ROBIN LANE FOX
REISENDE HELDEN
DIE ANFÄNGE DER GRIECHISCHEN KULTUR IM HOMERISCHEN ZEITALTER
Aus dem Englischen von Susanne Held
KLETT-COTTA
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Klett-Cotta
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Travelling Heroes" im Verlag Allen Lane, London 2008
© 2008 by Robin Lane Fox
Für die deutsche Ausgabe
© 2011 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung
Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Cover: Rothfos & Gabler, Hamburg
Abbildung: akg images/Erich Lessing
Datenkonvertierung: Kösel, Krugzell
Printausgabe: ISBN 978-3-608-94696-3
E-Book: ISBN 978-3-608-10235-2
Für: H. J. L. F.
T. L. F.
M. J. L. F.
C. M. J. G. B.
M. L. F.
Fakten werden zu Kunst durch Liebe: Sie ist es, die die Fakten verbindet und sie auf eine höhere Realitätsebene hebt.
Kenneth Clark, Landscape into Art (1949)
Ich mag es, wenn sich einer in was reinsteigert. Das ist schön. Sie haben diesen Lehrer, Mr. Vinson, einfach nicht gekannt. Der konnte einen manchmal wahnsinnig machen, der und die verfluchte Klasse. Also, der sagte einem ständig, man soll vereinheitlichen und vereinfachen. Aber bei manchen Sachen geht das einfach nicht. Also, man kann doch nicht einfach vereinheitlichen und vereinfachen, bloß weil einer das will. Sie haben diesen Typen, diesen Mr. Vinson, eben nicht gekannt. Also, der war schon sehr intelligent und so, aber man sah gleich, dass er nicht besonders viel im Kopf hatte.
J. D. Salinger, Der Fänger im Roggen (1951;
deutsche Übersetzung von Eike Schönfeld, 2003)
VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE
Dieses Buch ist die Frucht jahrelangen Nachdenkens, Reisens und Forschens, und es freut mich sehr, dass es nun auch in deutscher Übersetzung vorliegt. In England wurden die »Reisenden Helden« im letzten November als 90-minütige Fernsehdokumentation ausgestrahlt. Obwohl BBC4 ein Digitalfernsehkanal ist, hatte die Sendung fast 1,5 Millionen Zuschauer, viermal so viele wie für diese Tageszeit üblich. Nun darf sich Deutschland diesem Interesse anschließen, zumal das Thema des Buches tief in der deutschen Gelehrtengeschichte wurzelt.
Meine leidenschaftliche Liebe zu Homer ist der Grund, warum ich mein Leben dem Studium der griechischen Welt gewidmet habe. Es gibt einen Deutschen, für den Homer eine ähnliche Inspirationsquelle gewesen ist: Heinrich Schliemann, den Ausgräber von Troja und Mykene. Auch wenn es mittlerweile zum guten Ton gehört, seine Zuordnungen und Forschungsmethoden kleinzureden, bewundere ich ihn nach wie vor nicht nur für die Leidenschaft, die ihn antrieb, sondern auch für seine spektakulären Funde.
Für mich galt schon immer: Wer auch nur einen bislang unverstandenen Vers von Homer zu erklären vermag, hat nicht umsonst gelebt. Ich glaube, mit Hilfe der Funde und Texte eine bislang ungeklärte Stelle in der Ilias aufhellen zu können; mit dem argumentativen Hauptstrang dieses Buches hängt meine Entdeckung jedoch nicht notwendig zusammen. Homer möchte uns am Ende des zweiten Buches einen akustischen Eindruck vom Vormarsch des griechischen Heeres geben, als es sich zum ersten Mal über die Ebene auf Troja zubewegt. Die Anspielung des Dichters, bislang noch nie richtig verstanden, bezieht sich auf einen Klang im fernen Westen. Den Auftakt der Schlachtszenen in Homers Epos bildet also ein buchstäblich weit hergeholter Vergleich. So darf ich jetzt das Gefühl haben, mein Leben nicht vergeudet zu haben.
In Deutschland gibt es viele Menschen, so vermute ich, die dieses Gefühl nachvollziehen können. Dafür sprechen die aktuellen Diskussionen unter deutschen Gelehrten über die Lage von Homers Troja. Darauf deutet auch der Erfolg eines populärwissenschaftlichen Buches, des 2008 erschienenen Bestsellers Homers Heimat. Der Kampf um Troia und seine realen Hintergründe von Raoul Schrott. Die Thesen Schrotts, der aus Homer einen griechischen Schreiber in assyrischen Diensten macht und den Schauplatz der Ilias von Troja in die Kilikische Ebene um Karatepe verlegt – die auch in meinem Buch eine Rolle spielt –, vermochten allerdings keinen Homerfachmann wirklich zu überzeugen. Mit fundierten Argumenten ist ihnen Joachim Latacz entgegengetreten. Doch auch Latacz, der sich immer für die Thesen des letzten großen Ausgräbers von Troja, Manfred Korfmann, stark gemacht und dessen Meinung von der Historizität des Trojanischen Krieges gestützt hat, stößt auf Widerspruch: Korfmanns Tübinger Kollege, der Althistoriker Frank Kolb, einer der Kontrahenten im deutschen »Troja-Streit«, vertritt in seinem kürzlich erschienenen Buch Tatort »Troia«. Geschichte, Mythen, Politik die Meinung, dass Homer sich die dichterische Freiheit nahm, Ereignisse vom mittelgriechischen Festland an die kleinasiatische Küste zu verlegen. Ich hege die Hoffnung, dass mein Blick von außen Bewegung in die festgefahrenen deutschen Positionen zu bringen vermag.
Gegen Ende meines Buches äußere ich ebenfalls – wenn auch sehr anders geartete – Gedanken zu einer »Heimat« Homers. Sie sind, so hoffe ich, überzeugend, auch wenn wir über das Leben des Dichters kaum etwas wissen. Homer beschreibt in seinen Epen Griechen, die in den Osten reisten, ebenso wie ich es versucht habe, und ich habe diese bekannten Geschichten mit gebührender Zuneigung analysiert. Sie sind natürlich fiktional – im Gegensatz zu meiner Historiographie reisender Helden in Homers Welt. Allerdings bin ich verblüfft, wie sehr sich einige Details mit Aspekten der von mir beschriebenen Reisen zur Deckung bringen lassen.
Außerdem erstaunt es mich – wie schon andere vor mir –, dass die Mythen, die ich behandle, in der Dichtung Hesiods – im Gegensatz zu derjenigen Homers – eine so große Rolle spielen. Ich meine erklären zu können, wie Hesiod, selbst weder Händler noch Reisender, mit diesen Mythen in Berührung kam und wie er sie vor meinen real existierenden reisenden Griechen vortrug.
Homer dagegen gehört in einen anderen Kontext. In letzter Zeit gab es einen Trend, Homers Kontakte mit dem Vorderen Orient zu betonen, sogar mit Dichtern aus dieser Region, und seine Hauptwerke in die Zeit zwischen 680 und 650 v. Chr. zu datieren. Ich vertrete in dieser Frage einen ganz anderen Standpunkt und in Verbindung damit auch eine andere Vorstellung von der Zeit, in der Homer wirkte, von der Region, aus der er vermutlich stammte, und von seinen Leistungen. Was er dem damaligen Osten verdankte, ist minimal. Für mich ereignete sich mit Homer das erste »griechische Wunder«, dem so viele weitere folgten: von der Idealisierung des menschlichen Körpers in der frühen Skulptur und dem Schönheitskult bis hin zum Sport, zur Demokratie, zur Mathematik, zum Drama, zu den unübertroffenen Komödien des Aristophanes und vor allem zur Philosophie und zum logischen Denken. Ich kann nicht glauben, dass Homer und all die späteren »Wunder« in irgendeiner der Gesellschaften des Vorderen Orients, und sei es in Judäa, möglich gewesen wären. Denn – um nur einen Punkt zu nennen – diese Gesellschaften wurden von Priestern und Königen dominiert und geprägt. »Weisheit« und schmeichelnder Fürstenpreis sind etwas anderes als vernunftbestimmte, logische Philosophie.
Daher sind die Helden meines Buches Griechen. Zu den rhetorischen Versatzstücken unseres multikulturellen, postkolonialen Denkens gehört es, die »alten Griechen«, auch bereits die des 8. Jahrhunderts v. Chr., auf eine Kultur unter vielen anderen zu reduzieren, und diese Reduzierung geht häufig einher mit der kritischen Unterströmung, diese Griechen seien schon viel zu lange zu Ikonen des westlichen Imperialismus hochstilisiert worden. Wenn ich mich auf die Griechen konzentriere, dann schließt das den Blick auf ihre Nachbarn nicht aus, seien es nun die sogenannten Phönizier, die Neohethiter oder die Aramäer.
Seit der Abfassung dieses Buches wurden in der Levante einige weitere Stücke aufschlussreicher griechischer Keramik gefunden. Sie sind noch nicht veröffentlicht, aber man kann jetzt schon feststellen, dass sie genau in den Kontext und die Entstehungsbedingungen passen, die ich in den ersten Kapiteln umreiße. Besonders spannend ist der Beginn von Ausgrabungen an der bis vor Kurzem unerschlossenen Grabungsstätte Sabouni in der südlichen Türkei, im Landesinneren hinter Al Mina, dem Ort, der für meine Argumente eine so große Rolle spielt. Im Oktober 2009 durfte ich Sabouni mit der türkischen Archäologin Dr. Hatice Pamir besuchen und die Funde in Augenschein nehmen, die bislang in Schichten ausgegraben wurden, die bis ins 5. Jahrhundert v. Chr. reichen. Es war ein überwältigendes Gefühl, zu wissen, dass vieles, was in dieses Buch hineingehört, noch unter meinen Füßen ruht.
Im Osten ordnet sich dieser archäologische Befund in den Zusammenhang einer Route ein, deren dort gefundene Objekte meine Argumente zu den fraglichen Reisenden und Transporteuren untermauern. In schriftlichen Quellen finden sie keine Erwähnung, weil Texte dieser Art nicht existieren. Im Westen dagegen gibt es neben den reisenden Objekten auch schriftliche Belege, und diese deuten in dieselbe Richtung wie die sich ständig erweiternden archäologischen Zeugnisse.
Bereits 1910, als man archäologisch noch kaum lokales Belegmaterial hatte, haben Frederik Poulsen und Bernhard Schweizer, die großen Kenner der archaischen Kunst der Griechen, den Einfluss von nordsyrischer Handwerkskunst auf griechische Objekte nachgewiesen. Dabei handelte es sich um einen Stil, der sich vom als phönizisch bezeichneten deutlich unterscheidet. Da dennoch in der Forschungsliteratur über die Griechen in der Levante nur zu oft die beiden unterschiedlichen Stile und Kulturen vermischt wurden, konnte der Eindruck entstehen, lediglich der phönizische Einfluss spiele eine Rolle. Doch seit den 1930er-Jahren wissen wir von Al Mina, einem nordsyrischen Missing Link in der Kette, die von deutschen Forschern bereits zuvor erkannt worden war. Als Gegenstand meiner »Reisenden Helden« hätten die Reisen der Phönizier und ihre Mythen ohnehin nicht getaugt: Es gibt keine verwertbaren Zeugnisse, keinen phönizischen Homer, Hesiod, Aristoteles oder Strabon.
Ich habe über das geschrieben, was ich verfolgen kann: einen griechischen roten Faden im uns vorliegenden Material. Meine Studien über den Westen verdanken viel den deutschen und italienischen Forschungen zu Pithekoussai und verwandten Orten. Im Osten stützen sie sich auf die zuerst von dänischen und deutschen Archäologen erkannte Verbindung zu Nordsyrien. Es ist mir eine Ehre, mein Buch jetzt auch auf Deutsch erscheinen zu sehen, und ich hoffe, die Leser, die dem Argumentationsgang bis zum Schluss folgen, werden zu schätzen wissen, was alles in dieses Buch Eingang gefunden hat.
New College, Oxford, Frühjahr 2011
Robin Lane Fox
VORWORT
Die reisenden Helden dieses Buches sind ganz bestimmte Griechen in einer ganz bestimmten Phase der antiken Welt, die mit mythischen Geschichten von Göttern und Helden in ihrem geistigen Gepäck unterwegs waren. Das Buch handelt von Entdeckungen und Kontakt mit dem Fremden, von kreativem Missverstehen und brillant-unorthodoxem Denken, das unterfüttert ist mit den großen Meisterwerken: den Epen Homers und der fast zeitgleich entstandenen Dichtung Hesiods. Es zielt darauf, deren Publikum, Quellen und Bezüge in ein neues Licht zu setzen. Außerdem glaube ich, für das 8. Jahrhundert eine spezifische Weise des Denkens ausgemacht zu haben, die sich von Israel bis Sizilien bemerkbar macht. Vor allem die Griechen zeichnen sich durch diese Denkungsart aus – die ersten, bislang unerkannten Vertreter in einer Linie, die ich auch durch ihre späteren Erben, den Geschichtsschreiber Herodot oder Alexander und seine Soldaten – die ständigen Begleiter meines Geistes – erhellen werde.
Die zentralen Gedanken dieses Buches haben mich auf meinen Reisen zu fast allen Orten, die darin vorkommen, begleitet. Während ich nachdachte, reiste und schrieb, wurden die Zusammenhänge zwischen meinen Schwerpunkten immer klarer, und ich bin froh, dass ich mir mit der Abfassung des Buches Zeit gelassen habe. Es war ein ganz besonderer Augenblick, als ich am Strand bei Al Mina stand, in der heutigen türkischen Provinz Hatay, und dann die Al Mina-Diskothek besuchte, die sich ganz in der Nähe befindet – und übrigens bislang in der Wissenschaft keine Erwähnung fand. Im Innern sind die Wände mit einem Fries von Figuren aus der ägyptischen, griechischen und levantinische Mythologie überzogen, wobei mir der türkische Besitzer jedoch versicherte, dass er die Originale nie gesehen hatte. Er habe sie alle erfunden, sagte er, denn »immerhin ist das die Al Mina-Disko. In der Al Mino-Disko sind sämtliche Geschichten der Welt willkommen.« Dieses Buch möchte zeigen, dass diese Offenheit bereits die Proto-Disko des 8. Jahrhunderts v. Chr. auszeichnete.
Ich habe mit sehr unterschiedlichen Quellen und Materialien gearbeitet und bin Fachleuten unterschiedlicher Forschungsgebiete zu Dank verpflichtet. Ich bin kein Archäologe, aber mir ist bewusst, welch einen Wert die Fertigkeiten der Archäologen haben sowie ihre Fähigkeit, die jeweiligen Funde in einen präzisen Kontext zu stellen. Viele Funde lassen sich von denen am besten verstehen, die sie ausgegraben haben, und ich bin den Forschern besonders dankbar, die ihre Bedenken und ihre Erkenntnisse mit mir geteilt haben. Viel gelernt habe ich von Irene Lemos, die mich viele Jahre lang mit Publikationen versorgte und so freundlich war, ihre Ausgrabungen in Lefkandi mit mir zu diskutieren und mich dorthin einzuladen. Sie ist mit ihrem Team ein Paradebeispiel für die Feldforschungskompetenzen, die ich zuvor schon bei ihrem Vorgänger Mervyn Popham bewunderte. Auf Zypern war mir die Ortskenntnis von Joan B. Conelly von großem Nutzen, die mich auch auf einen wichtigen Punkt im Zusammenhang mit dem 14. Kapitel aufmerksam machte. Nicola Schreiber eröffnete mir den Zugang zu den vielschichtigen Ausgrabungen in der Levante; ihre grundlegende Untersuchung der zypro-phönizischen Keramik bietet detaillierten Kontext und reiches Material. Jan Paul Crielaard hat mit einer ganzen Reihe von anders kaum greifbaren Hinweisen meinen Horizont in vielerlei Hinsicht erweitert, sowohl durch seine Bücher als auch im persönlichen Austausch. Mit ganz unverdienter Herzlichkeit wurde ich schließlich in Eretria willkommen geheißen und erhielt unschätzbare Hinweise und Aufschlüsse von der dort tätigen Schweizer Archäologischen Schule. Claude Léderrey trug entscheidend zur Erweiterung meines bis dato lückenhaften Verständnisses der Formen, Stile und Probleme euböischer Keramik bei, und Sylvian Fachard unternahm mit mir eine – in meinen Augen ungewöhnlich ertragreiche – Ortsbegehung, während der er mich an seinem fundierten Wissen über Euböa und seine Geschichte teilhaben ließ. Im Norden unterstützte mich anfänglich die mittlerweile verstorbene Julia Vokotopoulou; in der zentralen Frage nach prähistorischen Tieren half mir schnell und großzügig Evangelia Tsoukala in Thessaloniki, die Entscheidendes zu den Grundlagen des 18. Kapitels beitrug. Wie die anderen Fachleute, die sich mit dieser Epoche befassten, verdanke ich unendlich vieles den jahrelangen Feldforschungen von Giorgio Buchner und David Ridgway auf Ischia, den vielen Teams in Lefkandi, den Forschern, die jetzt in Oropos graben, und der Arbeit in den Friedhöfen von Torone, die nun von J. K. Papadopoulos vollendet wurde. Auf Zypern und im antiken Unqi sind zwei echte Titanen – Vassos Karageorghis sowie mein Vorgänger am New College, Leonard Wolley – tätig. Für den Mittelmeerraum während der gesamten Epoche wurden zahlreiche Objekte von zwei anderen Titanen, Nicolas Coldstream und Sir John Boardman, klassifiziert und interpretiert. Es geht mir so wie all ihren Lesern: Ich verdanke ihrem sicheren Urteil sehr viel; und ich bin sehr dankbar, dass Sir John Boardman mit seinem untrüglichen Gespür für Schwächen und Irtümer Teile meines Textes gelesen hat.
Ich zitiere assyrische und sogar luwische Quellen, bin allerdings selbst nicht bewandert in diesen Sprachen. Ich bin daher Stephanie Dalley dankbar, dass sie mir über viele Jahre immer wieder geholfen hat, sowie dem verstorbenen Jeremy Black für wichtige Hinweise und Richtigstellungen vor allem im Zusammenhang mit dem 14. Kapitel. Vieles verdanke ich Ian Rutherford, einem Bibliothekskollegen, dessen Kenntnisse des Hethitischen und der damit zusammenhängenden Forschungsprobleme mir an mehreren Stellen entscheidend weiterhalfen. Der 2001 verstorbene O. R. Gurney hat mich viele Jahre lang kritisch unterstützt; selbst als er bereits über 80 Jahre alt war, nahm er noch den langen Weg nach Oxford auf sich, um mir mitzuteilen, dass er eine meiner diffizilsten Vorstellungen nachvollziehen konnte. Von H. C. Melchert erhielt ich schnelle und eingehende Antworten auf die philologischen Fragen des 13. Kapitels. Außerdem war mir J. D. Hawkins’ großartiges Corpus of Hieroglyphic Luwian Inscriptions eine große Hilfe – eines der hervorragendsten Monumente von Gelehrsamkeit, die ich kenne. Um der besseren Verständlichkeit willen – nicht um die Unterschiedlichkeit dieser sehr verschiedenen Gesellschaften zu nivellieren – habe ich vom »Nahen Osten« oder vom »Osten« geschrieben.
Auf meinen heimischen Weidegründen – dem griechischen, dem lateinischen und dem in Oxford – profitierte ich von den Arbeiten, die mir Nicholas Richardson zur Verfügung stellte, sowie von Jane Lightfoots großartigen Untersuchungen. Robert Parker, Denis Feeney, Peter Wilson, John Ma, Peter Thonemann, Angelos Chaniotis und Bryan Hainsworth sorgten dafür, dass mein Wissen immer auf dem neuesten Stand blieb. Die stets liebenswürdige Maria Stamatopoulou schlug die unverzichtbare Brücke zur Archäologie in Nordgriechenland. Ich habe unendlich viel von den Veröffentlichungen Walter Burkerts profitiert, der mir auch immer wieder wichtige Sonderdrucke zukommen ließ. Vor allem stehe ich in der Schuld von M. L. West, dessen brillanter Kommentar zu Hesiods Theogonie mir erste Anstöße für dieses Buch gab und dessen East Face of Helicon eine unübertroffene Arbeit im Bereich der vergleichenden Literaturwissenschaft darstellt: Er vergleicht Texte, die er – im Gegensatz zu mir – im Original lesen kann. Am Anfang stand für mich der Gedanke, dass Wests Forschungen durch eine Verknüpfung mit den Euböa-Theorien John Boardmans sehr gewinnen könnten. West selbst hat sich mittlerweile schon wieder anderen Forschungsgebieten zugewandt.
In mir hatte sich die Idee jedoch festgesetzt, und ich ging ihr weiträumig-global in Begleitung verschiedener Personen nach: Im westlichen Kleinasien begleitete mich mein Sohn Henry; meine Tochter Martha hatte doch tatsächlich die Stirn, mich auf den Dschabal al-Aqra zu schleppen und dort die türkischen Soldaten zu bezirzen; und Lord Michael Pratt chauffierte mich, ohne uns umzubringen, durch viele Regionen der Colline Metallifere, wo wir das Glück hatten, von seiner Frau Janet hervorragend bewirtet und beherbergt zu werden. Diverse Linien meines Lebens liefen auf Ischia an den Abenden im herrlichen Garten von Lady Walton zusammen, in unmittelbarer Nähe der Siedlung Pithekoussai und in Hörweite von einem meiner Hauptakteure. Lord Charles Fitzroy und Jane Rae, Caroline Badger und Aurélia Abate gehören zu den vielen, die es mir ermöglichten, an wichtigen Stationen meines Weges Halt zu machen, was mir bewusster war als ihnen. William Poole stöberte Bücher auf, die weder in einer britischen Bibliothek noch im Handel erhältlich waren.
Ohne die Fertigkeiten von Schülern, die Texte niederschreiben können, gäbe es nichts zu lesen – hier ist an erster Stelle Robert Colborn zu nennen, dessen Genauigkeit und Sachkenntnis eine unabdingbare Voraussetzung dieses Buches waren. Des Weiteren danke ich Jane Goodenough, Jane Anderson und vor allem Christopher Walton für ihr professionelles Erfassen der Fußnoten; außerdem der großzügigen Unterstützung von Gene Ludwig. Claudia Wagner begab sich mit großer Geduld und schönen Resultaten auf die Suche nach den Illustrationen, die ich am nötigsten brauchte, und der Fachkenntnis von Alison Wilkins verdanken sich die im Buch enthaltenen Karten. Titel und Umschlag gehen auf die Entscheidung des Verlags zurück. Besonders danke ich den Lektoren Stuart Proffitt und Charles Elliott, Meistern ihres Faches, für ihren sicheren Zugriff und ihre wichtigen Hinweise. Elizabeth Stratford war eine sehr gewissenhafte und hilfreiche Korrektorin. Phillip Birch unterzog die ersten Kapitel einem sorgfältigen Lektorat und stieß auf ein entscheidendes Problem. Wie immer war Jonathan Keates mein stilistischer Berater, er las dieses Mal den gesamten Text. Eine Zeitlang brauchten wir für das Manuskript einen oder sogar zwei Plätze in der Bibliothek des New College, was die Bibliothekarin Naomi van Loo mit großer Nachsicht zuließ; ihr Vorgänger, Tony Nuttall, bleibt mir ein ständiger Begleiter, auch wenn er nicht mehr unter uns weilt.
Ich fing mit den Arbeiten zu diesem Buch in den Jahren an, als ich als Dozent, später als Fellow Griechische Geschichte und Literatur am Worcester College in Oxford unterrichtete und Arabisch lernte. Es gehörte damals zu meinem Alltag, täglich zwischen Asien und der Welt Homers hin- und herzureisen. Der Erste, der Teile davon zu lesen bekam, war Martin Frederiksen; sein bemerkenswert sicheres Urteil und zudem seine außergewöhnliche Fähigkeit, Texte und Archäologie zusammenzubringen, prägte mich und die Studenten, die wir unterrichteten, nachhaltig. Eine der ersten Gelegenheiten, bei denen ich mich mit meinen Ideen an die Öffentlichkeit wagte, war ein Vortrag in Oxford vor einer Hörerschaft, in der auch viele der alten Götter saßen. Einige von ihnen waren des Hörens glücklicherweise nicht mehr mächtig. Abwesende forderten den Text meines Vortrags an, der in schriftlicher Form nicht existierte – sie wollten ihn verbessern oder in ihrem Sinne umschreiben. Einer der Anwesenden äußerte sich lediglich zu den Bewegungen meiner linken Hand. Ein anderer jedoch stellte – mein Verständnis stillschweigend voraussetzend – eine höchst anspruchsvoll formulierte Frage und veränderte damit die Grundausrichtung meines Buches. Zu jener Zeit kannte ich George Forrest kaum, doch in den folgenden zwanzig Jahren am New College lehrte er mich Entscheidendes im Bereich griechischer Geschichte, nicht zuletzt dadurch, dass er es verstand, klare, neue Fragen zu stellen, die zu überraschenden neuen Erkenntnissen führten. Ich hoffe, dieses Buch bleibt dem treu, was auch er liebte.
TEIL I
HERAS FLUG
Ihr Brief hat mich, wie Sie wünschen, bei der Ilias angetroffen, wohin ich immer lieber zurückkehre, denn man wird doch immer, gleich wie in einer Montgolfiere, über alles Irdische hinausgehoben und befindet sich wahrhaft in dem Zwischenraume, in welchem die Götter hin und her schwebten.
Goethe an Schiller, 12. Mai 1798
Die Art aber, in der der Mensch lernt, seine Mythen zu bändigen, in der seine Fähigkeit, zwischen den einzelnen Bereichen seines Verhaltens zu unterscheiden, zunimmt, der Grad, bis zu dem es ihm gelingt, seine wirkenden Kräfte mehr und mehr unter die Herrschaft der Vernunft zu bringen, ist ein Maßstab für die Beurteilung des menschlichen Fortschritts von seinen primitivsten Anfängen zu dem, was wir Kultur nennen. Bei diesem Fortschritt nun waren die Griechen allen anderen voraus.
M. I. Finley, Die Welt des Odysseus (1954, dt. 1968)