Nr. 1174
Duell der Kosmokraten
Schattenjagd – und Angriff auf den Virenhorst
von Ernst Vlcek
Auf der Erde, auf den anderen Welten und Stützpunkten der Menschheit, sowie auf den von Menschen und Menschheitsabkömmlingen betriebenen Raumschiffen schreibt man gegenwärtig den Mai des Jahres 427 NGZ.
Während Perry Rhodan mit seiner Galaktischen Flotte in der weit entfernten Galaxis M 82 operiert, jetzt, nach der Ausschaltung von Seth-Apophis, bestrebt, die legendäre Schlüsselposition im Gefüge der Endlosen Armada zu erreichen, ist die Erde den Attacken Vishnas nach langer und tapferer Gegenwehr endgültig erlegen.
Hilflos im Schlauch des Grauen Korridors gefangen, der Terra und Luna vom übrigen Universum trennt, haben die Menschen der letzten der sieben Plagen, die die abtrünnige Kosmokratin auf die Erde herabbeschwor, nicht widerstehen können.
Milliarden von Menschen, auf Virengröße geschrumpft, sind, jeder für sich, auf ebenso viele Mikroerden versetzt und virotronisch vernetzt worden, auf dass sie ihre Aufgaben in Vishnas Sinn erfüllen können.
Doch das letzte Kapitel der Menschheit ist längst noch nicht geschrieben – das zeigt sich bereits in dem Augenblick, als einige kleine Lücken in Vishnas System Ansatzpunkte für Gegenmaßnahmen der Terraner boten.
Nun aber ist es soweit, dass Vishna selbst in Bedrängnis kommt – beim DUELL DER KOSMOKRATEN ...
Die Hauptpersonen des Romans
Taurec – Der »Einäugige« jagt seinen Schatten.
Chthon – Der Schatten strebt nach Eigenleben.
Vishna – Die abtrünnige Kosmokratin im Duell mit ihrem Erzfeind.
Trigger – Vishnas letztes Aufgebot.
Demeter und Roi Danton – Zwei Retter aus höchster Not.
Grau Worttreu – Ein Ordensmann, der nicht lügt.
1.
»Endlich ist es soweit!«, sagte Taurec.
Der Himmel hing voller Mini-Erden. Dazwischen spannten sich die Nebelschleier der virotronischen Vernetzung. Im Norden, dort wo der bizarre Metallwald lag, wetterleuchtete es purpurn. Ein Donner wie ein tausendfacher Beckenschlag hallte über die bizarre Landschaft Terras, das Echo klang noch lange nach.
Es war eine Landschaft wie aus einem Albtraum, ebenso unwirklich wie unheimlich – und dennoch zweckmäßig bis ins letzte Detail. Jedes noch so sinnlos scheinende Ding auf dieser im Großraum Terrania total veränderten Erde hatte seine bestimmte Aufgabe zugeteilt bekommen, war ein unentbehrlicher Teil in Vishnas virotronischer Vernetzung.
Taurec wusste es, und darum wirkte diese Umgebung nicht erschreckend auf ihn.
Aus der Richtung des Virenhorsts näherten sich an die zehn verschieden große Meta-Agenten. Taurec spannte sich für einen Moment an. Aber als die hauchdünnen Flugobjekte abdrehten und im rechten Winkel davonsegelten, vergaß er den Vorfall sofort wieder.
Er war unbedeutend, so wie alles andere um ihn.
Er hatte miterlebt, wie sich Teile des Virenhorsts verformten und dann abstarben. Vor seinen Augen hatten sich etliche der Zeittürme aufgelöst. Er hätte triumphieren können, denn das waren die ersten Anzeichen für den Machtverfall Vishnas.
Aber das war ihm jetzt nicht so wichtig, es gab etwas Wichtigeres.
Als der Zeitturm des Ordensmanns Qual Kreuzauge verschwand, registrierte er es nur am Rande. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Schatten, der dem Kerker des kristallinen Stalagmiten entronnen war.
Als sein vierdimensionaler Schatten sich ihm zögernd näherte, stellte Taurec fest, dass er Anzeichen von Instabilität aufwies. Er strebte allmählich seiner Auflösung entgegen. Nicht mehr lange, dann würde es ihn nicht mehr geben. Es war sozusagen Rettung im letzten Augenblick, dass sie sich jetzt fanden.
Da wechselte der Schatten die Richtung, wich ihm aus.
»Es ist höchste Zeit«, sagte Taurec. »Worauf warten wir noch? Unserer Wiedervereinigung steht nichts mehr im Weg. Vishna kann uns nicht mehr hindern.«
»Nicht so hastig!« Des Schattens mentale Stimme drang in Taurecs Geist. Er hob Halt gebietend eine Hand, die für einen Moment so transparent wurde, dass man durch sie die dahinterliegende Landschaft sehen konnte.
»Ich bin Chthon!«, sagte der Schatten. Plötzlich wirbelte er herum und entschwand in Richtung des Metallwalds. Ich bin Chthon! Taurec dachte über diese bedeutungsschweren Worte seines Schattens nach.
Er erreichte den metallenen Wald. Dessen Bäume waren hohe, gezackte Gebilde mit dünnen, zerbrechlich wirkenden Ausläufern, manche mit tropfenförmigen, andere wiederum mit klumpenartigen Verdickungen. Sie sahen abstrakten Skulpturen ähnlicher als irgendwelchen Pflanzen. Auch sie waren Teil von Vishnas Virotron, das sie im Großraum Terrania erschaffen hatte.
»Chthon!«
Keine Antwort. Aber der Schatten war in der Nähe.
»Ich spüre deine Anwesenheit über noch viel größere Entfernungen«, rief Taurec. »Und ebenso fühlst du meine Nähe. Du bist ich. Wir gehören zusammen. Bringen wir es also hinter uns. Du weißt, was davon abhängt.«
»Du meinst, was für dich davon abhängt«, meldete sich die Mentalstimme des Schattens. Er tauchte zwischen dem metallenen Geäst auf. Taurec erschrak, als er seine nebelige Gestalt sah – er schien nur noch aus Rauchfahnen zu bestehen, die von einer heftigen Bö verweht werden konnten.
Aber dieser Eindruck täuschte, schon im nächsten Augenblick wirkte Chthon wieder gefestigter. Als Taurec ihm ins Gesicht blickte, sah er sich darin wie in einem Spiegel.
»Mir ist klar, dass du in den vierzehn Monaten der Trennung so etwas wie eine eigene Identität entwickeln musstest«, sagte Taurec. Er musste nun sehr viel psychologisches Fingerspitzengefühl entwickeln, um seinen Schatten von der Notwendigkeit einer Wiedervereinigung zu überzeugen.
Taurec fuhr fort: »Nachdem du von mir abgesplittert wurdest und ganz auf dich allein gestellt warst, musstest du dir eine Identität geben, um existieren zu können. Das ist klar. Aber nun bin ich da, so dass diese Notwendigkeit nicht mehr besteht. Für eine kurze Zeit war es dir möglich, ein Eigenleben zu führen. Aber du merkst an deinem Substanzverlust, dass es damit bald vorbei ist. Du musst in mich zurückkehren, bevor es zu spät ist.«
»Wir müssen eine andere Lösung finden!«
»Was denn für eine Lösung? Es gibt keine andere!«
Der Schatten antwortete nicht sofort. Er setzte sich in Bewegung und ging geradewegs durch die im Wege stehenden Metallbäume hindurch. Taurec hielt mit ihm Schritt, wagte es aber nicht, noch nicht, den Abstand zwischen ihnen zu verringern.
Chthon begann zu sprechen.
»Dieser Aluwald ist stofflich, auch wenn es nicht so scheint. Er existiert noch nicht lange, und eigentlich dürfte es ihn gar nicht geben. Aber Vishna hat es möglich gemacht. Ihre Meta-Agenten haben ihn durch Atomprogrammierung erschaffen. Vielleicht stand hier mal eine Wohnsiedlung, oder eine Datenbank, was weiß ich. Aber sieh nur, welch prächtiger Garten daraus geworden ist. Und es gibt vielfältiges Leben darin. Der Aluwald ist voller wundersamer Geschöpfe, die ihre Existenz der virotronischen Vernetzung mit dem Virenimperium verdanken.«
Der Schatten breitete die Arme aus, als wolle er den gesamten Metallwald umfassen.
Taurec wusste, worauf er hinauswollte, und er hätte eine Menge darauf erwidern können. Aber er ließ Chthon reden.
»Sieh da. Und da! Dort!« Der Schatten zeigte auf einen wurmähnlichen Gliederroboter, der sich über die metallenen Verstrebungen wand, dann auf ein käferähnliches Metallwesen, das tropfenförmige Verdickungen glatthobelte und auf ein kugeliges Ding, das über die Stämme rollte und sie wie durch Polieren zum Glänzen brachte. Und er gab ihnen Namen.
»Sieh den Spanpflücker! Den Aluhobler! Den Patinasauger!«, rief er in Taurecs Geist. »Sie tun nichts Sinnloses, das scheint nur so. Vishna hat sie zu lebenden Wesen erhoben. Mit Vishnas Machtinstrumenten wird es möglich sein, auch mir zu einem beständigen Körper zu verhelfen. Wir werden sie gemeinsam schlagen, aber jeder als eigenes Individuum, und danach suchen wir eine Lösung für mein Problem. Eine Rückkehr in dich wäre für mich gleichbedeutend mit dem Tod. Ich war zu lange von dir getrennt.«
»Was sind vierzehn Monate gegen die Jahrmillionen, die wir eins waren«, hielt Taurec dagegen.
»Mit weniger als einer Eigenexistenz kann ich mich nicht zufriedengeben!«, beharrte der Schatten. »Ich will Chthon bleiben!«
»Das kannst du nicht. Du leidest an progressivem Substanzverlust, deine Auflösung ist nicht aufzuhalten.«
Chthon floh aus dem metallenen Wald. Die seltsamen Gebilde verdoppelten explosionsartig ihre Größe. Auf einmal bildeten sie ein undurchdringliches Dickicht. Taurec musste sich den Weg freischießen. Als er ins Freie gelangte, sah er, dass Chthon eines der kastellartigen Gebäude erreicht hatte.
Sofort tauchten krumme, knorrige Gestalten auf und attackierten ihn mit ihren wurzelartigen Extremitäten. Aber ihre Angriffe konnten dem Schatten nichts anhaben. Als sie das erkannten, zogen sie sich in das Innere des Bunkers zurück.
Chthon erhob sich als dunkle Silhouette vor dem düsteren Himmel mit den Mini-Erden. Wieder wetterleuchtete es, diesmal stärker. Ein Geräuschorkan fegte aus Richtung des Virenhorsts über die Ebene.
Ein Schwarm handtellergroßer Meta-Agenten flitzte heran, umkreiste Chthon und zog wieder ab.
»Lässt du nun vernünftig mit dir reden?«, fragte Taurec aus sicherer Distanz. Chthon gab keine Antwort. »Ich verstehe nicht, warum du dich gegen die Wiedervereinigung wehrst. Du bist nicht mehr als ein Teil meines Gedächtnisses. Ich brauche dich, um vollwertig zu werden. Ohne dich bin ich nur ein Einäugiger. Von dir getrennt bin ich nicht in der Lage, den Auftrag der Kosmokraten auszuführen. Du bist meine Erinnerung, meine Kraft.«
»Sagte ich doch, dass du ohne mich ein Nichts bist!«, rief der Schatten. »Du bist auf mich angewiesen. Wenn du meine Hilfe willst, dann musst du nach einer Lösung für mich suchen.«
Taurec schüttelte bedauernd den Kopf. So sehr er versuchte, die Probleme seines Schattens zu verstehen, er konnte ihm seinen Willen nicht lassen.
»Wir gehören zusammen«, sagte er. »Nur wenn du in mir aufgehst, kann es zur anamnetischen Erweckung kommen. Nur durch Vereinigung können wir zu einer vollwertigen Entität werden. Der Auftrag der Kosmokraten muss vor allem anderen Vorrang haben. Auch für dich.«
Taurec wurde erst jetzt das Seltsame dieser Situation bewusst. Da stand er und versuchte, einem Teil von ihm zu erklären, dass er zu ihm gehörte. Es war absurd, dass es überhaupt solcher Überredungsversuche bedurfte.
Taurec wurde ungehalten.
»Beenden wir das grausame Spiel. Tun wir, was getan werden muss. Verdammt, du hast schließlich eine moralische Verpflichtung! Oder stehst du plötzlich gar auf Seiten Vishnas?«
Chthon antwortete mit Gelächter. Es hallte wie das Lachen eines Fremden in Taurecs Geist.
Plötzlich kam ein Sturm aus Farben und Geräuschen auf. Er fegte durch die virotronische Vernetzung und wirbelte die Mini-Erden durcheinander. Ein Farbregen ergoss sich über die albtraumhafte Landschaft, visionäre Bilder blitzten in rascher Folge und in unglaublicher Fülle auf. Die akustische Untermalung dazu boten Geräuschorkane, die in immer rascherer Folge heranwogten.
Der Einäugige kämpfte um Gleichgewicht und Orientierung.
Da sah er einen Schwarm von Meta-Agenten auftauchen. Sie stürzten sich auf den Bunker, von dessen Plattform immer noch die nebelige Gestalt des Schattens ragte.
Unter dem Einfluss der Meta-Agenten zerfloss das Gebäude förmlich zu einer zähen Masse. Diese kristallisierte jedoch augenblicklich wieder, und Riesenkristall um Riesenkristall baute sich vor Taurec eine undurchdringliche Wand auf.
Zufall oder eine gezielte Aktion Vishnas?
Bevor Taurec noch eine Gegenmaßnahme einleiten konnte, stellte er fest, dass sich sein Schatten mit unglaublicher Schnelligkeit von ihm entfernte.
»Taurec, gib mir eine Frist«, hörte er noch einmal die telepathische Stimme seines Schattens. »Ich brauche Zeit zum Überlegen.«
Der Gesandte der Kosmokraten ballte die Fäuste in gerechtem Zorn. So nahe war er der Anamnese bereits gewesen!
Und nun war ein neuer Bittgang zu seinem eigensinnigen Schatten vonnöten! Bevor Taurec wegen der vertanen Chance weiter mit sich hadern konnte, lenkte ihn ein anderes Ereignis ab.
Er registrierte ein Beben, dann ein zweites. Die Erschütterungen waren nicht tektonischer Natur. Sie wurden auch nicht vom Virenhorst ausgelöst. Sie gingen überhaupt nicht von Terra aus, sondern kamen aus dem Raum – und zwar in immer heftigeren Schüben.
Der Graue Korridor selbst erbebte, sein Gefüge wurde durch irgendwelche Kräfte erschüttert.
Taurec hatte sich nur für wenige Sekunden von seinen persönlichen Problemen ablenken lassen. Aber als er wieder nach seinem Schatten forschte, war dieser verschwunden.
Er spürte zwar, dass er immer noch existierte, aber er war in unerreichbare Ferne entrückt.
Taurec machte sich auf die Jagd nach ihm.
Und wiederum wurde die Stabilität des Grauen Korridors erschüttert.
*
Chthon steckte in einem argen Dilemma.
Das schlimmste aber war, dass Taurec nicht mit ihm reden wollte, dass ihn seine Probleme nicht interessierten. Er wollte nur die Wiedervereinigung, alles andere kümmerte ihn nicht.
Aber so einfach ging das nicht, nicht für Chthon.
Er hatte eine eigene Identität entwickelt – durch die Erlebnisse, seit der gewaltsamen Trennung von Taurec, damals, beim Übergang von jenseits der Materiequellen in dieses Universum.
Es waren vierzehn Monate Leben, die er nicht mit Taurec teilte.
Es war Chthon gewesen, der vom Grauen Korridor angezogen worden war wie von einem Magneten, und als semi-stofflicher Körper auf Terra materialisierte. Er allein. Dieses Erleben hatte mit Taurec nichts zu tun.
Chthon besaß einen Teil des gemeinsamen Wissens und eine bruchstückhafte Erinnerung, wie Taurec auch. Er wusste immerhin genug, um die Terraner vor den sieben Plagen Vishnas zu warnen. Und er war handlungsfähig genug, die Bewohner der Erde im Kampf gegen die Plagen der entarteten Kosmokratin zu unterstützen.
Chthon hatte ganz im Sinne der Kosmokraten gehandelt, nicht anders als es Taurec auch getan hätte.
Und da mutmaßte Taurec, ob er nicht vielleicht auf Vishnas Seite stünde!
Gewiss, Taurec wollte ihn nur provozieren, ihm Gewissensbisse anzüchten und ihn damit dazu bringen, seine Existenz aufzugeben und in ihm aufzugehen. Aber so einfach war das nicht.
Chthon hatte eigenständig gewirkt, dadurch Identität bekommen und sich so auch eine Existenzberechtigung erworben. Das konnte man nicht einfach ausradieren. Nicht einfach so! Taurec hätte zumindest mit ihm über seine Probleme diskutieren müssen.
Andererseits war sich Chthon bewusst, dass der Auftrag der Kosmokraten über alles ging. Das war sein Dilemma! Er kannte seine moralische Verpflichtung, wollte auch durchaus dazu stehen, aber nicht um den Preis der Selbstaufgabe.
Als zusätzliche Schwierigkeit kam das Wissen dazu, dass er ohne Taurecs Körper unter progressivem Substanzverlust litt und der baldigen Auflösung zustrebte.
Und trotzdem ...
Taurec war der stärkere von ihnen beiden. Er hätte sich zumindest eine Lösung überlegen müssen, die ihnen beiden gerecht wurde. Er hätte versuchen müssen, die Anamnese zu erwirken, ohne seine, Chthons, Identität auszulöschen.
Aber an eine andere mögliche Lösung als die absolute Wiedervereinigung verschwendete Taurec keinen Gedanken.
Und damit wollte sich Chthon wiederum nicht abfinden.
Er focht einen schweren inneren Kampf mit sich aus. Der Pflichterfüllung stand der starke Wunsch nach einem Eigenleben gegenüber. Das führte zur augenblicklichen Identitätskrise.
Chthon steckte in einem argen Dilemma.
Er hätte jetzt den weisen Rat eines Dritten gebraucht.
Denn mit Taurec war ja nicht zu reden.
Vielleicht wusste Ernst Ellert eine Lösung für sein Problem.
Chthon war vorwärtsgestrebt, ohne sich zu überlegen in welche Richtung. Er wollte nur schnellstens so weit wie möglich weg von der plötzlich entstandenen Kristallbarriere, hinter der er Taurec wusste. Und er hatte instinktiv einen Bogen um den Virenhorst gemacht.
Hoch über ihm bebte der Graue Korridor. Er spürte die hyperenergetischen Eruptionen geradezu körperlich. Schmerz war damit keiner verbunden, nur das Wissen, dass auch diese Strukturbeben an seiner Substanz zehrten.
Chthon ließ seine Blicke suchend über die Zeittürme schweifen, die sich wie farbenfrohe, fünfzig Meter hohe Stalagmiten aus Vishnas virotronischer Albtraumlandschaft erhoben.
Welcher von ihnen war Stein Nachtlichts Zeitturm, in dem Ernst Ellert Zuflucht gefunden hatte?
Chthon machte sich auf die Suche.
*
Es traf Ernst Ellert wie ein Schock, als plötzlich die Sehkraft seiner Augen aussetzte. Um ihn war nur Schwärze. Die Stimmen von Demeter und Roi Danton dröhnten dumpf an sein Ohr, er konnte sie kaum unterscheiden.
»Ich kann nicht mehr sehen!«, rief er mit einer Stimme, die ihm selbst fremd war. »Ich bin blind!«
Er verfluchte wieder diesen seinen Körper, der ihm zur Folterkammer geworden war. Er lebte zwar, aber in einem Körper, der mit Verwesung geschlagen war.
»Komm mit mir, ich kann dir Linderung verschaffen«, vernahm er Stein Nachtlichts heiseres Flüstern dicht an seinem Ohr. »Ich führe dich zu den Zeitsohlen hinunter. Komm.«
Ernst Ellert ließ sich von dem Ordensmann in die tieferliegenden Bereiche des Zeitturms führen.