»In leeren, schwachen Köpfen machen sich gern kleine schwarze Sachen breit, und die klötern dann.«
(E.W. Shepherd-Walwyn,
Immer stramm geradeaus blicken:
Zwanzig Gespräche mit Buben und Pfadfindern )
Über die Ko-Autoren
VORWORT
GERINGFÜGIG BESSERES VORWORT
KAPITEL NULL
KAPITEL EINS: Perinatale Entwicklung und noch ein bißchen was
KAPITEL ZWEI: Eton
KAPITEL DREI: Cambridge
KAPITEL VIER: St Swithin’s
KAPITEL FÜNF: Neuseeland
KAPITEL SECHS: Ibiza
KAPITEL SIEBEN: Eine Wiedergeburt
KAPITEL ACHT: Zwei Filme & Sechs Schlangen
KAPITEL NEUN: Brendan & Jimmy
KAPITEL ZEHN: John aus der Antarktis
KAPITEL ELF: Ein Gewalt-Kapitel
KAPITEL ZWÖLF: Das Hardrock Café
KAPITEL DREIZEHN: Mit Python auf Tournee
KAPITEL VIERZEHN: Auf Tournee, auf Tournee
KAPITEL FÜNFZEHN: Bayern & Glencoe
KAPITEL SECHZEHN: Ein vorletztes Kapitel
KAPITEL SIEBZEHN: Die Stimmung war affengeil
Anhang
Trauerrede auf Graham Chapman
Von John Cleese
Ein bißchen was am Schluß
Von Eric Idle
Unauffälliger Anmerkungsapparat
Von Harry Rowohlt und Geoffrey Strachan
Für eine Autobiografie hat dies Buch ungewöhnlich viele Autoren. Einigen von ihnen möchte ich für ihre Ungeduld danken. Besonders:
DAVID A. YALLOP. Einer der nicht-existenten Ko-Autoren dieser Autobiografie; hat mehrere Bücher allein geschrieben, einschließlich To Encourage the Others und Der Tag, an dem das Lachen starb. Es gab einen weiteren Ko-Autor, der aber bei einem Disput über Tantiemen ermordet wurde. M. Yallop demeure maintenant en Nouvelle Zélande.
DOUGLAS N. ADAMS. Ein bisher namentlich nicht erwähnter Autor, wurde bisher auch noch nicht ermordet, sondern hat sich lediglich unter einem Stapel unverlegbarer Manuskripte (z. B. Per Anhalter durch die Galaxis) totgestellt. Er wird wahrscheinlich auf den nächsten paar Dutzend Seiten das eine oder andere Wort einschieben, gibt dies allerdings nur zögernd zu, weil David A. Yallop, obwohl er keine 1,90 groß ist, extrem ungemütlich werden kann.
ALEX MARTIN. 1953 in Baltimore, der »Achselhöhle Amerikas«, geboren, oder doch eher in Wisconsin, »dem Schritt der Welt«; hielt länger durch als alle anderen Ko-Autoren mit Ausnahme von David Sherlock, der die Regel bestätigt. Am Winchester College und der Universität Cambridge herangebildet, erfreut sich dieser den Ausdauer-Rekord haltende Ko-Autor immer noch meiner beträchtlichen Wertschätzung.
PEDRO MONTT. Chilenischer Ex-Präsident, dem es, mitsamt seiner konservativen Regierung, wichtiger war, Eisenbahnen und Industrie zu fördern und die Probleme der arbeitenden Bevölkerung zu ignorieren, als anderen Leuten die Autobiografie zu schreiben.
DAVID J. SHERLOCK. Ein flotter junger Sausebraus, der 1947 an der walisischen Grenze geboren wurde. Glücklicherweise hat sich alles gebessert, so daß er jetzt in der schroffen maskulinen Welt des Verlagswesens ziemlich heiße Ware ist. Er war mir die letzten 14 Jahre lang ein guter persönlicher Freund, Herr Wachtmeister.
Es ist eine Eigentümlichkeit der europäischen Literatur nach dem Burenkrieg (und ich beziehe Großbritannien ausdrücklich ein, wenn ich »europäisch« sage), daß Vorworte, die mit »Es ist eine Eigentümlichkeit« beginnen, kaum je etwas besagen. Tatsächlich bin ich von dieser Regel inzwischen so überzeugt, daß ich, sobald ich diese vier kriecherischen Worte am Anfang eines Buches sehe, das verdammte Ding zuklappe und in den Kamin schmeiße. Was, werden Sie fragen, liest man stattdessen? Nun, ein Buch gibt es, das ich immer wieder lesen kann. Es ist dies Autobiografie eines Lügners von Graham Chapman, David Sherlock, Alex Martin, Douglas Adams und David Yallop. Besagen tut es nicht viel, aber immerhin fängt es nicht mit »Es ist eine Eigentümlichkeit« an, und das reicht mir schon völlig.
Hauptmann Mark Phillips
(hinter meinem Namen kommen keine Buchstaben,
aber ich bin einigermaßen reich)
Nachdem Sie jetzt die erste Hürde genommen haben, die mein Mann gegen Geld hingeschrieben hat, würde ich gern versuchen, Ihnen einige der kniffligen Sprünge grob zu skizzieren, die jeder vor sich hat, der auf diesem berüchtigten erkenntnistheoretischen Parcours punkten möchte. Fangen wir mit dem ersten Hindernis an, einem sehr trügerischen, bei dem man leicht auf dem P … x landen kann (fügen Sie bitte das »ode« selbst ein, mir ist das nicht gestattet), wenn man sich nicht absolut hundertprozentig konzentriert. »Alle Männer sind Lügner«, sagt Charles. Jetzt denken Sie sorgfältig nach. Worauf deutet das hin? Es deutet darauf hin, daß Charles selbst ein Lügner ist, wenn er also die Wahrheit sagt, lügt er eigentlich, und wenn er lügt, sagt er die Wahrheit. Sehen Sie, worauf ich hinaus will? Ganz schön knifflig. Das nächste Hindernis ist ebenfalls reichlich knifflig. Es sieht aus wie eins dieser Kinderrätsel, und genau das ist es –, ziemlich gemein, finde ich, besonders so früh im 1. Durchgang! Aber hier ist es: Sie fahren über die Landstraße und kommen plötzlich an eine Gabelung. Sie sehen ein Schild, auf dem steht: »Die eine dieser Straßen führt nach Newmarket, die andere wohin, wo es ganz entsetzlich ist.« Um herauszufinden, welche welche ist, müssen Sie einen der Brüder fragen, die da in einer Hütte wohnen. Aber hier liegt der Haken. Der eine sagt nur die Wahrheit, und der andere lügt nur. Und Sie können nur eine Frage stellen. Denken Sie gründlich nach, bevor Sie fragen!
Na, das ist doch ganz schön knifflig, oder? Ich fürchte, ich kann Ihnen da auch nicht weiterhelfen, da ich die Antwort selber vergessen habe, aber trotzdem viel Glück, und seien Sie versichert, daß ich, obwohl ich keine Lust habe, Ihnen noch mehr über das Lügen zu erzählen, ganz schön gut drin bin.
Mrs Hauptmann Mark Phillips
Ich wollte es durchstehen, diesmal auf kaltem Wege. Keine Drogen, um die Symptome des Entzugs zu lindern. Ich hatte eine schlaflose Nacht verbracht, geschwitzt und gezittert. Vielleicht hatte ich geschlafen und träumte jetzt, daß ich nicht geschlafen hatte, und schlief jetzt folgerichtig. Ich drehte mich um, drosch das Kopfkissen in die richtige Form und versuchte mich zu entspannen. Zehen und Schienbeine waren taub. Ich versuchte zu überprüfen, ob nicht doch Gefühl drin war, erst mit einem Fuß gegen den anderen, dann mit zitternden Händen. Je mehr ich mich anstrengte, die Hände ruhig zu kriegen, desto unkontrollierbarer wurden sie.
Das wird schon wieder, wenn man einfach im Bett bleibt. Heute braucht man nichts zu tun, man braucht niemanden zu treffen, mit niemandem zu reden, nichts zu essen oder zu trinken. Einfach im Bett bleiben und durchhalten.
Es war egal, daß ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Ich konnte den ganzen Tag schlafen, und selbst wenn ich heute nicht schlafen konnte, konnte ich, falls nötig, eine ganze Woche im Bett verbringen. Das würde ich tun. Ich fühlte mich besser, setzte mich auf. Ich streckte die Hand nach meiner Pfeife aus, nahm sie aus dem Aschenbecher. Das war gut. Das war mir gelungen. Ich hob eine Schachtel Streichhölzer auf –, meine Hände zitterten nur ganz leicht. Ich steckte mir die Pfeife an, schüttelte das Streichholz, um es auszumachen, versuchte es mit Pusten, ließ meine Pfeife fallen, warf das Streichholz in den Aschenbecher und sah ihm zu, wie es abbrannte. Ich hob die Pfeife wieder auf, versuchte, sie in den Aschenbecher zu legen, und verfehlte ihn um mehrere Zentimeter, wodurch der Aschenbecher auf den Fußboden gekippt wurde. Vergiß doch die Pfeife und den Aschenbecher. Nichts brennt. Liegen lassen.
Ich legte mich wieder aufs Kissen zurück, wich aber plötzlich aus, weil sich eine Nachttischlampe darauf vorbereitete, mich anzugreifen …, es dann aber doch ließ. Sie blieb, wo sie war. Das furchtbare Jucken fing wieder an. Jetzt fiel es mir ein –, das hatte mich wach gehalten. Ich war über und über mit Insekten bedeckt.
Auf dem Flur draußen konnte ich immer noch die Standuhr hören; das leise, tröstliche, regelmäßige »Tack«. Es gab kein »Tick«, die Uhr sagte nur »Tack«. Ich lauschte angestrengt auf das »Tick«. Es gab keins, und ich wußte natürlich, warum. Die Regelmäßigkeit ihrer geklopften Botschaft hatte mich fuchsteufelswild gemacht –, nicht »tick-tack«, sondern diese Bausteine aus gepreßter Schlacke, »Ytong, Ytong, Ytong« (ich hatte sogar versucht, mich auf »Teepott, Teepott« umzuschulen), so daß ich die Uhr in ein anderes Zimmer getragen und mit Kissen bedeckt, beide Türen geschlossen hatte und wieder ins Bett gegangen war. Deshalb konnte ich nur das leise, entfernte »Tack« hören, »Tack … Tack … Tack … Tack … Ticktack … Tick? … Tack … Ticktack … Ytong … Ytong«, verdammt, laß mich zufrieden … Ich begrub meinen Kopf in den Kissen. Ich konnte nichts hören. Ich strengte mich an. Nichts …, nur das entfernte »Ytong, Ytong«. Ich setzte mich auf. Die Schlafzimmertür war offen. Die Uhr stand immer noch auf dem Etagenabsatz. Mir fiel ein, daß ich gegen sie gestoßen war, als ich an ihr vorüber wankte, nachdem ich mich das letzte Mal übergeben hatte. Und die Kissen –, sie lagen immer noch auf dem Bett. Es mußte ein Traum gewesen sein. Also hatte ich geschlafen. Also gut –, ich werde aufstehen und nach unten gehen und einfach den ganzen Tag fernsehen. Niemand wird da sein, außer John, David und Batch. Die hatten mich alle schon mal mit Flattermann gesehen, und ich hatte überall herumerzählt, daß ich über Weihnachten verreist war …
Wenn man nicht sicher ist, ob man sich übergeben wird oder nicht, ist das Letzte, was man braucht, jemanden, der Umstände macht: »Geht es dir gut? Du siehst ein bißchen blaß aus. Wie wär’s mit einer schönen Tasse Tee? Und vielleicht einer dünnen Scheibe Toast mit pochiertem Ei obendrauf?«
Ich wollte gerade beschließen aufzustehen, als David hereinkam und mich fragte, wie es mir ging, und ob ich vielleicht irgendwas wollte, wie zum Beispiel eine schöne …
»Nein«, schnappte ich. Aber die Wörter für den übrigen Satz, obschon im Kopf bereits gebildet, ließen sich einfach nicht artikulieren. »Mir … Ich … L-l-l-l-laß mich einfach … Ma … Mo … ment. Vuvi-vielleicht schapupäter … Steh auf geht gut ….«
»Vichy-Wasser?«
»Nein … D-d-doch!«
Er schüttelte das Plumeau auf. Ich schreckte zurück. Es war hinter mir her, war mit der Uhr und der Nachttischlampe, der Pfeife, dem Aschenbecher, den Streichhölzern im Bunde.
»Bleib einfach da«, sagte er und verließ sehr vernünftig das Zimmer.
»D-D-David … Vorhänge … L-l-licht.« Die Vorhänge waren immer noch zugezogen, aber oben war ein Spalt, durch den mich ein Laserstrahl von der Außenwelt bedrohte ….
Ach, scheiß doch auf all das –, du kommst schon wieder auf die Reihe. Reiß dich zusammen, Mann. Zieh dich an.
Ich schmiß das erstickende Plumeau beiseite, setzte mich auf, stellte die Füße auf den Fußboden. Ich zog mich langsam an, klammerte mich an alles, was ich zur Stütze finden konnte, wankte durch das Zimmer. Ich zog die Vorhänge auf und fühlte mich besser –, nichts bewegte sich im Zimmer außer mir. Ich nahm meine Pfeife und steckte sie an. Diese schlichte, für mich automatische, Aktion gab mir Selbstvertrauen. Ich bekam mich unter Kontrolle. Für gewöhnlich setzte es etwa eine halbe Stunde nach dem morgendlichen Aufstehen, wenn es mir nicht gelungen war, mindestens fünf Einheiten Gin zu kippen, einen Hustenanfall, der von trockenem Würgen, nochmal Husten, kaltem Schweiß und unkontrollierbarem Zittern begleitet war. Aber es war bereits halb zwölf, vielleicht war ich lange genug im Bett geblieben, um diesen täglichen Kniefall mit wiederkäuendem Gebet über der Kloschüssel zu verpassen.
Der Schlafzimmertürpfosten schlug nach mir, als ich an ihm vorüberging: eine milde Halluzination. Ich rang um genug Gleichgewicht für meinen Gang treppab –, eine Treppe hinab, wie ich wußte, deren Stufen entweder aufhörten, bevor ich unten angekommen war, oder danach noch weiter nach unten führten, mit einem Geländer, das nie so ganz am selben Ort angebracht war, Eckpfosten, die plötzlich nach mir ausholten, hofften, daß meine Konzentration nachließ und ich mir den Kopf an Schatten stieß. Aber ich war zu schnell für die Schatten und duckte mich, mit dem Ergebnis, daß ich direkt in einen rechten Uppercut vom Eckpfosten rannte, der mich mit seiner cleveren Beinarbeit umrundet hatte. Zurück ins Bett.
Vierundvierzig Stunden fiebriger Paranoia, sowie akustischer und taktiler Halluzinationen folgten in diesem unruhigen Bett. Die reine Erschöpfung siegte, ich schlief ein paar Stunden, und diesmal wußte ich, daß ich geschlafen hatte. Ich hatte es ausgeschwitzt. Das Schlimmste war vorüber. Sogar die Treppenstufen hatten ihre Feindseligkeiten eingestellt. Es gelang mir, eine Tasse Tee zu trinken, ein paar Vitaminpillen und eine Scheibe Toast mit pochiertem Ei obendrauf bei mir zu behalten. Ich war frei. Ich ging ins Eßzimmer, schritt ganz gelassen an drei Regalen mit Weihnachtsschnaps vorbei und rief Bernard und Jane an, meine Sekretärin, um die beiden auf einen Drink zu mir zu bitten –, vorausgesetzt, fügte ich selbstgefällig hinzu, daß sie den Anblick ertragen konnten, wie ich Tonic-Water trank.
Sie kamen vorbei. Ich schenkte ihnen einen Drink ein und entschuldigte mich für meine ganz leicht zittrigen Hände. Sie waren beide erfreut, wie schnell ich mich erholt hatte, und während ich mir ein gepflegtes kalorienarmes Tonic einschenkte, erklärte ich ihnen, wie sehr viel zuversichtlicher ich jetzt war, für immer ohne Alkohol auskommen zu können, da ich es auf die harte Tour geschafft hatte. Als ich mein Getränk anfaßte, kippte ich eine Weihnachtskarte um. Ich stellte mein Glas ab und versuchte, die Weihnachtskarte wieder aufzurichten. Meine Finger wollten nicht stillhalten. »Laß sie doch liegen«, sagte Bernard. »Setz dich hin.«
Ich konnte sie nicht liegen lassen. Sie war das Einzige, was zählte. Ich mußte diese Weihnachtskarte wieder aufstellen. Je mehr ich mich anstrengte, desto schlimmer zitterte ich.
»Ga-ga-geht … scha-scha-schon.« Das Zittern war jetzt ein rhythmisches Schaudern, das zu einem plötzlichen Krampf wurde, und ich ging zu Boden, wobei ich einen Haufen Gläser, Flaschen und Bernard mitriß.
Als ich aufwachte, blitzten blaue Lichter. Draußen war ein Krankenwagen. Was wollte der hier? Ich fühlte mich gut, und ich hatte schon mal schlimmere Schnittverletzungen gehabt. Ein jeder überredete mich, daß das Krankenhaus vielleicht das Beste wäre. Jane glotzte, als wäre sie gerade Zeugin eines Exorzismus gewesen. Ich wurde ins Krankenhaus geschafft und wußte, daß ich meinen heldenhaften Kampf mit den Brennereien dieser Welt verloren hatte. Vielleicht waren zwei Flaschen Gin pro Tag ein bißchen zu heftig gewesen. Bernard erläuterte mir später, daß ich in den letzten sechs Monaten, weil ich en gros eingekauft hatte, zu den kneipengroßen Flaschen übergegangen war, das sind pro Stück 1,13 Liter, was einen durchschnittlichen Tagesverbrauch von vier Kaiserlich Britischen pints oder zweieinhalb US-quarts ausmacht. Es reichte aus, um einen Kadaver zu konservieren – oder sechs Asketen umzubringen.
Das St Alvar’s Hospital hat wahrscheinlich einige gut ausgestattete und moderne Stationen, und teilweise mögen sie landesweit die besten sein, aber in keine dieser Ecken wurde ich gebracht. Mein Ziel waren die So-ist-das-nationale-Gesundheitssystem-wirklich!-Teile der Heilungsbaulichkeit –, schmuddelige Korridore, überfüllte Stationen, unterbeschäftigtes Personal, Insassen wie von Hogarth, boadizäische sanitäre Anlagen und ein pedalbetriebener Fernseher.
Mengen Bluts wurden mir abgenommen und analysiert. Ich wurde mit Vitaminen vollgepumpt und bis unters Toupet mit Heminevrin und Valium zugedröhnt. Aber der Rasputin in mir durchschnitt den Nebel der Ruhigstellung wie eine Flasche Cutty Sark. Ich wußte, daß ich nicht in dem Stil lebte, an den ich mich gewöhnt hatte, und beschloß, daß die, die für medizinische Versorgung zahlen konnten, für medizinische Versorgung zahlen sollten. Ich wurde in eine Privatklinik gekarrt, in der es glücklicherweise ein araberfreies Bett gab. Mein Leibarzt und Saufkumpan, Seine Effizienz A. R. Bailey-der-Praktische, Regimentsfeldscher der Reserve, brachte einen bemerkenswert unwahnsinnigen Psychiater mit, dessen Namen ich, für die Zwecke dieses Buchs, wie einen Kreuzworträtselhinweis in der Times angeben werde:
WAAGERECHT
1. Vertrauter französischer Reitersmann, der einem auf der Zunge liegt, ruiniert musikalischen Stammbaum.
Dr Eins Waagerecht, der mich seit seinem Medizinstudium kannte, zog den Ellbogen jedem Analytikergeschwätz vor und sagte: »Graham, du bist Alkoholiker.«
Ich sagte: »Ja.«
Er sagte: »Möchtest du lieber keiner sein?«
Ich sagte: »Ja.«
Er sagte: »Gut. Wir fangen mit der Behandlung an. Deine Leberwerte sind entsetzlich, zehnmal so hoch wie die annehmbare Norm für Gamma-GTP zum Beispiel. Aber sie scheint nicht vergrößert zu sein, und mit einem bißchen Glück besteht die Chance, daß du sie nicht permanent geschädigt hast. Wir werden Heminevrin und Valium allmählich absetzen, und du kannst morgens und abends je ein Antabus nehmen, damit du dich, wenn du doch Alkohol trinkst, so krank fühlst, wie du vor fünf Tagen warst. Es liegt bei dir, ob du trinkst oder nicht. Es ist deine Leber. Es ist dein Leben …«
Dr Eins Waagerecht spendierte mir noch ordentlich Valium und ließ mich mit den Kinderchen zurück, deren kleine Gesichter voller Vorfreude glänzten, als Musch hereinkam, Dick Whittington im Gefolge.
»Ach, meine liebe Musch«, sagte Dick. »London liegt weit hinter uns, was sollen wir jetzt bloß tun?«
»Miau!«
»Was soll das heißen? Sing ein Lied?«
»Miau!«
»Was? Jetzt? Für all die Kinder?«
»Miau!«
»Sollen wir ein Lied singen, Kinder?«
»Ja!«
Der Text senkte sich von der Zimmerdecke herab, die Kapelle stimmte den Marsch der Liberty Belle an, und wir fielen alle ein:
»Von allen Organen, die der Körper enthält,
Ist die Leber beliebt wie noch nie:
Sie verarbeitet alles, was an Abfall anfällt,
Ist schlauer als jedes Knie.
Wenn sie dir den Schnaps mißgönnt
Und dich warnt: ›Laß inskünftig
Die Finger davon‹, dann bist du nicht schon
Tot –, nur sehr, sehr vernünftig.«
»Das hat Dizzy Gillespie geschrieben«, sagte ich.
»Das mag sein, aber der Bahnhof in der Fenchurch Street gehört mir, also, Jane, schuldest du mir 150 Pfund«, sagte Bernard.
»Du hast doch nur zwei Bahnhöfe«, sagte Jane.
»Als du letztesmal auf Grahams Hotel in der Old Kent Road gelandet bist, habe ich dir Marylebone abgekauft.«
»Na, dann bin ich eben draußen.«
»Nein, bist du nicht. Du hast noch jede Menge Grundbesitz, auf den du Hypotheken aufnehmen kannst.«
»Ich werde keine Hypotheken auf meinen Grundbesitz aufnehmen. Ich werde darauf bauen.«
»Dazu hast du nicht das Geld.«
»Na schön. Ich werde dir das Wasserwerk verkaufen.«
»Ich will aber kein Wasserwerk. Vielleicht will Graham eins.«
»Graham, möchtest du das Wasserwerk …? Graham?«
»Nein, ich kaufe den Kamelopard.«
»Was?«
»Das ist ein Kamel, das aussieht wie ein Leopard. Eine Giraffe.«
»Jetzt ist er wieder weg«, sagte Bernard.
Ein Krippenspiel … Dizzy Gillespie … Kamelopard … Meine Genesung machte echt gute Fortschritte. Sogar ohne Alkohol dachte ich irrational, und wenn man ohnehin dazu neigt, ein wunderlicher Kauz zu sein, wer weiß, wer weiß. Heda, Pursche, was verbirgt sich in jener Laube dort?
Ich habe sogar, als ich letztesmal in Paris war, bei Jean-Paul Sartre angerufen, und Simone de Beauvoir war am Apparat und sagte, er wäre gerade unterwegs, Flugblätter verteilen. Oder war das ein Sketch?
Ich ließ den Teil meines Gehirns erstmal in Ruhe, damit er ein bißchen an sich selbst herumspielen konnte, das übrige Hirn brachte sich von alleine auf den neuesten Stand.
Ich fühlte mich gut. Meine selbstverordnete Behandlung war vorbei. Mit der Verwendung von Alkohol war es mir gelungen, genau die Anzahl von Gehirnzellen umzubringen, die ich mit zweiundzwanzig zu verlieren beschlossen hatte, ohne meine Leber zu opfern.
Es gibt keinen Zweifel daran, daß ein Übermaß an Alkohol das Absterben von Gehirnzellen beschleunigt, und daß er sie in kleinen Dosen, wie jedes andere Betäubungsmittel, zeitweise außer Betrieb setzen kann, wobei er oben anfängt und sich zum Zentralnervensystem hinunter arbeitet. Die hemmenden Einflüsse der oberen Gehirnzentren werden zuerst getroffen. Deshalb ist Alkohol als Hilfe beim gesellschaftlichen Verkehr so verbreitet. Er kann einem helfen, zu neuen Freunden »Hallo«, zu alten Freunden »Tschüs«, zu Fremden »Gehen wir noch zu mir?« und zu Langweilern »Warum verpissen Sie sich nicht einfach?« zu sagen. Wenn man eine todsichere Sache laufen hat, ist das Allerletzte, was man gebrauchen kann, etwas, was vorne im Hirn herumnörgelt: »Vielleicht ein andermal … Mit jemand anderem … Und überhaupt … Nachher lacht sie noch über meinen Pimmel.« Was man gebrauchen kann, ist eine weitere pint.
Um mich jedoch von meinen Hemmungen zu heilen, hatte ich vor langer Zeit entdeckt, daß eine weitere pint und dann noch eine nicht ausreichend waren. Ich war an etwas Dauerhafterem interessiert. Ich mußte mich ein- für allemal von meinen hinderlichen Fußfesseln befreien. Ich hatte mir eine Kur umfassenden Schwerstsuffs verschrieben, um tatsächlich alle störenden Nervenzellen abzutöten –, eine riskante Behandlung, bei der einige der nützlicheren Zellen, die, die dafür verantwortlich waren, daß man sich einigermaßen innerhalb der Grenzen gesellschaftlich akzeptierten Verhaltens aufhielt, ebenfalls eine gehörige Tracht Prügel abbekamen.
Was also die Geschichte eines warmherzigen, respektablen praktischen Arztes hätte sein können, ist nicht die Geschichte eines warmherzigen, respektablen praktischen Arztes geworden.
Ich wurde in Leamington geboren, inzwischen offiziell als Royal Leamington Spa bekannt, für die Fabrikation von Gaskochern (siehe Kapitel 14) mäßig berühmt, doch darüber mehr w. u.1 Man schrieb das Jahr 1942, und die Schwangerschaft endete am 7. Februar während eines ziemlich vermurksten Bombenangriffs, bei dem die Deutschen dachten, sie bombardierten Coventry, doch darüber mehr w. u.,1 eine Abkürzung, die ich sehr schätze.2 Meine Eltern, Tim und Beryl, tut mir leid, Tim und Betty,3 waren empört,4 als ich ankam, weil sie einen heterosexuellen5 schwarzen6 Juden mit mehreren amüsanten Geburtsfehlern erwartet hatten, da sie die Probleme brauchten. Sie wohnten in Südfrankreich in einem riesenhaften gotischen Schloß namens Dieganzezeitgintonicmitkalorienarmemtonicaufeisaberohnezitrone, welches ursprünglich von Marco Polo für sich und ein paar Freunde erbaut worden war, damit er sie noch nach Hause einladen konnte, wenn die Kneipen schon dichtgemacht hatten –, ein ehrfurchtgebietender Bau aus Granit und hie und da einem Stück Holz, mit ausgedehnten Rasenflächen, die vor Kurzem um einen schmucken Malariasumpf erweitert worden waren. Er spürte ein scharfes Eindringen von Stahl in seiner Leistengegend, gepaart mit dem übelkeiterregenden Gefühl des warm sickernden Bluts, das in seiner Pilotenjacke hochquoll. Ein kreischender Kugelhagel durchschlug sein linkes Ohr, während er müßig sann: »He, das war mein Ohr.« Indem er hierüber nachdachte, fuhr er fort, die Kokosmilch in ihre festen jungen Brüste einzumassieren. Er nahm einen weiteren Mundvoll, ließ sie langsam auf die Spitze jeder aufgerichteten Brustwarze träufeln und beobachtete, wie sie verführerisch hinunterfloß, den feucht bebenden Lippen ihres Pudels namens Bückling entgegen.7 Im Alter von zwei Jahren und neun Monaten8 war ich auf Ibiza, doch mehr davon w. u.9
Die folgende Seite ist offensichtlich unverläßlich, weshalb der heutige Ko-Autor10 vorgeschlagen hat, ein paar Punkte zu klären:
GEBURTSDATUM: 8. Januar 1941
GESCHLECHT: männlich
TAUFNAME: Graham
GEBURTSORT: Leicester
STERNZEICHEN: Steinbock
BEVORZUGTES GERICHT: Curry
AM WENIGSTEN BEVORZUGTES GERICHT: Gift
BEVORZUGTES GIFT: C6H3<OCH2CH2N(C2H5)3>3I3
BEVORZUGTES GEGENGIFT: Neostigmin
BESUCHTE LEHRANSTALTEN: Gesamtschule Ravenhurst Road; Knabenschule South Wigston; Kibworth-Gymnasium; Gymnasium Melton Mowbray; Emmanuel-College, Cambridge; Königlich-Historisches Hospital Swithins (London); Yale und Harvard; Sandhurst; Ein wenig bekanntes Mädchen-Pensionat in Wales. 8 Mittlere Reifen … Davon keine in Erdkunde, Holzarbeit oder ähnlichem Weicheierkram. In Latein geschummelt; 4 Einsen (Zoologie, Botanik, Physik, Chemie); 2 Siebenen (Zoologie & Chemie); B. A.; Z. Z.; Prüfung im Spezialfach Naturwissenschaften; M. A. (hat mich 10 Pfund gekostet); M. B.; B. Chir.
KRANKENVERSICHERUNGSNUMMER: 0136622
REISEPASSNUMMER: 2
SCHUHGRöSSE: 10
BRUSTUMFANG: 42 Zoll
HUTNUMMER: SIEBENEINHALB
TAILLENUMFANG: 32 ZOLL
INNENBEINLäNGE: HIER BAHNT SICH DOCH SCHON WIEDER EIN FLAUES SCHERZCHEN AN. KO-AUTOREN SIND NICHT UNENTBEHRLICH.
Ich glaube inzwischen, daß mein Ko-Autor unrecht gehabt haben könnte, als er versuchte, diese Einzelheiten zu klären. All dies wird durch den Umstand erforderlich gemacht, daß ich, obwohl ich versuche, meine gesamte Lebensgeschichte aufzuschreiben, eine Jugend in Leicester verbracht habe, die so zzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzzz war, daß …., Entschuldigung, wo war ich stehen geblieben? Ah ja, ich meine, es war wirklich nur das übliche stumpfsinnige Windeleinnässen, später Hosen; nicht neben Lottie, dem tschechoslowakischen Mädchen, sitzen dürfen, weil ich mich mal vollgekackt hatte; einmal Menschenteile an Bäumen hängen sehen –, oh, klingt ja doch interessant, das sollte ich vielleicht aufschreiben. Ich war damals drei, und meine Mutter wollte mich mitnehmen, damit ich meinem Vater beim Polizistsein zusehen konnte, etwas, was er an den meisten Tagen machte ….
Eine Straße in Wigston Magna 1944. Ein Flugzeug mit neun Luftwaffensoldaten des Freien Polen war gerade explodiert. Die Macht der Explosion hatte sie in ihre Bestandteile zerlegt, und man kann ganz deutlich eine Lunge sehen, die von den unteren Ästen eines Kastanienbaums herunterhängt, ein Bein auf einem Vorgartenrasen und ein Loch im Dach einer Doppelhaushälfte, welches später von einer Dame erklärt wurde, die mit einem Eimer mit etwas drin, was wie eine Leber aussah, aus dem Haus kam. Der drei Jahre alte Junge ist nicht übermäßig beunruhigt, weil er die Hand seiner Mammi hält und sein Pappi alles unter Kontrolle hat und sehr tüchtig versucht, Menschenfleisch in mindestens neun verschiedene Säcke zu sortieren. Unglücklicherweise scheint es nur acht Köpfe und keine weiteren verdächtigen Löcher in Dächern zu geben.
Mammi ruft Pappi: »Walter …«
»Tut mir leid, Liebes, ich habe zu tun. He, Sie, in dem Sack sind bereits zwei Beine.«
Indem ich dies bedenke, mache ich innerlich »Waaaaagggh« und überlege gerade, ob ich nicht vielleicht auch äußerlich »Waaaaagggh« machen soll, als meine Mutter meine Hand ergreift.
»Walter, mein Lieber, wir wollten rasch einkaufen gehen, und ich dachte, Graham möchte vielleicht …«
»Hör zu, Liebes, wir sehen uns später. Hat inzwischen jemand diesen Kopf gefunden? He! Hat irgendjemand in dieser Straße einen Kopf gefunden? Na los, jemand muß ihn haben, ich kenne doch diese Straße, hier wird doch alles geklaut … Ich meine, was, Teufel auch, wollt ihr mit einem Kopf?«
»Also, Liebster, dann gehen wir vielleicht mal und besorgen dir was zum Abendessen.«
»Was? Ach so, bitte Ei auf Toast. Linker Arm hier, vermißt jemand einen linken Arm?«
»Wir haben keine Eier. Es ist gerade Krieg.«
»Frag Harold. Irgendwas muß doch vom Lastwagen gefallen sein.«
»Gut, Liebster. Komm, Graham, hör auf, dies ganze Blut anzustarren, das tut dir ganz bestimmt nicht gut.«
»Och, Mammi, das muß doch eins meiner entscheidenden frühkindlichen Traumata sein. Waaaaaaaaggggghhhhh ….!«
UND DAHER …
London 1895. Oscar Wildes Residenz. Im glitzernden Salon ist eine glitzernde Gruppe versammelt. Die Crème der Londoner Gesellschaft … Der Prinz von Wales, James McNeill Whistler, George Bernard Shaw und Oscar Wilde selbst sind nur einige der anwesenden Notabeln. Unweigerlich ist Oscar Wilde Mittelpunkt der Party. Der Prinz von Wales erhebt sein Glas Champagner und spricht, an den Gastgeber gewandt:
»Meinen Glückwunsch, Wilde. Ihr Stück ist ein großer Erfolg. Ganz London spricht über Sie.«
Die Gruppe wartet gespannt darauf, daß der Meister des Parádoxons paradox wird. Wilde enttäuscht sie nicht.
»Es gibt nur eins auf der Welt, das schlimmer ist, als daß über einen gesprochen wird, und das ist, daß nicht über einen gesprochen wird.«
Eine volle Minute lang hallt Gelächter im Raum wider. Whistler wird braunrot vor Neid. Shaw zuckt vor Eifersucht. Aubrey Beardsley uriniert vor Groll. Max Beerbohm steckt sich eine saure Traube ins Nasenloch, und Jane Austen dreht und dreht und dreht sich im Grabe um.
Der Prinz schlägt Oscar auf die Schulter. »Sehr witzig. Sehr, sehr witzig.«
Das Spiel ist im Gange. Whistler holt Luft und zum Gegenschlag aus:
»Es gibt nur eins auf der Welt, das schlimmer ist, als witzig zu sein, und das ist, nicht witzig zu sein.«
Es ist ein Knüller. Der Raum wackelt eine weitere volle Minute lang vom Gelächter. Oscar Wildes Gesicht wird so grün wie seine Nelke. Shaw zuckt zusammen. Beardsley spürt stechenden Ärger in sich aufwallen und kotet in einen Reitstiefel. Beerbohm boxt neidisch ein Loch in einen chinesischen Seidenwandschirm, und Jane Austen fällt die falsche Brust ab. Wilde befindet:
»Ich wünschte, ich hätte das gesagt.«
Whistler lächelt ihn an. Er hatte mit dieser scharfen Erwiderung gerechnet und ist bereit.
»Das werden Sie, Oscar. Das werden Sie.«
Wilde winkt mit saft- und kraftloser Hand in Richtung Whistler.
»Euer Hoheit, kennen Sie James McNeill Whistler?«
Der Prinz weicht der saft- und kraftlosen Hand aus und verkündet: »Ja, wir spielen Squash miteinander.«
Wilde fährt dazwischen wie ein Rapier.
»Es gibt nur eins, das schlimmer ist, als miteinander Squash zu spielen, und das ist, allein Squash zu spielen.«
Er wartet gespannt auf das brüllende Gelächter und die Freudenschreie. Sie bleiben aus. Das Schweigen wird länger. Shaws Bart ebenfalls. Irgendwann brummelt Oscar: »Ich wünschte, ich hätte das nicht gesagt.«
Whistler sieht, wie sein Busenfreund ins Fettnäpfchen getreten hat, und kann der Versuchung nicht widerstehen, ihm eine ganze Fettschüssel hinzustellen.
»Haben Sie aber, Oscar. Haben Sie aber.«
Der Raum wackelt vom Gelächter. Von der Brillanz des Witzes und der fröhlichen Bonhomie erschöpft, verabschiedet sich der Prinz von seinem Gastgeber.
»Sie müssen mir verzeihen, Wilde, aber ich muß zurück in den Palast.«
Wilde ist verzweifelt. Das hat es noch nie gegeben. Der Prinz von Wales geht mit einem Lächeln auf dem Gesicht, und das Lächeln wurde nicht von Oscar Wilde dorthin gezaubert. Er platzt heraus mit:
»Euer Majestät, Ihr seid wie ein großes Marmeladen-Doughnut mit Schlagsahne obendrauf.«
Eine schockierte Stille senkt sich auf den Raum. Der Prinz von Wales ist, wie seine Mutter aus früherem Anlaß, not amused.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung«, sprudelt es aus Wilde hervor, der überhaupt nicht mehr weiterweiß. »Äh … äh … äh … äh … Das hat Whistler gesagt.«
Jetzt ist das Spiel nicht mehr nur im Gange, jetzt steht es bereits vor der Tür.
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Doch, das haben Sie, James, das haben Sie.«
Der Prinz von Wales und die versammelte Gesellschaft starren gespannt auf Whistler. Einen Augenblick lang fällt dem gefeierten Maler nichts ein, und dann …
»Ich meinte, wie ein Doughnut bereitet uns Ihre Ankunft Vergnügen, und Ihr Scheiden läßt uns nach mehr lechzen.«
Lautes Gelächter und Applaus folgen dieser eleganten Erklärung. Ermutigt geht Whistler zum Angriff über:
»Euer Majestät ist wie ein Strahl Fledermauspisse.«
Das allgemeine ungläubige Keuchen wird vom Donnern des Prinzen übertönt:
»Wie bitte?«
Kühl starrt der Maler den Prinzen an. »Das hat Wilde gesagt.«
Wie wird der Held von tausend Sackgassen mit dieser fertig werden? Die Versammlung braucht nicht lange auf eine Antwort zu warten. Der Geist, in Jahren verbalen Klingenkreuzens geschliffen wie ein Schwert, zeigt sich der Lage glänzend gewachsen.
»Das habe ich scheißenochmal nicht gesagt. Shaw war’s.«
Bernard Shaw kommt sichtbar ins Schwanken, da ihm der Schwarze Peter nun schwer am Halse hängt. Aber das ist der Mann, der Major Barbara (und die aufrüttelnde Fortsetzung, Barbara, Major der Reserve) schreiben wird. Indem er den Prinzen anlächelt, sagt er leise:
»Ich meinte lediglich, Euer Majestät, daß Ihr leuchtet wie ein goldener Lichtstrahl, wenn alles ringsum finster ist.«
Es wogt vor ehrfürchtiger Bewunderung. Die Leichtigkeit, mit welcher Shaw das sinkende Schiff verlassen hat, ist bemerkenswert.
Shaw wurde von einem irischen Landsmann herausgefordert, und für Shaw ist ein irischer Landsmann Freiwild. Er bedenkt Wilde mit einem verschlagenen Blick und läßt dann den Doyen der feinen Gesellschaft kühl in den Unrat fallen.
»Euer Majestät ist wie ein haushoher Tripper.«
Ein kollektives Keuchen des Entsetzens ist zu hören. Das Entsetzen wird fast zur Panik, als Shaw, ohne die süperbe Replik des Prinzen – »Wie bitte?« – abzuwarten, fortfährt: »Vor Ihrer Ankunft ist Vergnügen, danach ein Schmerz im Pimmel.«
Der Prinz von Wales erbleicht vor Zorn, und da es eine ganze Menge von ihm gibt, erbleicht eine ganze Menge.
»Was!!!« kreischt er.
Dann spielt Shaw seine Trumpfkarte aus:
»Das hat Wilde gesagt.«
Jedes Auge im Salon ist auf Oscar Wilde gerichtet, einschließlich das blutunterlaufene Paar, das dem Prinzen von Wales gehört.
»Ich warte, Wilde. Ich warte ….«
New York, 1976. Das City Center Theater. Ein volles Haus. Monty Python’s Flying Circus treten auf. Wir sind mitten im Sketch.
Whistler wird von John Cleese gespielt. Shaw wird von Michael Palin gespielt. Der Prinz von Wales wird von Terry Jones gespielt. Ich spiele Oscar Wilde. Und ich bin gerade trocken geworden. Ich kann mich nicht erinnern, wie es weitergeht. Das gesamte Theater wartet. Und während es wartet, warte auch ich, daß mir das verdammte Wie-es-weitergeht in den Sinn kommt. Es weigert sich, aber vieles andere aus der Vergangenheit weigert sich nicht ….
Hampstead, 1968. (Eigentlich ja Belsize Park, 1969, aber Hampstead klingt besser, und Gott allein weiß, warum ich mir die Mühe gemacht habe zu lügen, es wäre 1968 gewesen, völlig witzlos, oder?) Irgendwo in N W 3 in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als jeder entweder homosexuell, schwarz oder drogenabhängig war und der Pflichtkurs in Anglistik an der Warwick University darin bestand, mit Germaine Greer zu schlafen – deren Benotungssystem von »Erster Klasse mit Auszeichnung« bis »Du hattest doch wohl nicht vor, es DAmit zu machen« reichte –, begannen meine Schwierigkeiten mit eingeschlossenen Relativsätzen. Um diese Periode zu beschreiben, erfand ich persönlich das Wort »trendy«. (Dies ist nicht dasselbe Wort »trendy«, das bereits seit Olims Zeiten fleißig gebraucht wurde, sondern ein völlig neues Wort, welches allerdings dieselbe Bedeutung hat.) Dies neue Wort »trendy« wurde mit Extra-Emphase auf dem »N« ausgesprochen, man empfand es allerdings allgemein als »untrendy« (noch eine meiner linguistischen Erfindungen, entworfen, um das überflüssige Wort »untrendy« zu ersetzen, welches aber dieselbe Bedeutung transportiert), diese leichte Emphaseverschiebung offenkundig zu machen, und deshalb sprach es niemand so aus, und nur zwei gute Freunde und John Lennon12 waren sich der tiefgreifenden Veränderung bewußt, die ich dem etymologischen Gewebe der englischen Sprache angetan hatte. Viele weitere von mir geprägte Wörter waren oft auf Partys jener Epoche zu hören, wie auch auf dieser, die irgendwo in Belsize Park in einem großen Zimmer stattfand ….
Eine Lightshow auf Lavalampenbasis wird auf das hintere Ende einer Giraffe projiziert, welches durch die Wand gegenüber der Tür ragt. Jeder schnauzt, bestrebt, sich gegen den Lärm einer modisch unbekannten Band Gehör zu verschaffen, jeden an.
»Entschuldigung«, sage ich und versuche, mich an einem Menschen vorbeizudrängeln, der, während er versucht, beiläufig dreinzuschauen, einen glitzernden Hosenbeutel und eine Albino-Kobra um den Hals gewickelt trägt. Sein fluoreszierendes Gesicht scheint angemalt zu sein wie eine Coca-Cola-Dose, und es ist unmöglich, nicht zu bemerken, daß er für sein Haar eine bleichgrüne Spülung verwendet hat.
»Sieht gut aus«, sage ich.
»Danke«, erwidert er trendily.
»Ist die Bar da drüben?«
»Oh, wie orgasmisch darlingoramamäßig, was für ein göttlich behaarter Brustkorb.«
»Danke. Schön, mit Ihnen zu reden.«
»Ich frage mich, wann Roy Orbison sterben wird.«
»Ganz recht.«
An diesem Punkt wird ein Mann, der einen komplett aus Holz gefertigten Anzug trägt, über meinen Zeh gerollt, ich sehe mich um, ob ich David finde, und sehe, daß er in einer Gruppe von Menschen feststeckt, die komplett in Leder gekleidet ist, bis auf die Brillen, die sind aus Leder und Glas. Er scheint sich gut zu amüsieren, also setze ich meine Jagd auf ein Getränk fort. Jemand ruft:
»Um Jesu willen, Beryl, hör auf, mit diesem Hund zu schmusen.«
»Ist doch aber ein Schäferhund ….«
»Na und?«
Plötzlich entdecke ich eine Ginflasche, aber der Platz zwischen mir und ihr wird hauptsächlich von einer 253 kg schweren Negerin eingenommen, die sich mit der Feder eines Bluthänflings geschmückt hat und kreischt:
»Hier ist es für mich nicht cool enuch.13 Ich gehe.«
An diesem Punkt schießt sie sich mit einem ziemlich hübschen (von Alan Aldridge entworfenen) Derringer durch die linke Schläfe. Im Chor wird gerufen: »Tschüs, Süße!«
»Sie hat sich doch aber erschossen«, kreischt ein Novize.
»Reg dich ab, Clovissa.«
An der Ginflasche rinnt nun frisches warmes Blut herunter, und im einzigen freien Glas steckt ein Stückchen vorderer Gehirnlappen. Ich entsinne mich meiner medizinischen Ausbildung und verlasse die Party.
Sehr wenige Sekunden später sind David und ich draußen. Es ist ein warmer Sommerabend, der Mond strahlt, die Straßen sind leer, die Düfte von Oleander, nachtaktiven Levkojen und Hundescheiße wetteifern miteinander, um sanften Halt auf unseren Nasalmembranen zu finden, hier, in der Belsize Avenue. Alles ist still und friedlich.
Froh gehen wir die Straße entlang, als unser Pfad teilweise von einem großen Pfingstrosenbusch versperrt wird, der hinter einem Gartenzaun hervor- und herüberhängt. Mit einem ganz, ganz leisen Anflug von Irritation gebe ich dem niedrig hängenden Busch einen Schubs.
»Nicht so doll, die sind doch schön …«
»Was ist schön?«
»Die Päonien oder Pfingstrosen«, sagt David und pflückt eine ab.
»Kuck mal.«
Sofort jault eine Polizeisirene auf, Bremsen quietschen, Staub fliegt überallhin, als ein Polizeiauto neben uns hält und zwei Polizisten herausspringen. Einer der beiden, das Hirn der Partie, entreißt David die Pfingstrose und sagt:
»Was haben wir denn da?«
»Eine Pfingstrose«, sage ich.
»Demnach geben Sie es zu?«
Der zweite Polizist beginnt bereits, in sein Notizbuch zu schreiben.
»Zugeben? Aber sehen Sie mal, Herr Wachtmeister …«
»Versuchen Sie nicht, mir zu schmeicheln, damit kommen Sie da auch nicht wieder raus.«
»Raus? Wo?« (Verzweiflung kriecht herein.)
»Ganz ruhig«, sagt der größere Polizist, der mit dem Notizbuch.
»Bitte, sehen Sie mal, was soll ich denn getan haben?«
»Sie nicht, er«, zeigt er auf David. »Er hat ein schweres Verbrechen begangen.«
Ich beginne mich zu ereifern. »Was meinen Sie damit?«
»Diebstahl. Das meine ich damit. Er hat die persönliche Habe eines anderen an sich gebracht, nämlich eine, in Worten: eine, Pfingstrose …«
»Aber es ist doch nur eine Blume.«
»Nur eine Blume!« hyperbolisiert der benotizbuchte Polizist. »Ho! Ho!«
»Das ist Besitz«, führt sein Gefährte (mit genug Emphase, daß er auch ohne das zusätzliche »Besitz!« von seinem Kollegen ausgekommen wäre) ins Feld, »Eigentum.«
»Was meinen Sie mit ›Eigentum‹?« sage ich.
»Erschien diese Pfingstrose etwa einfach so aus dem Nichts heraus?«
»Nein, sie hing an dem Busch.«
»An dem Busch, was? Ist das sein Busch?« Zeigt auf David.
»Nein.«
»Ist es Ihrer?«
»Nein.«
»Ist es der Busch eines Ihrer Bekannten oder Verwandten?«
»Nein.«
»Dann ist es der Busch eines anderen. Haben Sie die Erlaubnis eines anderen eingeholt?« fügt er hinzu und deutet auf das Haus, zu dem der Busch gehört.
»Nein.«
»Das, Bürschchen, ist Diebstahl, und das ist ein schweres Verbrechen und kann mit bis zu dreißig Jahren Haft bestraft werden ….«
Vor meinem geistigen Auge sehe ich weiter vorne auf der Straße, wie eine alte Dame von vier Schlägern zusammengeschlagen wird, während unschuldige Passanten angegriffen und ausgeraubt werden. Mehrere krasse Vergewaltigungen finden statt, und Männer mit schwarzweißen Ringelpullis und Masken rennen in Häuser hinein und mit großen Säkken, auf denen das Wort »Beute« steht, wieder heraus.
»Was meinen Sie mit Diebstahl? Was meinen Sie mit schwerem Verbrechen? Er hat nur eine Blume gepflückt«, sage ich zornig.
»Eine Blume gestohlen!«
»Na gut, dann geben wir sie zurück.«
»Das können Sie nicht, Bürschchen, sie ist abgetrennt.«
»Was meinen Sie mit ›abgetrennt‹?«
»Nun, hatten Sie vor, sie zurückzugeben?«
»Äh, ja, klar, hatten wir vor.«
»Ho! Und wie würden Sie das bewerkstelligen, Sir?«
»Tja, ich glaube, äh …«
»Tesafilm? Wieder annageln? Ein paar wohlplazierte Nieten? Sie könnten es gar nicht, stimmt’s?«
»Tja, äh, wahrscheinlich nicht.«
»Sehen Sie, da haben wir’s. Wenn Sie natürlich den ganzen Busch genommen hätten, mit Wurzeln und allem Drum und Dran herausgezogen hätten, hätten wir nicht beweisen können, daß Sie nicht die Absicht hatten, ihn wieder zurückzubefördern.«
Ein paar Straßen weiter wird ein Präsident ermordet.
»Na gut, na schön, das ist doch lachhaft. Ich werde denen einen ganzen neuen Busch kaufen.«
»Na, aber das wäre dann nicht derselbe Busch, oder etwa doch?«
Der zweite Polizist hört auf, Notizen zu machen, um höher aufragen zu können, um beim Abschuß dabei zu sein.
»Sehen Sie, ich werde den Hausbesitzer fragen, ob es ihm was ausmacht, daß wir eine Pfingstrose genommen haben, und wenn es ihm was ausmacht, werde ich ihm Schadensersatz zahlen, aber natürlich wird es ihm nichts ausmachen, und außerdem hat das Ding sowieso den Fußweg versperrt ….«
»Versuchen Sie nicht, uns schlau zu kommen, Bürschchen …«
Der Polizist mit dem Notizbuch erhebt eine Faust. Sein Kollege drückt sie hinunter und murmelt »Noch nicht, noch nicht« vor sich hin. Schließlich verliere ich die Geduld.
»Haben Sie nichts Besseres zu tun? Hier werden Morde begangen, Brandstiftungen, Vergewaltigungen, und da machen zwei von ihnen sich Sorgen um eine blöde Pfingstrose …«
»Ah, hier macht jemand Schwierigkeiten, stimmt’s? Sergeant?«
Er ruft zum Streifenwagen hinüber, aus welchem ein Sergeant springt, der nun angeschritten kommt.
»Hören Sie, Freundchen, möchten Sie mit aufs Revier kommen und sich ›interviewen‹ lassen?«
»Kann sehr ungemütlich werden, so ein ›Interview‹ …«, fügt der Mann mit dem Notizbuch hinzu.
»Drohen Sie uns mit körperlicher Gewalt?« frage ich und hebe meinen Schirm ganz leicht an, um meine Frage zu verdeutlichen.
»Alles klar, alles klar«, sagt der Sergeant. »Fordern Sie Verstärkung an.«
An diesem Punkt holt der erste Polizist sein Funksprechgerät hervor. »Pfingstrosenabtrennung Belsize Lane, können wir Verstärkung bekommen …?«
Wir gehen flott davon und lassen sie weitermachen. Sie sind mit dem ordnungsgemäßen Hüten der Gesetze viel zu beschäftigt, um es zu merken. In ganz London melden Polizeiautos über Funk an die Einsatzzentrale: »Bin in östlicher Richtung North End Avenue zum Schauplatz einer Pfingstrosenabtrennung südliche Belsize Lane unterwegs ….« Sirenen quietschen, Männer springen aus grünen Minnas, Wasserwerfer werden ausgefahren. Im Parlament werden Fragen gestellt, später in Den Haag. Schließlich kann die ganze leidige Angelegenheit nicht ohne die freundliche Intervention meines alten Freundes Dr Kurt Waldheim vom guten alten UN-Gebäude hier in New York beigelegt werden. Ganz schön klasse, meinen Sie nicht …?
Ein paar Häuser und eine kurze Zeitreise weiter, im City Center, New York 1976, wartet eine aufmerksame Menschenmenge immer noch auf die Wilde’sche Entgegnung … Ich beginne, in Schweiß auszubrechen. Der Text will einfach nicht kommen. John Cleese schurrt unbehaglich und mault: »Nun mach schon.«
Ich halte das für souffliert und verkünde laut: »Nun mach schon.«
Die Reaktion des Publikums vermittelt mir den definitiven Eindruck, daß dies nicht mein Text ist. Es sind Momente wie dieser, da man denkt: »Scheiß doch drauf! Ist das wirklich alles wichtig? Wozu sind wir alle hier? Ist es unser Geschick, die Pfade zu beschreiten, die wir beschreiten?« Und natürlich, als sollte etwas bewiesen werden, war ich tatsächlich ein Jahr später in Los Angeles ….
Wir drückten unsere Zigaretten aus und legten unsere Sicherheitsgurte an, dann nochmal auf französisch und spanisch, als plötzlich die Erster-Klasse-Lounge der mächtigen Boeing 747 der British Airways nach links in die Schräge ging. Flugkapitän Chet Bigglesburgs schneidiger Oxford-Singsang glitt machtvoll durch die Lautsprecher: »Hört zu, Herrschaften. Hodihodiho, wie geht’s denn so, Herrschaften? Extraprima gut, nehme ich doch mal stark an. Wir werden … ämm, tja … irgendwie landen und so und alles in, sagen wir mal, och, Los Angeles in schätzungsweise so ziemlich fünfzehn Minuten vom jetzigen punktgenauen Zeitpunkt an gerechnet, rein zeittechnisch jetzt, Herrschaften. Das heißt, die Landungisierung wird sozusagen … von jetzt an gerechnet, Herrschaften … in etwa … dudel-pipp … einigermaßen … abgeschlossen sein … was … Oh!« Klick. »Tut mir wahnsinnig leid, Herrschaften.« Klick.
Der enorme Tresen hörte auf zu gleiten, und ich und mein Finanzberater, Major Sloane, wurden von der inzwischen nackten zypriotischen Flugbegleitungsdebütantin von unseren Diwanen komplimentiert. Sie bot uns unsere Aussteighilfe-Fußbekleidungs-Bauteile an, vinylisiertes Nylonette-Oberleder, auf mit dem persönlichen Monogramm versehenen Rote-Teppich-Sohlen handgestickt –, eine anrührende moderne Erinnerung an den Charme, wie die Alte Welt ihn nie zu bieten hatte.
In unserem achtzehn Meter langen Cadillac-Viersitzer großkotzten wir downtown zur Premiere von Mohammed Alis Film The Greatest, einem ausgezeichneten Film – verdammt viel besser als Der weiße Hai oder Saturday Night Fever –, der sowohl von schwarzem als auch weißem Publikum abgelehnt wurde, weil er nur einfach die Wahrheit sagte. Oder sollten die Verleiher die Darstellung parasitärer weißer Mittelsmänner und Zwischenhändler unbehaglich zutreffend empfunden haben?
Der exklusive Open-Air-Empfang danach im riesigen Plaza de los Reaganos zog eine gewaltige Menge Zuschauer an, alle begierig, den Champ stilvoll im Hubschrauber anschwirren zu sehen. Aller Augen starrten himmelwärts, während Mohammed Ali, extravagant, wie er ist, still von hinten hereinkam und sich unter die Gäste mischte. Bald hatten ihn Horden von Film-, Fernseh- und Pressekameraleuten entdeckt, die jeden persönlichen Kontakt unmöglich gemacht hätten, wären sie nicht höflich von ihm ignoriert worden. Wie jeder anständige Schauspieler wollte er einfach wissen, wie der Film gelaufen war.
Wie bei den meisten Filmpremieren standen die meisten Menschen nur so herum und versuchten auszusehen, als kennten sie den Star so gut, daß sie sich seine Anwesenheit nicht einmal anmerken lassen mußten, spähten in die Runde und fragten sich, ob sie jemand bemerkt hatte. Fünf waren so berühmt, daß sie nicht einmal hatten erscheinen müssen, und die Stellen, an denen sie nicht standen, wurden ehrfürchtig angestarrt. Da sollte Sammy Davis jr stehen, und da drüben