Die Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
»The Sisters Brothers« bei ecco,
an imprint of HarperCollins Publishers, New York.
Manhattan Bücher erscheinen
im Wilhelm Goldmann Verlag, München,
einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH.
1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung Juni 2012
Copyright © der Originalausgabe
2011 by Patrick deWitt
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2012
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Die Nutzung des Labels Manhattan erfolgt mit freundlicher
Genehmigung des Hans-im-Glück-Verlags, München
Umschlaggestaltung und Konzeption:
R·M·E, Roland Eschlbeck/Rosemarie Kreuzer
unter Verwendung eines Designs und einer Illustration
von © Dan Stiles
Redaktion: Martina Klüver
Satz: Uhl + Massopust, Aalen
ISBN 978-3-641-07364-0
Für meine Mutter
Ich saß draußen vor dem Anwesen des Kommodore und wartete darauf, dass mein Bruder Charlie herauskam und sagte, wie es um den neuen Auftrag stand. Es sah verdächtig nach Schnee aus, mir war kalt, und weil es sonst nichts zu tun gab, besah ich mir Charlies neues Pferd – Nimble. Mein neues Pferd hieß Tub. Normalerweise haben Pferde bei uns keine Namen, aber diese beiden hier gab es als Bezahlung für unseren letzten Auftrag, und sie hatten schon einen Namen. So war das eben. Die Pferde, die wir vorher hatten, solche ohne Namen, waren ein Opfer der Flammen geworden, deshalb brauchten wir neue. Nur dass mir Geld lieber gewesen wäre, denn dann hätten wir uns unsere Pferde selbst aussuchen können, solche ohne Vorgeschichte und Marotten und ohne Namen. Mein voriges Pferd war mir sehr ans Herz gewachsen, und ich hatte Alpträume und Gesichte von seinem Tod. Von brennenden Pferdeläufen, die nach Flammen auskeilen, von kochend quellenden Augen. Es konnte laufen wie der Wind, sechzig Meilen am Tag machte es mit links, deshalb hätte ich es auch nie mit der Peitsche geschlagen. Und so vermied ich jeden Gedanken daran, wie es in der Scheune verbrannt war. Aber Alpträume und Gesichte kommen ungebeten – wer wollte dagegen etwas machen! Mein neues Pferd war zwar ein kerngesundes Tier, doch es hätte besser zu einem anderen, weniger anspruchsvollen Besitzer gepasst. Es war korpulent, hing im Rücken durch, und mehr als fünfzig Meilen täglich waren nicht drin. Deswegen war ich oft gezwungen, die Peitsche zu Hilfe zu nehmen, was manchen Leute ja sogar Spaß bereitet, mir jedoch gar nicht behagte. Denn dann hielt mich mein Pferd Tub womöglich für einen groben Patron und brutalen Menschen, und das wollte ich nicht. Ich wollte nicht, dass sich mein Pferd jeden Tag aufs Neue sagte, was für ein Trauerspiel das Leben war.
Ich spürte einen Blick auf mir und sah von Charlies Pferd Nimble weg. Charlie schaute aus dem Fenster im Obergeschoss auf mich herunter und hielt fünf Finger in die Höhe. Ich reagierte nicht, also schnitt er noch eine Grimasse, um mir wenigstens ein Lächeln abzugewinnen. Ich aber lächelte ganz und gar nicht, deshalb erschlaffte sein Gesicht, und er zog sich vom Fenster zurück und war von da nicht mehr zu sehen. Mir war klar, dass er gemerkt hatte, mit welchen Augen ich sein Pferd ansah. Noch am Morgen hatte ich vorgeschlagen, dass wir mein Pferd Tub verkaufen und gemeinsam ein neues kaufen, wovon jeder die Hälfte zahlen sollte. Erst fand er das nur gerecht, aber schon beim Mittagessen wollte er die Sache verschieben, bis der Auftrag erledigt war. Was eigentlich keinen Sinn ergab, denn das Problem mit meinem Pferd Tub war ja gerade, dass es uns bei der Durchführung des Auftrags behinderte – weswegen es also nicht gleich ersetzen? Das Bratenfett in Charlies Schnurrbart bewegte sich mit jedem Wort, als er sagte: »Nach dem Auftrag ist es am besten, Eli.« Er konnte ja auch nicht klagen, sein Pferd Nimble war mindestens gleich gut, wenn nicht sogar besser als sein voriges, namenloses Pferd. Vor allem hatte er es sich aussuchen können, weil ich zu diesem Zeitpunkt noch an einer Fleischwunde laborierte, die ich mir bei unserem letzten Auftrag am Bein zugezogen hatte, und im Bett lag. Kurz und gut, mir sagte mein Pferd Tub überhaupt nicht zu, während mein Bruder mit seinem Pferd Nimble ganz zufrieden war. Das war im Großen und Ganzen der Ärger mit den Pferden.
Charlie bestieg sein Pferd, und wir ritten gemeinsam zum Schweinekönig. Obwohl seit unserem letzten Besuch in Oregon City erst zwei Monate vergangen waren, zählte ich auf der Hauptstraße fünf neue Geschäfte, die allem Anschein nach sogar gut liefen. »Dies ist eine findige Spezies«, sagte ich zu Charlie, der mir darauf keine Antwort gab. Wir saßen hinten im Schweinekönig und bekamen als Erstes unsere gewohnte Branntweinflasche sowie zwei Gläser. Charlie schenkte mir ein, obwohl wir uns normalerweise immer selber bedienen, daher kam die schlechte Nachricht nicht überraschend, als Charlie endlich damit herausrückte: »Also diesmal bin ich der Anführer, Eli.«
»Sagt wer?«
»Sagt der Kommodore.«
Ich trank meinen Brandy. »Und das heißt?«
»Das heißt, dass ich von jetzt an das Sagen habe.«
»Und was ist mit dem Geld?«
»Ich kriege diesmal mehr als sonst.«
»Ich meine, was ist mit meinem Geld?«
»Du kriegst weniger.«
»Wieso?«
»Der Kommodore sagt, mit einem Anführer hätte es beim letzten Mal nicht solche Probleme gegeben.«
»Das ist Unsinn.«
»Kein Unsinn.«
Er goss mir nach, und ich trank und sagte zu Charlie – ebenso wie zu mir selbst: »Wenn er Geld für einen Anführer ausgeben will, soll er. Aber nicht vom Geld der Untergebenen, so was ist klein und mies. Seinetwegen hatte ich die Fleischwunde am Bein, außerdem ist mein Pferd verbrannt.«
»Mein Pferd ist auch verbrannt. Deshalb hat er uns neue Pferde besorgt.«
»Es ist trotzdem klein und mies. Und hör auf, mir dauernd nachzugießen, ich bin kein Krüppel.« Ich nahm ihm die Flasche aus der Hand und fragte nach Einzelheiten des neuen Auftrags. Es ging um einen Goldsucher in Kalifornien, Hermann Kermit Warm. Den sollten wir finden und töten. Charlie zog einen Brief aus der Jackentasche. Der Brief war von einem Scout des Kommodore, einem Lackaffen namens Henry Morris, der uns oft vorausritt, um zusätzliche Informationen zu sammeln. »Was den Charakter und die Gepflogenheiten von Warm betrifft, so kann ich nach vielen Tagen der Observation Folgendes berichten: Er ist ein Einzelgänger, frequentiert aber oft die Saloons von San Francisco, wo er seine wissenschaftlichen und mathematischen Bücher liest und selbige am Rand mit allerlei Zeichnungen versieht. Diese Bücher trägt er beständig mit sich (an einem Büchergurt wie ein Schuljunge!) und erntet deswegen nicht selten Hohn und Spott. Außerdem ist er klein von Gestalt, was der ganzen Farce die Krone aufsetzt. Doch ist Vorsicht geboten, denn er duldet es nicht, wegen seiner Größe verlacht zu werden, und ich habe ihn etliche Male in Raufhändeln erlebt. Wiewohl er in diesen gemeinhin unterliegt, darf bezweifelt werden, ob seine Kontrahenten auf eine Wiederbegegnung mit ihm erpicht sind. So schreckt er zum Beispiel nicht davor zurück, seine Gegner zu beißen. Warm ist obendrein vollständig kahl und nennt einen wilden roten Vollbart sein Eigen. Seine Arme sind lang und sehnig, und sein Bauch wölbt sich wie bei einer schwangeren Frau. Er wäscht sich nur selten und schläft, wo er gerade ein Plätzchen findet, gleich ob in Scheunen, Toreingängen oder gar auf der Straße. Sobald er den Mund aufmacht, ist sein Ton schroff und wenig einnehmend. Er trägt einen Colt Baby Dragoon mit sich, die Waffe steckt in seiner Bauchbinde. Er trinkt nicht oft, aber wenn, dann bis zur Besinnungslosigkeit. Seinen Whiskey zahlt er mit reinem Goldstaub aus einem Beutel, den er mit einer Schnur an seiner Person befestigt hat und unter etlichen Schichten Kleidung verwahrt. Seit ich hier bin, hat er die Stadt kein einziges Mal verlassen, und ich weiß nicht, ob er je an seinen Claim zurückzukehren gedenkt. Der Claim befindet sich übrigens zehn Meilen östlich von Sacramento (siehe beiliegende Landkarte). Gestern im Saloon bat er mich um ein Streichholz, wobei er mich höflich und mit Namen ansprach. Mir ist schleierhaft, woher er weiß, wie ich heiße, denn bis jetzt schien ihm nicht aufzufallen, dass ich ihn beschatte. Als ich ihn daraufhin fragte, woher er meinen Namen kenne, wurde er grob, und ich trat den Rückzug an. Auch wenn mir dieser Mann nicht gleichgültiger sein könnte, so gibt es nicht wenige, die seine außergewöhnliche Willensstärke bewundern. Diese Eigenschaft kann ich bestätigen, doch ist meine Wertschätzung damit erschöpft.«
Außer einer Lagekarte von Warms Claim hatte Morris auch eine Zeichnung des Mannes angefertigt, doch war diese so stümperhaft, dass ich unseren Mann selbst von Angesicht zu Angesicht nicht wiedererkannt hätte. Ich sagte das auch zu Charlie, und Charlie meinte: »Morris wartet auf uns in einem Hotel in San Francisco. Er wird uns Warm zeigen, dann können wir uns an die Arbeit machen. Nach allem, was ich höre, ist es ein Leichtes, jemanden in San Francisco aus dem Weg zu räumen, denn entweder sind die Leute dabei, ihre Stadt niederzubrennen, oder gerade mit dem Wiederaufbau beschäftigt.«
»Warum erledigt ihn Morris nicht selbst?«
»Das fragst du immer. Aber ich kann nur immer wieder betonen: Es ist unser Job, nicht seiner.«
»Es ist dumm. Der Kommodore kürzt mir den Lohn, aber bezahlt gleichzeitig diesen Stümper – nur damit Warm rechtzeitig gewarnt ist.«
»Morris ist kein Stümper, Bruderherz. Er hat vorher noch nie einen Fehler gemacht und verschweigt uns auch nicht, dass er aufgeflogen ist. Das verrät mehr über Warm als über Morris.«
»Aber der Mann schläft auf der Straße. Was hindert Morris daran, ihn nachts abzuknallen?«
»Ihn hindert vielleicht die Tatsache, dass er kein Killer ist?«
»Warum ihn also überhaupt auf Warm ansetzen? Warum hat uns der Kommodore nicht einen Monat früher hingeschickt?«
»Weil wir einen Monat früher noch einen anderen Auftrag hatten? Du vergisst, der Kommodore ist ein vielbeschäftigter Mann – mit ebenso vielen Verpflichtungen, um die er sich nur nacheinander kümmern kann. Nicht umsonst sagt er: Ein übereiltes Geschäft ist ein schlechtes Geschäft. Wenn du dafür einen Beweis brauchst, schau dir nur seine vielfältigen Erfolge an.«
Es machte mich ganz krank, wenn ich ihn so ehrfürchtig über den Kommodore reden hörte. Ich sagte: »Wir brauchen Wochen bis nach Kalifornien. Warum dieser lange Ritt, wenn wir nicht müssen?«
»Wir müssen aber, so lautet der Auftrag.«
»Und was, wenn Warm nicht mehr da ist?«
»Er ist da.«
»Und was, wenn nicht?«
»Verdammt, er wird da sein!«
Als es ans Zahlen ging, sagte ich zu Charlie: »Der Anführer zahlt.« Normalerweise teilen wir uns die Zeche, daher schmeckte ihm das gar nicht. Aber mein Bruder war schon immer ein alter Geizkragen gewesen, das hatte er von unserem Vater.
»Nur dieses eine Mal«, sagte er.
»Du bist der Anführer – mit Anführerlohn.«
»Du konntest den Kommodore noch nie leiden. Er dich allerdings auch nicht.«
»Ich kann ihn sogar immer weniger leiden«, sagte ich.
»Wenn du die Last so unerträglich findest, dann sag es ihm.«
»Charlie, du wirst erfahren, wenn mir die Last unerträglich wird. Du wirst es erfahren – und er auch.«
Mit solchen Nickligkeiten hätte es weitergehen können, aber ich ließ meinen Bruder allein und ging in mein Hotelzimmer gegenüber, auf der anderen Seite der Straße. Ich mag mich nicht streiten, schon gar nicht mit Charlie mit seinem Mundwerk, das über die Maßen gemein sein kann. Später am Abend hörte ich von meinem Zimmer aus, wie es zwischen ihm und ein paar Männern auf der Straße zu einem Wortwechsel kam. Ich horchte genauer hin, nur um sicherzugehen, dass er nicht in Gefahr war. War er aber nicht. Die Männer fragten ihn nach seinem Namen. Er gab ihnen Antwort, und sie ließen ihn in Frieden. Natürlich wäre ich ihm sofort zu Hilfe gekommen, war sogar schon dabei, mir die Stiefel anzuziehen, aber da hatte sich die Gruppe schon zerstreut. Dann hörte ich Charlie auf der Treppe und sprang schnell ins Bett und stellte mich schlafend. Er steckte kurz den Kopf in die Tür, sagte meinen Namen, da ich jedoch nicht reagierte, schloss er die Tür wieder und ging in sein eigenes Zimmer. Unterdessen lag ich im Dunkeln wach und dachte darüber nach, wie schwierig es in einer Familie zugehen kann und wie anders wir uns entwickelt haben, obwohl wir vom selben Stamme sind.
Am nächsten Morgen regnete es – unaufhörlich und kalt, wodurch sich die Straßen in eine morastige Suppe verwandelten. Vom vielen Brandy hatte es Charlie am Magen, und ich ging in die Apotheke, um Medizin gegen die Übelkeit zu holen. Man gab mir ein himmelblaues, geruchloses Pulver, das tat ich ihm in den Kaffee. Was darin enthalten war, weiß ich nicht, aber Charlie wurde sofort kregel und saß in null Komma nichts auf seinem Pferd Nimble. Offenbar machte das Zeug auf eine Weise wach, die dem Wahnsinn nahekam. Nach zwanzig Meilen machten wir in einem trostlosen Waldstück Rast, wo im Sommer zuvor ein Buschfeuer gewütet hatte. Kaum hatten wir gegessen und wollten weiter, als wir einen Mann sahen, der sein Pferd am Zügel führte. Wäre er einfach an uns vorbeigeritten, hätten wir vielleicht kein Wort darüber verloren, so aber, zu Fuß, erschien uns der Anblick nicht normal. »Warum guckst du nicht nach, was mit dem Kerl los ist?«, sagte Charlie.
»Verstehe, es handelt sich wohl um einen Befehl vom Anführer,« sagte ich. Er antwortete nicht, und ich dachte bei mir: Der Witz nutzt sich allmählich ab. Ich habe ihn danach auch nicht wieder angebracht. Ich nahm also mein Pferd Tub und ritt dem Fremden hinterher. Als ich auf seiner Höhe war, sah ich, dass er weinte, und stieg ab. Ich bin nicht gerade klein gewachsen und eher von schwerer Statur und erscheine Fremden gegenüber leicht als grober Patron und brutaler Mensch, entsprechend war der Schrecken auf seiner Miene. Zu seiner Beruhigung sagte ich: »Keine Angst, Mister, ich tue Ihnen nichts. Es ist nur, mein Bruder und ich essen gerade zu Mittag. Ich habe zu viel gemacht und möchte Sie fragen, ob Sie Hunger haben?«
Der Mann wischte seine Tränen mit der Hand weg und holte tief Luft, wobei ein Beben seinen Körper erschütterte. Er wollte antworten, öffnete sogar den Mund, doch kein Laut entrang sich seiner Brust. In seinem verzweifelten Zustand war eine Verständigung mit ihm offenbar unmöglich.
Ich sagte: »Ich sehe, Sie haben Kummer und möchten in Ruhe Ihren Weg fortsetzen. Falls ich Sie gestört habe, entschuldige ich mich und kann nur hoffen, Sie finden an Ihrem Ziel etwas Erfreulicheres vor.« Ich stieg wieder auf mein Pferd Tub und bemerkte auf halbem Weg zu unserem Lagerplatz, dass Charlie aufgestanden war und mit dem Revolver in meine Richtung zielte. Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass mir der Weinende auf seinem Pferd folgte, wenngleich wohl nicht in böser Absicht. Ich signalisierte Charlie, die Waffe zu senken. Kurz darauf ritt der Weinende neben mir her und sagte: »Ich nehme Ihre Einladung an.« Am Lager angekommen, fasste Charlie das Pferd des Fremden an der Trense und sagte: »An Ihrer Stelle würde ich mich einem Mann nicht so von hinten nähern. Ich dachte schon, Sie hätten es auf ihn abgesehen, und hätte Sie beinahe über den Haufen geschossen.« Der Weinende jedoch antwortete lediglich mit einer wegwerfenden Geste, so als sei die Warnung vollkommen unerheblich, was Charlie überraschte. Daher sah mich Charlie an und fragte: »Wer ist dieser Mensch?«
»Er ist völlig verwirrt. Ich habe ihm etwas zu essen angeboten.«
»Außer Zwieback haben wir nichts mehr.«
»Dann mache ich ihm noch etwas.«
»Das lässt du schön bleiben.« Charlie nahm den Weinenden in Augenschein. »Was für ein Jammerlappen!«
Da räusperte sich der Weinende und sagte: »Es zeugt nicht von Intelligenz, sich über anwesende Dritte zu äußern, als wären sie nicht da.«
Charlie wusste offenbar nicht, ob er lachen oder zuschlagen sollte. Zu mir gewandt, sagte er: »Jetzt spinnt er total.«
»Bitte sehen Sie sich vor, was Sie sagen«, riet ich dem Fremden. »Meinem Bruder ist heute nicht wohl.«
»Wohl genug«, sagte Charlie.
»Sein Mitgefühl mit der Welt hält sich heute in Grenzen«, sagte ich.
»Er sieht krank aus«, sagte der Weinende.
»Ich sagte, mir geht’s gut, verdammt.«
»Er ist vielleicht nicht ganz gesund«, sagte ich. Ich sah, dass Charlie mit seiner Geduld am Ende war, daher nahm ich schnell ein paar Scheiben Zwieback und drückte sie dem Mann in die Hand. Er sah sie an und begann auf einmal wieder zu weinen, bis sein Körper von Schluchzern geschüttelt wurde. »So war er auch vorhin, als ich ihn fand.«
»Was ist mit ihm?«
»Hat er nicht gesagt.« Ich sagte zu dem Weinenden: »Sir, was ist mit Ihnen?«
»Sie sind fort!«, rief er. »Alle. Alle sind sie fort.«
»Wer ist fort?«, fragte Charlie.
»Fort – ohne mich! Ich wollte, ich wäre tot. Ich will auch fort von hier, aber mit ihnen!« Er ließ den Zwieback fallen und zog mit seinem Pferd weiter. Alle zehn Schritte hielt er an, warf den Kopf nach hinten und stöhnte laut auf. Er machte das ganze drei Mal, bis wir uns abwandten und unseren Kram zusammenpackten.
»Ich frage mich, was er hat«, sagte Charlie.
»Irgendetwas Schlimmes hat ihn wahnsinnig gemacht. Davon ist er verrückt geworden.«
Als wir die Pferde bestiegen, war der Weinende verschwunden, und der Grund für seinen Schmerz blieb für immer ein Geheimnis.
Schweigend ritten wir weiter und hingen unseren eigenen Gedanken nach. Es gab zwischen uns das ungeschriebene Gesetz, es nach dem Essen langsam angehen zu lassen und nicht gleich wie die Wilden weiterzureiten. Unser Dasein war auch so schon schwer genug, sodass wir uns diesen Luxus gerne gönnten. Ich fand immer, dass gerade die kleinen Dinge darüber entschieden, ob man mit seinem Leben so weitermachen will oder nicht.
»Was hat dieser Hermann Warm eigentlich verbrochen?«
»Er hat etwas an sich genommen, was dem Kommodore gehört.«
»Was hat er denn genommen?«
»Dies werden wir noch früh genug sehen. Erst einmal geht es darum, ihn umzulegen.« Er ritt voraus und ich hinterher. Ich hatte schon früher über dieses Thema reden wollen, sogar vor unserem letzten Auftrag.
»Charlie, hast du dich eigentlich nie gewundert, dass alle diese Leute den Kommodore bestehlen wollten. So dumm kann doch eigentlich keiner sein – bei einem Mann, der überall gefürchtet ist.«
»Der Kommodore hat Geld, und Geld zieht Diebe an.«
»Und wie kommen sie an sein Geld? Wir kennen den Kommodore als vorsichtigen Mann, wie können sich hergelaufene Halunken an seinem Reichtum vergreifen?«
»Der Kommodore macht im ganzen Land Geschäfte, da kann er nicht an zwei Orten gleichzeitig sein, geschweige denn an hundert. Es bleibt gar nicht aus, dass er das Opfer von Kriminellen wird.«
»Der Kommodore als Opfer von Kriminellen?«
»Genau. Oder warum, glaubst du, braucht er Leute wie uns, um sein Vermögen zu schützen?«
»Opfer von Kriminellen!« Ich fand den Ausdruck, ehrlich gesagt, ziemlich komisch. Und stimmte dem Kommodore zu Ehren gleich das schmalzigste Liedchen an, das mir einfiel: »Als die Stadt begann zu reden, da wurd ihm das Herze schwer …«
»Von mir aus.«
»Dass sein Liebchen sei ein Nüttchen, so hieß die böse Mär …«
»Du bist nur sauer, weil ich jetzt der Anführer bin.«
»Für eine Handvoll Dollar vergab sie Ehr und Mann …«
»Aber soweit es mich betrifft, ist das Thema hiermit erledigt.«
»Ach, wie ein Unschuldslächeln den Braven täuschen kann …«
Trotzdem konnte sich Charlie ein Grinsen nicht verkneifen. »Was ist denn das für ein Lied?«
»Hab ich irgendwo gehört.«
»Ein trauriges Lied.«
»Die schönsten Lieder sind traurig.«
»Das hat Mutter auch immer gesagt.«
Ich zögerte, sagte dann aber: »Was nicht bedeutet, dass sie einen traurig machen.«
»Du bist in mancher Hinsicht wie Mutter.« Und nickte zur Bekräftigung.
»Du nicht. Du bist aber auch nicht wie Vater.«
»Ich bin wie niemand.«
Er sagte dies ganz beiläufig, doch solche Bemerkungen beendeten normalerweise jede Unterhaltung. Er zog davon, und ich ließ ihn reiten, sah ihm nur hinterher. Er wusste natürlich, dass ich ihn von hinten beobachtete. Dann gab er seinem Pferd die Sporen, und ich musste zusehen, dass ich aufschloss. So lief es eigentlich immer, er gab den Takt vor und bestimmte unser Tempo. Doch aus irgendeinem Grund kam es mir so vor, als sei ich in Wahrheit sein Verfolger.
Die Spätwintertage waren kurz, und wir hielten in einem ausgetrockneten Flussbett, um dort unser Nachtlager aufzuschlagen. So eine Szene kommt oft in Groschenromanen vor: zwei hartgesottene Reiter, die sich am Lagerfeuer ihre Weibergeschichten erzählen oder sentimentale Lieder singen, in denen es um Tod und Spitzenmieder geht. Ich kann aber versichern, nach einem ganzen Tag im Sattel will ich nur noch schlafen. Genau das tat ich auch an diesem Tag, verzichtete sogar auf das Abendessen. Als ich am nächsten Morgen meine Stiefel anzog, verspürte ich einen scharfen Schmerz an meinem linken Zeh. Ich schüttelte den Stiefel aus, und heraus fiel, entgegen meiner Erwartung, nicht etwa ein spitzer Zweig oder dergleichen, sondern eine große haarige Spinne. Sie fiel auf den Rücken und betätigte ihre acht Beine in der kalten Luft. Augenblicklich raste mein Puls, und mir wurde schwindlig, denn Spinnen machen mir Angst, Spinnen, Schlangen und alles, was kriecht und krabbelt. Charlie, der mich kannte, kam mir zu Hilfe und beförderte die Kreatur mit Hilfe seines Messers ins Feuer. Ich beobachtete, wie die Spinne zu einer qualmenden schwarzen Kugel verkohlte und starb. Ihr Todeskampf war schön anzusehen.
Dennoch schoss mir ein eisiger Schmerz am Schienbein hoch, und ich sagte zu meinem Bruder: »Dieses kleine Tier hat ganz schön Kraft, mein Bruder.« Sofort warf mich ein hohes Fieber nieder, sodass ich nicht wieder aufstehen konnte. Charlie war besorgt über mein aschfahles Gesicht und ritt, als mir auch die Stimme versagte, in die nächste Stadt nach einem Arzt, den er sodann nicht ganz freiwillig an unseren Lagerplatz schleppte. Zu diesem Zeitpunkt umfing mich bereits dichter Nebel, allerdings konnte ich den Mann fluchen hören, wann immer Charlie außer Hörweite war. Ich bekam eine Medizin oder ein Gegengift, dessen Wirkung zum Teil darin bestand, dass mir ganz anders wurde, selig-leicht wie betrunken. Wodurch ich plötzlich jedermann verzeihen und in einem fort Tabak rauchen wollte. Dies wurde abgelöst durch einen bleiernen Schlaf, in dem ich bis zum nächsten Abend lag. Als ich erwachte, saß Charlie immer noch am Feuer und sah mich lächelnd an.
»Weißt du, was du gerade geträumt hast?«, fragte er.
»Nein, ich erinnere mich nicht.«
»›Ich bin im Zelt‹, hast du gesagt.«
»Hilf mir beim Aufstehen.«
Er zog mich hoch, und kurz darauf stakste ich auf hölzernen Beinen über den Lagerplatz und verschlang dann trotz der Übelkeit eine ganze Pfanne mit Speck und Zwieback, den ich sogar bei mir behielt. Ich hielt mich für stark genug zum Reiten, und so ritten wir für vier, fünf Stunden gemächlich weiter, ehe wir erneut das Lager aufschlugen. Charlie fragte mich mehrmals, wie es mir ginge, und ich hätte ihm gern verlässliche Antwort gegeben, doch ehrlich gesagt, wusste ich es selber nicht. Ob es nun an dem Spinnengift lag oder dem Gegenmittel des bedrängten Doktors, ich war in meinem eigenen Körper nicht mehr daheim. Die folgende Nacht verbrachte ich unruhig und fiebrig, und als ich am Morgen aufwachte und Charlies Gruß erwiderte, schrie er bei meinem Anblick erschrocken auf. Ich fragte ihn, was los sei, und er reichte mir einen Blechteller, der sich als Spiegel benutzen ließ.
»Was ist das?«, fragte ich.
»Das ist dein Kopf, mein Freund.« Er stellte sich auf seine Absätze und pfiff anerkennend.
Die ganze linke Seite meines Gesichts war, vom Hals bis zum Scheitel, grotesk angeschwollen, erst an der Schulter normalisierte sich die Situation. Mein Auge war nur noch ein schmaler Schlitz, und Charlie, der seinen Humor wiedergefunden hatte, meinte, ich sähe aus wie ein Hund – und warf probeweise sogar ein Stöckchen. Ich lokalisierte die Ursache der Schwellung im Unterkiefer. Eine kurze Berührung der linken unteren Zahnreihe räumte jeden Zweifel aus. Sofort durchfuhr mich ein stechender Schmerz von Kopf bis Fuß und wieder zurück.
»Ich schätze mal, in deiner Rübe schwappen gerade fünf Liter Blut zusätzlich«, sagte Charlie.
»Woher hattest du eigentlich den Arzt? Wir sollten ihn noch einmal aufsuchen, dann kann er die Stelle punktieren.«
Doch Charlie schüttelte den Kopf. »Der Arzt von neulich fällt aus. Wir hatten eine unschöne Meinungsverschiedenheit hinsichtlich seines Honorars. Behandeln wird er dich voraussichtlich nicht mehr. Aber er erwähnte etwas von einer Siedlung weiter südlich. Dorthin sollten wir gehen, falls du das schaffst.«
»Ich glaube, ich habe keine andere Wahl.«
»Wie so oft im Leben, Bruderherz. Wie so oft im Leben.«
Auch wenn das bewaldete, leicht abschüssige Gelände leicht zu reiten war, ging es nur langsam vorwärts. Ich fühlte mich trotzdem eigenartig heiter, so, als sei alles nur ein Spazierritt. Leider stolperte dann mein Pferd Tub, wodurch meine Zähne aufeinanderschlugen und ich vor Schmerz aufheulte, was natürlich ziemlich lächerlich war. Um mein Gebiss zu schonen, schob ich mir einen Priem zwischen die Zähne. Bald schwamm mein Mund in Tabaksaft, den ich wegen der Schmerzen aber nicht ausspucken konnte. Also beugte ich mich nur nach vorn und ließ die Soße auf den Hals meines Pferdes Tub tropfen. Wir gerieten kurzzeitig sogar in ein Schneegestöber, doch mir waren die wilden Flocken ganz recht, denn sie kühlten mein Gesicht. Mein ganzer Kopf hatte mittlerweile Schlagseite, und Charlie, der mich immer wieder von allen Seiten beglotzte, sagte: »Man sieht es sogar von hinten. Man könnte denken, deine Haare sind geschwollen.« Um die Stadt mit dem unbezahlten Doktor machten wir einen großen Bogen, der nächste Ort lag auch nur wenige Meilen weiter. Ein namenloses Kaff mit einer einzigen Straße und weniger als hundert Einwohnern. Aber das Glück war mit uns, denn wir trafen dort auf einen Zahndoktor namens Watts, der vor seinem Geschäft saß und eine Pfeife schmauchte. Bei unserem Näherkommen grinste er und sagte: »Ist das nicht eine herrliche Profession – wo einem selbst der Anblick der Entstellten Freude bereitet!« Er führte mich in sein kleines, gut ausgestattetes Behandlungszimmer und ließ mich auf einem Ledersessel Platz nehmen, der vor Neuheit nur so quietschte. Dann zog er ein Instrumententablett heran und stellte mir allerlei Fragen zu meiner zahnmedizinischen Vorgeschichte, auf die ich zum Großteil keine befriedigenden Antworten hatte. Mir schien jedoch, dass er nichts davon wirklich wissen wollte, sondern einfach nur die Fragerei genoss.
Ich äußerte den Verdacht, dass mein Zahnproblem mit dem Spinnenbiss beziehungsweise dem Gegengift zu tun hatte, doch Watts meinte, dass zwischen beiden wohl kein medizinischer Zusammenhang bestünde. Allerdings räumte er ein, dass der menschliche Körper schon ein wahres Wunderwerk sei. »Und wer«, sagte er, »vermag so ein Wunderwerk schon bis ins Kleinste zu verstehen? Insofern kann es durchaus die Spinne gewesen sein oder auch eine Reaktion gegen das sogenannte Antidot des Doktors oder aber keines von beidem. Überhaupt, was spielt es für eine Rolle, weswegen Sie krank sind, habe ich recht?«
Da konnte ich ihm nur zustimmen, und Charlie sagte: »Ich hab Eli schon gesagt, jede Wette, in seiner Rübe schwappen fünf Liter feinstes Blut.«
Worauf Watts eine silberne Lanzette aus dem Etui nahm und, zurückgelehnt, meinen Kopf in Augenschein nahm wie eine monströse Büste und sagte: »Finden wir es heraus.«
Die Lebensgeschichte des Reginald Watts war eine der unglücklichsten, was geschäftliche Pleiten und private Schicksalsschläge anging, wenngleich er ohne Reue und Bitterkeit davon sprach. Tatsächlich schienen ihn die zahllosen Debakel sogar zu erheitern. »Ich bin als ehrlicher Mann auf die Nase gefallen, ich bin als Gauner auf die Nase gefallen. Ich bin sowohl in der Liebe als auch in der Freundschaft gescheitert. Nennen Sie mir irgendwas, ich habe es vermasselt. Na los, sagen Sie was, irgendwas.«
»Ackerbau«, sagte ich.
»Ich hatte einmal eine Rübenfarm, etwa hundert Meilen nordöstlich von hier. Nicht einen Penny damit verdient, kaum je eine Rübe hat das Licht der Welt erblickt. Ein entsetzliches Fiasko. Noch etwas.«
»Schifffahrt.«
»Ich besaß einmal Anteile an einem Raddampfer. Frachtverkehr auf dem Mississippi. Angeblich ließen sich damit geradezu unanständige Gewinne machen – bis ich kam. Schon auf der zweiten Fahrt sank der Kahn auf den Grund des großen Flusses. Natürlich nicht versichert, weil ich mir die wenigen Dollar Prämie sparen wollte. Kann auch daran gelegen haben, dass ich das Schiff umbenannt habe, von Strandschneckchen zu Bienenkönigin. Aber Strandschneckchen erschien mir unsittlich. Jedenfalls habe ich im wahrsten Sinn des Wortes Schiffbruch erlitten und eine fulminante Pleite hingelegt. Meines Wissens wollten mich die anderen Investoren sogar lynchen. Also hing ich einen Abschiedsbrief an die Tür, in dem ich meinen Selbstmord annoncierte, und floh vor der Schande nachts aus der Stadt, leider unter Zurücklassung meines guten Weibes, was mir selbst heute, viele Jahre danach, schmerzlich nahegeht.« Dann schwieg der Doktor, schüttelte den Kopf und sagte: »Noch mehr Geschichten gefällig? Nein, lieber nicht, ich bin müde des Redens über die Missgeschicke des Lebens.«
»Dann sind wir schon zwei«, sagte Charlie, der zeitunglesend in der Ecke saß.
Ich sagte: »Aber wenigstens hier scheint es jetzt zu klappen, Doc.«
»Sieht nicht so aus«, sagte er. »Sie sind mein dritter Kunde in drei Wochen. Mir kommt es fast so vor, als stünde Zahngesundheit in diesem Teil der Welt nicht an oberster Stelle. Wenn es so weitergeht, bin ich auch als Dentist binnen Kurzem erledigt. Vielleicht noch zwei Monate, dann sperrt mir die Bank den Laden zu.« Er hielt mir eine lange, tropfende Nadel vors Gesicht. »Das piekst jetzt ein wenig, mein Sohn.«
»Aua!«, sagte ich.
»Wo haben Sie die Zahnheilkunde studiert?«, fragte Charlie.
»Bei einem höchst angesehenen Institut«, erwiderte er. Den hämischen Zug um seine Lippen übersah ich dabei.
»Soweit ich weiß, benötigt man für das Studium mehrere Jahre?«
»Jahre?«, entgegnete Watts und musste lachen.
»Wie lange denn?«
»Also in meinem Fall: so lange, wie es braucht, um sich vermittels einer Schautafel ein paar Leitungsbahnen einzuprägen. Anders ausgedrückt, so lange wie die Lieferzeit für die Instrumente, die mir diese Narren auf Pump überlassen haben.« Ich warf Charlie einen Blick zu, doch der zuckte nur die Schultern und las weiter in seiner Zeitung. Ich fasste mir an die Backe und stellte beinahe erschrocken fest, dass dort kein Gefühl mehr vorhanden war.
Watts sagte: »Na, was sagen Sie? Jetzt könnte ich Ihnen jeden Zahn im Mund ziehen, und Sie würden nicht das Geringste merken.«
Charlie senkte die Zeitung und sah zu uns hinüber. »Sag mal, fühlst du wirklich nichts?« Ich schüttelte den Kopf, und er fragte Watts: »Wie kommt man an dieses Zeug?«
»Gar nicht, das kriegen nur Ärzte und Leute vom Fach.«
»Es wäre auch in unserem Fach ganz nützlich. Was halten Sie davon, wenn Sie uns etwas davon verkaufen?«
»So ein Mittel wird nicht gerade fassweise geliefert«, sagte Watts.
»Wir zahlen ihnen einen fairen Preis.«
»Tut mir leid, aber die Antwort heißt nein.«
Charlie sah mich mit leeren Blick an, und sein Gesicht verschwand wieder hinter der Zeitung.
Watts punktierte mein Gesicht an drei verschiedenen Stellen, und überall quollen farbenfrohe Flüssigkeiten heraus. Nur im Kopf blieb etwas zurück, das aber von selbst abfließen würde, wie Watts versicherte, und dass das Schlimmste somit überstanden sei. Anschließend zog er noch die beiden Übeltäter von Zähnen, doch ich hatte für die schmerzlose Brachialmethode nur ein Lachen übrig. Lediglich Charlie konnte das alles nicht mitansehen und zog sich in den Saloon auf der anderen Straßenseite zurück. »Feigling!«, rief ihm Watts hinterher, während er die Löcher vernähte und meinen Mund mit Watte ausstopfte. Anschließend führte er mich an ein Marmorwaschbecken und zeigte mir ein zierliches Bürstchen mit langem Griff und grauweißen Borsten. »Dies«, sagte er, »dies ist eine Zahnbürste. Sie hält die Zähne sauber und sorgt für reinen Atem. Ich zeige Ihnen, wie sie funktioniert.« Der Doktor demonstrierte mir den korrekten Gebrauch der Bürste und blies mir seinen minzfrischen Atem ins Gesicht. Dann gab er mir ebenfalls eine von diesen Bürsten und dazu ein sogenanntes Zahnpulver, das den minzfrischen Schaum machte, und sagte, ich könne alle diese Gegenstände behalten. Ich wollte protestieren, doch er sagte, es handle sich um kostenlose Proben des Herstellers. Ich zahlte zwei Dollar fürs Zahnreißen, worauf er die Whiskeyflasche hervorholte, um auf das, wie er es nannte, Geschäft auf Gegenseitigkeit anzustoßen. Alles in allem erlebte ich Watts als freundlichen, umgänglichen Menschen und bedauerte sehr, als Charlie dann in den Laden gestürmt kam und den guten Doktor die Pistole vor die Nase hielt und brüllte: »Ich habe ehrlich versucht, mit dir ins Geschäft zu kommen, oder etwa nicht?« Er war rot im Gesicht vom vielen Branntwein.
»Ich frage mich, woran ich dieses Mal pleitegehe«, sagte Watts verloren.
»Weiß ich nicht, ist mir auch egal. Eli, nimm die Nadeln und die betäubende Medizin. Watts, du holst mir einen Strick, aber schnell. Wenn du irgendeine krumme Tour versuchst, blase ich dir ein Loch ins Hirn.«
»Ich habe zuweilen das Gefühl, da ist schon eines.« Zu mir gewandt, sagte er: »Das Streben nach Geld und einem angenehmen Leben hat mich müde gemacht. Achte gut auf deine Zähne, mein Sohn, und halte deinen Mund sauber. Dann bleibt dein Atem frisch, und deine Worte klingen umso süßer, hab ich nicht recht?«
Charlies Faust traf ihn am Ohr und setzte damit seiner Rede den Schlusspunkt.
Wir ritten bis zum Abend und bis mir so schwindlig wurde, dass ich meinte, aus dem Sattel zu kippen. Ich fragte Charlie, ob wir nicht irgendwo übernachten könnten. Er war auch dafür, aber nur, wenn wir irgendwo ein Dach über dem Kopf fänden, denn es sah nach Regen aus. Dann roch er irgendwo Kaminfeuer. Wir ritten dem Geruch nach, bis wir eine Hütte erblickten mit einem schwachen Flackerlicht im einzigen Fenster und Rauch, der gleich zerzauster Watte aus dem Rohr kam. Eine Alte, gehüllt in Lumpen und eine alte Flickendecke, öffnete auf unser Klopfen. Lange graue Haare sprossen ihr am Kinn, und ihr halb geöffneter Mund starrte vor schwarzen Zahnklüften. Charlie stand vor ihr, ergeben den Hut wringend, und berichtete bühnenreif von erlittener Not. Das quallige Auge der Alten fiel auf mich, und sofort überkam mich ein Schauder. Wortlos watschelte sie zurück in den Raum, und ich hörte das Scharren eines Stuhls. Charlie wandte sich zu mir und fragte: »Was meinst du?«
»Reiten wir lieber weiter.«
»Aber sie hat uns die Tür aufgemacht.«
»Mit ihr stimmt etwas nicht.«
Er trat gegen einen Schneehaufen. »Wenigstens kann sie einen Ofen stochen, was willst du mehr? Wir wollen ja nicht ewig hierbleiben.«
»Trotzdem, reiten wir lieber weiter«, wiederholte ich.
»Tür zu!«, rief die Alte.
»Also ich würde mich schon gerne ein paar Stunden aufwärmen«, sagte Charlie.
»Ich bin hier der Kranke. Und ich will weiter.«
»Ich bin dafür hierzubleiben.«
Der Schatten der Alten huschte über die Rückwand der Hütte, ehe sie selbst erneut im Türrahmen erschien. »Tür zu!«, kreischte sie. »Tür zu, Tür zu!«
»Siehst du, sie bittet uns herein.«
Natürlich bittet sie uns herein, dachte ich. Aber nur weil sie uns zum Fressen gern hat. Ich war indes zu schwach, um Widerstand zu leisten, und ließ mich von meinem Bruder in die Hütte schieben.
Darin befanden sich ein Tisch, ein Stuhl sowie ein schmutziger Strohsack. Charlie und ich setzten uns vor dem Kamin auf die nackten krummen Dielen. Die angenehme Wärme des Feuers beruhigte mich zumindest zeitweise. Die Alte setzte sich an den Tisch und sprach kein einziges Wort. In ihrer Lumpenvermummung blieb ihr Gesicht gänzlich unsichtbar, doch kamen jetzt ihre Hände zum Vorschein. Sie griffen nach dem Haufen glanzloser roter und schwarzer Perlen oder Steine auf dem Tisch und reihten sie auf ein Stück Draht, so, als wolle sie daraus eine Halskette oder ein anderes Schmuckstück machen. Auf dem Tisch stand auch eine Lampe, sie flackerte in trübem Gelb und blakte.
»Wir sind Ihnen sehr verbunden, Ma’am«, sagte Charlie. »Der Gesundheitszustand meines Bruder erlaubt es nicht, auf freiem Feld zu nächtigen.« Als die Alte darauf nicht antwortete, äußerte Charlie den Verdacht, sie sei womöglich taub. Da sagte die Alte: »Ich bin nicht taub!«, führte ein Stück Draht an ihren Mund und nagte so lange daran herum, bis er durchtrennt war.
»Nichts für ungut, es war nur eine Vermutung«, sagte Charlie. »Und wenn Sie mir die Bemerkung gestatten: Ihre Tatkraft und Verständigkeit kann eigentlich keinem Mann entgehen, der in Ihr sorgsam geführtes Haus eintritt.«
Sie legte Draht und Perlen hin und drehte uns ihr verdüstertes Gesicht zu. »Ihr glaubt wohl, ich wüsste nicht, was ihr für Strauchritter seid?«, sagte sie und deutete mit einem eher gebrochenen als gebrechlichen Finger auf unsere Pistolengurte. »Oder wer gebt ihr vor zu sein? Und warum?«
Da änderte sich Charlies Gehabe von Grund auf, und er zeigte mehr sein wahres Gesicht. »Na schön«, sagte er. »Wer also sind wir?«
»Würdet ihr euch nicht gedungene Mörder nennen?«
»Du meinst, weil wir Waffen tragen, sollen wir Mörder sein?«
»Nein, weil ich die vielen toten Männer sehe, die euch auf eurem Weg folgen.«
Mir sträubten sich die Haare. Es war lachhaft, doch ich wagte nicht, meinen Kopf nach ihr zu wenden. Charlie hingegen blieb absolut kalt. »Fürchtest du, dass wir auch dich töten?«
»Ich fürchte nichts, am wenigsten eure Kugeln und eure Rede.« Dann sah sie mich an und fragte: »Fürchtest du, dass ich dich töte?«
»Ich bin sehr müde«, wich ich aus.
»Dann nimm das Bett«, wies sie mich an.
»Und wo wirst du schlafen?«
»Ich schlafe nicht. Ich muss meine Arbeit zu Ende bringen. Morgen früh bin ich größtenteils nicht mehr hier.«
Charlies Miene verhärtete sich. »Die Hütte gehört dir gar nicht, stimmt’s?«
Da erstarrte sie und schien nicht einmal mehr zu atmen. Sie zog sich das Lumpentuch vom Kopf, und im Schein von Kamin und Lampe erkannte ich, dass sie so gut wie keine Haare mehr hatte, nur einzelne weiße Büschel. Auch war ihr Schädel an vielen Stellen an- oder eingedrückt wie ein alter Apfel und hätte, so wollte mir scheinen, jedem Daumendruck nachgegeben. »So wie jede Glocke einen Ton hat«, sagte die Alte, »hat auch das menschliche Herz seinen Ton. Der Ton deines Herzens aber ist beklemmend anzuhören, junger Mann. Er tut meinen Ohren weh, ebenso wie deine Augen meinen Augen wehtun, sobald ich sie ansehe.«
Es folgte ein langes Schwiegen, in dessen Verlauf sich Charlie und die alte Hexe nur anstarrten. Nichts an ihren Mienen verriet mir ihre Gedanken. Dann zog sich die Alte das Tuch über den Kopf und nahm ihre Handarbeit wieder auf. Charlie legte sich auf den Boden, ich ebenfalls. Ich verschmähte also das Bett, denn mich ängstigte die Frau, und ich hielt es für das Sicherste, nah bei Charlie zu schlafen. Gleichzeitig war ich so erschöpft, dass ich augenblicklich in einen Traumzustand sank, in dem ich mich leider wiederum in diese Hütte versetzt sah, nur diesmal wie ein fremder Beobachter, der auf den eigenen schlafenden Körper hinabblickte. Da erhob sich die alte Frau und kam zu uns. Mir brach der Schweiß aus, mein Körper begann zu zucken, doch Charlie lag ganz still und ruhig, als die Alte sich über ihn beugte und mit ihren beiden Händen seinen Mund aufklappte. Aus den dunklen Tiefen ihrer Lumpen kam dann eine zähe, schwarze Flüssigkeit, diese rann ihm in den Mund, sodass ich, mein Beobachter-Ich, nicht mein Schlafes-Ich, aufschrie und rief, sie solle von Charlie ablassen. Damit endete der Traum, und ich erwachte. Charlie war neben mir und sah mich an. Er schlief mit offenen Augen, was eine irritierende Angewohnheit von ihm war. Hinter ihm saß die Alte, ihr Vorrat an Perlen oder Steinen war merklich verringert, also musste ein gehöriges Maß an Zeit vergangen sein. Sie saß immer noch an ihrem Tisch, aber ihr Kopf war gänzlich von uns abgewandt und starrte ins Eck neben der Tür. Mir war schleierhaft, was sie dort suchte oder was dort ihre Aufmerksamkeit erregte, doch sie starrte und starrte so lange, dass meine Neugier erlahmte und ich meinen Kopf wieder auf den Boden legte. Im Handumdrehen war ich eingenickt und schlief wie ein Toter.
Am Morgen erwachte ich auf dem Boden, und Charlie war weg. Ich hörte aber Schritte hinter mir und drehte mich um. Charlie stand in der offenen Tür und schaute auf die Wiese hinaus. Draußen schien die Sonne, und die Pferde standen etwas abseits an dem umgestürzten Baumstamm, wo wir sie angebunden hatten. Charlies Pferd Nimble knabberte an dem raureifen Gras, während mein Pferd Tub nur frierend ins Leere stierte. »Die Alte ist weg«, sagte Charlie.
»Soll mir recht sein«, sagte ich und stand auf. Die Hütte stank nach Asche und Holzkohle, und meine Augen brannten. Ich musste austreten und wollte soeben durch die Tür, als Charlie mir den Weg versperrte. Sein Gesicht wirkte ausgebrannt und übermüdet. »Sie ist zwar weg«, sagte er, »aber sie hat uns ein kleines Andenken hinterlassen.« Er zeigte mit dem Finger darauf. Die Frau hatte ihre Kette um den Türstock gewickelt, und da hing sie jetzt wie nichts Gutes. Ich erinnerte mich, wie sie gesagt hatte: Morgen früh bin ich größtenteils nicht mehr da. Und größtenteils war eben nicht ganz.
»Was hältst du davon?«, fragte ich.
»Also ein Wandschmuck ist das nicht gerade.«
»Wir könnten es abnehmen«, sagte ich und griff danach.
Er hielt meine Hand fest. »Fass das bloß nicht an, Eli.«
Wir überlegten, was jetzt zu tun sei. Die Pferde hörten unsere Stimmen und sahen zu uns herüber. »Auf keinen Fall gehen wir durch diese Tür«, sagte Charlie. »Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Fenster einzuschlagen und so nach draußen zu klettern.« Aber da war mein Bauch vor, der schon immer zu den Runderen gehörte. Ich sagte, Zweifel seien angebracht, ob ich mit meiner Leibesfülle durch die kleine Öffnung passte. Charlie drängte, es wenigstens zu versuchen, doch der Gedanke, stecken zu bleiben und mit rotem Gesicht den Rückzug anzutreten, behagte mir gar nicht. Kurzum, ich weigerte mich.
»Na gut, dann gehe ich eben allein und komme mit Werkzeug zurück – und hole dich heraus.« Er stellte sich auf den wackligen Stuhl der alten Frau und schlug mit dem Revolvergriff die Scheibe ein. Per Räuberleiter schob ich ihn oben aus dem Fenster, danach fanden wir uns auf verschiedenen Seiten wieder: er vor der Tür, ich dahinter. Er grinste, ich nicht. »Jetzt sitzt du fest«, sagte er und klopfte sich die Scherben von der Jacke.
Ich sagte: »Mir gefällt dieser Plan nicht. Wer wird dir in dieser Einöde sein Werkzeug leihen? Während du durch die Landschaft reitest, verkomme ich in diesem Loch. Was, wenn die Alte zurückkommt?«
»Sie hat uns ihren Fluch hinterlassen, warum sollte sie zurückkommen?«
»Du hast gut reden.«
»So ist es. Aber es gibt keine andere Möglichkeit. Oder hast du eine bessere Idee?«
Eine bessere Idee hatte ich leider nicht. Ich bat ihn nur, mir meinen Proviantbeutel zu bringen, und sah ihn zu den Pferden gehen. »Die Pfanne nicht vergessen«, rief ich und machte pantomimisch die Bewegung dazu, und er nickte. Dann kam er wieder und reichte mir alles durchs Fenster und wünschte mir gesegnete Mahlzeit, bevor er sein Pferd Nimble bestieg und fortritt. Als ich ihn zwischen den Bäumen verschwinden sah, rutschte mit das Herz in die Hose, und ich fürchtete, die beiden nie wiederzusehen.
Ich nahm jedoch all meinen guten Mut zusammen und beschloss mich in der Hütte so gut wie möglich einzurichten. Es gab kein Feuerholz, doch die Asche im Kamin glühte noch, also zerlegte ich als Erstes den Stuhl der Alten, indem ich ihn in hohem Bogen auf dem Boden zerschmetterte. Den unteren Teil, Beine und Sitz, legte ich gegeneinandergelehnt in die Asche und goss etwas Lampenöl darüber. Schon in der nächsten Sekunde loderte alles hell. Die plötzliche Helligkeit und der würzige Geruch erfreuten mein Herz, denn der Stuhl war aus Eiche und dürfte gut brennen. »Auf die kleinen Siege kommt es an«, pflegte meine Mutter zu sagen, und dasselbe sagte ich mir jetzt auch.
Einige Minuten später stand ich an der Tür und schaute hinaus in die Welt. Keine Wolke am Himmel. Es war einer von diesen stahlblauen Tagen, an denen der Himmel höher und weiter scheint als sonst. Schmelzwasser troff vom Dach, ich brauchte nur meine Blechtasse aus dem Fenster zu halten, um es aufzufangen. Das Blech der Tasse erkaltete rasch, und kleine Schneereste schwammen darin und brannten an den Lippen, als ich daraus trank. Es war so eine Erleichterung, endlich den Grabgeruch von geronnenem Blut in meinem Mund loszuwerden, der mich seit einem Tag begleitete. Ich wartete, bis sich das Wasser in meinem Mund erwärmt hatte, dann ließ ich es hin und her über die Wunde sprudeln, in der Hoffnung, sie dadurch zu reinigen. Allerdings bekam ich einen gehörigen Schreck, als sich in der Folge ein klumpiges Etwas löste, das sich anfühlte wie großes Stück Haut. Ich spuckte es auf den Boden, auf dem es mit einem ekelerregenden Klatsch landete und wo ich es mir, auf allen vieren, genauer besah. Es war zylindrisch in der Form und schwarz wie nichts sonst an einem Menschen, wodurch mein Herz zu galoppieren begann. Hatte mir Doktor Watts heimlich einen Egel in den Mund gesetzt? Ich tippte das Ding mit den Fingern an, doch es zeigte sich, dass es nur der Wattetampon war, den er mir zwischen Zähne und Gaumen geklemmt hatte. Ich warf das Ding ins Feuer, wo es langsam und zischend an einem lohenden Stuhlbein hinabrutschte und eine Spur von Blut und Spucke hinterließ.
Draußen stieg der Dunst aus der Wiese auf, und ich war nur froh, die Ereignisse der vergangenen Tage überlebt zu haben, dazu gehörten die Spinne, mein geschwollener Kopf und der Fluch der alten Hexe. Ich füllte meine Lunge mit so viel kalter Luft, wie sie nur aushielt, und rief nach meinem Pferd. »Tub!«, rief ich in die mich umgebende Wildnis. »Ich bin gefangen in der Hütte der alten Hexe.« Er hob den Kopf und sah mich an, das mahlende Maul voll trocknem Gras. »Tub, steh mir bei in der Stunde der Not.«
Ich bereitete mir ein bescheidenes Frühstück, bestehend aus Speck, Hafergrütze und Kaffee. Leider blieb dabei ein Stück Knorpel in der Zahnwunde stecken, dessen Entfernung nicht nur schwierig war, sondern zu einer erneuten Blutung führte. In diesem Moment fiel mir die Zahnbürste ein, welche ich dann zusammen mit dem Zahnpulver aus der Westentasche holte und ordentlich neben die Blechtasse legte. Watts hatte mir nichts darüber gesagt, ob ich sie schon während der Wundheilung verwenden konnte oder nicht, doch ich machte mich, wenngleich vorsichtig, umgehend ans Werk. Ich befeuchtete die Borsten und gab ein bisschen Zahnpulver darauf. »Von oben nach unten, von unten nach oben, von rechts nach links, von links nach rechts«, sagte ich mir vor, denn so hatte es mir der Doktor erklärt. Schnell füllte sich mein Mund mit minzigem Schaum, und ich schrubbte sogar meine Zunge, bis sie wehtat. Dann steckte ich den Kopf durchs Fenster und spuckte das blutige Wasser hinaus auf den schneebedeckten Schlamm. Mein Atem war mit einem Mal ganz kühl und roch außerordentlich gut, und ich war beeindruckt von dem Frischegefühl, das mir diese Zahnbürste verschaffte. Ich beschloss, sie von da an täglich zu benutzen, und tippte mir mit ihr gedankenverloren an die Nase. Mit anderen Worten, ich dachte also gar nichts oder an mehrere Sachen gleichzeitig, als ich den Bären sah, der sich aus dem Unterholz meinem Pferd Tub näherte.