Der Tag danach.
Karen wachte am frühen Morgen auf, als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne durch die Spalten ihres Rollladens fielen. Sie hatte von einem vergangenen Urlaub in Madrid geträumt und fühlte sich, noch halb von diesem Traum umfangen, behaglich und wohl. Während sie allmählich wacher wurde, kehrten mit dem Bewusstsein allerdings auch die Erinnerungen an den vergangenen Tag und daran, was Denises Bekanntenkreis, darunter sämtliche Mitarbeiter aus Karens Abteilung, mit ihr angestellt hatte, zurück. Unwillkürlich erschauderte sie. Der Gedanke, dass sie sich jetzt auf den Weg in ihre Firma zu machen hatte, wo sie kontinuierlich mit diesen Leuten zu tun haben würde, bohrte sich in ihr Gehirn wie ein Pfeil aus Eis. Sie hatte eine starke Ahnung, dass mit dem gestrigen Abend ein völlig neuer Level der Erniedrigung erst begonnen hatte.
Es machte für sie immer weniger Sinn, sich selbst zu belügen. Ihr altes Ich lag in Scherben. Sie hatte sich dieser Metamorphose nicht entziehen konnte, in der sie ein weiteres Mal von der selbstbewussten Führungskraft zur Lustsklavin verwandelt worden war, die der Allgemeinheit zur Verfügung stand.
Vermutlich, überlegte sie, während sie noch nackt auf dem Fußboden ihres Schlafzimmers lag und zu Denise hinaufsah, die in Karens früherem Bett noch immer friedlich schlummerte, gab es eine Rolle, die auf manche Menschen derartig passte, dass jede Mühe vergeblich war, ihr dauerhaft entkommen zu wollen. Schließlich gab es Serienkiller, dachte Karen, die ebenfalls keine Chance hatten, gegen den dunklen Trieb anzukommen, der in ihnen wühlte. Warum also sollte es als Gegenstück keine Serienopfer geben, von denen sie offenbar eines war? Anscheinend standen die Worte „Mach mit mir, was du willst“ auf ihrer Stirn geschrieben, für sie selbst und viele Andere unsichtbar, aber für den, der das entsprechende Naturell besaß, deutlich zu lesen.
Karen löste das Halsband, mit dem sie ans Bett gebunden war, und stand auf, wobei sie einen tiefen Seufzer unterdrückte, um Denise nicht versehentlich zu wecken. Sie sprang schnell unter die Dusche und schlüpfte danach in die Kleidungsstücke, die ihre Herrin vor dem Zu-Bett-Gehen für Karen herausgelegt hatte: einen weißen Mikromini und eine purpurfarbene, enge Bluse. Sie frühstückte in der gewohnten Eile und machte sich dann auf den Weg zur Arbeit.
Je näher sie der Firma kam, desto unwohler fühlte sie sich.
Als sie endlich in ihrer Abteilung angekommen war, lag diese noch stumm und schweigend vor ihr. Karen war die Erste, wie an fast jedem Morgen. Sie setzte den Kaffee für ihre Mitarbeiter auf und begab sich in ihr Büro, um sich dort an ihre Arbeit zu machen. In den folgenden Stunden hörte sie, wie sich auch der Rest ihrer Abteilung allmählich mit Leben füllte und sich die Männer in ihren Büros an die Computer setzten.
Irgendwann war es kurz vor neun und damit an der Zeit, die erste Tasse Kaffee für Denise fertig zu machen, falls diese schon so früh an ihrem Schreibtisch erscheinen würde. Als Karen sich auf den Weg zur Teeküche machte, fühlte sie sich alles andere als wohl dabei, denn ihr war klar, dass sie jetzt wieder denselben Männern unter die Augen treten musste, denen sie noch am Abend zuvor die Schuhe geleckt und von denen sie fast irre vor Geilheit inständig einen Orgasmus erfleht hatte. Die Scham, die bei dem Gedanken daran in ihr aufloderte, machte sie zunächst fast unfähig dazu, ihr Büro zu verlassen. Nur der Gedanke daran, was Denise alles mit ihr anstellen würde, wenn Karen bei ihren Diensten zu versagen begann, brachte sie endlich doch noch dazu, sich in Marsch zu setzen.
Auf dem Weg durch ihre Abteilung stellte Karen fest, dass ihre entsetzliche Sorge zumindest für den Moment unbegründet war. Die Türen zu den Büros ihrer Mitarbeiter waren geschlossen. Alex hatte an die Klinke seiner Tür sogar ein Pappschildchen mit der Aufschrift „Nicht stören!“ gehängt, das er wohl aus irgendeinem Hotel hatte mitgehen lassen. Einen Augenblick lang war Karen verwirrt. Durchgehend geschlossene Türen – das kannte man hier nur am Jahresende, wenn alle in eine Phase der Akkordarbeit übergingen, um vor den Festtagen noch mit dem Abschluss fertig zu werden, weshalb sich alle einigelten und sämtliche Störungen der Außenwelt blockierten. Bis zu diesem Zeitpunkt war es aber noch einige Monate hin. Was war hier also los?
Die Antwort darauf fuhr ihr erst ins Gehirn, als sie an Jochens Tür vorbeikam und dahinter laute Geräusche wahrnahm. Es klang wie eine Mischung aus Schreien und Weinen. Neugierig geworden trat Karen ein wenig dichter an die Tür, um zu lauschen, was da drinnen vor sich ging.
Von einer Sekunde auf die andere wurde ihr Gesicht knallrot. Sie hatte die Laute wiedererkannt, die von drinnen zu hören waren. Schließlich hatte sie sie noch am vergangenen Abend weit öfter gehört, als es ihr lieb gewesen war. Es waren die Laute, die sie selbst ausgestoßen hatte, als Denise sie an der Schwelle zum Orgasmus hatte zappeln lassen und sich daran geweidet hatte, wie sie jämmerlich um Erlösung flehte. Es handelte sich um eine der beiden Aufnahmen, die bei der Feier gestern in dieser fürchterlichen Endlosschleife gelaufen waren – und die jetzt offenbar alle ihre Mitarbeiter auf Ihren PC geschickt bekommen hatten. Ob Denise den Film online gestellt und den Jungs einen Link geschickt hatte, ob sie ihnen entsprechende DVDs hatte zukommen lassen oder wie auch immer sie das angestellt hatte, wusste Karen nicht. Es war ja auch vollkommen egal. Tatsache war, dass alle Männer sich gerade noch einmal genüsslich und in aller Ruhe dieses Filmchen ansahen, anstatt zu arbeiten, und sich der eine oder andere dabei vielleicht sogar einen runterholte.
Karen wurde schwindelig und sie musste sich einen Moment lang gegen eine Wand lehnen, bevor sie ihren Weg in die Küche fortsetzen konnte. Sie war noch keinem ihrer Mitarbeiter begegnet und doch fühlte sie sich wieder dermaßen hilflos und bloßgestellt, dass sie am liebsten panisch aus ihrer Abteilung geflüchtet wäre. Als ob das irgendetwas geändert hätte: Dies war das erst der Auftakt zu diesem Tag – dem ersten Tag von vielen, die noch kommen würden. Es war noch nicht einmal neun Uhr.
Sie hatte den Kaffee gerade in Denises Tasse gegossen, als sie bemerkte, dass jemand hinter sie getreten war. Sie drehte sich um und stand Alex gegenüber.
Er grinste sie an. „Die Szene eben hat mich richtig heiß gemacht“, sagte er. Er schien automatisch davon auszugehen, dass Karen über die Filme Bescheid wusste.
„G-guten Morgen“, begrüßte sie ihn und stellte fest, dass sie seinem Blick nicht standhalten konnte, weshalb sie schnell demütig zu Boden sah. „Möchtest du vielleicht auch noch einen Kaffee?“
„Du machst mich eigentlich jeden Tag heiß, so wie du hier herumläufst. Du glaubst gar nicht, wie oft ich schon wegen dir einen Harten hatte, den ich mir dann heimlich wegrubbeln musste. Wenn ich geahnt hätte, dass ich die ganze Zeit über einfach hätte zugreifen können, um die Karotte zu schnappen, die da vor mir altem Esel baumelte... Ein paar der Jungs hatten ja so etwas angedeutet, aber irgendwie wollte ich es nicht ganz glauben.“ Er drängte sich gegen sie.
„Bitte...“ keuchte Karen. „Ich muss Denise diesen Kaffee bringen, damit er auf ihrem Schreibtisch steht, wenn sie kommt“, plapperte es mal wieder idiotisch aus ihr heraus.
„Es stimmt, dass du unter diesem kurzen Röckchen nackt bist, oder?“, erkundigte sich Alex und schon waren seine Finger dabei, selbst zu erkunden, ob er mit seiner Vermutung wohl Recht hatte.
Karen versuchte, ihn von sich wegzudrücken und sich an ihm vorbeizuschieben.
„Hör auf dich zu wehren!“, sagte Alex. „Das ist ein Befehl.“
Karen starrte ihn verdattert an. Er schien zu glauben, dass sie ihm in dieser Situation genauso zu gehorchen hatte wie gestern Abend auf der Party. Und hatte er damit nicht auch Recht? Das war es doch, das ihr die ganze Zeit im Kopf herumging: dass jetzt nicht mehr allein Denise ihre Herrin war, sondern die gesamte Abteilung über sie bestimmen konnte. Jeder dieser Kerle hatte seit gestern Abend dieselbe Kontrolle über sie wie ihre Sekretärin.
Sie war endgültig zu einer Firmenhure geworden. Nur dass sie im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Hure für ihre Dienstleistungen nicht bezahlt wurde. Dieser leicht erweiterte Aufgabenbereich war in ihrem bisherigen Gehalt inbegriffen.
Daher blieb ihr nichts anderes übrig, als es hinzunehmen, dass Alex ihren Rock in die Höhe schob und ihre unglaublicherweise klitschnasse Möse befingerte, was sein Grinsen nur noch breiter werden ließ. Daraufhin löste er den Gürtel seiner Hose und ließe diese auf Kniehöhe sinken. Dann drang er in sie ein.
Als er fertig war, durfte Karen Denise ihren Kaffee bringen. Alex zog sich zufrieden in sein Büro zurück. Karen war völlig klar, dass er sein freudiges Erlebnis keine zehn Minuten für sich behalten würde. Seine Rundmail war vermutlich schon auf dem Weg, bevor Karen in ihr Büro zurückgekehrt war. Damit hatte es die gesamte Abteilung schwarz auf weiß: Karen war von nun an jederzeit für alle fickbar.
Ein paar Tage später.
Karen hatte sich noch immer nicht an ihre neue Rolle gewöhnt. Sie war tatsächlich zu so etwas wie die Büronutte geworden. Soviel stand fest. Allerdings hielten sich Kai und Peter mit entsprechenden Übergriffen noch zurück. Alex indes riss sie sich noch öfter unter den Nagel als Jochen: in ihrem Büro, in seinem... es machte keinen großen Unterschied. Alle in der Abteilung hatten schnell gelernt, eine geschlossene Bürotür als Zeichen dafür zu interpretieren, dass eine Störung im Moment eher unerwünscht war. Keiner hatte Lust darauf, in eine peinliche Situation hineinzustolpern. Daher drehte man lieber um, wenn die Möglichkeit bestand, dass Karen hinter dieser Tür gerade durchgenudelt wurde, und kam später noch einmal wieder.
Karen fragte sich, wie lange sich Kai und Peter wohl noch darauf beschränken würden, lediglich einmal ihren Hintern zu umfassen oder eine ihrer Brüste zu kneten. Sie fragte sich zudem, was die Männer überhaupt noch zurückhielt. Gut, beide waren mit ihren Freundinnen auf der Party erschienen, auf der Karen vorgeführt worden war. Dies bedeutete, dass die beiden Frauen wussten, dass ihre Partner mit einer Schlampe zusammenarbeiteten, an der sich jeder nach Belieben bedienen konnte. Vermutlich hatten sie ihren Männern eingeschärft, die Situation lieber nicht auszunutzen – weniger aus Interesse an Karens Wohlergehen als aus Interesse an der eigenen Beziehung. Wer wollte schon, dass es der eigene Freund auf der Arbeit mit einer anderen Frau trieb – Firmenflittchen hin oder her? Und wenn Stefanie und Natascha einigermaßen schlau waren, dann ließen sie es nicht bei einem Verbot bewenden, sondern fragten ihre Männer nach Feierabend aus. Diesen war es dann vermutlich zu riskant, beim Schwindeln erwischt zu werden.
Insgesamt hatte sie jedoch bei allen Männern den Eindruck, dass sie sich nur noch mit Mühe beherrschen konnten und dieser Zustand nicht allzu lange währen würde. Schließlich musste ihnen jeden Tag immer wieder der Gedanke durch den Kopf gehen: Wir haben hier eine Chefin, an der wir uns austoben können, wann immer uns die Geilheit gerade packt – warum sollen wir es Alex und Jochen alleine überlassen, diese einmalige Gelegenheit zur Genüge auszunutzen?
Denise beobachtete diese Entwicklungen mit großer Aufmerksamkeit und einem zufriedenen Lächeln. Denise kam Karen manchmal vor wie eine Forscherin, die eine Insektenkolonie beobachtete und ganz fasziniert davon war, wie sich diese possierlichen Tierchen miteinander verhielten. Nur ab und zu gab sie dem Versuchsaufbau einen kleinen Schubs, um zu sehen, wie ihre Versuchsobjekte wohl darauf reagieren würden.
So wie an diesem Vormittag. „Bring Jochen mal diese Unterlagen für seinen Zwischenbericht!“, befahl Denise Karen und streckte ihr eine graue Heftmappe entgegen. Karen nickte und wollte die Mappe schon nehmen und losmarschieren, als Denise hinzufügte: „Auf allen Vieren.“
Karen starrte Denise so verdattert an wie jedes Mal, wenn sie einen neuen Befehl erhalten hatte, der über ihre bisherige Konditionierung hinausging.
Denise sagte nichts weiter, sondern wartete nur ab und ließ die Mappe in ihrer Hand als Zeichen leichter Ungeduld ein wenig auf und ab wippen.
Es brauchte nur ein paar Sekunden. Dann nickte Karen, nahm Denise die Mappe ab, ging ergeben auf ihre Knie und schob die Mappe zwischen ihre Lippen. Dann krabbelte sie auf allen Vieren in Richtung Jochens Büro.
Denise blickte ihr lächelnd nach. Da Karen an diesem Tag ihren kürzesten Rock trug, konnte man ihr problemlos zwischen die Beine sehen. Jochens Büro war dasjenige, das am weitesten entfernt lag. Karen würde also durch ihre gesamte Abteilung kriechen müssen wie eine Hündin, die ihrem Herrchen die Zeitung brachte. Wenn die Männer das nicht anheizte, in Zukunft ein wenig forscher zuzugreifen, dann wusste sie es auch nicht mehr.
Karen hingegen war der Weg zu Jochens Büro nie zuvor dermaßen lang vorgekommen. Fast unendlich schien er sich vor ihr zu erstrecken. Sie kam an einer offenen Bürotür nach der anderen vorbei. Aus Peters Büro hörte sie nichts, vielleicht war er nicht anwesend oder in seine Arbeit vertieft. Karen wagte es nicht, den Kopf zu drehen und hineinzusehen. Dann kam Alex´ Büro. Aus diesem ertönte ein Ausruf, der normalerweise Anerkennung ausgedrückt hätte, jetzt aber mit Sicherheit spöttisch gemeint war. Um dem noch eins draufzusetzen, plärrte Alex durch die gesamte Abteilung: „He Leute, wir haben eine neue Hündin im Büro!“
Karen schloss die Augen vor Scham, kroch aber tapfer weiter. Aus dem nächsten Büro konnte sie Stimmen hören. Offenbar standen einige der Männer dort zusammen und unterhielten sich. Auf Alex´ Ruf hin traten sie in den Gang. Unwillkürlich blickte Karen zu ihnen auf. Sie sah Gesichter, in denen sie Amüsement lesen konnte, leichte Fassungslosigkeit, aber auch Anflug von Lust. Keiner der Männer sagte etwas, sie standen nur da und starrten. Vielleicht, dachte Karen, war sie endlich einmal nicht die Einzige, für die eine Situation derart unglaublich war, dass ihr die Worte fehlten.
Endlich kam sie in Jochens Büro an. Er saß an seinem Schreibtisch und schaute auf, als Karen hereinkroch. Auch seine Gesichtszüge entgleisten einen Moment, aber schnell erschien auf seinen Lippen das herablassende Grinsen, das Karen nur allzu bekannt war.
Er nahm ihr den Hefter ab. „Braaaaves Mädchen“, sagte er. „Als Belohnung bekommst du auch gleich ein Leckerli von mir.“ Damit stand er auf und schloss hinter der noch immer vor seinem Schreibtisch kauernden Karen die Tür.
„Ich finde, wir sollten hier einiges verändern“, sagte Denise, als sie in Karens Büro trat.
Karen sah von ihrer Arbeit auf. Hier einiges verändern? Noch mehr? Wovon um Gottes willen sprach diese Frau? Hatte sich nicht allein in den letzten Tagen mehr als genug für sie verändert – wie zum Beispiel: so ziemlich alles? Was um alles in der Welt wollte dieses Miststück... wollte ihre Herrin noch?
Dann fiel Karens Blick auf die große Einkaufstüte, die an Denises rechter Hand baumelte. Augenblicklich erinnerte sie sich an die Dinge, die das letzte Mal in einer Tüte gesteckt hatten, mit der Denise in Karens Büro gekommen war. Unwillkürlich krampften sich Karens Finger um den Kuli, den sie in ihrer Hand hielt. Würde sie dieselbe Tortur jetzt noch einmal durchstehen müssen?
„Erstens“, sagte Denise, „ist es mal wieder an der Zeit für dich, dir einen neuen Stil zuzulegen, was deine Klamotten anbelangt. Ich glaube, an kurzen Röcken und solchen Dingen haben sich die Jungs inzwischen satt gesehen.“
Sie griff in die Tasche. Was sie hervorzog, war kein neues Spielzeug und auch kein Folterinstrument, sondern schwarze Spitzenunterwäsche.
„Ich glaube, diese Dessous würden dir großartig stehen“, sagte Denise. „Probier sie am besten gleich mal an!“ Sie hielt sie Karen auffordernd entgegen.
Karen erbleichte. Das konnte doch unmöglich Denises Ernst sein, schoss es ihr durch den Kopf, bevor sie sich daran erinnerte, wie oft sie das zuvor schon gedacht hatte. Es hatte überhaupt keinen Sinn, sich zu weigern. Soviel hatte sie mittlerweile gelernt – wobei die Lektionen, die sie erhalten hatte, alles andere als angenehm gewesen waren.
Also überwand sie diesen Moment des Zögerns schnell, stand auf und streifte sich das Shirt ab, gefolgt von ihrem Rock. Auf Zeit zu spielen hatte gar keinen Sinn: Je länger sie trödelte, desto härter würde sie Denise danach an die Kandare nehmen. Sie ließ sich die Dessous reichen und streifte sich erst das Höschen und dann den BH über. So wie sie jetzt aussah, hätte ein Foto von ihr in jeden Erotikkatalog gepasst.
Denise schnalzte zufrieden mit der Zunge. „Genauso habe ich mir das vorgestellt.“
Karen allerdings bekam es noch immer nicht auf die Reihe. Sie hatte absoluten Gehorsam gezeigt. Daher glaubte sie sich auch die Fragen leisten zu können, die ihr auf der Zunge brannten.
„Ich soll hier wirklich den ganzen Tag so herumlaufen?“ Sie gab sich große Mühe, damit es nach einer reinen Verständnisfrage klang und nicht danach, als würde sie dagegen protestieren wollen.
„Ja, das dachte ich mir so. Die Männer hier haben ohnehin schon wesentlich mehr von dir gesehen.“
Als ob sie das je vergessen könnte! „Aber“, wandte Karen ein, „was ist mit den Leuten, die nicht zu dieser Abteilung gehören? Wenn mich so jemand hier in Dessous herumspringen sieht und merkt, dass das für alle Anderen ganz normal ist... der denkt dann... der denkt dann doch womöglich...“
Karen stockte. Eigentlich hatte sie keine Ahnung, was so jemand dann denken würde. Was würde sie denken, wenn sie in eine andere Abteilung käme, deren Chefin nur in Unterwäsche herumspazieren würde? Jedenfalls würden Fragen gestellt werden. Die ganze Sache, die hier ablief, würde dann doch unweigerlich aufliegen. Das konnte doch unmöglich in Denises Interesse sein!
„Ja, das habe ich mir auch überlegt“, erwiderte ihre Herrin. „Aber dann dachte ich mir auch: Wie oft kommt es eigentlich vor, dass jemand unangemeldet in unsere Abteilung spaziert? Doch praktisch nie. Wenn hier jemand aufkreuzt, dann eigentlich immer mit Termin. Ich und die Anderen, wir werden einfach noch ein bisschen mehr blocken, sodass sich in Zukunft niemand zufällig hierhin verirren wird. Wenn wir angemeldeten Besuch bekommen, dann darfst du ruhig wieder die Klamotten der letzten Wochen anziehen. Damit siehst du zwar immer noch wie ein Flittchen aus, aber doch zumindest auf irgendeine Weise... angezogen.“
In Karen sickerte allmählich durch, was auf sie zukam. „Und ich soll wirklich den ganzen Tag so herumlaufen?", sagte sie mit schwacher Stimme und mehr zu sich selbst.
Denise zuckte mit den Schultern. „Ich habe mir sogar eine Zeit lang überlegt, dich komplett nackt herumlaufen zu lassen. Aber man kann ja nie hundertprozentig sicher sein, dass nicht doch irgendwer unangemeldet von draußen hereinschneit. Solange du noch in Dessous steckst, könnten wir das noch irgendwie erklären. Findet dich jemand splitternackt vor, dann wohl eher nicht. So etwas kann ich mir höchstens als eine Bestrafung für dich aufheben, für einen oder zwei Tage, wenn du einen meiner Befehle nicht zügig genug ausgeführt hast.“
Karen musste sich mit einer Hand auf ihren Schreibtisch stützen. Das alles wurde schon wieder zu viel für sie. War dieser unglaubliche Porno, in dem sie die Hauptrolle spielte, tatsächlich ihr Leben geworden? Irgendwie war alles, was sie sich so mühsam aufgebaut hatte, zwischen ihren Fingern hindurchgeronnen, ohne dass sie auch nur irgendetwas davon hatte festhalten können.
„Das ist aber nicht die einzige Änderung, die ich hier vornehmen möchte“, erklärte Denise. „In Zukunft wirst du nicht nur mir Kaffee bringen, sondern auch jedem unserer Kollegen. Morgens um neun, vormittags um elf und nachmittags um drei wirst du deine Runde machen. Wenn der eine oder andere Appetit auf mehr bekommt – so lecker, wie du jetzt ausschaust –, dann wirst du ihm natürlich zur Verfügung stehen. Außerdem werde ich in Zukunft in dein Büro ziehen und du in meines. Damit schließen wir nur den Prozess ab, der hier ohnehin schon in den letzten Monaten stattgefunden hat. Ich leite die Abteilung und du bist meine Sekretärin. Ein Großteil deines Gehalts und deine Wohnung stehen mir ja sowieso schon zur Verfügung.“
Karen konnte nur stumm und ergeben nicken. So hatte es früher oder später kommen müssen, gestand sie sich ein. Eigentlich hatte sie die ganzen letzten Wochen über insgeheim darauf gewartet.
„Auch in diesem Fall erhalten wir nach außen hin natürlich die alte Ordnung aufrecht“, sagte Denise.
Ja klar, dachte Karen, während sie aus ihrem ehemaligen Büro trottete und das von Denise bezog. Andernfalls würde das gesamte Spiel ja auch auffliegen und die Firmenleitung würde Karen freisetzen... also entlassen. Es war schon seltsam, überlegte sie, dass Arbeitgeber zum Beschönigen einer Kündigung ausgerechnet das Wort „freisetzen“ gewählt hatten. Als wollten sie damit insgeheim zugeben, dass eine Beschäftigung in ihrer Firma eigentlich einem Sklavenverhältnis gleichkam. Und dass die Entlassung eigentlich eine Befreiung bedeutete.
Auch sie könnte sich befreien lassen, überlegte Karen. Sie bräuchte bloß bei ihrer Versklavung nicht mehr mitzuspielen, aufzubegehren und nein zu sagen. War das, was sie inzwischen jeden Tag ertragen musste, nicht mittlerweile um vieles schlimmer als alle Konsequenzen, mit denen man ihr drohte, wenn sie sich der Erpressung verweigern würde? Aber so wie zahllose andere Arbeitnehmer spielte sie noch immer gefügig mit und ließ sich brav alles gefallen. Die Angst, andernfalls ins Bodenlose zu fallen, war groteskerweise noch immer zu groß. Irgendwann im Laufe der letzten Wochen musste es Denise gelungen sein, Karens Willen und ihr altes Selbstbewusstsein vollständig zu brechen – oder vielmehr nach und nach abzutragen und zu untergraben, bis es schließlich von selbst in sich zusammenstürzte und Denise nur noch die Trümmer beiseite räumen musste.
Karen war keine Führungskraft mehr und würde vermutlich niemals wieder eine sein können. Sie war jetzt ganz und gar eine Sklavin.
Schließlich brachen auch bei Kai und Peter die Dämme.
Peter war der Erste von beiden. Als Karen ihm an einem Nachmittag den Kaffee servierte, forderte er sie auf, die Tür zu seinem Büro zu schließen, vor ihm niederzuknien und seine Hose zu öffnen. Sekunden später hatte sie seinen prallen Schwanz in ihrem Mund und lutschte ihn nach allen Regeln der Kunst bis zum Orgasmus.
Als Karen wieder aufstand, sah Peter über die Maßen zufrieden aus, und ihr war klar, dass es nicht bei diesem einen Mal bleiben würde. Wie er das seiner Freundin erklären würde – sie hatte keine Ahnung. Vielleicht würde er es einfach verschweigen und hoffen, damit durchzukommen, nachdem er die erste Phase gelegentlicher Befragungen aufgrund seiner bis dahin noch vorhandenen Unschuld überstanden hatte. Vielleicht würde er seiner Freundin auch klarzumachen versuchen, dass Karen keine Konkurrentin für sie war, sondern mehr ein Gebrauchsgegenstand wie der Locher oder der Tacker auf seinem Schreibtisch. Vielleicht würde er sogar riskieren, seine Freundin zu verlieren, solange er dafür eine Frau zur Verfügung hatte, die seine Gelüste jederzeit und ohne lange Diskussionen stillte.
Karen wusste es nicht und es war ihr auch egal. Es gehörte nicht zu ihren Aufgaben, sich darüber Gedanken zu machen. Ihr Aufgabenbereich beschränkte sich darauf, ihren Mund oder ihre Muschi zu öffnen beziehungsweise ihre Finger so geschickt wie möglich einzusetzen. So wie bei Kai, der seinen Widerstand ebenfalls irgendwann aufgab und sich von Karen einen runterholen ließ, während er ausgestreckt vor seinem Schreibtisch lag und in Fantasien vertieft war, zu denen Karen keinen Zugang hatte. Es stand ihr nicht zu, näher zu hinterfragen, auf welche Weise jemand ihre Dienste in Anspruch nehmen wollte. Wenn jemand sie brutal in den Hintern ficken wollte, hatte sie dafür ebenso zur Verfügung zu stehen, wie wenn jemand von ihr verlangt hätte, beim Vögeln einen Regenmantel und Gummistiefel zu tragen und dabei Countrylieder zu singen.
Irgendwann bedienten sich alle an ihr, Jochen am häufigsten und aggressivsten. Dabei störte er sich auch nicht an dem einen oder anderen gepeinigten Stöhnen. Ihr Arbeitsalltag bestand jetzt immer mehr darin, mal dem einen ihrer Mitarbeiter zur Verfügung zu stehen, mal dem anderen. Ihre eigentliche Arbeit – die früher Denise erledigt hatte – litt darunter schließlich immer mehr.
Das ständige Gevögel war allerdings nicht der einzige Grund dafür, dass Karen ihre Aufgaben im Büro nicht mehr auf die Reihe bekam. Es lag auch daran, dass Karens Nachtschlaf immer unruhiger wurde. Denise machte sich nämlich einen Spaß daraus, den Vibrator an Karens Muschi zu legen, nachdem sie Karen abends ans Fußende ihres Bettes gekettet hatte, wobei sie diesen inzwischen mit einer Zeitschaltuhr kombiniert hatte, sodass er sich von nun an alle zwanzig Minuten einschaltete, sie dann zehn Minuten lang stimulierte, um sie dann für die nächsten zehn Minuten wieder in Ruhe zu lassen. An einen tiefen, wirklich erholsamen Schlaf war unter diesen Umständen natürlich nicht zu denken, sondern lediglich an einen leichten Dämmer, in dem Karen die bizarrsten Träume ereilten. In diesen Träumen erhielt sie von der Firmenleitung beispielsweise eine neue Mail-Adresse – firmenfotze@ekineba.com – oder wurde bei Treffen mit Vertretern anderer Unternehmen mit den Worten vorgestellt: „Das ist Frau Weißgerber. Sie ist unsere Firmenhure.“ Daraufhin bot man den potentiellen Geschäftspartnern Karens sexuelle Dienste an, wenn man dadurch einen geschäftlichen Abschluss beschleunigen konnte.
Wenn Karen morgens aus solchen Träumen erwachte, stellte sie fest, dass diese speziellen Erlebnisse zwar nur Albträume gewesen waren, ihr wahres Leben aber keineswegs weniger pervers verlief. Zugleich fühlte sie sich jetzt täglich so gerädert wie früher nur nach den Nächten im Strip-Club, in dem sie noch immer an jedem Wochenende auftrat. Entsprechend beduselt versuchte sie auch, mit ihrer Arbeit zurechtzukommen. Mit anderen Worten: Sie fühlte sich jetzt nicht mehr nur montags wie ein Zombie, sondern an jedem einzelnen Tag der Woche.
Wenn es ihr denn überhaupt einmal gelang, einen klaren Gedanken zu fassen, dann wurde ihr bewusst, dass dieser Zustand genau das war, was Denise mit dieser Prozedur angestrebt hatte: Karen konnte sich auf nichts mehr richtig konzentrieren, das mit ihrer Arbeit zu tun hatte, sondern fühlte sich praktisch kontinuierlich dumm und unfähig. Ihren Kollegen entging das nicht und irgendwann begann sich „Blödchen“ als Spitzname für sie durchzusetzen. Karen fühlte sich längst zu schwach, um dagegen noch aufbegehren zu können. Sie nahm es einfach hin. In der Firma bin ich „Blödchen“, sagte sie sich, am Wochenende „Fötzchen“... es kam doch eh aufs selbe hinaus. Warum sollte sie es nicht einfach geschehen lassen? Hatte es nicht sogar ganz angenehme Seiten, dass sie all die Verantwortung und die Pflicht zur ständigen Konzentration, zum ständigen scharfen Nachdenken endlich hinter sich lassen konnte, die früher ihren Arbeitsalltag ausgemacht hatten? Jetzt bestand ihre ganze Welt nur noch aus Sex – da gab es in der Tat schlimmere Schicksale. Und wo sie früher von all ihren Mitarbeitern gehasst worden war, mochte und schätzte sie jetzt jeder, weil es jeder liebte, „Blödchen“ zu ficken, wann immer ihm gerade die Lust danach stand. Es blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig, als sich mit ihrer neuen Sklavenrolle abzufinden. In diesem Fall konnte sie auch beginnen, sich endlich daran zu gewöhnen.
Doch schließlich kam doch noch ein Tag, der in der schier endlosen Abfolge sexueller Erlebnisse noch einmal eine Zäsur setzte.
Im Büro war es noch höher hergegangen als ohnehin schon. Jochen hatte seinen vierzigsten Geburtstag gefeiert und war deswegen noch überdrehter und aggressiver gewesen als sonst. Zunächst hatte Karen eine halbe Stunde lang nackt neben seinem Schreibtisch kauern müssen, die Hände hinter dem Rücken gefesselt, von Denise mitgebrachte Wäscheklammern an ihren Brustwarzen und Jochens Papierkorb über den Kopf gestülpt, während er noch seine Arbeit erledigte und ihr vielleicht hin und wieder einen Blick zuwarf, der ihn womöglich anregte und seine Laune steigen ließ.
Dann ließ er sie noch immer nackt, jetzt aber ohne Fesseln und ohne Papierkorb auf dem Kopf zurück zu Denise krabbeln, die Karens Unterwäsche vor ihr in die Höhe hielt und sie ihr nur zurückgeben wollte, wenn Karen wie eine Hündin Männchen machte und bellte. Karen gehorchte. „Wuff, wuff, wuff!“, brüllte sie, während die Männer hinter ihr Tränen lachten. Am Nachmittag fickte sie Jochen vor aller Augen von hinten durch, während sie ein albernes Hütchen trug, mit Luftschlangen umwunden war und immer wieder „Happy birthday!“ singen musste. Eine Sektflasche nach der anderen kreiste durchs Büro, bis auch der letzte seine Hemmungen verloren hatte und Jochen bei jedem Stoß begeistert anfeuerte.
Auch an diesem Abend, so wie an jedem anderen, blieb Karen bis zum Schluss im Büro, um ein wenig aufzuräumen und zumindest die übelsten Spuren der ausgelassenen Feier zu beseitigen. Sie konnte das nicht alles dem Reinigungsdienst überlassen. Das Aufklauben von Luftschlangen, Sektkorken und so weiter gehörte beim besten Willen nicht mehr zu deren Aufgabenbereich. Nein, das hatte sie schon selbst zu erledigen, wenn sie nicht riskieren wollte, dass es hier am nächsten Morgen noch genauso chaotisch aussah. In diesem Fall würden ihre Mitarbeiter ihren Unmut darüber bestimmt an ihr abreagieren. Die Männer zogen in letzter Zeit ohnehin beängstigend stark mit Denise darin gleich, mit Karen entwürdigende Dinge anzustellen. Sie fragte sich, ob sich die Männer nach Feierabend gezielt SM-Pornos im Internet ansahen, um das Spektrum ihrer Ideen zu vergrößern.
So war es also etwas später als üblich, als Karen ihr Auto vor dem Gebäude parkte, in dem sich ihre Wohnung befand. Sie war gerade vor die Eingangstür getreten und hatte den Schlüssel gezückt, als sie hinter sich jemanden rufen hörte.
„Frau Weißgerber? Haben Sie mal einen Moment?“
Karen wandte sich irritiert um. Es war einige Zeit her, dass sie auf so höfliche Weise angesprochen worden war. Aus der Dunkelheit des Abends trat ein Mann auf sie zu. Karen brauchte einen Moment, bis sie ihn erkannte: Es handelte sich um den Privatdetektiv, den sie vor geraumer Zeit darum gebeten hatte, ihr bei dem Versuch zu helfen, ihrer misslichen Situation zu entkommen.
„Herr Krüger“, rief sie überrascht aus. „Was machen Sie denn hier? Wir hatten doch überhaupt keine Verabredung...“
„Allerdings nicht. Sie haben uns ja entgegen Ihrer Zusage seit mehreren Wochen nicht mehr kontaktiert. Wenn wir uns hätten verabreden können, dann hätte ich mir eben nicht stundenlang in meinem Wagen die Zeit totschlagen müssen, bis Sie endlich nach Hause kommen.“ Seine Stimme klang ein ganz klein wenig vorwurfsvoll. An Karen prallte das ab, sie war längst viel Schlimmeres gewohnt.
„Ja, das stimmt“, sagte sie. „Ich habe wohl irgendwann nicht mehr daran gedacht, mich bei Ihnen zu melden. Es sah ja auch ehrlich gesagt nicht so aus, als ob Sie mit ihren Ermittlungen großartig vorankommen würden. Aber hören Sie, wenn Sie die ganze Zeit gewartet haben... Ich würde Sie wirklich nur allzu gerne in meine Wohnung bitten, aber ich fürchte, das passt jetzt gerade nicht so gut. Mir ist klar, dass das furchtbar unhöflich wirkt...“
Krüger winkte ab und unterbrach sie mitten im Satz. „Das ist mir schon klar“, sagte er. „Ich bin über Ihre veränderten Lebensverhältnisse grob informiert. Offenbar hat sich Ihre Erpresserin bei Ihnen einquartiert, ohne dass Sie das unterbinden konnten. Verrückte Sache! Erwartet sie Sie zu einem bestimmten Zeitpunkt oder können wir uns ein wenig unterhalten? Ein paar Straßen weiter bin ich an einer Pizzeria vorbeigekommen, die ganz in Ordnung aussah. Wir bekämen dann beide etwas Ordentliches in den Bauch.“
Karen überlegte. „Nein, einen bestimmten Zeitpunkt, zu dem ich unbedingt zu Hause sein muss, gibt es nicht. Ich trudele zwar immer ungefähr um dieselbe Zeit ein, aber es gibt keinen festen Termin für mich. Denise wird annehmen, dass ich noch etwas gebraucht habe, um mit meiner Arbeit fertig zu werden und in unserer Abteilung ein wenig aufzuräumen – oder dass ich heute etwas ausgelaugter bin als an anderen Tagen und deshalb noch etwas länger brauche.“ Ja, das wäre doch logisch, überlegte sie. Sie fragte sich, ob sie irgendetwas vergessen hatte, und verfluchte wieder einmal ihre in letzter Zeit so stark geschwundene Fähigkeit, sich zu konzentrieren und die Dinge mit einem klaren Kopf zu durchdenken.
„Prima, dann kommen Sie mit!“, beschloss Krüger und stiefelte bereits in Richtung seines Wagens. Da Karen sich ohnehin daran gewöhnt hatte, sämtlichen Befehlen, Aufforderungen, Anweisungen und allem, was irgendwie ähnlich klang, widerstandslos zu folgen, trottete sie ihm hinterher und nahm neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz.
Wenige Minuten später saßen sie sich in der Pizzeria gegenüber, von der Krüger ihr berichtet hatte. Hier war es tatsächlich warm, das Licht war ein wenig gedämpft – alles in allem sehr angenehm und beruhigend. Sie würde aufpassen müssen, um hellwach zu bleiben. So müde, wie sie inzwischen war. Aber Krügers überraschendes Erscheinen machte sie neugierig und gab ihr den Energieschub, den sie brauchte, um sich für mindestens eine Stunde zusammenzunehmen und einigermaßen aufmerksam zuzuhören.
„Haben Sie denn etwas Neues herausgefunden?“, wollte Karen wissen, nachdem sie ihre Bestellung aufgegeben hatten. „Das nehme ich doch an, oder? Andernfalls würden Sie mich wohl kaum extra aufsuchen.“
Krüger nickte. „Wie Sie gemerkt haben, hat sich die Angelegenheit anfangs als ausgesprochen zäh und schwierig gezeigt. Ich will Ihnen gar nicht im Einzelnen aufzählen, was wir alles ausprobiert haben, um den Tätern auf die Schliche zu kommen. Das ging hin bis zur Überwachung Ihrer Sekretärin, die mindestens bis an den Rand des für uns Erlaubten heranreichten. Auch Ihre damaligen Peiniger Frau Birkenau und Herrn Hagen haben wir auf Herz und Nieren überprüft – zunächst ohne konkretes Ergebnis. Die beiden sitzen noch immer im Gefängnis.“
„Und wer von den beiden ist für meine aktuelle Situation verantwortlich? Wer hat diesen Faust und Denise auf mich angesetzt?“
Krüger rückte das vor ihm liegende Besteck zurecht. „Ja, das war vielleicht unser Fehler. Wir sind von falschen Voraussetzungen ausgegangen. So direkt steckt nämlich keiner von den beiden hinter dieser Erpressung.“
Karen zeigte sich hochgradig verblüfft. „Keiner von beiden? Was soll das denn heißen? Und was meinen Sie mit ‚so direkt‘?“
„Wie wir mit einiger Mühe herausfinden konnten, hat Herr Hagen die intimen Aufnahmen, mit denen er Sie schon vor zwei Jahren unter Druck gesetzt hat, an eine interessierte dritte Seite weiterverhökert. Mit dem dadurch gewonnenen Geld finanziert er nun seine Anwälte. Er hofft außerdem, davon zu profitieren, falls bekannt werden sollte, dass Sie sich erneut in sexuelle Abhängigkeit begeben haben oder im Revisionsverfahren nicht mehr als selbstbewusste Führungskraft auftreten, sondern als... verzeihen Sie bitte... devote Schlampe. Das würde seine Behauptung, dass Sie von Natur aus derartig veranlagt sind, bei weitem glaubhafter machen. Aber diese neue Erpressung hat nicht Herr Hagen selbst arrangiert. Das waren Andere.“
„Ach du dickes Ei“, murmelte Karen. Das war ja ein Hammer! Es hatte irgendjemand auf sie abgesehen, den sie nicht im Geringsten auf der Rechnung gehabt hatte. Und er hatte verteufelt viel Geld dafür ausgegeben. Aber wer um alles in der Welt konnte das sein? Dann hatte sie den Eindruck, dass es ihr wie Schuppen von den Augen fiel. „Jochen!“, rief sie aus. „Natürlich! Er hat es nie völlig verwunden, dass ich aus heiterem Himmel die Führungsposition erhalten habe, für die er sich jahrelang abgerackert hatte und wer weiß wie vielen Leuten in den Hintern gekrochen war. Er wollte es mir heimzahlen und mich aus dem Weg räumen! Lieber Himmel, ich dumme Kuh, warum habe ich nicht gleich an ihn gedacht? Ich war so auf die Birkenau und Hagen fixiert...“
Krüger unterbrach ihren Redeschwall. „Einen Augenblick, bitte“, sagte er. „Ich weiß, wen Sie meinen. Einen ihrer Mitarbeiter. Ihn haben wir ebenfalls überprüft, doch er hat sich leider als eine falsche Fährte herausgestellt. Bis auf die Tatsache, dass er sich von diesem grässlichen Spiel hat mitreißen lassen, ist der Mann vollkommen sauber.“