort vor Ort gearbeitet und beraten, nachts im Hotel oder Appartment-Building, und donnerstags spät oder am Freitag früh wieder nach Hause. Im Flieger natürlich, weil die Distanzen so groß sind. Eine ganz fantastisch anmutende Arbeitssituation: mit dem Flieger zur Arbeit …
Natürlich hat das Auswirkungen auf das Familienleben, das Privatleben, den Freundeskreis. Und insgesamt formuliert sich da ein kultureller Unterschied, der das ganze Leben und Wirken betrifft: Wer drei bis fünf Tage „draußen“ bei seinem einen Kunden sitzt, der sitzt eben nicht zwischendurch immer wieder im Büro und in der Zentrale. Der hat deshalb auch ganz andere, nämlich „dünnere“ Kollegen-Kontakte und Bindungen an seine Firma.
Diese Kontakte müssen in den USA anders geleistet werden. Mitarbeiter-Tage etwa werden extrem wichtig als Bindemittel zu Kollegen, Teamleitern und Arbeitgebern. Die gesamte interne Kommunikation läuft anders, braucht andere Verbindlichkeiten und Verbindungen. Der tägliche Schwatz am Kaffee-Automaten bildet hier keine Gemeinschaft aus – und das könnte rasch zu einer bedenklichen Anonymität der Berater führen. Ein jährlich stattfindender Mitarbeiter-Tag mit 90 Prozent der Beschäftigten wäre in Deutschland kaum vorstellbar. In Cincinnati findet der Mitarbeitertag ganz selbstverständlich so statt. Zweit Tage für dieses Fest? In Europa würde man das für eine Verrücktheit halten – in den USA ist es dagegen ein zweitägiges Come-together für alle 400 Leute nicht nur easy going, es ist nachgerade nötig, weil die Mitarbeiter und Berater sich hier sehen, weil sie hier ihren Austausch verankern, hier ihre Zugehörigkeit bestätigen und ihre Rückbindung bekräftigen. – Da soll noch einer sagen, Kulturunterschiede seien weiche Faktoren. Die Wucht kultureller Faktoren prägt eminent!
Hinzu kommen Momente, welche die Entwicklungsmöglichkeiten beschreiben. Da ist die Kundenstruktur: itelligence hatte bis 1999 nur Großkunden. Durch die Übernahme von Missana kamen Mittelständler als Kunden hinzu. Das Geschäftsmodell hat sich heute in den USA und der BRD ziemlich angeglichen, sowohl kleine Kunden als auch Mittelständler und Großkunden. Es geht auch noch immer um den Verkauf von Lizenzen, um Implementierungen, um die ganze Palette der Dienstleistungen und des Handels, um Maintenance, Application Management und Hosting. Aber in den USA sind die Kunden im Verhältnis zu denen in der BRD um 30 bis 40 % größer.
Zusätzlich ist das Kundenverhalten ein leicht anderes: Die IT-Budgets sind etwas höher und man gibt insgesamt mehr Geld aus. Man stellt Leute ab, greift aber mehr auf Externe zurück – man will in USA nicht alles selber machen, wie das bei uns zuhause nach dem Go-Live Usus ist. Man schließt auch eher langfristige Verträge, was ebenfalls eine Mentalitätssache ist, eben wie das Alles-selber-machen in Deutschland.
Die Kundenbeziehungen sind stabiler, die Verweildauer ist größer, kann durchaus bei zehn, gar 15 Jahren liegen. Dagegen findet die Neu-Kunden-Akquise im US-Markt in einem ungeheuer viel schärferen Wettbewerb statt.
Zudem ist ja SAP in den USA nicht so gesetzt wie in Europa, so dass man sich mit den Wettbewerbsprodukten der Konkurrenten stärker auseinander setzen muss, da sind Oracle, da gibt es MS Axapta, während in Europa eine schnelle Entscheidung zu allem im Umfeld von SAP stattfindet. – Das hat nun meistens nichts mehr mit einem Easy going zu tun, wohl aber mit einem Different-going!
Einen Aspekt dieses Different-going habe ich persönlich sehr genossen. Als Gründer UND Vorstand nämlich wurde man im US-Markt ganz anders angesehen, als dies in Europa geschehen ist. In Amerika schafft das einen Mythos, der beliebt ist und sich gut weitererzählt. Nein, nicht um Eitelkeit geht es hier, sondern um die kommunikative Wirkung für das eigene Geschäft und für die Firma. Ich bin durchaus auch STOLZ auf dieses Ansehen, denn es ist auch heute noch etwas Besonderes, Head einer „amerikanischen Company“ zu sein, die jedoch aus Deutschland mitgegründet ist. Man gilt dann als „Pionier“, und das gibt dem Unternehmen einen guten, angesehenen Status.
In der Rückkoppelung gewissermaßen beflügelt dies wiederum das „heimische“ Geschäft und wirkt auf die ganze Unternehmung. Ursprünglich hatte ich zwar die „amerikanische Tochter“ von itelligence auch in Deutschland nicht so sehr in den Vordergrund gestellt. So wie auch ich selbst lange zuhause, in Bielefeld, nur wenigen als Unternehmer bekannt war, mit Ausnahmen des Industrie- und Handels-Clubs oder bei wenigen anderen Institutionen. Allmählich aber sind die Gebäude doch größer geworden, nicht nur die Kabelbäume und Festplatten sind gewachsen – und das fällt natürlich irgendwann auf. So schafften wir es beim Wettbewerb des schönsten Gebäudes in Bielefeld mit unserem schicken Neubau auf den zweiten Platz.
So war es ganz langsam passend, unser Branding zu verstärken. Neben unserem langjähren Handball-Engagement etwa durch unseren itelligence-Renn-Katamaran Elli, der jüngst die 91. Centomiglia, die große Regatta auf dem Gardasee, nach achteinhalb Stunden gewann. Das Boot liegt nun wieder in Travemünde im Heimathafen, aber so wie das Logo auf den Segeln des Kat, der deutlich flotter unterwegs ist als einst die Caravelle von Christoph Columbus, soll allmählich auch der Company-Name itelligence öfter gesehen und gelesen werden. – In den USA geht vieles von dieser Art nach wie vor über die Legendenbildung, über den Nimbus des „Pioniers“, über die American Company mit Wurzeln in good old Germany.
Eine Niederlassung in den USA gehörte nicht zur „Vision“ bei der Gründung, wenn es derlei in den frühen hitzigen Tagen überhaupt gab. Es war eher der Spaß daran, diesen Schritt zu wagen, diese Chance zu ergreifen. Es ging um die Freude am eigenen Mut und das Ausloten des Möglichen.
Es war ein Schritte in einem kontinuierlichen Geschäftsauf- und -ausbau bis zu einer Größenordnung von, sagen wir 100 Mio. Euro Umsatz. Bis dahin verläuft alles halbwegs linear und kann in Schritten entwickelt werden. Aber ab 200 Mio. Euro Umsatz spätestens muss man sich strategisch aufstellen, muss überlegen, wie in der Vielfalt der Entwicklungsstränge eine Einheit erhalten bleibt, muss für alle Länder geltende Aspekte vordenken.
Da wird nun einerseits die individuelle, persönliche Präsenz der amerikanischen Jahre nochmals ganz anders wichtig. Aber auch jenes große Thema, nämlich die verschiedenen Kulturen und ihre Auswirkungen auf das Ganze, bekommt neue Wucht. Das Eigenleben der Landesniederlassungen mit ihren eigenen Kulturen wird im Geflecht der gesamten Unternehmenskultur von größter Bedeutung. Das ist die nächste Herausforderung, das anstehende Go West!
Dabei werden wir noch viele Columbus-Reisen unternehmen. Und ganz sicher werden wir ständig neue Welten entdecken.