Aus dem Amerikanischen von
Lukas Buchinger
Das Poker Mindset
1. Auflage zsr Verlag OHG, August 2009
Copyright © 2009 zsr Verlag OHG, D-26209 Hatten
ISBN-13: 978-3-940-75805-7
Die Originalausgabe erschien 2007 unter dem Titel „The Poker Mindset: Essential Attitudes for Poker Seccess“, veröffentlicht von Dimat Enterprises, Inc.
Übersetzung: Lukas Buchinger
Lektorat: Niklaus Mönch
Satz, Cover und Gestaltung: Mario Kattwinkel
Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlages oder des Urhebers strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen und Mikroverfilmungen sowie Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Sämtliche Inhalte, Grafiken und Abbildungen in diesem Buch wurden mit Genehmigung der Urheber verwendet.
Anregung und Kritik nehmen wir sehr gerne entgegen auf:
Ian Taylor ist professioneller Pokerspieler und -autor. Seine Artikel wurden auf diversen Internetseiten sowie in etlichen Büchern publiziert und handeln vorrangig von Pokerpsychologie, Varianz und emotionaler Selbstkontrolle. Ian Taylor beteiligt sich regelmäßig an den Diskussionen im Internetforum von InternetTexasHoldem.com.
Taylor erwarb im Jahr 1999 an der Universität Warwick ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften, in seiner Abschlussarbeit ging es um Risikotoleranz und Glücksspiel. Vor seiner professionellen Pokerlaufbahn arbeitete er einige Jahre in der IT-Branche.
Ian Taylor lebt mit seiner Lebensgefährtin Rebecca und einer Hauskatze in Essex, England. Wenn er nicht Poker spielt oder schreibt, schaut er gerne Fußball und liest.
Matthew Hilgers Beteiligung am professionellen Poker ist dreigeteilt: er spielt, er schreibt und er betreibt Internetseiten. Seine beiden ersten Bücher, Internet Texas Hold’em und Texas Hold’em Odds and Probabilities entwickelten sich zu weltweiten Bestsellern.
Hilger erwarb seinen Bachelor in Finanzwissenschaften an der Universität von Georgia. Außerdem hat er zwei Magistertitel in Finanzwissenschaften und in internationaler Wirtschaft. Vor seiner Pokerkarriere arbeitete Hilger in verschiedenen Positionen als Wirtschaftsprüfer, Finanzdienstleister und Berater.
Zwischen 2004 und 2006 erreichte Matthew bei der World Series of Poker acht Mal das Preisgeld, einen Finaltisch und einen 33. Platz beim Main Event. Im Jahr 2002 gewann er die neuseeländische Pokermeisterschaft.
Zurzeit lebt Matthew Hilger mit seiner Frau Dianan und seinen beiden Söhnen Joshua und Zachary in Atlanta, Georgia. Neben dem Pokerspielen komponiert Hilger gerne am Klavier und reist viel.
Matthew Hilger und Ian Taylor möchten sich bei folgenden Personen bedanken:
Vor allem bei Rebecca Churcher, die uns während der Niederschrift dieses Buches permanent unterstützt und das erste Lektorat vorgenommen hat.
Bei John Baxter, Ammon Brown, Neil Dewhurst, Peter Field, Jane Griscti, Tony Pillinger, Erik Rand und Tyler Zutz für Korrektorat, Lektorat und einige wertvolle Poker-Einsichten.
Bei Rob Keller und Lisa Keller für die Überprüfung der mathematischen Tabellen und Statistiken.
Bei Neil Myers und Julie Risinit für das stilistische Lektorat der Endfassung.
Bei allen Mitgliedern des Forums auf InternetTexasHoldem.com, die mit ihren Beiträgen dafür sorgen, dass diese Seite die beste Poker-Community im gesamten Internet ist.
Bestimmung der grundlegenden mentalen Einstellungen, die ein Pokerspieler für den Erfolg benötigt…
Eine Erörterung, wie Ihre Instinkte und Ihre Lebenserfahrung Sie beim Poker vom richtigen Weg abbringen können…
Wie man mit dem Verlust eines großen Pots oder eines Bad Beats zurechtkommt…
Was Downswings oder Pechsträhnen sind, wie man damit umgeht und welche Fallen man vermeiden soll…
Wie man verschiedene Typen von Tilt erkennt, handhabt und vermeidet…
Überlegungen zum Thema Bankroll mit psychologischem Hintergrund…
Die Bewertung der Tendenzen, Motive und Denkebenen Ihrer Gegner…
Verschiedene Themen, die sich um die Poker-Psychologie drehen….
Wie man Poker in sein normales Leben integriert…
Es gibt Dutzende Pokerbücher auf dem Markt, die darauf ausgerichtet sind, die technischen Aspekte des Spiels zu vermitteln. Dort wird erörtert, welche Hände man spielen soll und auf welche Weise, und welche nicht. In diesen Büchern werden die Pot Odds erklärt, die Täuschung der Gegner, Value Bets, Semi-Bluffs und unendlich viele andere Dinge. Viele dieser Bücher sind sehr gut.
Allerdings legen die meisten Pokerbücher nur Lippenbekenntnisse zu den menschlicheren Elementen des Pokerspiels ab. Poker wird von Menschen gespielt und nicht von Robotern. Menschen haben Gefühle und Neigungen, die zu unvorhersehbaren und unlogischen Handlungen führen können.
Dieses Buch setzt da an, wo die anderen aufhören. Wir werden nicht erörtern, wann Sie betten, raisen, callen, checken oder folden sollen, auch wenn diese Themen wichtig sind. Stattdessen wollen wir uns auf andere wichtige Fragen konzentrieren, wie etwa:
• Was ist die richtige innere Einstellung beim Poker?
• Wie bewältigen Sie den Verlust eines großen Pots oder eine Pechsträhne?
• Was ist Tilt und wie kann man ihn vermeiden?
• Welche anderen psychischen Faktoren erhöhen oder verringern Ihre Gewinnchancen?
Pokerautoren preisen ihr Buch gerne als das wichtigste auf dem Markt an. Wir sind bescheidener. Wir behaupten, dies sei das zweitwichtigste Pokerbuch, das Sie je lesen werden. Das wichtigste bringt Ihnen das technisch korrekte Spiel bei, weil dies durch nichts kompensiert werden kann. Dieses Buch knüpft daran an und zeigt Ihnen, wie Sie Ihren Vorteil maximieren und die selbstzerstörerischen Tendenzen vermeiden, die viele Spieler haben.
Die mentalen, emotionalen und psychologischen Aspekte beim Poker sind in der Literatur unterrepräsentiert, aber extrem wichtig. Jeder Pokerspieler verliert unnötig Geld, aber nicht aufgrund mangelnden Wissens oder Verständnisses, sondern aufgrund schlechter Einstellung, mangelhafter Mentalität, fehlerhafter Reaktionen und verworrenen Denkens. Selbst Menschen, die in ihrem normalen Leben sehr ruhig und kontrolliert sind, können am Pokertisch emotional, unlogisch oder verblendet werden. Poker ist ein Spiel, bei dem man sich Situationen aussetzt, die sich vom alltäglichen Leben unterscheiden, und das entsprechend abweichende Denkstrukturen erfordert. Das optimale Spiel beim Poker kann sogar Züge erfordern, die den Instinkten völlig widersprechen.
In diesem Buch werfen wir einen detaillierten Blick auf die psychologische Seite des Pokerspiels. Zunächst skizzieren wir die richtige Einstellung, mit der man sich an den Tisch setzen sollte. Dies ist die Grundlage dieses Buches und ein Thema, auf das wir immer wieder zurückkommen. Anschließend behandeln wir spezielle Themen wie den Verlust großer Pots, den Umgang mit Pechsträhnen und Tilt. Nach diesen grundlegenden Dingen widmen wir uns der Wichtigkeit eines vernünftigen Bankroll-Managements, der Gegneranalyse und einigen weitergehenden Themen. Im letzten Kapitel schauen wir uns an, wie Poker Ihr restliches Leben beeinflusst und umgekehrt.
Spieler jedes Niveaus sollten von diesem Buch profitieren können, egal ob Sie ein kompletter Anfänger sind, der verzweifelt ist und weniger Geld verlieren will, oder ein Profi, der jährlich sechsstellige Summen abräumt.
Anfänger erwerben Kenntnisse und Fähigkeiten, für die die meisten Spieler Lehrgeld bezahlen mussten. Wir legen einige harte Fakten dar und geben Ratschläge, wie man mit diesen umgeht.
Fortgeschrittene Spieler werden eventuell entdecken, was sie am Pokertisch behindert und können sich vielleicht von einem Verlierer oder Spieler mit ausgeglichener Bilanz zu einem Gewinner entwickeln.
Routinierte Spieler werden lernen, einige Dinge zu überwinden, die ihre Gewinnquote beschränken. Auf dem Spitzenniveau haben die meisten Spieler ein solides Verständnis der technischen Aspekte beim Poker. Die auf diesem Niveau erfolgreichen Spieler, sind diejenigen, die das menschliche Element optimal meistern.
Vermutlich werden Sie feststellen, dass sich die Beispiele in diesem Buch vor allem um Hold’em drehen. Dies liegt daran, dass Hold’em die momentan populärste Pokervariante ist, die von den meisten Lesern verstanden wird. Die Konzepte in diesem Buch gelten jedoch genauso für Stud, Omaha und jede andere Variante. Wir benutzen Hold’em-Beispielhände, um sicherzustellen, dass möglichst viele Leser unsere Aussagen verstehen.
Eine letzte Anmerkung: Bisweilen benutzen wir maskuline Pronomen (wie er, ihm oder sein), wenn wir über Spieler sprechen. Dies dient lediglich der Lesbarkeit und soll keine Geringschätzung weiblicher Pokerspieler darstellen. Vielmehr ist ein großartiger Aspekt des Pokerspiels, dass es ein Sport ist, bei dem Männer und Frauen unter gleichen Bedingungen Wettkampf betreiben und dieselben Erfolgschancen haben. Ganz gleich ob Sie ein Mann oder eine Frau, ein Anfänger oder Fortgeschrittener, jung oder alt sind – wir hoffen, dass Das Poker Mindset Ihnen dabei hilft, Ihr Spiel zu verbessern. Lesen Sie weiter und entdecken Sie einen völlig neuen Blick auf das Pokerspiel.
“Der siegreiche Stratege sucht den Kampf erst dann, wenn der Sieg bereits errungen ist, so wie der dem Untergang Geweihte zuerst kämpft und dann Ausschau nach dem Sieg hält.“ Sun Tzu (aus: Die Kunst des Krieges)
Im Laufe der Zeit entwickeln erfolgreiche Pokerspieler ein Repertoire technischer Fähigkeiten, das sie am Tisch anwenden. Zu diesen Fähigkeiten gehören beispielsweise die Handanalyse, das korrekte Spiel vor dem Flop, Bluffs/Semi-Bluffs und Value Bets. Dank dieser Fähigkeiten maximieren sie ihre Chancen, am Tisch die optimalen Entscheidungen zu treffen. In ähnlicher Weise profitieren erfolgreiche Spieler auch davon, die richtige Grundeinstellung zu entwickeln – das psychische Rüstzeug, das die technische Seite ergänzt und die Fähigkeiten vervollständigt.
Dieses Kapitel wird Ihnen dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen, indem es ein solches Rüstzeug beschreibt. Darin wird das Poker Mindset beschrieben: Sieben Grundeinstellungen, die jeder Pokerspieler unabhängig von der Variante, dem Limit oder der Spielstärke beherrschen sollte. Dabei handelt es sich um Realitäten, deren Sie sich bewusst sein müssen, und Grundeinstellungen, die Sie sich aneignen müssen, um beim Poker langfristig erfolgreich zu sein.
Wie die technischen Fertigkeiten wird das Poker Mindset Ihnen helfen, am Tisch bessere Entscheidungen zu treffen. Dies wird nicht immer so offensichtlich sein wie etwa ein Fold nach einem gegnerischen Raise auf dem Turn, aber langfristig werden Sie auf diese Weise mehr Geld gewinnen. In manchen Situationen könnte man sogar behaupten, dass Schwächen in Ihrer Mentalität Sie mehr Geld kosten als technische Schwächen. Nur ein dummer Spieler hält die psychologische Komponente beim Poker für unwichtig.
In diesem Kapitel stellen wir das Poker Mindset detailliert vor. In den folgenden Abschnitten wird jeder Aspekt des Poker Mindset einzeln erläutert und erklärt, warum er wichtig ist und welche negativen Konsequenzen die Missachtung haben kann. Die Aspekte werden in logischer Reihenfolge präsentiert und wir beginnen mit dem grundlegendsten.
Was für ein Spiel ist Poker eigentlich?
Manche Leute vergleichen Poker mit Blackjack. Beide Spiele werden in Casinos um Geld gespielt und bestehen aus einer Mischung aus Glück und Können. Ein gesundes theoretisches Verständnis ist bei beiden Spielen notwendig und für langfristigen Erfolg ist es erforderlich, möglichst oft den optimalen Spielzug zu finden.
Dennoch unterscheidet sich Poker extrem von Blackjack. Zunächst spielen Sie beim Poker nicht gegen das Casino, sondern gegen andere Spieler und Ihr Gegner spielt nach den gleichen Regeln wie Sie. Zudem ist das strategische Spektrum beim Poker wesentlich größer. Jemand mit einem ausgezeichneten Gedächtnis kann definitiv mit vergleichsweise wenig Lernaufwand zu einem perfekten Blackjack-Spieler werden, während es den perfekten Pokerspieler nicht gibt.
Einige vergleichen Poker mit Schach. Bei beiden Spielen benötigt man für den Erfolg eine gut durchdachte Strategie und eine sorgfältige Analyse. Zudem müssen Sie bei beiden Spielen technische und menschliche Elemente berücksichtigen, um Ihren Gegner zu übertrumpfen.
Dennoch unterscheidet sich Poker auch extrem vom Schach. Schach ist ein Spiel mit vollständiger Information. Beide Spieler wissen jederzeit genau, wie die Partie steht, und es gibt wenig Raum für Täuschung. Poker dagegen ist ein Spiel mit unvollständigen Informationen, bei dem jeder Spieler herauszufinden versucht, was der oder die Gegner auf der Hand haben. Beim Schach gibt es zudem nicht einmal kurzfristiges Glück. Der Ausgang der Partie hängt ausschließlich davon ab, welcher Spieler die besseren Züge macht. Beim Poker gibt es kurzfristig für nichts eine Garantie. Das Glückselement führt dazu, dass man selbst über einen recht langen Zeitraum gut spielen und verlieren, aber auch schlecht spielen und gewinnen kann.
Der Schlüssel zum Verständnis des Pokerspiels besteht darin, die Parallelen zum Schach und die Parallelen zum Blackjack zu erkennen, aber auch die Punkte, in denen es sich von diesen Spielen unterscheidet. Viele Spieler erzielen beim Poker keine Erfolge, da sie das Spiel grundlegend missverstanden haben. Im Folgenden zählen wir auf, was ein ehrgeiziger Pokerspieler wissen muss. Wir nennen diese Punkte die „Fünf Poker-Realitäten“. Alles was sonst in diesem Buch diskutiert wird, folgt aus diesen fünf Punkten.
Innerhalb der Pokergemeinde wird gern darüber debattiert, ob Poker ein Glücksspiel ist oder vom Können abhängt. Da jede Hand, die ausgeteilt wird, ein Neubeginn ist, scheint es logisch, dass erfolgreiches Spiel darin besteht, jede Hand gewinnen zu wollen. Aber der Gewinner einer Hand wird letztlich durch den Zufall bestimmt. In jeder beliebigen Hand sind Ihre Karten zufällig, die Karten Ihrer Gegner zufällig und auch die Gemeinschaftskarten zufällig. Auch ein guter Spieler kann seine Chancen, eine Hand zu gewinnen, nur dadurch erhöhen, indem er seinen Gegner zum Folden bringt.
Wenn Sie jedoch genauer hinschauen, entdecken Sie das versteckte Element, bei dem es um Können geht. Beim Poker kommt es nicht darauf an, die meisten Hände zu gewinnen, sondern das meiste Geld. Aufgrund der Struktur des Spiels ist es sogar ein schlechter Ansatz, jede Hand gewinnen zu wollen. Da es in jeder Hand nur einen Gewinner gibt, ist es sinnvoll, günstige Situationen abzuwarten und nur die Hände zu spielen, bei denen Sie sich im Vorteil sehen. Jemand, der jede Hand gewinnen will, wird auf Dauer eine Menge Geld verlieren.
Unterm Strich führt dies dazu, dass die stärkeren Spieler in der Regel weniger Hände gewinnen, aber mehr Geld. Man wird nur schwer ein anderes Spiel finden, bei dem die besten Spieler am wenigsten Partien gewinnen und aufgrund dieser einzigartigen Facette erscheint Poker vielen als Glücksspiel.
Es gibt aber ein weiteres wichtiges Element, bei dem Können verlangt wird. Pokerspieler müssen während einer Hand mehrfach Entscheidungen über Einsätze treffen. Sie müssen die vorhandenen Indizien analysieren (zum Beispiel Ihre eigene Hand, die Gemeinschaftskarten und die Einsätze der Gegner) und anschließend mit ihrem Urteilsvermögen zur optimalen Entscheidung gelangen. Spielt das Urteilsvermögen eine Rolle, ist Raum für Fehler, und wo Raum für Fehler ist, spielt natürlich Können eine Rolle.
Obwohl es beim Poker um Glück und Können geht, kann es sehr schwierig sein, bei einer kurzfristigen Betrachtung die Bedeutung der Spielstärke zu entdecken. Um beim Poker einen Pot zu gewinnen, muss man entweder am Ende die beste Hand vorweisen oder alle Gegner zum Folden bringen. Sie können Ihre Gewinnchancen erhöhen, indem Sie möglichst viele Spieler vor dem Showdown zum Folden verleiten, aber sobald am Ende die Karten aufgedeckt werden, geht es nur darum, wer die bessere Hand hat, und nicht, wer der bessere Spieler ist. In manchen Fällen werden Sie Pots gewinnen, weil Sie alle Gegner zum Folden gebracht haben, aber dies ist natürlich nur möglich, wenn keiner Ihrer Gegner eine starke Hand hat. Kurzum, der Ausgang einer Hand beim Poker hängt stark vom Glück ab.
Wie im vorherigen Abschnitt erörtert besteht das Können beim Poker darin, mit den unterlegenen Händen weniger zu verlieren und mit den siegreichen mehr zu gewinnen, aber selbst dies ist eine ungenaue Wissenschaft, wenn man nur eine Hand betrachtet. Nehmen wir zum Beispiel an, Sie spielen No-Limit Hold’em und gehen mit einer starken Hand wie AK All-In und werden von jemandem mit 72 gecallt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie mit AK am Ende die bessere Hand haben, beträgt nur etwa zwei Drittel. Dies ist zwar ein respektabler Vorteil, aber beileibe keine Sieggarantie. Es ist genauso möglich, in einer Hand gute Entscheidungen zu treffen und dafür bestraft zu werden, oder, aus einer anderen Perspektive, schlechte Entscheidungen zu fällen und belohnt zu werden.
Selbst wenn man sich die Ergebnisse etwas langfristiger betrachtet, läuft für den kompetenten Spieler nicht zwangsläufig alles glatt. Ein guter Spieler kann über einen längeren Zeitraum schlecht abschneiden, weil er viele schlechte Karten bekommt, Bad Beats erleidet oder schlicht überdurchschnittlich häufig von einer schlechteren Hand überholt wird. Zu jeder Hand gehört ein großes Glückselement. Diese Glückselemente können sich schnell zu einer Glücks- oder Pechsträhne addieren und dies gilt auch für eine scheinbar große Anzahl von Händen.
Um dies zu verdeutlichen, nehmen wir an, Sie würden eine Woche spielen und hätten 100 Flush Draws. Bei Hold’em beträgt die Wahrscheinlichkeit, einen gefloppten Flush Draw bis zum River zu vervollständigen etwa ein Drittel, das heißt, Sie müssten in diesen 100 Händen eigentlich 33 Flushs treffen. Nehmen wir nun an, während eines guten Laufs treffen Sie 40 Flushs und im Laufe einer Pechsträhne nur 25. Bedenken Sie nun, dass das Gleiche auch für die Flush Draws Ihrer Gegner gilt. Ihr kurzfristiges Glück bzw. Pech und das Ihrer Gegner kann zu einem sehr unterschiedlichen Wochenergebnis führen. Bei einem schlechten Lauf gewinnen Sie 33 - 25 = 8 Pots weniger als es dem Erwartungswert entspräche. Und wenn Ihre Gegner eine Glückssträhne haben, gewinnen diese 40 – 33 = 7 Pots mehr als es dem Erwartungswert entspräche. Dies ergibt eine Summe von 15 Pots, die Sie weniger gewinnen und 15 Pots machen viel Geld aus.
Dabei haben wir nur die Flush Draws betrachtet, eine der vielen Hundert Variablen, mit denen Sie am Tisch zu tun haben. Wie viele Sets treffen Sie mit Ihren Paaren? Wie oft rennen Sie mit einer Hand wie AQ in AK? Wie oft floppen Sie Two Pair, aber Ihr Gegner trifft etwas Besseres? Es spielt dabei keine Rolle, wie gut Sie spielen, denn diese Statistiken betreffen jeden Pokerspieler kurzfristig und verschleiern das immanente Element der Spielstärke.
Die gute Nachricht für den fähigen Spieler lautet, dass das Glück als Faktor immer mehr verschwindet, je länger Sie spielen. Mathematiker wissen dies intuitiv, aber wenn Sie mathematisch weniger begabt sind, können Sie sich einfach einen Münzwurf vorstellen. Bei jedem Münzwurf beträgt die Wahrscheinlichkeit für Kopf 50 Prozent und für Zahl ebenfalls 50 Prozent. Werfen Sie eine Münze zehnmal, erwarten Sie, dass Kopf und Zahl jeweils etwa fünfmal erscheinen. Die Wahrscheinlichkeiten, dass bei zehn Würfen Kopf mit einer bestimmten Häufigkeit kommt, finden Sie in der folgenden Tabelle (die Zahlen sind gerundet).
Wie erwartet ist fünf die wahrscheinlichste Anzahl, dicht gefolgt von vier und sechs, aber auch die Wahrscheinlichkeit eines extremeren Resultats ist ziemlich erheblich. Die Wahrscheinlichkeit, siebenmal oder öfter Kopf zu werfen, beträgt ungefähr 17 Prozent.
Was aber passiert, wenn wir die Münze 100mal werfen? Berechnen wir nun die Wahrscheinlichkeit, 70-mal oder öfter Kopf zu werfen (die gleiche Proportion wie zuvor), beträgt diese nur noch 0,004 Prozent (oder ein 250stel eines Prozents). Je öfter Sie ein zufälliges Ereignis wiederholen, desto unwahrscheinlicher wird es, ein extremes Resultat zu bekommen.
Diese mathematische Theorie, die oft das “Gesetz der großen Zahlen” genannt wird, hat wichtige Auswirkungen auf das Pokerspiel. Während Sie immer mehr Hände spielen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, extrem viel Glück oder Pech zu haben. Spielen Sie ausreichend viele Hände, ist der Glücksfaktor praktisch ausgeschaltet und Ihr Erfolg hängt allein von der Spielstärke ab.
Unglücklicherweise kann es sehr lange dauern, bis der Glücksfaktor eliminiert wird. Wir können behaupten, dass ein guter Spieler fast sicher Gewinn erzielt, wenn er 100.000 Hände gespielt hat, aber auch das ist vor allem dann nicht sicher, wenn er nur leicht besser als seine Kontrahenten ist. Fast sicher gibt es während dieser 100.000 Hände Phasen von 100, 1.000 oder sogar 10.000 Händen, in denen der besagte Spieler Geld verliert, aber diese sollten durch Perioden ausgeglichen werden, in denen er mehr gewinnt, als er erwarten durfte. Je mehr Hände Sie spielen, desto weniger spielt der Glücksfaktor eine Rolle.
Auf einem Pokertisch wandert viel Geld hin und her. In einer Hold’em-Partie mit Blinds von 20 $/40 $ könnte die durchschnittliche Potgröße zum Beispiel etwa 250 $ betragen. Bei diesen Potgrößen kann man davon ausgehen, dass die erfolgreichen Spieler eine Menge Geld gewinnen. Schließlich verdienen Sie mit jedem gewonnenen Pot mehr Geld als die meisten Menschen an einem Tag!
Aber so funktioniert Poker nicht. Zwar können Sie in einem Pot 250 $ auf einen Schlag gewinnen, doch das kurzfristige Glück sorgt dafür, dass das Geld auf dem Tisch hin und her wandert, und selbst ein guter Spieler wird nicht viel mehr gewinnen, als es dem ihm zustehenden Anteil entspräche. Berücksichtigt man noch das Rake, erzielen selbst die besten Spieler in Relation zur Größe des durchschnittlichen Pots nur einen niedrigen Gewinn. Bei Limit Hold’em etwa gewinnt ein guter Spieler nur eine Big Bet in der Stunde. Auch wenn ein erfolgreicher Spieler bei Blinds von 20 $/40 $ scheinbar Hunderte von Dollar zugleich gewinnt, verdient er in der Stunde vermutlich nur 40 $. Mit anderen Worten benötigt ein guter Limit-Spieler im Schnitt mehrere Stunden, um einen Nettogewinn zu erzielen, der der durchschnittlichen Potgröße entspricht.
All dies kommt daher, dass die Gewinne erfolgreicher Pokerspieler von den gegnerischen Fehlern stammen, die im Allgemeinen von Natur aus klein sind. Beim Poker kann jede Hand gewinnen und man hat nur selten die Nuts. Selbst wenn Ihre Gegner inkorrekt Bets callen, haben sie eine Chance, die Hand zu gewinnen, und falls sie nur ein wenig Ahnung haben, werden sie ihr Geld nicht mit katastrophalen Odds in die Mitte schieben. Diese kleinen Fehler summieren sich im Laufe der Zeit, weshalb die besseren Spieler gewinnen, aber dieser Gewinn wird nie so hoch ausfallen, wie es aufgrund der durchschnittlichen Potgröße den Anschein hat.
Dies ist letztlich die Konsequenz aller Poker-Realitäten, die wir zuvor dargelegt haben. Beim Poker kommt es auf Glück und Können an, aber kurzfristig regiert das Glück. Aus diesem Grund sind die kurzfristigen Ergebnisse auch extrem wechselhaft. Nehmen Sie nun noch den Umstand hinzu, dass der Vorteil des guten Spielers sehr gering ist, stellen Sie fest, dass der erfolgreiche Akteur fast genauso viele Verlustsessions wie Gewinnsessions hat! Möglicherweise hat er sogar mehr Verlustsessions, wenn er dazu neigt, nach dem Verlust eines bestimmten Betrags aufzuhören.
Denken Sie an den Limit-Spieler bei Blinds von 20 $/40 $, den wir zuvor beschrieben haben und der einen durchschnittlichen Gewinn von 40 $ pro Stunde erzielt. In einer sechsstündigen Session beträgt sein Erwartungswert etwa 240 $, also gleich viel wie die durchschnittliche Potgröße. Demnach ist es nicht schwer zu begreifen, dass der Ausgang eines oder zweier Pots eine Gewinnsession in eine Verlustsession verwandeln kann, und umgekehrt. Erleiden Sie einige Verlustsessions in Folge, haben Sie schlagartig eine Pechsträhne, während eine Reihe von Gewinnsessions eine Glückssträhne darstellt. Erst nach etlichen Tausend Händen können Sie sich das Gesamtergebnis dieser ganzen Auf und Abs ansehen und den langfristigen Trend erkennen.
Noch eine letzte Bemerkung – schauen Sie sich noch einmal den Titel dieses Kapitels an: “Verständnis und Akzeptanz der Realitäten beim Poker.“
Sie müssen die fünf Poker-Realitäten verstehen, aber noch wichtiger ist, diese zu akzeptieren. Es bringt zum Beispiel nichts, die hohe kurzfristige Glückskomponente beim Poker zu verstehen, aber dann den Verlust von 40 Big Bets in einer einzigen Session zu beklagen. Ein guter Spieler versteht die Realitäten des Pokerspiels und akzeptiert diese, weil er weiß, dass dies die Natur des Spiels ist, die ihm bei seinem Erfolg behilflich ist.
Mit anderen Worten könnte man sagen: Spielen Sie kein Poker, wenn Ihnen die Regeln missfallen.
Aufgrund der vorherigen Erörterung sollte klar sein, dass es beim Poker ziemlich abwegig ist, kurzfristige Gewinne zu erwarten. Auf kurze Sicht kann ziemlich viel passieren, schlechte Spieler können gewinnen und gute verlieren.
Wollen Sie beim Poker Geld gewinnen, müssen Sie Ihr Spiel langfristig anlegen und die kurzfristigen Risiken akzeptieren.
Die zweite Grundeinstellung des Poker Mindset ist, sein Spiel langfristig anzulegen. Was aber ist mit „langfristig“ genau gemeint? Zunächst ist es wichtig anzumerken, dass damit keine unterschiedlichen Spielweisen gemeint sind. Es gibt eine „korrekte“ Spielweise in jeder Hand, nämlich diejenige, mit der Sie im Durchschnitt am meisten Geld gewinnen. Ihr Ziel sollte darin bestehen, jede Hand auf diese Weise zu spielen. Es ist sogar einer der Gründe, weshalb Sie sich innerlich einer langfristigen Spielweise verpflichten sollten, dass die Konzentration auf kurzfristige Resultate Sie für Spielweisen mit niedrigem Erwartungswert anfällig macht.
Legen Sie Ihr Spiel langfristig an, werden die Ergebnisse einer einzelnen Session Sie nicht sonderlich kümmern, und schon gar nicht die einer einzelnen Hand. Mit einer langfristigen Spielweise sind Sie unabhängig von den kurzfristigen Erfolgen mit den Spielzügen zufrieden, die einen langfristigen Erfolg versprechen.
Ein Spieler, der sich zu sehr auf die kurzfristigen Resultate konzentriert, wird sich nach einer ertragreichen Gewinnsession euphorisch fühlen und nach einer Verlustsession deprimiert. Außerdem ist er für die folgenden Fehler anfällig.
Spieler, die sich auf kurzfristige Ergebnisse konzentrieren, setzen alles daran, eine Verlustsession zu vermeiden. Liegen sie zurück, neigen sie dazu, so lange zu spielen, bis ihr Ergebnis zumindest ausgeglichen ist. Diese Einstellung kann katastrophale Folgen haben.
Zum einen spielen sie vielleicht weiter, wenn sie müde oder gelangweilt sind, und zeigen deshalb nicht ihr bestes Poker. Außerdem kam diese Einstellung vor allem, wenn sie noch weiter in die roten Zahlen stürzen, dazu führen, dass Sie auf Tilt gehen, wodurch sie erst recht deprimiert werden. Natürlich verlieren sie wahrscheinlich noch mehr, wenn sie auf Tilt sind, und ihre Chancen, wenigstens ein bisschen zurückzugewinnen, sinken noch weiter. Wie Sie sehen, entsteht ein ziemlich gefährlicher und brutaler Teufelskreis.
Das Gegenteil gilt genauso. Kurzfristig denkende Spieler lieben es, eine Gewinnsession hinzulegen und überschätzen diese in der Regel. Eine bekannte Redensart unter Gelegenheitsspielern lautet, „Hör auf, wenn Du vorne liegst“, sie stammt teilweise von dem deprimierenden Gefühl, zunächst im Plus zu sein und anschließend seine Gewinne wieder zu verlieren.
Eines der schlimmsten Szenarien für einen kurzfristig denkenden Spieler besteht darin, seine Gewinne wieder einzubüßen, und das gilt sogar, wenn er dabei gutes Poker gespielt hat. Selbst wenn er an einem günstigen Tisch sitzt und gut spielt, neigt er deshalb dazu aufzuhören, wenn er im Plus ist.
Alternativ könnte ein kurzfristig denkender Spieler sogar noch etwas Schlimmeres anstellen: Er könnte am Tisch sitzen bleiben, aber anfangen, sehr konservativ zu spielen. Dabei lässt er eventuell Spielzüge mit positivem Erwartungswert aus, um nur noch Spielzüge auszuführen, bei denen das Risiko, einen großen Betrag zu verlieren, minimal ist.
Ein Spieler, der sich mehr um seine Resultate kümmert als um gutes Poker, geht mit weit höherer Wahrscheinlichkeit auf Tilt, da er sich von einem schlechten Verlauf stärker beeindrucken lässt. Lesen Sie , um mehr über die Arten und Auslöser von Tilt zu erfahren.
Ein Spieler, der sich um kurzfristige Ergebnisse kümmert, ist sehr verärgert, wenn er nach einem schlechten Spielzug eines Gegners geschlagen wird. Er hält die Resultate seiner einzelnen Sessions für wichtig und deshalb schmerzt ihn der Verlust eines Pots, den er nach seiner Einschätzung eigentlich hätte gewinnen sollen. Dies gilt vor allem, wenn es sich um einen großen Pot handelte. Unter Umständen verleitet ihn dies dazu, auf den Gegner mit dem schlechten Spielzug böse zu sein und minderwertige Hände zu spielen, wenn sich dieser am Pot beteiligt hat. Vielleicht beschimpft er auch den schwachen Kontrahenten, was immer eine schlechte Idee ist, da dieser den Tisch verlassen oder zumindest besser spielen könnte. Jemand, der sich über den Verlust eines Pots aufgrund fehlerhaften Spiels eines Gegners ärgert, riskiert, selbst schlecht zu spielen, weil er versucht, das verlorene Geld zurückzugewinnen.
Wer sein Spiel langfristig anlegt, akzeptiert, dass er ohne eigene Fehler kurzfristig Geld verlieren kann. Dagegen wird ein Spieler, der sich um seine kurzfristigen Resultate Gedanken macht, versuchen, die Dinge zum Guten zu wenden, wenn es nicht wie gewünscht läuft. Es ist zwar gut, regelmäßig sein Spiel zu überprüfen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen, aber keine gute Idee, sein Spiel aufgrund kurzfristiger Resultate zu verändern. Beachten Sie, dass dies ein verbreiteter Fehler unter mittelprächtigen Spielern ist. Haben diese einen schlechten Lauf, verändern sie ständig ihr Spiel und versuchen auf diese Weise, Ihre Ergebnisse zu verbessern, weil sie nicht begreifen (oder akzeptieren), dass ihre Verluste weitgehend auf kurzfristiges Pech zurückzuführen sind.
Einmal hatte zum Beispiel Ian nach einem Aufstieg auf ein neues Limit nach 6.000 Händen festgestellt, dass AA dort eine unprofitable Hand zu sein schien. Dies heißt nicht, dass er diese Hand schlecht gespielt hat und natürlich auch nicht, dass AA auf diesem Limit per se eine unprofitable Hand ist, sondern einfach nur, dass Ian mit Assen in diesem vergleichsweise kurzen Zeitraum viel Pech hatte. Würde er danach versuchen, die Asse anders zu spielen, hätte dies fast sicher zur Folge, dass die langfristigen Resultate negativ ausfallen.
Unterm Strich ist eine auf Langfristigkeit angelegte Spielweise die einzige Methode für erfolgreiches Poker. Spieler, die auf kurzfristige Ergebnisse fixiert sind, geraten in unnötige mentale Schwierigkeiten, die zu schlechten Entscheidungen führen können.
Der große Vorteil, Poker langfristig zu spielen, besteht darin, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: korrekte Entscheidungen zu treffen. In jeder Hand werden Entscheidungen von Ihnen verlangt. Bei Limit Hold’em stehen Sie permanent vor der Wahl, zu folden, zu callen oder zu raisen. In anderen Varianten sind andere Entscheidungen gefragt. Bei Pot-Limit oder No-Limit müssen Sie über die Höhe Ihrer Bet oder Ihres Raise befinden, während Sie bei Varianten wie Lowball oder Draw Poker eine Entscheidung darüber treffen müssen, wie viele Karten Sie wegwerfen und welche.
An dieser Stelle ist eine Erklärung nötig, was wir meinen, wenn wir von der “korrekten” Spielweise sprechen. In seinem ausgezeichneten Buch The Theory of Poker bezeichnet David Sklansky das Folgende als „Der Zentrale Pokerlehrsatz“:
Jedes Mal, wenn Sie eine Hand anders spielen, als Sie diese mit Kenntnis aller gegnerischen Karten gespielt hätten, profitieren Ihre Gegner. Jedes Mal, wenn Sie Ihre genau so spielen, wie Sie diese im Wissen der gegnerischen Blätter gespielt hätten, verlieren Ihre Gegner. Umgekehrt gewinnen Sie jedes Mal, wenn Ihre Gegner ihre Karten anders spielen, als sie es mit Kenntnis aller Karten täten. Und Sie verlieren jedes Mal, wenn Ihre Gegner die Hände genau so spielen, wie sie es mit Kenntnis aller Karten täten.
Dieser Lehrsatz liefert eine ausgezeichnete und prägnante Erklärung, auf welche Weise beim Poker Geld gewonnen bzw. verloren wird, er sollte aber nicht zur Bestimmung benutzt werden, ob eine konkrete Entscheidung falsch war oder nicht. Das Problem bei Sklanskys Lehrsatz besteht darin, dass er davon ausgeht, Sie hätten vollständige Informationen. Da die gegnerischen Karten verdeckt sind, besitzen wir diese vollständigen Informationen aber praktisch nie. Tatsächlich wäre Poker mit vollständigen Informationen kein besonders attraktives Spiel.
Wenn wir in diesem Buch von der “korrekten Spielweise” sprechen, meinen wir den besten Spielzug, den man aufgrund der Ihnen zur Verfügung stehenden Informationen vernünftigerweise von Ihnen erwarten kann. Unsere Definition richtet sich eher auf die praktische als auf die theoretische Seite des Pokerspiels. Betrachten Sie sich die folgende Hand, um den Unterschied zu erkennen.
Sie spielen Limit Hold’em und halten A♣Q♣. Es entsteht ein großer Pot, auf dem River sind Sie im Heads-Up und das Board zeigt folgende Karten:
A♦J♣9♦8♣7♣
Ihr Gegner setzt. Was machen Sie? Sie halten einen Flush mit einem Ass als höchste Karte, während Ihr Gegner eine Vielzahl schlechterer Hände haben kann, wie ein Set, eine Straight, einen niedrigeren Flush oder sogar Two Pair. Der offensichtliche Spielzug ist ein Raise und gegen die meisten Kontrahenten ist dieser aufgrund der vorhandenen Informationen mit Sicherheit korrekt.
Was ist jedoch, wenn Ihr Gegner T♣9♣ hält? Sie werden vom Straight Flush geschlagen und laut Sklanskys Definition ist ein Fold der theoretisch korrekte Spielzug. Da Sie aber vermutlich keine Möglichkeit haben, zu wissen, dass Ihr Gegner den Straight Flush hat, ist ein Raise unter praktischen Gesichtspunkten in jedem Fall korrekt und ein Fold ein katastrophaler Spielzug. Fast sicher sollten Sie sogar gegen einen Kontrahenten zumindest callen, der bislang auf dem River nur mit den Nuts gebettet hat.
Warum betonen wir, dass es wichtiger ist korrekte Entscheidungen zu treffen als Geld zu gewinnen? Besteht das Ziel beim Poker etwa nicht darin, Geld zu gewinnen? Erneut läuft das Problem auf die kurzfristige Dominanz des Glücks beim Poker hinaus. Auf kurze Sicht gibt es keine Garantie, Geld zu gewinnen, da es einfach zu viele Unbekannte und zufällige Variablen gibt. Ein guter Spieler kann fast sicher garantieren, auf lange Sicht Geld zu gewinnen, aber dies gelingt ihm nur, indem er korrekte Entscheidungen fällt. Korrekte Entscheidungen können zu einem momentanen Verlust führen, sind aber die einzige Methode, langfristige Profitabilität sicherzustellen. Sich auf etwas anderes zu konzentrieren, ist völlig nutzlos.
Nehmen wir zum Beispiel an, Sie spielen No-Limit Hold’em und bekommen in später Position ATo. Ein solider Spieler in früher Position raist auf den Standardbetrag und alle Spieler vor Ihnen folden. Sie erkennen, dass ATo eine marginale Hand gegen einen Raise aus früher Position ist und folden korrekterweise. Der Big Blind callt und auf dem Flop kommen AT9. Nach zwei Blanks auf Turn und River verzieht sich der Rauch und der Big Blind gewinnt mit T9s einen großen Pot gegen den Preflop-Raiser, der AK hielt. Hätten Sie vor dem Flop nicht gefoldet, hätten Sie einen riesigen Pot gewonnen.
Dies ist eine der Hände, die einige Spieler aus der Bahn werfen, da sie diese isoliert betrachten, anstatt sie als einen kleinen Unfall in ihrer langen Pokerkarriere wahrzunehmen. Obwohl der Fold in dieser konkreten Hand tatsächlich Geld kostete, war es dennoch die korrekte Entscheidung (sowohl nach unserer als auch nach Sklanskys Definition), die auf lange Sicht Geld spart. Spielt man die Hand nach, erkennt man, dass ATo gegen AKo und T9s nur in etwa 15 Prozent der Fälle auf dem River die beste Hand ist. Der Fold brachte effektiv Geld ein, da man bei diesem Szenario nicht davon ausgehen kann, in 15 Prozent der Fälle mehr Geld zu gewinnen als man in den anderen 85 Prozent verliert.
Dieses Prinzip gilt für jede Entscheidung beim Poker. Treffen Sie die korrekte Entscheidung, ist das konkrete Ergebnis einer Hand irrelevant. Ganz unvermeidlich werden Sie aufgrund des richtigen Spielzugs bisweilen Geld verlieren und andere Spieler mit einem inkorrekten Spielzug gelegentlich Geld gewinnen. Trösten Sie sich damit, dass diese Spieler langfristig ihr Geld verlieren und Sie die besten Chancen besitzen, Geld zu gewinnen, wenn Sie weiterhin gut spielen. Machen Sie sich keine Gedanken darüber, Geld zu gewinnen, sondern konzentrieren Sie sich darauf, korrekte Entscheidungen zu treffen und überlassen das Geld sich selbst.
“Ängstliches Geld kann nicht gewinnen.”
Dies ist ein häufig bemühtes Poker-Klischee, aber ein äußerst wichtiges Konzept. Der entscheidende Punkt besteht darin: Wenn Sie Poker mit Geld spielen, das Sie fürchten zu verlieren, sinkt die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen, da Sie zu suboptimalen Entscheidungen neigen.
Denken Sie daran, die korrekte Entscheidung ist diejenige, mit der Sie langfristig am meisten Geld gewinnen. Konzentrieren Sie sich darauf, kein Geld zu verlieren, versuchen Sie nicht mehr, die korrekte Entscheidung zu treffen. Ihre Entscheidungen folgen dann dem Bemühen um Schadensbegrenzung und reduzierter Varianz. Sie bringen sich selbst um Geld, sobald Sie Hände mit positivem Erwartungswert aufgeben, um die Varianz zu schmälern. Poker ist ein Spiel mit kleinen Vorteilen und die Aufgabe von Situationen mit positivem Erwartungswert kann aus einem erfolgreichen Spieler leicht einen Verlierer machen.
Hoffentlich sind Sie so klug, sich nicht mit Ihrer gesamten Bankroll oder der gesamten nächsten Monatsmiete an den Tisch zu setzen. Allerdings können Sie auch ängstlich spielen, wenn Sie nicht alles riskieren. Zwei Faktoren sind in der Regel ausschlaggebend, mit welcher Wahrscheinlichkeit, Sie zu ängstlichem Spiel neigen:
Erstens, wie groß ist Ihre Bankroll? Haben Sie nicht ausreichend Geld in der Hinterhand, um einen eventuellen Downswing aufzufangen? Haben Sie zuletzt verloren und haben die Marke überschritten, an der Ihre Bankroll nicht mehr das Limit ausreicht, das Sie gerade spielen? (Oder sind Sie gefährlich nah an dieser Marke?) Sind Sie gerade im Limit aufgestiegen und Ihre Bankroll ist jetzt in Bezug auf die Big Bets deutlich kleiner? Wenn einer dieser Punkte zutrifft, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ängstlicher spielen als sonst.
Zweitens, wie ist Verhältnis zum Geld? Sind Sie generell risikoscheu? Ist Ihre Angst, Geld zu verlieren, größer als das Verlangen, es zu gewinnen? Sind Sie bereit, weniger zu verdienen, wenn die Varianz abnimmt? Befürchten Sie Verluste, obwohl Sie eine ausreichend große Bankroll haben? Trifft dies zu, haben Sie ein Problem, da dies keine guten Eigenschaften für einen Pokerspieler sind. Wenn Sie nicht in der Lage sind, eine risikoneutrale Einstellung zum Poker zu entwickeln, sollten Sie entweder aufhören oder mit einer derart großen Bankroll (oder auf sehr niedrigen Limits) spielen, dass die Beträge keine Rolle mehr für Sie spielen.
Mit ängstlichem Spiel laufen Sie Gefahr, in eine Vielzahl von Fallen zu tappen:
Haben Sie Angst vor dem Verlieren, werden Sie mit Ihren schwachen Made Hands nicht häufig genug betten und sind anfälliger, noch überholt zu werden. Sie versuchen, weniger zu verlieren, wenn Sie überholt werden, aber zur Strafe werden Sie häufiger überholt.
Gute Value Bets sind eine der wichtigsten Fähigkeiten beim Poker. Es handelt sich dabei um Bets, die in der Hoffnung gebracht werden, dass der Gegner mit einer schwächeren Hand callt. Nicht ausreichend „For Value“ zu betten ist ein enormer Mangel im Spiel, da Sie mit dem Gewinn eines kleinen Pots zufrieden sind anstatt mehr Geld in einer vorteilhaften Situation zu investieren. Vor allem auf dem River ist dieser Fehler verbreitet, da man dort keinen Anreiz mehr hat, seine Hand zu schützen.
Haben Sie Angst, Geld zu verlieren, scheuen Sie vielleicht davor zurück, ohne eine gute Hand zu spielen, obwohl das konkrete Blatt einen kleinen Gewinn verspricht. Im Endeffekt verpassen Sie leicht profitable Gelegenheiten, die sich mit der Zeit summieren.
Wer ängstlich spielt, callt seltener ohne starke Hand eine hohe Bet bei Pot-Limit oder No-Limit, weil dies mit der Möglichkeit verbunden ist, eine Menge Geld oder sogar den gesamten Stack zu verlieren. Nehmen Ihre Gegner dies erst einmal wahr, beginnen diese, bei jeder Gelegenheit Pots zu stehlen.
Im Grunde wird das Bluffen überschätzt. Anfänger glauben in der Regel, beim Poker ginge es nur ums Bluffen, obwohl gerade auf den niedrigen Limits eine solide Strategie mit wenig Bluffs wesentlich klüger ist. Bluffen Sie jedoch nie oder nur sehr selten, werden Sie für aufmerksame Spieler auf den mittleren und höheren Limits sehr durchschaubar. Wenn Sie ängstlich spielen, werden Sie dazu neigen, auf Bluffs eher zu verzichten, da diese in Limit-Partien nur geringe Gewinnaussichten bieten und bei No-Limit und Pot-Limit sehr riskant sind.
Im Allgemeinen sollten Sie sich in einer Lage befinden, in der Sie einen großen Verlust mit einem Schulterzucken hinnehmen können. Einige Spieler sind dazu in der Lage, aber die meisten nicht. Das Beste, worauf die meisten Spieler hoffen können, ist, die Verluste nüchtern zu betrachten und daran zu denken, dass moderate, kurzfristige Verluste unvermeidlich sind. Wichtig ist dabei, nicht zuzulassen, dass die Furcht vor Verlusten das eigene Spiel negativ beeinflusst.
Natürlich wird es beim Aufstieg in den Limits immer schwerer, mit den Beträgen, die man verlieren kann, leicht fertig zu werden. Die meisten können es akzeptieren in einer Partie mit Blinds von 1 $/2 $ einen Betrag wie 80 $ zu verlieren, da sie solche Beträge ständig für ihre Unterhaltung ausgeben. Für die meisten Menschen ist der Verlust von 1.600 $ in einer Partie mit Blinds von 20 $/40 $ jedoch eine Menge Geld. Dieser Betrag entspricht häufig zwei Monatsmieten oder vielleicht sogar bei einigen dem Monatslohn.
Es ist schwierig, jemandem beizubringen, für Geld unempfindlich zu sein. Jeder muss dies selbst lernen. Wie zuvor angemerkt sind einige Menschen von Natur aus einfach zu risikoscheu, um dieses Ziel jemals zu erreichen. Ungeachtet dessen gibt es drei Punkte, die Ihnen dabei helfen, sich für Geld unempfindlicher zu machen.
Erfahrung – Je mehr Sie spielen, desto vertrauter werden Ihnen die Geldbeträge, um die gespielt wird, und desto weniger tangieren Sie diese.
Bankroll – Der Verlust von 1.600 $ wirkt kleiner, wenn Ihre Bankroll 20.000 $ beträgt.
Getrennte Konten – Ist Ihre Poker-Bankroll völlig getrennt von Ihrem Geld, das Sie für den alltäglichen Lebensunterhalt verwenden, erscheinen Ihnen Ihre Gewinne und Verluste weniger “real”.
In der Realität müssen Sie vermutlich eine Kombination dieser drei Maßnahmen ergreifen. Sie sollten dies tun, um dauerhaft den richtigen Spielzug auszuführen und „ängstliches Spiel“ zu vermeiden.
Es ist wie gesagt nicht leicht, sich für Geld unempfindlich zu machen und meist ist es ein Prozess, der eine gewisse Zeit erfordert. Stellen Sie stets sicher, dass Sie im Rahmen Ihrer Risikotoleranz und Ihrer Bankroll spielen. Im gleichen Maße wie Sie versuchen, Ihre Bankroll aufzubauen und in den Limits aufzusteigen, sollten Sie an Ihrer Risikotoleranz arbeiten. Denken Sie daran, Sie sind nie dazu gezwungen, in den Limits aufzusteigen, wenn Sie sich dabei unwohl fühlen.
Immer wenn Sie Poker im Fernsehen anschauen, in Ihrem örtlichen Casino oder sogar im Internet spielen, werden Sie über die hohe Anzahl von Spielern überrascht sein, die offensichtlich enorm ausgeprägte Egos haben. Sie werden Spielern begegnen, die sich ihrer Spielstärke brüsten, andere für ihre Spielweise beschimpfen, mit ihren Berufen oder Einkünften angeben und die harmlosesten Vorfälle als persönliche Beleidigungen auffassen.
Geht es Ihnen ernsthaft darum, Geld zu gewinnen, sollten Sie Ihr Ego zu Hause lassen, wenn Sie sich zum Pokerspielen niederlassen. Ihr Ego kann Sie am Pokertisch in alle möglichen Schwierigkeiten bringen.
Das Hauptproblem, sein Ego mit an den Pokertisch zu bringen, besteht darin, dass dadurch Ihre Entscheidungen beeinflusst werden können. Denken Sie daran, das Ziel beim Poker ist die korrekte Entscheidung, also diejenige, mit der Sie im Durchschnitt am meisten Geld gewinnen. Sie setzen sich ein neues Ziel, wenn Sie Ihr Ego mit an den Tisch bringen. Nun wollen Sie möglichst viel Geld gewinnen und gleichzeitig Ihr Ego wahren. Dieses neue Ziel kann dazu führen, eine andere Entscheidung zu treffen und diese ist fast immer schlechter. Im Endeffekt schmälert Ihr Ego Ihre Gewinne (oder frisst diese sogar völlig auf).
Wegen Ihres Egos können Sie in diverse Fallen am Pokertisch tappen, wovon die folgenden acht die am meisten verbreiteten sind.
Psychologisch entspricht Folden der Kapitulation, was einer Niederlage gleichkommt. In einer Partie, die stark vom Ego geprägt ist, kann ein Fold vor allem sehr unattraktiv erscheinen, wenn der Pot groß ist oder Sie eine gewisse Chance sehen, die beste Hand zu halten. Überlegen Sie einen Call, sollten Ihnen folgende Dinge durch den Kopf gehen:
Mit welcher Wahrscheinlichkeit liege ich vorn?
Wie groß sind meine Gewinnchancen, wenn ich zurückliege?
Bekomme ich ausreichende Pot Odds für einen Call?
Mit welcher Wahrscheinlichkeit blufft mein Gegner?
Ein übermäßiger Einfluss Ihres Egos kann dazu führen, dass Sie irrelevante Faktoren und Gedanken berücksichtigen wie etwa:
Wirke ich bei einem Fold wie ein Hasenfuß?
Hält man mich für einen Dummkopf, wenn ich folde und mein Gegner einen Bluff zeigt?
Ich möchte nicht, dass er mir eins auswischt!
Als Resultat werden Sie häufig callen, wenn die Analyse und die Wahrscheinlichkeit für einen Fold sprechen.
Poker ist von Natur ein konfrontatives Spiel. Jeder Dollar, den Sie gewinnen, stammt aus der Tasche Ihrer Gegner und umgekehrt. Es ist völlig normal, dass Konflikte entstehen und Spieler gegen einen oder mehrere Gegner Groll hegen. In der Regel geschieht dies, wenn ein Spieler an einen anderen eine Menge Geld verloren hat und vor allem, wenn dies die Folge von einigen Bad Beats war. Der Verlierer möchte sich an seinem Gegner rächen und ihm zeigen wer der Chef ist oder ihn schlecht aussehen lassen.
Das unerfreuliche Resultat könnte darin bestehen, dass Ihr Groll zu schlechten Entscheidungen führt. Eventuell lassen Sie sich dazu hinreißen, sich mit diesem Spieler an Pots zu beteiligen, um Ihr Geld zu gewinnen oder Ihrem Rivalen wenigstens eins auszuwischen. Zudem schenken Sie einem Gegner vielleicht so viel Aufmerksamkeit, dass Sie den anderen Spielern am Tisch zu wenig Beachtung schenken.
Erinnern Sie sich noch an unseren Hinweis, dass es eine schlechte Idee ist, ein „ausgeglichenes Ergebnis“ anzustreben, wenn Sie zurückliegen? Einer der Gründe dafür, dies zu versuchen, könnte Ihr Ego sein. Nichts schmerzt das Ego eines Spielers so sehr, wie mit weniger Geld aufzustehen als er sich an den Tisch gesetzt hat. Dies könnte wie das Eingeständnis wirken, er sei der Partie nicht gewachsen gewesen und hätte sich besser gar nicht erst hingesetzt. Vor allem beim Spiel im Casino kann es negative Gefühle hervorrufen, sich vor acht oder neun anderen Spielern zu erheben und den Rest seines Stacks zusammenzuraffen – das Eingeständnis einer Niederlage.