Information Page
Teil I EINFÜHRUNG
DIE ALBEN
Please Please Me
With The Beatles
A Hard Day’s Night
Beatles For Sale
Help!
Rubber Soul
Revolver
Sergant Pepper’s Lonely Hearts Club Band
Magical Mystery Tour
The Beatles
Yellow Submarine
Abbey Road
Let It Be
BEATLES – COMPILATIONS
A Collection Of Beatles-Oldies
The Beatles (1962 – 1966)
The Beatles (1967 – 1970)
Rock’n’Roll Music
The Beatles At The Hollywood Bowl
Love Songs
Rarities
The Beatles Ballads – 20 Original Tracks
Reel Music
The Beatles – 20 Greatest Hits
Past Masters Volume I
Past Masters Volume II
Beatles 1
WEITERE AUFNAHMESESSIONS OHNE EMI
The Tony Sheridan Sessions
The Decca Audition
Live! At The Star Club
Teil II EINFÜHRUNG
The Beatles Live At The BBC
The Capitol Albums Vol. 1
The Capitol Albums Vol. 2
Anthology I
Anthology II
Anthology III
Let It Be … Naked
Nachtrag
Die Beatles revolutionierten in den 60er Jahren die Popmusik. Ein Klischee? Absolut. Aber es ist nur zum Klischee geworden, weil es sich tatsächlich so zugetragen hat; und weil man auf so etwas Überwältigendes und Erstaunliches wie die Karriere der Beatles nur mit einem Klischee reagieren kann.
In der künstlich gehypten multinationalen Medienwelt des 21. Jahrhunderts erzielen Künstler, die nur einen Bruchteil des Talentes und der künstlerischen Fähigkeiten der Beatles besitzen, immer wieder weitaus höhere Verkaufszahlen, als jene es je taten. Ohne die Beatles wäre das jedoch niemals möglich gewesen. Sie haben eine Sparte der populären Musik gerettet, die in Gefahr war zu verschwinden. Die Musik der Beatles brachte Millionen ein und war dazu noch Kunst. Darin liegt die eigentliche Berühmtheit der Band. Unter immensem Druck, mit Zeitplänen, die heutige Stars entsetzen würden, haben sie in knapp sieben Jahren dreizehn großartige Alben und mehr als zwanzig Singles hervorgebracht.
Doch damit nicht genug: Die Beatles haben nie aufgehört, die Bandbreite der Pop- und Rockmusik zu erweitern – indem sie solche Dinge in ihre Musik einfließen ließen wie die poetischen Texte von Folksängern wie Bob Dylan, den psychedelischen Stil der amerikanischen Westküste, die Leichtigkeit des Folkrocks und die Bodenständigkeit musikalischer Wurzeln wie Blues und Country, und das alles, ohne auch nur eine Sekunde anders zu klingen als sie selbst. Die Beatles waren auch die originellsten und experimentierfreudigsten Künstler der Rock-Geschichte – jederzeit begierig, an Grenzen vorzustoßen, herauszufinden was geschehen würde, wenn man ein Instrument in einem anderen Raum spielt, dabei das Band rückwärts laufen lässt und alle vorgefertigten Meinungen ignoriert.
Indem sie Einflüsse sämtlicher Musikstile der populären Musik und sogar der Klassik verarbeiteten, setzten die Fab Four neue Akzente und inspirierten Musiker aus Rock, Pop, Folk, Jazz, R&B, Country und Blues auf eine Art, wie es nie wieder möglich sein wird. Ihre Mode, ihre Sprache, ihr Verhalten wurden von Millionen imitiert. Sie stellten die Weichen für das unterhaltsamste und abenteuerlichste Jahrzehnt dieses Jahrhunderts in der westlichen Welt. Sie schufen den Soundtrack einer ganzen Generation. Und sie nahmen ungefähr zweihundert der wichtigsten Popsongs aller Zeiten auf, die auf den folgenden Seiten beschrieben werden.
Nur wenigen Künstlern, gleich in welcher Sparte, gelingt es, über ihre eigene Generation hinaus zu wirken. Um zwanzig oder dreißig Jahre nach seinem Tod noch wahrgenommen zu werden, braucht es eine Mischung aus Genie und Glück. Danach mischt das Schicksal die Karten. Aber von allen Popmusikern des 20. Jahrhunderts sind die Beatles die Einzigen, von denen man mit ziemlicher Sicherheit behaupten kann, dass ihre Musik ewig weiterleben wird.
(LP, 1963)
Seite 1: I Saw Her Standing There; Misery. Anna (Go To Him); Chains; Boys; Ask Me Why; Please Please Me
Seite 2: Love Me Do; P.S. I Love You; Baby It’s You; Do You Want To Know A Secret?; A Taste Of Honey; There’s A Place; Twist And Shout.
Man braucht viel Fantasie, um zu den unschuldigen Tagen von 1963 zurückzukehren, als die Beatles ihre ersten beiden Langspielplatten herausbrachten. Das übliche Medium des Teenie-Pop war die Drei-Minuten-Single oder in Ausnahmefällen die EP (Extended Player – großformatige 45er) meist mit vier Titeln. Langspielplatten (LP), wie sie damals genannt wurden, waren für die meisten Teenager unerschwinglich.
Nur „erwachsenen“ Entertainer wie Frank Sinatra oder Ella Fitzgerald gestand man zu, die dreißig bis vierzig Minuten Musik, die eine LP ermöglichte, für eine persönliche und künstlerische Aussage zu nutzen. In den übrigen Fällen, war eine LP meist entweder schamlose Geldmacherei, zum Beispiel als Werbung für einen Film, oder sie war nur für absolute Fans. Der vollständige Titel des Debütalbums der Beatles verdeutlicht dies: Please Please Me, Love Me Do and12 Other Songs.
Es wurde schon viel darüber geredet, dass zehn von vierzehn Songs auf der Platte an einem einzigen Tag aufgenommen wurden; dies war 1963 jedoch im Popbusiness einfach so üblich. Die Eile warBeweis für den Rang der Band bei EMI, und auch für den Wunsch der Plattenfirma, eine LP auf den Markt zu bringen, bevor die britischen Teenager neue Idole fanden. Man muss sich vergegenwärtigen, dass dieBeatles zu der Zeit, als das Album aufgenommen wurde, noch keinen Nr.1 Hit hatten. Das war ein großes Vertrauen von Produzent George Martin. Vier der Titel waren durch die beiden Singles Love MeDo/ P.S. I Love You und Please Please Me / Ask Me Why schon fertig. Der Rest – eine Mischung aus Eigenkompositionen und Coverversionen – zeigte einen Querschnitt durch das Bühnenrepertoire der Beatles. Mit einer Ausnahme: Die Vorliebe der Band für Rock’n’ Roll-Songs von Chuck Berry und Little Richard wurde übergangen, wahrscheinlich weil für George Martin die Ära des Rock’n’ Roll vorüber war.
Aufgenommen im Londoner Abbey Road Studio mit einer Zwei-Spur-Maschine, wurde die LP Please Please Me hauptsächlich Mono und sehr rudimentärem Stereo abgemischt. 1963 hatte der Stereo-Sound noch einen sehr geringen Marktanteil. Die Beatles haben stets die Mono-Versionen ihrer Alben als authentische Wiedergabe ihrer Arbeit betrachtet. Wenn sie gefragt worden wären, wären sie bestimmt einverstanden gewesen mit George Martins Entscheidung, den CD-Mix für Please Please Me in Mono aufzubereiten. Doch Stereo-Fans, speziell in Amerika, betrachteten das als „Kulturbolschewismus“ und forderten immer wieder, die CD solle in Stereo erscheinen.
I SAW HER STANDING THERE
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. Februar 1963
Mit einem einfachen „One, two, three, four“ fängt Paul McCartney den ganzen jugendlichen Übermut der Beatles schon in den ersten Sekunden ihres Debütalbums ein. I Saw Her Standing There ist noch klassischer Beatles-Rock’n’ Roll – ein naiver Text, eine ungeschliffene Melodie. John Lennon und Paul McCartney singen, als würden sie zwischen den Silben Kaugummi kauen, die Kopfstimmen-„Oohs“, die bald zum Markenzeichen der Beatles werden sollten, die ansteigenden Akkorde in der Mitte, die eine Art sexuellen Höhepunktes versprechen und das entspannte Spiel. Der Song endet mit einem triumphierenden Gitarrenakkord zusammen mit einem „whoop“ von Paul McCartney. Kein Zweifel: Die Beatles waren voll da.
USA März 1964: Platz 14
MISERY
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. und 20. Februar 1963
Schon zu Beginn ihrer Plattenkarriere wurden die Beatles von ihrem Manager Brian Epstein dazu angehalten, Songs am laufenden Band zu fabrizieren und auch für andere Musiker Hits zu liefern. Im Februar 1963 hatten die Beatles jedoch noch keinen Namen als Songwriter und so wurden ihre Stücke von anderen Interpreten überwiegend nicht angenommen. Diese Lennon-Komposition war Helen Shapiro angeboten worden, eine Woche ehe die Beatles das Stück selbst aufnahmen, aber ihr Management lehnte ab. Lennon und McCartney tollen mit einer Unverfrorenheit durch diese Nummer, die von verzweifeltem Liebeskummer handelt, als wären sie zwei Jungs beim Schulausflug. Nie hat ein Stück über Trauer sich so fröhlich angehört.
Anmerkung: Das Notenblatt für den Song in der frühen Coverversion von Kenny Lynch gibt die ersten Zeilen folgendermaßen an: „You’ve been treating me bad, Misery.“ Lennon und McCartney singen allgemeiner: „The world is treating me bad.“ BRD März 1964: Platz 37
ANNA (GO TO HIM)
ALEXANDER
Aufgen. 11. Februar 1963
Wäre den Beatles mehr als ein Tag Zeit für die Aufnahmen zugestanden worden, so hätten sie die Instrumentalspuren für diese ziemlich schwerfällige Version des R&B-Hits von Arthur Alexander garantiert neu eingespielt. Nichts auszusetzen gab es jedoch an John Lennons Gesang, der bereits jene Mischung aus romantischer Abgeklärtheit und extremem Egoismus vermittelt, die bei Liebesliedern zu seinem Markenzeichen werden sollte, auch wenn die langweiligen Hintergrundgesänge von Paul McCartney und George Harrison ihn beinahe wieder zunichte machen.
CHAINS
COFFIN, KING
Aufgen. 11. Februar 1963
Bei den DECCA-Auditions im Januar 1962 drohte George Harrison an, künftig als Leadsänger antreten zu wollen. Ein Jahr später war er bereits auf gelegentliche Gastspiele zurechtgestutzt worden. So auch bei diesem netten und fröhlichen Hit der New Yorker Girlgroup The Cookies, den die Beatles erst kurz zuvor in ihr Repertoire aufgenommen hatten.
BOYS
DIXON, FARRELL Aufgen.
11. Februar 1963
Wenn schon George Harrison nur gelegentlich als Leadsänger auftreten durfte, so dienten Ringo Starrs gelegentlichen Gesangsbeiträge eigentlich nur dazu, es sich mit den Fans des Beatles-Drummers nicht zu verscherzen. Ringo widmete sich diesem US-Hit der Shirelles von 1960 mit mehr Enthusiasmus als Feingefühl und meisterte die Aufnahme beim ersten Anlauf. Wahrscheinlich hat sich 1963 kaum jemand darüber Gedanken gemacht, warum Ringo einen Text sang, der die Vorzüge von Jungs beschrieb, statt des anderen Geschlechts. Er hatte diesen rauen zwölftaktigen Rock’n’ Roll-Song, der schon seit Jahren zum Live-Repertoire der Beatles gehörte, von seinem Vorgänger Pete Best geerbt.
ASK ME WHY
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 26. November 1962
Anders als Paul McCartney brauchte John Lennon einige Zeit, um sich mit den Konventionen des Pop-Songwritings vertraut zu machen. Ask Me Why zeigt seine Bemühungen, ehe er den Dreh raushatte. Vom schwierigen Rhythmus der Anfangszeilen bis hin zur bruchstückhaften Struktur des Mittelteils ist es eher ein Lied, das mühevoll Takt für Takt konstruiert wurde. Anders dagegen wirken Paul McCartneys frühen Versuche, denn ihm flogen die Stücke von allein zu. Indem John sich eingehend mit seinen Vorbildern befasste, wie „Smokey“ Robinson oder Arthur Alexander, verstand er die wesentlichen Grundlagen der Komposition doch schon bald sehr gut. Allerdings nicht rechtzeitig genug, um zu verhindern, dass diese Nummer auf die B-Seite von Please Please Me verbannt wurde.
PLEASE PLEASE ME
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 26. November 1962
Obwohl auf Band kein Beweis mehr dafür existiert, klang das Originalarrangement der Beatles von Please Please Me eher wie eine Ballade von Roy Orbison als wie das Stück einer Beatgruppe. Es wurde während der zweiten EMI-Session im November 1962 geschrieben. George Martin hat es als „ziemlich trübe Nummer“ in Erinnerung. Er schlug der Gruppe vor, das Arrangement aufzupeppen, was mit dem Ergebnis endete, dass das Lied im Januar 1963 in Großbritannien auf Platz 2 landete.
In schnellerem Tempo wird aus dem Stück eine offenkundige sexuelle Aufforderung seitens John Lennon und ein deutliches Anzeichen dafür, dass die Beatles mehr waren als nur eine weitere Popgruppe. Ihr Harmoniegesang, das Mundharmonikathema zu Beginn und Ringos vollendetes Schlagzeugspiel zeigen, wie selbstbewusst sie seit ihrer ersten EMI-Session geworden waren.
Ebenso wie bei Love Me Do gibt es auf EMI-Veröffentlichungen zwei verschiedene Versionen des Songs. Der Stereo-Mix, auf CD nicht erhältlich, benutzt einen anderen Take, bei dem Lennon und McCartney die Stimmen richtig verhunzen. Wie dieses Missgeschick bei der Aufnahme George Martins Aufmerksamkeit entgehen konnte, bleibt bis jetzt unbeantwortet.
UK Januar 1963: Platz 2
USA Februar 1964: Platz 3
BRD April 1964: Platz 20
LOVE ME DO
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. September 1962
Auch wenn es auf dem Albumcover so angekündigt wurde: Dieses Stück war nicht das gleiche wie auf der ersten Beatles-Single. Es war natürlich derselbe Song, aber nicht dieselbe Aufnahme. Bei ihrer ersten Aufnahmesitzung, am 4. September 1962, hatten sich die Beatles durch mehr als 15 Aufnahmen von Love Me Do gequält, bis George Martin einigermaßen zufrieden war. Als sie eine Woche später wieder nach London kamen, mussten sie feststellen, dass der Studioschlagzeuger Andy White bereitstand, um Ringos Part zu übernehmen. Nachdem Ringo erst kürzlich Pete Best in der Band ersetzt hatte, muss Ringo sich gefragt haben, ob seine Tage jetzt auch gezählt waren. White trommelt auf einer Neuaufnahme dieser Nummer, während Ringo im Hintergrund ein Tamburin bearbeitet.
Aus unbekannten Gründen war es die ursprüngliche Version von Love Me Do, die als erste Single der Band veröffentlicht wurde. Als das Album zusammengestellt wurde, wählte George Martin allerdings die Version mit Alan White aus, wahrscheinlich, weil das Band mit der Single zu einer Tochterfirma von EMI nach Amerika geschickt worden war. Im Laufe des Jahres 1963 beschloss man, die Aufnahme mit Andy White auch für alle weiteren Single-Pressungen zu benutzen, und von da an war Ringos Debüt mit den Beatles offiziell nicht erhältlich, bis ins Jahr 1982. Der Song selbst war eine echte Lennon/McCartney-Gemeinschaftsproduktion, der schwerfällige Beat wurde von Lennons Harmonikasolo aufgepeppt. Diesen Gag hatte er von Bruce Channels Hit Hey Baby vom Frühjahr 1962 übernommen und in den folgenden zwei Jahren öfter eingesetzt. Ohne diesen Gimmick wäre Love Me Do wohl nicht als einer der Höhepunkte des originalen Repertoires der Band betrachtet worden.
UK Dezember 1962: Platz 17
USA April 1964: Platz 1
P.S. I LOVE YOU
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. September 1962
Es gibt eine klare Unterteilung im frühen Werk der Beatles zwischen den Songs, die sie vor Please Please Me geschrieben haben, und denen, die unmittelbar danach entstanden. McCartneys P.S. I Love You stammt von Anfang 1962 und wirkt, ebenso wie Love Me Do und Ask Me Why, ein wenig gezwungen – lediglich Pauls Abstecher in das höhere Gesangsregister im letzten Mittelteil deutet an, dass hier ein Genie bei der Arbeit ist. Genau wie Ask Me Why kam dieses Stück nur auf das Album, weil es vorher die B-Seite einer Single war. USA Mai 1964: Platz 10
BABY IT’S YOU
DAVID, BACHARACH, WILLIAMS
Aufgen. 11. und 20. Februar 1963
John Lennon mag manchmal Schwierigkeiten bei der Interpretation seiner eigenen Songs gehabt haben, aber bei Coverversionen hatte er das Selbstvertrauen des geborenen Interpreten. Die knabenhaften Harmoniegesänge der Beatles hielten ihn nicht davon ab, bei einem weiteren Hit der Shirelles eine eindrucksvolle Gesangsdarbietung abzuliefern, die einmal mehr unter Beweis stellt, dass er von ihnen die herausragendste Stimme besaß.
DO YOU WANT TO KNOW A SECRET?
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. Februar 1963
Gleichzeitig an Brian Epsteins Schützling Billie J. Kramer (für eine Hitsingle) und an George Harrison weitergegeben, war Do You Want To Know A Secret eine Komposition von John Lennon – inspiriert durch eine Zeile aus dem Lied I’m Wishing (von Larry Morey und Frank Churchill) aus dem Walt Disney Film Schneewittchen und die sieben Zwerge, das seine Mutter öfter sang. Schneewittchen singt als Magd den Tauben am Brunnen vor: „Wanna know a secret? Promise not to tell?“ Später fand Lennon zu der Erklärung: „Ich dachte, das wäre gut für George, weil es bestand nur aus drei Noten und George war nicht gerade der beste Sänger der Welt“.
USA März 1964: Platz 2
BRD Juni 1964: Platz 34
A TASTE OF HONEY
MARLOW, SCOTT
Aufgen. 11. Februar 1963
In Hamburg und Liverpool wurde von den Beatles verlangt, eine Reihe von Balladen und Standards in ihr Programm zu nehmen, die auch die Herzen der härtesten Rockgegner im Publikum zum Schmelzen bringen konnten. Paul McCartney war der Beatle mit Kenntnissen in der Popmusik vor der Elvis-Ära. Es fiel deswegen ihm zu, einen amerikanischen Song zu bearbeiten, der von Lenny Welch aufgenommen worden war. Schnell wurde A Taste Of Honey auf der ganzen Welt zu einer Lieblingsnummer gemäßigter Jazzer und Bigbands. Im Rückblick scheint es albern, dass die Beatles dieses Lied in ihr Repertoire aufgenommen haben – die Stones hätten sich nie so verkauft – aber McCartney gelang es, aus A Taste Of Honey ein weiteres Stück der Beatles zu machen. Die Band fand das Stück nicht weiter spannend, und wenn sie es live spielten, veränderte John den Refrain immer zu „A Waste Of Money“ [Geldverschwendung].
THERE’S A PLACE
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. Februar 1963
Vergessen wir einmal die Theorie, dass John Lennon erst begonnen hat, über sich selbst zu singen, als er Drogen nahm. Wenn man sich den Text dieses fröhlichen Beatsongs anhört, findet man die ersten Stücke einer Selbstanalyse: „Es gibt einen Ort, an den ich gehen kann, wenn es mir schlecht geht, wenn ich traurig bin. Und das ist mein Verstand und dort gibt es keine Zeit, wenn ich alleine bin.“ Niemand – nicht einmal Bob Dylan – schrieb 1963 solche Texte. Aber niemand sagte John Lennon das. Das Ergebnis war der erste selbstbewusste Rocksong, Monate bevor die Beach Boys das ähnlich egomanische In My Room herausbrachten.
TWIST AND SHOUT
RUSSELL, MEDLEY
Aufgen. 11. Februar 1963
„Ich konnte das verdammte Ding nicht singen. Ich hab nur geschrieen.“ Das waren Lennons Worte über den ersten Take des letzten Songs während der Marathon-Aufnahmesession der Beatles am 11. Februar. Seine Stimme war von der Anstrengung des Tages angegriffen. Ohne die Krücken (Pillen und Alkohol) aus der Hamburger Zeit, die den Beatles die nächtelangen Auftritte erleichtert hatten, ruinierte Lennon seine Stimmbänder zum Wohle des Rock’n’ Roll.
Bis McCartney ein Jahr später mit Long Tall Sally nachzog, war dies der mit Abstand rockigste Song, den die Beatles im Programm hatten. Ironischerweise handelte es sich um einen Titel, den die Isley Brothers gerettet hatten, als sie die fürchterliche Originalaufnahme von Phil Spectors Schützlingen The Top Notes nachspielten. Bei dieser einen Aufnahme brachte John Lennon Englands bis dato beste Rock’n’ Roll-Platte zustande, und der Rest der Band konnte mit ihm Schritt halten mit, bis sie mit Ringos bravourösem Tusch schließlich ins Ziel einliefen.
USA März 1964: Platz 2
BRD Oktober 1963: Platz 10
(LP, NOVEMBER 1963)
Seite 1: It Won’t Be Long; All I’ve Got To Do; All My Loving; Don’t Bother Me; Little Child; Till There Was You; Please Mister Postman;
Seite 2: Roll Over Beethoven; Hold Me Tight; You Really Got A Hold On Me; I Wanna Be Your Man; Devil In Her Heart; Not A Second Time; Money (That’s What I Want).
Nur vier Monate, nachdem sie ihr Debütalbum herausgebracht hatten, begannen die Beatles mit der Arbeit am Nachfolger. Zum Zeitpunkt der LP-Veröffentlichung im November 1963 war die Gruppe das heißeste Produkt des britischen Showbusiness. Es war nicht einmal nötig, With The Beatles mit einer gerade erschienenen Hitsingle zu bewerben: Weihnachten stand vor der Tür und EMI wusste, dass die Fans alles kaufen würden, was die Beatles auf den Markt brachten. Was sie nicht wussten, war jedoch, dass With The Beatles sich nach dem eilig zusammengestellten Debütalbum als gewaltiger Schritt nach vorn erweisen würde.
Schon die Plattenhülle zeigte, dass in dieses Album mehr Überlegung eingeflossen war. Wo Please Please Me sich der üblichen lächelnden Pop-Pose bedient hatte, brüstete sich With The Beatles mit einem künstlerischen Foto von Robert Freeman, auf dem die Köpfe der Bandmitglieder sorgfältig arrangiert und einseitig ausgeleuchtet waren. Es stellte sich später heraus, dass die Idee für dieses Motiv von früheren Bandfotos herrührte, die die deutsche Fotografin Astrid Kirchherr gemacht hatte. Für die Öffentlichkeit jedoch war dieses Coverbild etwas völlig Neues.
Auch musikalisch kündigte With The Beatles den Beginn einer Revolution an. Die Beatles blieben bei ihrer Mischung aus eigenen und nachgespielten Songs, die sich schon bei der ersten Platte bewährt hatte, begannen aber bereits, das Studio als Instrument für sich zu entdecken. Auf Please Please Me hatten sie mal eben erst entdeckt, was man mit Mehrspuraufnahmen machen konnte. Jetzt, da sie mehr Zeit hatten, legten sie richtig los.
„Der erste Trick auf dem zweiten Album war das Doppeln“, gab John Lennon viele Jahre später zu. „Man sagte uns, dass es möglich sei, und das brachte den Ball ins Rollen. Vom zweiten Album an, haben wir uns selbst gedoppelt.“ Und sie taten es, ohne etwas von der Frische und Ausgelassenheit zu verlieren, die zu ihrem Markenzeichen geworden war. Dies ist am besten auf dem Mono-Mix der Platte zu hören, dem George Martin bei der CD-Veröffentlichung erneut den Vorzug gegeben hat.
IT WON’T BE LONG
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 30. Juli 1963
Niemals in ihrer Karriere vergaßen die Beatles den Stellenwert von Hitsingles. Natürlich war 1963 ihre ständige Produktion von Hits der Fahrschein in ihre musikalische Zukunft, und sie konnten auf Befehl potenzielle Tophits hervorbringen. Lennon und McCartney wetteiferten nur der Ehre wegen darum, wer die A-Seite schrieb – die Tantiemen all ihrer Songs wurden schließlich gleichmäßig unter ihnen aufgeteilt.
Ähnlich wie She Loves You, die Single, die sie einen Monat zuvor aufgenommen hatten, ist auch Lennons It Won’t Be Long um einen „Yeah Yeah“-Refrain herum aufgebaut. Zwei Singles mit demselben Gag wären zuviel des Guten gewesen. Deshalb wurde It Won’t Be Long auf den ersten Platz der LP verbannt, wo es genauso effektiv ist wie I Saw Her Standing There auf der LP Please Please Me.
ALL I’VE GOT TO DO
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. September 1963
Wenn man dieses Lied mit Ask Me Why vergleicht, das ungefähr ein Jahr früher geschrieben wurde, fällt einem sofort auf, wie schnell John Lennon seine Fähigkeiten als Songwriter vervollkommnet hat. John nannte als Hauptinspiration für diese gefühlvolle Ballade Arthur Alexander, den Mann, der Anna und viele andere Favoriten ihrer Auftritte geschrieben hatte. John dehntdas Wort „I“ am Anfang des Songs über sieben Silben, benutzt das ganze Flair eines Sam Cooke oder Jackie Wilson, und beweist, wie gut er die Macht einer Melodie beherrscht, indem er sie am Ende des letzten Refrains als leidenschaftlichen Schrei in ein höheres Register setzt. Es war eine bemerkenswert sichere Darbietung, zu der in diesem frühen Stadium ihrer Karriere kein anderes Bandmitglied fähig gewesen wäre.
ALL MY LOVING
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 30. Juli 1963
Während John Lennon Gefühle in Musik umsetzte, schrieb Paul McCartney unvergessliche Melodien. Studenten der Klassischen Musik behaupten, dass sich in All My Loving eine Melodie von Tschaikowsky verbirgt, was aber völlig irrelevant ist, das das fertige Stück eine reine Beatles-Nummer ist – das kommerziellste Stück, das sie im Jahre 1963 aufgenommen haben, und das nicht als Single veröffentlicht wurde. Man hat die Beatles oft als schlechte Musiker bezeichnet, aber hier stellen sie ihr Können unter Beweis: Harrisons Anfangsbreak ist wunderbar sauber und zurückhaltend, während Lennons blitzartige Gitarre den Schwerpunkt des Arrangements bildet.
Coverversionen: Herb Alpert & The Tijuana Brass, Sonny Curtis, Henry Mancini & His Orchestra, The Sandpipers.
BRD April 1964: Platz 32
DON’T BOTHER ME
HARRISON
Aufgen. 12. September 1963
„Das war der erste Song, den ich je geschrieben habe, um zu schauen, ob ich überhaupt einen Song schreiben könnte“, gestand George Harrison in seiner Autobiografie mit dem Titel I, Me, Mine. „Ich finde ihn nicht besonders gelungen.“ Mit zwei produktiven Songwritern in der Band war Harrison eifersüchtig auf ihr Können und ihre Tantiemen. Sein Liverpooler Freund Bill Harry zog George damit auf, als dieser während einer Beatles-Tournee krank im Bett lag, und Harrison antwortete mit einem etwas unbeholfenen, aber doch recht gelungenen Song. Interessant, dass er nicht nach seinen musikalischen Vorbildern Carl Perkins oder Goffin & King klingt, sondern wie eine Kopie der Sachen, die Lennon und McCartney schrieben – so wie es Beatgruppen im ganzen Land in ihren Schlafzimmern taten.
LITTLE CHILD
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 12. September und 3. Oktober 1963
Sogar die Beatles klangen manchmal erschöpft und ausgelaugt, obwohl sie zu diesem frühen Punkt ihrer Karriere immer den Enthusiasmus aufbrachten, sich ihren Mangel an Inspiration nicht anmerken zu lassen. Fünf Jahre später wäre dieses piepsige Lied als Bubblegum eingestuft worden. Aber auf With The Beatles verwandeln der dynamische Gesang von Lennon und McCartney sowie das Mundharmonika-Solo von Lennon das Stückwerk in 106 Sekunden reiner Energie.
TILL THERE WAS YOU
WILLSON
Aufgen. 30. Juli 1963
Es war wieder Zeit für einen Standard, als Paul A Taste Of Honey mit dem Titelsong aus dem Broadway-Musical The Music Man ergänzte. Er singt das Lied, als würde er jedes Wort ernst meinen, und George Harrison fügt ein perfekt ausgearbeitetes Gitarrensolo hinzu – so perfekt, dass einige Kritiker sich fragten, ob er es wirklich selbst gespielt hatte. Aber das Solo auf der Live-Aufnahme aus Hamburg hörte sich genauso an. Also hat George es wohl gespielt, außer sie hätten einen Studiomusiker in den Star-Club eingeschmuggelt.
PLEASE MR. POSTMAN
DOBBIN, GARRETT, GARMAN, BRIANBERT
Aufgen. 30. Juli 1963
1963 kam der amerikanische Stall von Motown, der Berry Gordy gehörte, in den Genuss, seine Soul-Platten regelmäßig in England veröffentlichen zu können. Die Beatles waren sofort Fans, was so weit ging, dass drei der Titel auf With The Beatles Coverversionen aktueller Motown-Hits waren. Auf ihrem ersten Album waren Chains und Anna enthusiastische Interpretationen fremder Songs gewesen, ohne dass die Gefahr bestand, dass dies zur Gewohnheit würde. Bei Twist And Shout und dann wieder bei dem Hit der Marvelettes, Please Mr. Postman, ist die Leistung von Lennon so grandios, dass man das Original für die Nachahmung halten könnte. Die Beatles straffen die Gesangssätze der Marvelettes, während Lennons Gesang überschäumendes Selbstbewusstsein ausstrahlt. Es ist ein erregender Schluss für die erste Seite der Platte, auf der sich die Gruppe bereits mit Soul, Rock und Balladen beschäftigt hatte. BRD August 1964: Platz 47
ROLL OVER BEETHOVEN
BERRY
Aufgen. 30. Juli 1963
Schon bevor es die Beatles gab, hatten Lennon, McCartney und Harrison diesen Rock’n’ Roll-Standard von Chuck Berry aus dem Jahr 1956 live gespielt. 1961 ging das Lied von Lennon an Harrison, der auch noch die Leadgitarre spielen musste. Das war im Studio, wo er das Solo später einspielen konnte. Das stellte kein Problem dar, auf der Bühne jedoch war es nicht so einfach. Trotz ihres Erbes als Rock’n’ Roll-Band klingen die Beatles bei der ersten Studioaufnahme eines echten amerikanischen Rocksongs gehemmt und spielen das Stück so schnell, dass Harrison Mühe hatte, alle Worte in einer Zeile unterzubringen.
BRD Februar 1964: Platz 31
HOLD ME TIGHT
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 12. September 1963
Während der Aufnahmen zu ihrem ersten Album hatten die Beatles eine Version dieser Nummer aufgenommen und anschließend verworfen – das Band wurde später gelöscht. Wenn man sich an der Aufnahme orientiert, die gut genug für die Veröffentlichung gehalten wurde, muss das Original fürchterlich gewesen sein: Die Stimme von McCartney klingt so falsch, dass die Hunde der Nachbarn vor Entsetzen heulen. Nur wenige Aufnahmen der Beatles liegen unter ihrem üblichen Niveau. Diese gehört auf jeden Fall dazu.
Coverversion: Count Basie.
YOU REALLY GOT A HOLD ON ME
„SMOKEY“ ROBINSON
Aufgen. 18. Juli 1963
You Really Got A Hold On Me ist der zweite Motown-Song, dessen Lennon sich auf brillante Weise bemächtigte. So großartig die Version der Miracles auch sein mag, wird sie doch von der unangestrengten Interpretation der Beatles noch übertroffen. Johns Gesang könnte in einem Lexikon als Definition für ungezügelte Leidenschaft benutzt werden, während die Entscheidung, die Phrase „tighter“ mit einer wiederkehrenden Pause im Rhythmus zu dramatisieren, ein Geniestreich ist. Bei den Antwortphrasen im Gesang stieß George mit seinem eingeschränkten Stimmumfang an seine Grenzen, aber die pure Begeisterung gewann die Oberhand, da die Beatles einen weiteren amerikanischen Song zu ihrem eigenen gemacht hatten.
I WANNA BE YOUR MAN
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11., 12., 30. September, 9. und 23. Oktober 1963
Zu der Zeit, als die Beatles die Arbeit an diesem Song beendeten, wussten sie, dass die Rolling Stones ihre zweite Single daraus machen würden. Es wird erzählt, dass der Manager der Stones, Andrew Loog Oldham, Lennon und McCartney in London auf der Straße traf, sie in sein Auto verfrachtete und sieum einen Song für seine neue Band bat. Die Beatles spielten den Stones den Refrain von I Wanna Be YourMan vor, verschwanden dann, um die Bridge fertig zu schreiben – und kamen etwa eine Stunde später zurück, um den sichtlich beeindruckten Jungs das vollendete Werk zu präsentieren. Die Stones spielten das Lied als R&B-Nummer. Die Beatles überließen es Ringo, dieses Stück in den folgenden drei Jahren bei Auftritten zu singen. Auf der Tour vergaß Ringo lustigerweise immer, dass der Song zwei Strophen hat und wiederholte die erste. Coverversion: The Rolling Stones.
DEVIL IN HER HEART
DRAPKIN
Aufgen. 18. Juli 1963
Als Anhänger des Sounds amerikanischer Girlgroups borgten sich die Beatles diesen Song von den Donays – das wahrscheinlich obskurste Lied, das sie im Studio je nachgespielt haben. George hatte es ausgewählt, und er bringt eine energiegeladene, jedoch nicht immer überzeugende Leadstimme. Im Refrain wird er unterstützt von Lennon und McCartneys großartigem Harmoniegesang.
NOT A SECOND TIME
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 11. September 1963
Not A Second Time untermauerte John Lennons Ruf, der risikofreudigste unter den Beatles zu sein, was das Komponieren anging. Der Rhythmus dieses auf dem Klavier aufgebauten Song befindet sich am Rande des völligen Zusammenbruches. Aber anders als bei Ask Me Why passt das hier perfekt zur emotionalen Verwirrung des Textes. Normalerweise klang John, als hätte er jede romantische Situation voll unter Kontrolle, selbst wenn der Text etwas anderes aussagt. In Not A Second Time aber, kündet alles davon, dass Lennon hier nur ein Bauer in ihrem Spiel ist. Damit nahm es den emotionalen Masochismus von Norwegian Wood um zwei Jahre vorweg.
MONEY (THAT’S WHAT I WANT)
GORDY, BRADFORD
Aufgen. 18., 30. Juli und 30. September 1963
Der dritte und letzte Motown-Klassiker, der in einen reinen Lennon-Song umgewandelt wurde. Der Hit Money von Barrett Strong erwachte in dieser Interpretation zu neuem Leben. Das Sanfte des Originals wurde durch Lennons wilde Stimme, die ebenso stimmbandzerfetzend klang wie bei Twist And Shout, einfach weggefegt. Wie schon auf I Wanna Be Your Man war George Martin hier am Keyboard zu hören. Während er beim ersten eine Hammondorgel gespielt hatte, war es diesmal ein Klavier, das die Grundlage des Songs lieferte. Das Klavier war aber nicht der einzige Unterschied zwischen dieser Darbietung und der wesentlich weniger überzeugenden Version der Beatles bei der Audition im Januar 1962. Bei DECCA hatte Lennon den Song von Strong einfach so gesungen. Zwei Jahre später bei EMI lebte er ihn, heulte den Text wie einen Teil einer Psychotherapie. Und, wie viele Kritiker bemerkt haben, erweiterte er den Sinn des Songs, indem er dem letzten Refrain eine einfache, wie beiläufig eingestreute Phrase hinzufügt: „I wanna be free“, schreit er alsein Gefangener seiner Leidenschaft, was die vorige Aussage des Liedes verneinte.
Anmerkung: Wieder einmal enthalten Mono- und Stereomix des Songs unterschiedliche Gesangslinien von Lennon. Und wieder einmal ist die beste Version auf der reinen Mono-Version zu finden.
(LP, JULI 1964)
Seite 1: A Hard Day’s Night; I Should Have Known Better; If I Fell; I’m Happy Just To Dance With You; And I Love her; Tell Me Why; Can’t Buy Me Love;
Seite 2: Any Time At All; I’ll Cry Instead; Things We Said Today; When I Get Home; You Can’t Do That; I’ll Be Back.
1964 war die Verwandlung von Popstars in Filmschauspieler schon eine übliche Sache geworden. Die Musikindustrie hatte noch nicht die potenzielle Einnahmequelle des internationalen Merchandisings entdeckt, aber ein schneller und billiger Schwarzweißfilm war das Beste, was man als Nächstes tun konnte. Dadurch wäre es auch möglich, dass die Beatles in Städten und Ländern, die sie nicht persönlich besuchen wollten, gesehen werden konnten. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass die Beatles nach dem Erscheinen von A Hard Day’s Night nur noch eine größere Tour durch England machten.
Obwohl der Film in Amerika Millionen einspielte, war er ursprünglich als rein britisches Phänomen gedacht. Die Beatles waren im Herbst 1963 darauf angesprochen worden, als ihr Ruhm noch kaum die Grenzen ihrer Heimat überschritten hatte. Daher der billig produzierte Schwarzweißfilm. Hätte United Artists angenommen, der Film würde in Amerika gezeigt werden, dann hätten sie ihn sicherlich in Farbe gedreht.
„Wir waren etwas verärgert darüber, wie oberflächlich und wie schwachsinnig die Dialoge waren“, beschwerte sich John Lennon 1970. Aber nach den bisherigen Standards britischer Pop-Filme war das Script von Alan Owen eine bemerkenswert realistische Arbeit. Die Beatles spielten Karikaturen ihrer selbst, in karikierten Situationen ihres täglichen Lebens – auf Tour, bei Konzerten und bei Proben zu einer Fernsehshow. In vielen Szenen kamen die früheren Hits der Beatles vor, doch der Vertrag schrieb vor, dass sie dem Regisseur Richard Lester sieben neue Songs liefern mussten. EMI entschied sich bald dafür, ein Soundtrack-Album zu veröffentlichen, auf dem neben den Songs aus dem Film weitere neue Lieder enthalten sein sollten.
Als sie von ihrem ersten Trip in die Staaten nach Hause kamen, erwartete die Beatles ein dicht gepackter Terminkalender. Sie hatten keine zwei Wochen Zeit, die Songs für den Film zu schreiben und aufzunehmen. Während der Filmaufnahmen mussten sie die restlichen Lieder für das Album machen. Falls es jemals eine Entschuldigung für die Aufnahme von Coverversionen gegeben hatte, hier war sie. Stattdessen schrieben John Lennon und Paul McCartney zum ersten und letzten Mal in der Karriere der Beatles alle Lieder zusammen. „Zusammen“ war eigentlich nicht ganz richtig, weil Lennon nicht weniger als zehn der dreizehn Titel lieferte und so die LP dominierte, wie es danach keinem anderen Beatle wieder erlaubt war.
Wieder gaben die Beatles ihr O.K. zum Monomix und überließen es George Martin, schnell eine Stereo-Version anzufertigen. Und wieder verwendete Martin bei der Veröffentlichung der CD die Mono-Aufnahmen.
A HARD DAY’S NIGHT
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 16. April 1964
Ringo Starr hat, als er sich an ein Wortspiel von John Lennon erinnerte, zufällig dem ersten Film der Beatles seinen Namen gegeben und ihm das Schicksal erspart, als „Beatlemania“ in die Geschichte einzugehen. Als der Titel feststand, sollten die Beatles einen passenden Song liefern und innerhalb einer Woche hatte Lennon (mit Hilfe von McCartney beim Mittelteil) diese Nummer fertig.
Der unvergessliche Anfang – George Harrison mit einem Gsus4-Akkord auf seiner zwölfsaitigen Rickenbacker – musste mehrmals aufgenommen werden. Er macht den Song aber zu einem der wenigen Lieder, die man an den ersten zwei Sekunden erkennen kann.
Zum ersten Mal arbeiteten Lennon und McCartney nach dem Muster, das sie während der ganzen Existenz der Beatles beibehalten sollten: Jeder sang den Teil, den er geschrieben hatte. Die Fans hatten schon früh eine Chance, McCartneys angeborenen lyrischen Optimismus von Lennons Zynismus zu unterscheiden. Und eine weitere Revolution lag in der Luft, als die Beatles ihren Spaß daran entdeckten, ein Stück auszublenden, statt es mit einem Akkord ausklingen zu lassen. Nach Mehrspuraufnahmen und Overdubs wurde die Ausblendung zu einem weiteren beliebten Spielzeug der Beatles im Studio.
Coverversionen: Ella Fitzgerald, Ian & The Zodiacs, Peggy Lee, Sandy Nelson, Billy Preston. Santo & Johnny, Peter Sellers.
UK Juni 1964: Platz 1
USA Juni 1964: Platz 1
BRD September 1964: Platz 2
I SHOULD HAVE KNOWN BETTER
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 26. Februar 1964
Selbst wenn er als Schnellschreiber Songs für die Beatles unter Zeitdruck schreiben musste, konnte John Lennon 1964 ohne Mühe unvergessliche Melodien abliefern. I Should Have Known Better ist um einen simplen Rhythmus mit zwei Akkorden herum aufgebaut und mit einer passenden Mundharmonika ergänzt. Der Song hat etwas Zeitloses, das alle Stücke der Beatles vom Frühjahr 1964 auszeichnet.
Coverversionen: Beach Boys, Jan & Dean, Johnny Rivers.
BRD November 1964: Platz 6
IF I FELL
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 27. Februar 1964
1964 war noch niemand ein Unterschied zwischen den Songwriting-Stilen von John Lennon und Paul McCartney aufgefallen. Daher wurde diese schöne und melodische Ballade eben einfach als neues Lied der Beatles bezeichnet. Nur im Rückblick kann es als früher Beweis dafür angesehen werden, dass John Lennon mehr konnte, als nur Rock’n’ Roll, Drogenträume oder seinen Zynismus umzusetzen. Im Klartext: Dies war der komplexeste Song, den John bis dahin geschrieben hatte. Seine fürchterlich hohe Harmoniestimme brachte Paul McCartney, dessen Stimme bei dem Mix der Stereoaufnahme mehrmals versagte, schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Auf der CD und der Mono-LP schafft Paul den Balanceakt jedoch, ohne eine Note auszulassen.
Coverversionen: Lou Christie, Sonny Curtis.
BRD November 1964: Platz 25
IM HAPPY JUST TO DANCE WITH YOU
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 1. März 1964
John Lennon schrieb diesen Song, hielt jedoch so wenig davon, dass er ihn George Harrison überließ – der Leadgitarrist der Beatles war bis dahin mit all seinen Versuchen, einen Song zu schreiben, bei den anderen auf Ablehnung gestoßen. Lennon hatte ohne Zweifel das Thema des Liedes als zu zahm für sein wildes Image empfunden – obwohl er gerade mit der Aussage, dass er die Hand seines Mädchens halten wolle, die Spitze der amerikanischen Charts gestürmt hatte. Die charmant naive Ausstrahlung der Stimme von George Harrison fängt die Stimmung des Songs perfekt ein. Wie üblich fügten die Beatles ein Minimum an Material mit einem überwältigenden kommerziellen Arrangement zusammen.
AND I LOVE HER
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 27. Februar 1964
Sogar unter Druck gaben sich die Beatles nur mit dem Besten zufrieden, als sie dieses Liebeslied aufnahmen, das Paul McCartney für seine damalige Freundin, die Schauspielerin Jane Asher, geschrieben hatte. An drei aufeinander folgenden Tagen testeten sie verschiedene Arrangements, um den Song dann bei der drei Stunden dauernden Aufnahmesession, bei der auch Tell Me Why entstand, auf Band zu bringen. Einfach, aufwühlend und sanfter als alle anderen Songs von Lennon/McCartney wurde es mit einem hauptsächlich akustischen Arrangement versehen.
Anmerkung: Unterschiedliche Versionen des Titels wurden in verschiedenen Teilen der Welt veröffentlicht. Sie unterschieden sich aber nur dadurch, dass sich das Gitarrenriff am Ende einmal mehr oder einmal weniger oft wiederholt.
Coverversionen: Jose Feliciano, Connie Francis, George Hamilton, Peter & Gordon, Esther Phillips, „Smokey“ Robinson, Bobby Womack.
USA August 1964: Platz 12
TELL ME WHY
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 27. Februar 1964
Ein weiteres schönes Beispiel für die Schnellschreiberei. Tell Me Why ist typisch Beatles – ein fetter Refrain, ein herrlich cooler Gesang von Lennon, sogar ein Falsett-Part gegen Ende, der sich selbst parodiert, und das alles in nur knapp zwei Minuten.
Coverversion: Beach Boys.
CAN’T BUY ME LOVE
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 29. Januar 1964
Die erste Single der Beatles im Jahre 1964 entstand beinahe zufällig am Ende der ersten und einzigen Studioaufnahmen für EMI im Ausland. Ihr Besuch der Pathé Marconi Studios in Paris war arrangiert worden, damit sie widerwillig deutschsprachige Versionen ihrer beiden größten Hits zusammenschustern konnten. In weniger als einer Stunde, die ihnen noch blieb, nahm die Gruppe diesen Song von Paul McCartney in gerade einmal vier Takes auf und überarbeiteten das Arrangement zwischen ihrem ersten Versuch im R&B-Stil und der glatteren Endversion.
Can’t Buy Me Love kommt der Rock’n’ Roll-Musik, die sie seit den 50ern spielten, näher als alle bisherigen Singles der Beatles. Der Text drehte das Thema von Money von ihrer letzten Scheibe beinahe um, und die Nummer gab George Harrison Gelegenheit, seine Gitarrenkünste unter Beweis zu stellen. Er spielte sein Solo als Overdub, nachdem sich nach der ersten Aufnahme erwiesen hatte, dass spontane Improvisation nicht seine Stärke war.
Coverversionen: Count Basie, Sonny Curtis, Ella Fitzgerald, Earl Grant, Ian & The Zodiacs, Quincy Jones & Orchestra, Peggy Lee, John Mayall, Billy Preston, Peter Sellers, Dionne Warwick.
UK März 1964: Platz 1
USA April 1964: Platz 1
BRD Mai 1964: Platz 24
ANY TIME AT ALL
LENNON, McCARTNEY
Aufgen. 2. Juni 1964
Unter Zeitdruck, wie bei jeder Aufnahme 1964, begannen die Beatles, das Lied aufzunehmen, bevor John Lennon es fertig geschrieben hatte. Das bemerkten sie jedoch erst nach sieben Takes. Lennon fügte während ihrer nachmittäglichen Teepause einen ruhigen Mittelteil in diesen sonst recht wilden Rocker ein, und das Stück war vor dem Abend im Kasten.
I’LL CRY INSTEAD
LENNON, McCARTNEY
Aufgen. 1. Juni 1964
Obwohl der Sound der Beatles allgemein als Mixtur aus amerikanischem Rock’n’ Roll, Pop und R&B betrachtet wird, spielte ab 1964 Country-Musik eine bedeutende Rolle. Auf ständiges Drängen von Ringo Starr hin, begann der Rest der Gruppe, Platten von Buck Owens, George Jones und anderen Stars aus Nashville anzuhören, und der Einfluss kam auch beim Songwriting durch, insbesondere bei John Lennon.
Für solch einen einfachen Song erwies sich I’ll Cry Instead bei der Aufnahme als schwierig zu realisieren. Schließlich gaben es die Beatles auf, das Lied live spielen zu wollen und teilten es in zwei Sektionen auf, die George Martin für die Platte zusammenfügte. Das erklärt auch, warum es so einfach war, für die amerikanische LP eine verlängerte Fassung zu produzieren.
I’ll Cry Instead löste eine Reihe von Beatles- und Solo-Songs aus: Texte, bei denen Lennon, normalerweise der gebieterische romantische Held, mit dem Kopf in den Händen saß und in einem Meer von Selbstmitleid ertrank. Für den Großteil seines letzten Jahrzehnts wurde diese Pose von Schuld und Trauer bei seinen Kompositionen zu etwas Zwanghaftem.
Coverversion: Joe Cocker.
THINGS WE SAID TODAY
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 2. Juni 1964
Die Beiträge von McCartney zu A Hard Day’s Night mögen an Zahl wenig gewesen sein, dafür waren sie von beeindruckender Stärke. Wie John experimentierte Paul damit, um Moll-Akkorde herum zu schreiben und stellte schnell fest, dass sie eher zu besinnlichen als zu fröhlichen Texten passten. John erweiterte die Formel, indem er fast alle Lieder für dieses Album in der Tonart G schrieb.
Coverversionen: Sonny Curtis, Jackie DelShannon, Woody Herman, The Sandpipers.
WHEN I GET HOME
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 2. Juni 1964
Wie viele der Arbeiten auf diesem Album verträgt When I Get Home kaum kritische Betrachtung – es ist ein eilig geschriebenes Werk. Die Beatles waren 1964 fähig, eine richtungweisende Pop-Platte zu machen. Das Stück setzt unvermittlelt ein mit einer eingängigen Melodie-Linie und geht heiter weitere zwei Minuten durch. Dabei hat man das Gefühl, dass Lennon kein Wort von dem, was er singt, wirklich ernst meinte.
YOU CAN’T DO THAT
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 25. Februar und 22. Mai 1964
Von allen Liedern auf diesem Album war John Lennon auf dieses am stolzesten. Nicht zufällig war es das wildeste und raueste, das er bis dahin aufgenommen hatte. Es war eindeutig von R&B-Songs aus Memphis beeinflusst und (wie der Kritiker Lester Bangs Jahre später schrieb) „auf einem der verbissensten und unzerstörbarsten Riffs aufgebaut, die es jemals gegeben hat.“ Lennon spielte selber die Leadgitarre, hämmerte ein Solo hin, das zu einem Furioso der Akkorde wurde – vollkommen anders, als die Sachen, die George Harrison auf dem Rest der Platte abgeliefert hatte.
Coverversion: The Standells.
I’LL BE BACK
LENNON, MCCARTNEY
Aufgen. 1. Juni 1964
Am Ende einer Platte, die eine brillante Sammlung von manchmal nicht so brillanten Songs war, griff I’ll Be Back von John Lennon auf die eigenartigen Strukturen früherer Werke zurück. Wie Ask Me Why und All I’ve Got To Do war es typisch Lennon, ohne Bezug zu den Dingen, die um ihn herum in der Welt des Pop geschahen. Er hatte es noch nicht geschafft, diese Melodien mit Worten zu verbinden, die emotional bedeutsam waren, daher wurde I’ll Be Back zu einem großartigen Song über eine imaginäre Romanze. Doch der Moment der Erkenntnis lag nicht mehr fern. Coverversionen: Herb Alpert & The Tijuana Brass, Cliff Richard, The Tremolos.
(LP, DEZEMBER 1964)
Seite 1: No Reply; I’m A Loser; Baby’s In Black; Rock And Roll Music; I’ll Follow The Sun; Mr. Moonlight; Kansas City/Hey Hey Hey Hey;
Seite 2: Eight Days A Week; Words Of Love; Honey Don’t; Every Little Thing;I Don’t Want To Spoil The Party; What You’re Doing; Everybody’s Trying To Be My Baby.
Es wurde darauf hingewiesen, dass der müde, benommene Ausdruck der Beatles auf dem Cover ihrer vierten LP einfach die Reaktion auf die Begleitumstände war. Sie hatten zwischen 1963 und 1965 nicht die Möglichkeit, sich wie die verwöhnten Stars der 90er auf ihren Lorbeeren und ihrem Reichtum auszuruhen. 1963 waren sie fast ohne Unterbrechung auf Tour gewesen. In der einen Woche Pause wurde von ihnen erwartet, neue Songs zu schreiben, Radiosendungen für die BBC aufzunehmen und Interviews zu geben.
1964 begann ähnlich: Zwei Wochen bei einer Weihnachts-Show im Astoria in Finsbury Park, dann drei Wochen in Frankreich, zwei Wochen in Amerika, eine Woche, um mit der Arbeit am Soundtrack zu A Hard Day’s Night zu beginnen, und dann zwei anstrengende Monate mit Filmaufnahmen. Außer einem kurzen Urlaub im Mai ging es das ganze Jahr so weiter, mit einem zweiten Aufenthalt in Amerika, einer Tournee durch Australien und Neuseeland, einem kurzen Trip durch Europa, Sommerauftritten in britischen Seebädern und schließlich noch einer fünfwöchigen Konzertserie in England im Oktober und November.
In diesen Terminkalender mussten die Aufnahmen zum passend betitelten Album Beatles For Sale gepresst werden. Die Platte entstand in einem Zeitraum von fast drei Monaten an freien Tagen zwischen Konzerten. Daher war es kein Wunder, dass die Platte gegenüber dem vorigen Album einen Rückschritt in der stilistischen Einheit zu bedeuten schien. Die Rückkehr zu einer Mischung aus eigenen Stücken und Coversongs zeigte den Druck, unter dem die Band stand. Die acht Titel von Lennon/McCartney waren jedoch geprägt von wachsender Reife und offenbarten neue Einflüsse, die die Beatles schon bald allen anderen damaligen Beatgruppen haushoch überlegen machen würden.
Einer der Haupteinflüsse auf Beatles For Sale war Country-Musik, die zum ersten Mal bei I’ll Cry InsteadI Don’t Want To Spoil The PartyBaby’s In Black.