Angerer, Ela (Hg.): Porno / Ela Angerer (Hg.)
Reihe: Moderne Nerven
Wien: Czernin Verlag 2012
ISBN: 978-3-7076-0384-2
© 2012 Czernin Verlags GmbH, Wien
Covergestaltung: Klaus Mitter
Fotos (Cover/S. 111-117): Ingo Pertramer, Ela Angerer
Christian Schachinger
Illustrationen: Lukas Pusch
Lektorat: Eva Steffen
Produktion: www.nakadake.at
ISBN Epub: 978-3-7076-0384-2
ISBN PDF: 978-3-7076-0385-9
ISBN Print: 978-3-7076-0383-5
Alle Rechte vorbehalten, auch das der auszugsweisen Wiedergabe
in Print- oder elektronischen Medien
Now we’re gonna be face-to-face
And now I wanna be your dog.
The Stooges
WARNHINWEIS
Das Buch enthält Bilder und Textstellen, die bei Teilen des Publikums Anstoß erregen könnten.
Dieses Buch ist daher nur für erwachsene Leserinnen und Leser geeignet.
Mit unserem Obersten Gerichtshof sind Verlag und Herausgeberin der wohl abgewogenen Meinung:
Druckwerke mit sexuellen Darstellungen der nicht zur sog. „harten“ Pornographie gehörigen Art, welche bei Konfrontation mit der Allgemeinheit ihrem Inhalt nach als unzüchtig zu qualifizieren wären, sind dann nicht strafwürdig unzüchtig im Sinne des § 1 PornographieG, wenn sie bloß einem bestimmt angesprochenen Interessentenkreis erwachsener Personen vorbehalten sind, von dem die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass er an derartigen Abbildungen und Beschreibungen sexueller Vorgänge nicht Anstoß nehmen werde, und bei denen auf solche Weise durch die Art ihrer Präsentation auch die nur abstrakte Möglichkeit der Erregung eines öffentlichen Ärgernisses oder der Gefährdung Jugendlicher ausgeschlossen ist. Fehlt die Gefahr der Kenntnisnahme durch Jugendliche und jene ungewollter Konfrontation, so ist für die Fälle der sog. „nicht harten“ Pornographie das normative Merkmal der „Unzüchtigkeit“ nicht gegeben.
Postemanzipation, Konsumterror und immer neue Krisenbewältigungsstrategien: Wie stehen Männer und Frauen in Zeiten wie diesen zu Liebe und Sex? Können sie sich leichter begegnen, ineinander verwickeln, erlösen und wieder lösen? Jetzt, wo theoretisch alles möglich und alles erlaubt ist: Funktioniert es jetzt besser, befriedigt es uns mehr? Sehr unverblümt geht es in diesem Buch ums Vögeln, Wichsen, Schlagen, Küssen, Lieben, Sehnen, Mögen und Nichtmehrmögen. Um kostenlose und käufliche Liebe. Um den eigenen sexuellen Marktwert und Kindheitsprägungen. Um die ständige Angst, zu viel von sich preiszugeben oder schlicht und einfach zu versagen. Es geht dabei aber auch um den Mut, sich der eigenen Einsamkeit zu stellen und um die ewige Suche nach sich selbst.
Der Risikobereitschaft von so namhaften Autoren wie Robert Palfrader, Thomas Glavinic, Philipp Hochmair, Barbi Marković, Joachim Lottmann, Julya Rabinowich, Christopher Just, Melanie Kretschmann, Thomas Draschan und Michael Leon sollte der Leser daher nicht mit Voyeurismus, sondern mit Respekt begegnen. Auffallend dabei ist, wie sehr sich auch 40 Jahre nach der sexuellen Revolution der Blickwinkel der Frauen immer noch von jenem der Männer unterscheidet. Während die weiblichen Sex-Geschichten zwischen Abgrenzung und Sehnsucht nach Verschmelzung pendeln, handeln viele der von Männern verfassten Texte den Geschlechtsakt als einen zumeist rein körperlichen Vorgang ab.
Zehn Autoren und Autorinnen haben sich auf das Projekt Porno eingelassen. Patentlösung für den Umgang mit dem eigenen Begehren gibt es noch immer keine, trotzdem hat sich die Suche gelohnt.
Ela Angerer
Ich glaube, es war William S. Burroughs, der gesagt hat: „Es ist nicht so, dass ich die Menschen hasse, aber ich fühle mich besser, wenn keiner da ist.“ So oder so ähnlich zumindest. Wenn er dabei auch von Sex gesprochen haben sollte, bin ich ganz seiner Meinung. Verstehen Sie mich nicht falsch. Nicht dass ich die körperliche Liebe nicht zu schätzen wüsste – hin und wieder in einem anderen herumstochern, ja, das kann recht angenehm sein. Aber letztendlich ist Sex mit einem Partner doch auch nur onanieren in jemanden.
Ich bin ein überzeugter Wichser!
Zum Glück glaube ich nicht an Gott und habe deshalb auch keine Angst, dass es mir wie Onan ergeht, keine Angst, seinem Namen alle Ehre zu machen. Onanie ist Liebe an und für sich, wie man weiß. Und ich liebe mich sehr! Ich muss also meine Fantasie weder anregen, noch brauche ich Hefte oder Videos zur Stimulation. Oder Hilfsmittel. Ich will auch nicht, dass es sich beim Onanieren so anfühlt, als würde es mir jemand anderer machen! Ich möchte von mir befriedigt werden!
Ich war in einem römisch-katholischen Privatgymnasium im Halbinternat. Nur Buben. Daher weiß ich fast alles übers Wichsen. Allerdings bin ich erst sehr spät drauf gekommen. Ich weiß nicht, wann ich begonnen habe, ich weiß nur, dass ich mir gedacht habe, das hätte man mir viel früher zeigen sollen. Ja, es wäre ganz einfach schön gewesen, wenn man mich früher darauf aufmerksam gemacht hätte, wie toll das ist. Ich bin jetzt 42 Jahre alt und aus heutiger Sicht kann ich immer noch sagen: Onanieren ist der Bentley unter den Geschlechtsakten. Und reden muss man vorher und nachher auch nicht. Es passiert natürlich manchmal, aber das wäre auch ohne Wichsen so gewesen.
Der schönste Ausdruck fürs Onanieren, den ich kenne, ist „mit sich selbst Hochzeit feiern“, so haben es die alten Griechen genannt. Wenn man ein richtiger Mann ist, will man danach übrigens erst recht mit seiner Frau schlafen. Wichsen als Vorbereitung quasi, das ist ein sehr gutes Training. Und es ist sehr gesund, es beugt Prostatakrebs vor. Die Männer sollten viel mehr wichsen, aus gesundheitlichen Gründen! Ich träume von Werbespots darüber: Im Fernsehen läuft Die Hard mit Bruce Willis und in der Werbepause sieht man einen irrsinnig seriösen Arzt mit einem Stethoskop um den Hals in die Kamera schauen, der sagt: „Meine Herren, Sie sollten die Werbepause jetzt nützen, um zu wichsen, das ist gut für Ihre Prostata.“ Und dann steht man auf, geht aufs Häusl oder sonst irgendwohin, wo man eine Ruhe hat, und reißt sich einen runter. Wobei „sich einen runterreißen“ natürlich ein furchtbar hässlicher Ausdruck ist. „Mit sich selbst Hochzeit feiern“ ist doch viel schöner!
Der richtige Ort fürs Onanieren wird leider viel zu oft von anderen bestimmt. Es gäbe Orte, an denen würde ich wahnsinnig gerne onanieren, aber die Gesellschaft könnte das nicht akzeptieren. Am Stephansplatz zum Beispiel, da wäre es einmal recht interessant, wegen der Weite. Oder auf dem Gipfel eines Berges, einfach nur in die Welt hinaus wichsen. Geht nicht! Zumindest nicht immer. Es ist skurril, dass das Ganze so ein Tabuthema ist, wo es doch absolut jeder macht. Wenn man von irgendetwas ausgehen kann im sozialen Umgang, dann davon, dass JEDER, absolut JEDER, den man auf der Straße trifft, ES tut. Alle wichsen: Männer, Frauen, nicht nur 15-, 16-Jährige, nein, alle, vom Primaner bis zum Pensionisten, alle wichsen sie, alle. Und ich finde es schade, dass man sich darüber nicht ab und zu unterhalten kann. Wie ist das denn so, wie machst es denn du? Ich mach es mit rechts, ich mit links, was, du hast heute noch nicht?! Da wirds aber Zeit! … So in etwa.
Es gibt diese wunderbare Geschichte von Hans Söllner, einem bayrischen Liedermacher. Der hat, nachdem ein Politiker gemeint hat, die Friedensbewegung der 1920er-Jahre wäre für den 2. Weltkrieg verantwortlich gewesen, als Reaktion auf diesen Blödsinn bei einem Konzert gesagt, dass der Typ ein Wichser sei. Daraufhin hat ihn der Politiker wegen Ehrenbeleidigung verklagt und er ist verurteilt worden. Söllner hat sich inspirieren lassen und ein Lied geschrieben, das den Titel „Oba olle san ma Wixa und a jeda woaß wias geht – da oane tuts im Sitzen und da andere im Stehn“ trägt. Meine Hymne!
Falls Sie sich also darauf einen runterholen wollen, mich einen Wichser zu nennen: Bitte, gerne!