Nr. 1161
Totentanz in M 82
Das letzte Spiel einer Superintelligenz
von Kurt Mahr
Das 427. Jahr, das dem Jahr 4014 alter Zeitrechnung entspricht, ist angebrochen, und die Menschheit sieht sich der bisher größten Bedrohung ihrer Existenz ausgesetzt.
Der Zeitdamm, der Terra und Luna vor den Angriffen Vishnas schützte, existiert nicht mehr. Kein Wunder daher, dass der nächste Anschlag der abtrünnigen Kosmokratin, die der Menschheit Rache geschworen hat, nicht länger auf sich warten lässt.
Noch vor der Jahreswende 426/427 ist es soweit! Vishna versetzt das Erde-Mond-System in den Grauen Korridor und schickt die erste Plage über die Menschen, der bis zum Februar 427 die zweite und die dritte Heimsuchung folgen.
Indessen kommt es in der weit entfernten Galaxis M 82, in der neben der Galaktischen Flotte Perry Rhodans auch die Endlose Armada operiert, zu bedeutsamen Entwicklungen.
M 82 ist bekanntlich der Sitz der negativen Superintelligenz Seth-Apophis, die der Menschheit schon so manchen Schaden zugefügt hat. Das plötzliche Passieren von Milliarden Wesen und Millionen Raumschiffen durch den Frostrubin ließ Seth-Apophis bewusstlos werden. Nun aber ist die Superintelligenz wieder erwacht und schlägt zu. Die neue Auseinandersetzung mit ihr – das ist der TOTENTANZ IN M 82 ...
Die Hauptpersonen des Romans
Seth-Apophis – Die Superintelligenz spielt ihr letztes Spiel.
Perry Rhodan – Der Terraner soll versklavt werden.
Waylon Javier und Nachor von dem Loolandre – Perry Rhodans Begleiter.
Atoresk – Diener der Seth-Apophis.
Simsin – Ein Toter hilft.
Wilder Triumph erfüllte ihr Bewusstsein. Stolz beschleunigte den Rhythmus des künstlichen Herzens und belebte die Zirkulation, dass die pergamentene Haut des synthetischen Körpers zu knistern begann. Hierher, in die uralte Hülle, die ihr vor Jahrmillionen von den Anximen verliehen worden war, hatte sie sich zurückgezogen, um dem Geschehen näher zu sein.
In dieser Stunde drängte es sie, körperlich zu sein. Sie hatte sich in die androide Gestalt zurückgezogen, die sonst unbenutzt im tiefsten Geschoss des Goldenen Palasts, in der Kammer des Schweigens ruhte. Ihr Geist erfüllte das synthetische Gehirn. Es war finster in der Kammer; aber durch Tausende von Kanälen flossen ihr Informationen zu, die es ihr erlaubten, jede Einzelheit ihres Triumphs in vollen Zügen zu genießen.
Der Gegner war besiegt! Der Abgesandte jenes Überwesens, das sich einst der Wanderer genannt hatte und das die Terraner unter dem Namen ES kannten, befand sich in ihrer Hand. Perry Rhodan war ihr Sklave!
Mit Tausenden von Raumschiffen und Millionen Wesen seines Volkes und anderer Völker war er in die Kernzone ihres Reiches vorgestoßen. Oh, sein Vorstoß hatte nicht ihr, der Mächtigen gegolten. Der Terraner war schlauer, als dass er es gewagt hätte, der unbesiegbaren Seth-Apophis mit einer solch bescheidenen Streitmacht ins Gehege zu kommen. Auf leisen Sohlen hatte er sich durch Sethdepot schleichen wollen, während sie hilflos im Bann der Ohnmacht lag. Wohl, der Schock, der durch das überraschende Auftauchen Billionen fremder Bewusstseine ausgelöst worden war, hatte ihr vorübergehend die Besinnung geraubt, und selbst in diesem Augenblick kämpfte sie noch mit den Nachwirkungen des mentalen Schwalls, der ihren Geist überflutet hatte. Aber ihre Handlungsfähigkeit war zurückgekehrt. Hilflos war Rhodan in die Falle getappt, die sie ihm gestellt hatte.
Über die Kanäle, durch die sie mit der komplexen Technik des Goldenen Palasts in Verbindung stand, erteilte sie Befehle, die die Tätigkeit ihrer Hilfsvölker steuerten. Eine weitaus größere Flotte als die Galaktische, die ihr soeben ins Netz gegangen war, hatte sich über Sethdepot ausgebreitet. Sie bestand aus Millionen von Raumfahrzeugen, bemannt von Tausenden Milliarden fremder Wesen, die aus unbekannten Tiefen des Universums kamen und sich die Endlose Armada nannten. Ihre Flotte war durch den Frostrubin gestürzt und in Sethdepot rematerialisiert. Eben auf diese Weise war der Schock entstanden, der Seth-Apophis vorübergehend der Besinnung beraubt hatte. Noch war ihr unklar, was sie von der Endlosen Armada halten sollte. Sie beauftragte ihre Hilfsvölker, die einzelnen Verbände der Armada in Kämpfe zu verwickeln, und hoffte, auf diese Weise mehr über den Gegner zu erfahren – denn anders als einen Gegner vermochte sie die gigantische Flotte nicht zu sehen.
Aber all das waren Nebengedanken, die sie nur am Rand beschäftigten. Im Vordergrund war sie einzig und allein mit Perry Rhodan beschäftigt.
So, wie er bisher dem Überwesen ES gedient hatte, würde er von nun an ihr dienen. Nein – nicht so. ES hatte ihm die Selbständigkeit gelassen. In Seth-Apophis' Diensten würde er ein nützlicher, aber willenloser Sklave sein. Zu ihrem Statthalter wollte sie ihn machen. Ihre Streitkräfte wollte sie ihm unterstellen, damit er sie gegen den verhassten Feind führe – eben gegen ES. Denn nur im Besitz der Kräfte, die ES beseelten, konnte Seth-Apophis hoffen, das nächsthöhere Daseinsniveau – die Ebene der Materiequellen – zu erreichen.
Vorarbeit war zu leisten. Perry Rhodan musste geformt werden. Mit seiner jetzigen Mentalität war er zu nichts nütze. Sie musste ihn auseinandernehmen und Stück für Stück nach ihrem eigenen Plan wieder zusammensetzen. Erst dann würde er ihr dienen können.
Lohender Zorn rüttelte an ihrem Bewusstsein, als sie an jene dachte, die ständig in Perry Rhodans Nähe war. Gesil nannte sie sich, ein Geschöpf unbekannter Herkunft, das mit Rhodan den Lebensbund eingegangen war. Ein Vieh hatte sie Seth-Apophis genannt; und nichts war eher geeignet, die Mächtige in unbeherrschter Wut entflammen zu lassen – denn noch immer war die Erinnerung an ihren Ursprung nicht erloschen.
Mit Mühe zwang sie sich zur Ruhe. Jetzt war nicht der Augenblick, nutzlosen Emotionen ihren Lauf zu lassen. Sie baute an den Grundfesten des Reiches, das einst diesen gesamten Abschnitt des Universums umfassen sollte. Denn sie war Seth-Apophis, die Unbesiegbare.
Ipotherape, die Schöpferin der Ordnung – so nannten sie ihre Diener.
1.
»Das Boot kommt.«
Das war Waylon Javiers tonlose, mechanische Stimme. Oh, wie sehr hatte er sich verändert, seitdem Seth-Apophis ihn unter ihren Bann gezwungen hatte.
Auf der großen Bildfläche, die die düsteren Wolkenmassen von Aitheran zeigte, erschien ein seltsam geformtes Fahrzeug. Seth-Apophis ließ ihren Sklaven Javier auf telepathischem Wege wissen, was zu geschehen hatte. Der Mann mit den Kirlian-Händen sprach halblaut ein paar Anweisungen. Aus ihnen ging hervor, dass das Boot in dem großen Hangar der Steuerbordwanne der BASIS anzulegen gedachte.
»Perry Rhodan, bereite dich zur Ausschiffung vor.«
Ich wandte mich um, ging ein paar Schritte in Richtung des Wandschranks, in dem die schweren Raummonturen aufbewahrt wurden. Aitheran schien mir nicht die Sorte von Welt, deren Oberfläche ich mich ohne Schutz anvertrauen mochte.
»Die Luft ist atembar, die Temperatur erträglich.«
Gesil stand vor mir. Die dunklen Augen sahen zu mir auf. Eine Welle hemmungsloser Zärtlichkeit schlug über mir zusammen. Ich wusste nicht, ob ich sie je wiedersehen würde. Wir umschlangen einander.
»Geh jetzt, Perry Rhodan. Der Transmitter ist justiert.«
Ein letzter Händedruck, eine zärtliche Berührung der Wange – Gesten, die in der Sekunde der Mutlosigkeit zum Mut ermunterten. Die Arme sanken. Ich trat auf das schillernde Energiefeld des kleinen Transmitters zu.
»Halt«, ertönte hinter mir Waylon Javiers Stimme.
Verwundert blieb ich stehen.
»Du gehst nicht allein«, sagte er. »Ich bin dein Wärter; Ipotherape will es so. Außerdem sollst du einen Begleiter mitnehmen.«
Nahm die Grausamkeit kein Ende? Ich wusste, welche Bitte ich in Gesils Augen lesen würde, wenn ich mich umwandte. Aber gerade sie durfte ich nicht mitnehmen. Es bestand eine unmittelbare – fast hätte ich gesagt: persönliche – Feindschaft zwischen Gesil und der fremden Superintelligenz. Gesil empfand die mentale Berührung durch Seth-Apophis als etwas Widerwärtiges und hatte der Superintelligenz gegenüber daraus keinen Hehl gemacht. Seitdem verfolgte sie Seth-Apophis mit unversöhnlichem Hass. Nein, Gesil war die letzte, auf die meine Wahl eines Begleiters fallen durfte.
Ich mied ihren Blick. Ein paar Schritte weit entfernt stand Nachor, der Armadaprinz. Die violette Flamme, die ihn als Angehörigen der Endlosen Armada kennzeichnete, schwebte ruhig über seinem Haupt. Er war humanoid in fast jeder Hinsicht, eine hochgewachsene, athletische Gestalt, in ein eng anliegendes, schwarzes Gewand gekleidet, das den Eindruck einer Rüstung vermittelte. Das Merkmal, das ihn vom Menschen unterschied, war das große, rubinrote Auge, das halbkugelförmig aus dem Schädel hervorquoll und von der Nasenwurzel bis hinauf zum Haaransatz reichte. Es war in unzählige, winzige Facetten unterteilt und von einer Starre des Ausdrucks, an die man sich erst gewöhnen musste.
»Nachor, willst du mein Begleiter sein?«, fragte ich in der Sprache der Armadisten.
»Ich wusste, dass du dich so entscheiden würdest«, antwortete er mit tiefer Stimme.
Von neuem wandte ich mich dem Transmitter zu. Hinter mir hörte ich Nachors festen Schritt. Das letzte, was ich sah, bevor ich durch die Öffnung des Transportfelds trat, war die stämmige Gestalt Jercygehl Ans, des Cygriden. Er war, wie alle Träger der Armadaflamme, immun gegen Seth-Apophis' Einfluss. Ich ahnte, als ich an ihm vorbeischritt, die Intensität des Grimms, der ihn erfüllte.
Ob er sich an die Worte erinnerte, die ich zu ihm gesprochen hatte, als feststand, dass nur noch die sofortige Kapitulation uns vor der Vernichtung durch die Kräfte der Superintelligenz retten konnte?
Unser Tag wird kommen.
Fast mochte ich selbst nicht mehr daran glauben.
*
Das fremde Boot hatte den Umfang eines zweistöckigen Wohnhauses. Es wirkte wahllos aus Kuben und Quadern zusammengesetzt und hatte die aerodynamische Effizienz eines Windfangs. Zweifellos bewegte es sich bei atmosphärischen Flügen innerhalb eines Energiefelds, wodurch die Wechselwirkung mit der Luft unterdrückt wurde.
Ein Luk stand offen. Eine Rampe aus schimmernder Formenergie führte hinauf. Wir gelangten in eine Schleuse und von dieser in einen kahlen Raum, an dessen Wänden sich gepolsterte Bänke entlangzogen. Wortlos nahmen wir Platz. An einer der Wände leuchtete eine Videofläche auf. Ich sah die hell erleuchtete Umgebung des Wannen-Hangars. Ein hohes Schott glitt auf. Eine halbe Minute verging, während die Luft abgepumpt wurde. Schwärze lag vor uns. Das Boot schob sich hinaus in den Raum. In unserer Kammer war von der Bewegung nicht das mindeste zu spüren. An Bord herrschte normale Schwerkraft. Hatte Seth-Apophis das uns zuliebe so eingerichtet, oder traf es sich zufällig, dass Aitherans Gravitation dieselbe war wie die der Erde? Normalerweise hätten wir darüber Bescheid gewusst. Aber seit die gegnerische Superintelligenz die Mannschaften der Galaktischen Flotte in ihren Bann geschlagen hatte, waren keine Messungen mehr angestellt worden.
Das Bild wies in Fahrtrichtung.
Finstere Wolkenklüfte taten sich vor uns auf. Das Boot schob sich zwischen sie hinein. Es war etwas Bedrückendes, Unheimliches an den düsteren Wolkenmassen, das das Gemüt einengte und ein Gefühl endloser Trostlosigkeit heraufbeschwor. Je tiefer wir sanken, desto dunkler wurde es. Die Wolken verwandelten sich in ungewisse Schatten, die Gespenstern gleich über die Sichtfläche glitten.
Frustriert in ihrem Bemühen, die Dunkelheit zu durchdringen, begannen die Augen zu schmerzen. Ich lehnte mich zurück, soweit es die schmale Bank gestattete, und starrte zur kahlen Decke hinauf. Meine Gedanken wanderten. Sie machten bei den Mutanten halt, die auf Seth-Apophis' Geheiß in energetisch abgesicherte Unterkünfte gesperrt worden waren, so dass sie ihre besonderen Fähigkeiten nicht mehr einsetzen konnten. Ich sorgte mich um sie.
Atlan kam mir in den Sinn. Der Arkonide war mit seiner Horde von Armadabarbaren auf der Suche nach der Armadaeinheit 1. Für Sekundenbruchteile flackerte ein winziges Flämmchen der Hoffnung im Hintergrund meines Bewusstseins. Atlan war immun: Er trug die Armadaflamme ebenso wie ich. Immun waren auch die Armadabarbaren. Wenn es die SOL und die Barbarenflotte zufällig in diesen Raumsektor verschlüge, könnten wir daran denken, Seth-Apophis Widerstand zu leisten.
Wie sinnvoll aber war es, an einen derart unwahrscheinlichen Zufall zu glauben? Und was, wenn die SOL tatsächlich hier aufkreuzte und Seth-Apophis eine weit überlegene Hilfsvolk-Flotte auf sie ansetzte?
Mein Blick glitt zu Nachor. Der Armadaprinz, der sich den Beinamen »von dem Loolandre« gegeben hatte, war mir noch immer ein Rätsel. Das Loolandre, so sagte er, war seine Heimat. Es mochte ein Bezirk im Innern der Endlosen Armada sein, womöglich eine der Armadaeinheiten. Zum Loolandre waren wir unterwegs gewesen, als Seth-Apophis nach uns griff.
Waylon Javier war die Ruhe in Person. Bisher hatte er keinen einzigen Blick auf den Bildschirm geworfen. Er starrte seine leuchtenden Hände an, die er mit weit abgespreizten Daumen auf die Oberschenkel gestützt hatte. Mit aller Kraft versuchte ich, die Enttäuschung zu unterdrücken, die bei seinem Anblick in mir aufsteigen wollte. Ich tat ihm unrecht. Bis zum letzten Augenblick hatte ich geglaubt, dass er Seth-Apophis' mentalem Einfluss würde standhalten können.
Es gab aber keinen Anlass zu glauben, dass Waylon Javier dem Jetstrahl gegenüber mehr Widerstandskraft besäße, als irgend jemand sonst. Dass er Hände besaß, von denen eine besondere Ausstrahlung ausging, machte ihn nicht zum mental Immunen. Ich, der ich meine psionische Widerstandsfähigkeit nur einem Zufall verdankte, hatte keinen Grund, mich von ihm enttäuscht zu fühlen.
Er spürte meinen Blick und sah auf. Ich versuchte ein Lächeln und nickte ihm zu. Das schien ihn zu erschrecken. Verwirrt wandte er den Kopf.
Ein leiser Stoß fuhr durch den Körper des Bootes. Von der Decke herab sprach eine Stimme im Armadaslang: »Wir sind gelandet. Steigt aus.«
*
Die leuchtende Energierampe schien das einzig Wirkliche in dieser Welt der düsteren Schatten. Das Licht, das von ihr ausging, enthüllte eine kleine Fläche matschigen Bodens. Lachen und Tümpel schillerten ölig. Die Luft war feucht. Sie machte das Atmen zur Qual. Die Temperatur mochte knapp unter zwanzig Grad liegen – gerade niedrig genug, um als kühl empfunden zu werden.
Es schmatzte unter den Sohlen meiner Stiefel, als ich die Rampe verließ. Ich blieb stehen – ungewiss, was nun von mir erwartet wurde. Hinter mir kam Nachor.
»Eine Welt, die die Unseligkeit erschaffen hat«, sagte er.
Waylon Javier machte den Abschluss.
»Was jetzt, Waylon?«, wollte ich wissen.
Er sah sich ungewiss um und gab keine Antwort. Ein summendes Geräusch ließ uns herumfahren. Die Rampe zerflatterte zu bunten Lichtbahnen und löste sich auf. Das Luk hatte sich geschlossen. Als die Rampe erloschen war, umgab uns totale Finsternis. Ich ahnte mehr, als dass ich sah, wie das Boot abhob und in den treibenden Wolken verschwand.
Es war still ringsum, bis auf das unaufhörliche Rieseln und Tropfen der Flüssigkeit, die aus der überfeuchten Luft kondensierte. Wasser rann mir in den Kragen und den Rücken hinab.
Die Dunkelheit war nicht so vollkommen, wie es zuerst den Anschein gehabt hatte. Es war das Licht der Rampe gewesen, das uns während der ersten Minuten blendete. Allmählich schälten sich Umrisse aus der Düsternis. Wir befanden uns auf einer Lichtung, die ringsum von fahlem Dschungel umgeben war.
»Was will deine Herrin von uns?«
Nachor sprach mit kräftiger Stimme. Seine Worte erzeugten ein merkwürdiges Echo, als befänden wir uns in einem geschlossenen Raum. Als Waylon Javier beharrlich schwieg, fuhr der Armadaprinz fort: »Sprich – oder ich mache mich auf eigene Faust auf den Weg.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte eine helle, durchdringende Stimme hinter uns.
Ich wandte mich um. Das Wesen, das ich erblickte, erschien für diese triefende Welt wie geschaffen.
*
Es war bleich und farblos wie alles, was in dieser Dunkelheit gedieh. Der dicke Hinterkörper ruhte auf dem Boden. Er schien aus Ringen zusammengesetzt. Ich nahm an, und diese Annahme bestätigte sich kurze Zeit später, dass das Geschöpf sich durch Verschieben der Ringe gegeneinander fortbewegte, etwa so wie ein terranischer Regenwurm. Der etwas schlankere Oberkörper ragte steil in die Höhe. Er endete in einer Verdickung, die den Schädel darstellte. Sie war mit zwei winzigen Augen und einer breiten Mundöffnung ausgestattet. Sonstige Organe ließen sich nicht erkennen.
Das Wesen sprach Armadaslang. Es schien, Seth-Apophis hatte die Mühe nicht gescheut, ihre Diener die derzeit am weitesten verbreitete Fremdsprache zu lehren.
»Ich bin Atoresk«, sprach der breite, zahnlose Mund. Im Hintergrund sah ich eine flinke, spitze Zunge sich bewegen. »Ich führe euch.«
»Wohin?«, fragte Nachor barsch.
Jetzt erst sah ich, dass das fremde Wesen ein Paar dünne Ärmchen besaß. Sie ragten dicht unterhalb des Schädels aus dem Oberkörper und endeten in zierlichen Patschhändchen, die jeweils mit vier Fingern ausgestattet waren. Die kleinen Hände zu einer resignierenden Geste spreizend, antwortete die bleiche Kreatur: »Wohin immer die Mächtige mir aufträgt.«
»Was heißt das? Wohin hat sie dir aufgetragen, uns zu bringen?«
»Nach Süden. An den Rand des großen Sumpfes.«
Die kleinen Augen blieben ausdruckslos. Die Physiognomie verriet nicht, was das fremde Wesen empfand. Es mochte ein Biot sein, eine Art organischer Roboter, logikfreier Empfindungen unfähig. Aber irgendwie fand ich das schwer zu glauben. Die Körperform des Bleichen war alles andere als optimal. Als Produkt einer Bioten produzierenden Industrie hätte Atoresk als Fehlkonstruktion zu gelten.
»Was sollen wir dort?«, fuhr Nachor fort.
»Ich weiß es nicht«, antwortete der Bleiche tonlos.