Markus Koschuh
Voulez-vous
KOSCHUH
avec moi ?
Bei einem Poetry Slam gibt es Lesekühne auf einer Bühne,
ein Mikrofon für bess’ren Ton, Applaus der Lohn.
Aus Buchstabensuppen schöpfen wir nicht Hoffnung, sondern Buchstabengruppen,
die Sinn ergeben, denen wir uns hin dann geben.
Wir formen draus sehr gern für sie:
Lyrik, genannt auch Poesie ...
Beim Schreiben, beim sich Silben einverleiben
in dünnen Parmaschinkenscheiben
geht es um lauter Laute, um Sätze, die Zeichen setzen,
indem man Satzzeichen setzt ...
um Sätze, die hier stehen – doch: sitzen müssen – so wie sie.
Stehsätze verboten, Gegensätze geboten,
sind’s doch Vorboten des Widerspruchs,
der alles nieder bricht was bieder riecht ...
Es geht um den richtigen Bausatz für den züchtigen Satzbau, wow ...
Ein Satz nach vor und zwar mit Vorsatz
Klammer auf, Rufezeichen, Klammer zu,
Absatz.
Wir Wort-Wolllüstige weben Vokale,
konstruieren kuriose Konsonantenkombinationen,
entdecken, erwecken, strecken
uns nach und nach nach der Decke, saugen an uns wie eine Zecke,
doch
übertragen statt Hirnhautentzündung
Wortlauterfindung, Netzhauterblindung.
Denn EIN Sinn weniger schärft die vier anderen
und ...
Wörter
kann man spüren, wenn sie verführen.
Wörter
kann man hören, wenn sie betören.
Wörter
kann man riechen, wenn sie lüstern in bereite Nüstern kriechen
Wörter.
kann man schmecken, wenn sie einen in den Mund gelegt erschrecken.
Sehen
kann man Wörter nicht, da sich in ihnen das Licht nicht bricht ...
Die Audienz, ob Sommer, Herbst, gar Winter, Lenz, lauscht mit
off’nen Ohren
in welch Silben wir uns verloren.
Wenn in geschrieb’nen Zeilen wir verweilen
dann woll’n wir mit uns teilen,
damit die Botschaft es mit Kraft bis in euer Denken schafft.
Vor ein paar Tagen bin ich so durch die Stadt geschlendert, da läutete das Telefon. Dran war eine Dame von einem Meinungsforschungsinstitut. Ob ich kurz Zeit hätte. Sie würde mir gerne ein paar Fragen zu meinem Sexualverhalten stellen ...
Ich: Ok, ich habe zwar gerade überhaupt keine Zeit, aber wenn’s schnell geht.
Die Dame drauf: Typisch Mann.
Ich: hä?
Sie: Egal. Ich stelle Ihnen nun ein paar Fragen zu Ihrem Sexualverhalten.
Sie haben die Möglichkeit, mit A, B oder C zu antworten, wobei A unter drei Minuten bedeutet, B so um die 5 Minuten und C mehr als 5 Minuten. Sind Sie bereit?
Ich: Yep.
Sie: Gut. Wenn am nächsten Sonntag Nationalratswahl wäre, welcher Partei würden Sie ihre Stimme geben?
Ich: Was hat denn das mit meinem Sexualverhalten zu tun?
Sie: Eine Studie besagt, dass die durchschnittliche erektile Funktionstüchtigkeit von Männern in engem Zusammenhang mit der Parteiensympathie steht – ich darf Ihnen dazu allerdings nicht mehr sagen.
(Kurz denke ich mir, dass die mittlere erektile Funktionstüchtigkeit von eingefleischten FPÖ-Wählern wohl so zwischen 19,38 – 19,45 Sekunden liegen müsste). Ich sage aber: Hm, ok.
Sie: Also?
Ich: Also was?
Sie: Ihre Stimme.
Ich: Ich weiß, sie kratzt ein bisschen, aber ich nehme schon ein schleimlösendes Medikament und inhaliere.
Sie: Also Grün?
Ich: Nein, der Auswurf ist mehr so gelblich.
Sie: Nein, Ihre Sympathie.
Ich: Sie gehen aber ran. Ich finde Ihre Stimme auch sympathisch.
Sie: Danke, können wir nun weitermachen?
Ich: Meine Telefonnummer haben Sie doch schon. Das ist vorerst weit genug.
Sie: Nein, ich meine ja mit Weitermachen die Fragen für die Umfrage mit dem 500er-Sample.
Ich: Du, Susi, hab dich längst erkannt ... Wow, du hast echt Talent, ich hätte dir fast geglaubt ... also wie du diese halbamtliche Tonlage hinkriegst, sagenhaft!
Sie: Ich heiße Komarek und arbeite für ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der ÖVP. Können wir nun endlich weitermachen?
Ich: Uups, entschuldigung, aber Sie haben das gleiche „r“ wie die Susi. Wissen S’, die Susi, eigentlich heißt sie ja Donkica, kommt nämlich aus dem Kosovo. Dort sprechen alle so ein „r“. Das kennen S’ vielleicht aus dem Fernsehen. Die Claudia Reiterer vom ORF hat so ein „r“. Die Arigona übrigens auch ... darf die jetzt eigentlich dauerhaft bleiben?
Sie: Hören Sie, ich mache das hier nicht zum Spaß, schon gar nicht für die ÖVP. Also: Welcher Partei würden Sie Ihre Stimme geben?
Ich: Für wie lange denn?
Sie: Nun, für ein Mal. Am kommenden Sonntag.
Ich: Warum? Haben wir schon wieder eine Wahl?
Sie: Nein. Aber was wäre wenn?
Ich: Was wäre wenn was?
Sie: Kruzitürkn. Na, was wäre, wenn am kommenden Sonntag Nationalratswahl wäre? Wen würden S’ denn da wählen?
Ich: Ach so. ÖVP.
Sie: Wirklich?
Ich: Nö.
Sie: Warum sagen Sie das dann?
Ich: Wollte nur mal schauen, ob ich das über die Lippen bekommen würde.
Sie: Also Rot.
Ich: Ohrwurmgefahr ... Ohrwurmgefahr ... : the lady in red, is calling to me, cheek to cheek ... !
Sie: Sie, haben Sie wirklich nur ein schleimlösendes Medikament genommen? Und inhaliert haben S’ mit Wundbenzin, oder was?
Ich: Gehört diese Frage zur Umfrage?
Sie: Sie hören Sie, ich hab ja schon einiges erlebt, bitte wie blöd kann man denn noch tun? Ich mach das doch auch nicht zum Spaß! Rot, Blau, Schwarz, Grün, Orange?
Ich: Meinen Sie mit dem letzten das Obst oder die Parteifarbe?
Sie (schnauft laut): Jetzt hast du mich erwischt. Hi, ich bin’s, die Susi.
Ich: Echt?
Sie: Nein! Aber jetzt hab ich mal den Spieß umgedreht. Ich bin die Komarek Elfi aus Oberstinkenbrunn und ich sitze da in einem beschissenen Großraumbüro mit beschissener Luft, werde beschissen bezahlt und mir ist echt zum Kotzen, wenn ich mit so Scheißern wie Ihnen zu tun habe.
Ich: Was man sagt, ist man selbst, wenn man nicht die Klappe hält. Nächsten Sonntag könnte ich übrigens gar nicht wählen, weil da gehe ich auf einen Berg.
Sie: Aber wenn Sie nicht auf einen Berg gehen würden und wenn Nationalratswahl wäre, wen würden Sie denn da wählen?
Ich: Das ist jetzt aber schon ein bisschen viel Konjunktiv für einen Satz ...
Sie: Sie machen mich fertig. Na gut, o.k. Wie lange dauert bei Ihnen das Vorspiel?
Ich: C
Sie: Wie lange der Akt?
Ich: K
Sie: K?
Ich: K wie „Kommt darauf an“.
Sie: Auf was?
Ich: Ob nächsten Sonntag Nationalratswahl wäre.
Sie: Warum denn das?
Ich: Wenn nächsten Sonntag Nationalratswahl wäre, würde ich gleich in der Früh wählen gehen, weil ich dann ja auf an Berg gehe. Und weil ich mich dann so sputen muss, geht sich dann wohl kaum ein Doppel C aus, vielleicht ein A und ein B, allerhöchstens ein Doppel B.
Sie (einen allerletzten Versuch startend): Und wen würden Sie wählen?
Ich: ÖVP.
Sie: Wirklich?
Ich: Nö.
Sie: Rot?
Ich: Nö.
Sie: Blau?
Ich: Doppel-Nein.
Sie: Grün?
Ich: Nö.
Sie: Orange?
Ich: Nö.
Sie: Idiot!
Ich: Bingo.
Sie: Sie werden nie wieder von unserem Meinungsforschungsinstitut hören!
Ich: Na also, geht doch!
Ordinationshilfe Olga, ortsfremd, optisch optimiert, ornamentale Oberweite offerierend, Oberschenkel offenherzige Option ohnegleichen.
Ottokar, Obdachloser ohne Obdach, ostfriesisches Original, opens Original Oettinger obergärig.
Ottokar, ob obgenannter Olga obszön: „Olgaa!“
Olga oekonomisch: Ohrfeige.
Ottokars Ohr: Orff’sche Orchestermusik ohne Oboen.
Ottokar, obwohl ohrgefeigt, originell: operettenhaft offensive Ode: „Olga, Okkasion Olga, oh osteuropäische oktoberrevolutionäre orthodoxe Olga!“
Ottokars Oase Olga ostentativ: „Ordinärer Ottokar – Offenbarung: Ottokar out of option.“
Ottokar: „Olga offensichtlich ordentlich ovulationsgehemmt!“
Olga opponierend: „Ottokar out of order! Ottokar oben ohne!“
Ottokar: „Olga ohnehin objektiv ominös.“
O-Ton Olga: „Ottokar oberster Ochse.“
Ottokar originalgetreu: „Olga Orangenhaut! Olga Orangenhaut!“
Olga obligatorische Ohnmacht. Oestrogene obsolet.
Ottokar Oktoberfest. Onaniert obsessiv orgiastisch Open Air:
Orgasmus ohne Olga. Oje.
Martin Fritz meinte einmal, es sei nicht die Konsistenz an sich, die gutes Schlagobers ausmache, sondern wie lange die Masse aus Fett und Wasser seinen emulsiven Zustand bei Raumtemperatur zu halten imstande sei. Wenn Martin Fritz den Mund aufmacht, ist es nicht heiße Luft, die wie Kinder zum Spielen ins Freie tollt, nein, Martin Fritzens Worte verströmen 37 Grad geballter intellektueller Wärme. Unter Freunden viel beachtet sind die raren Fritz’schen Sprechanfälle, derer jeder einzelne ein Sachbuch im gut sortierten Fachhandel füllte, würde man das Vermögen haben, die samt und sonders sinnergebenden Silben unversehens zu Papier zu bringen. Lektorat braucht es bei Fritz mitnichten. Fritz ist Lektorat.
Zuvor angeführte Anfälle der sinngebenden Lautbildung oberhalb der Wahrnehmungsschwelle sind vor allem dann zu beobachten und zu verfolgen, wenn Fritzens Augenlid-Innenhaut des Nächtens nicht ob REM-Phase von seinen beiden kecken Augäpfeln sanft massiert worden ist.
Was Martin Fritz in den darauf folgenden Phasen des manischen Zungenschlags von sich gibt, erhöht spontan den IQ der ihn umgebenden Personen um mindestens den zehnten Teil eines Ganzen.
Martin Fritz ist auch ohne Zuhörerschaft Alles – die geneigte Zuhörerschaft mit ohne Fritz hingegen ist nicht einmal Nichts.
Hat Robert Prosser ein Problem, den richtigen Rhythmus zu seiner Rasanzprosa zu finden, ist Fritz taktvoll und mimt ihm bereitwilig Bob, den Beatboxer, born in Bronx. Will Stefan Abermann kein passendes Ende zu seinem Text einfallen, schreibt Fritz, abwechselnd im Versmaß Taktylus und Jambus philosophierend, binnen Minuten einen passenden neuen Text zum noch gar nicht die Welt des literarischen Lichts erblickt habenden Ende.
Martin Fritz hat nicht nur Herz und Hirn. Martin Fritz ist Yin und Yang. Martin Fritz ist Tolstoi reloaded. Martin Fritz ist im Westen das Neueste seit Erich Maria Remarque. Martin Fritz ist Aber und Mann, Martin Fritz ist Ko & Schuh KG und Prosser sowieso.
Wir alle finden uns nur aus einem einzigen, uns vereinenden Grund bei Lesungen von Martin Fritz ein: um unserem Meister willfährige Gehilfen zu sein. Wir alle wissen:
Kommt Martin Fritz einmal auf Touren, relativiert er sämtliche Theorien von Einstein, indem er eine neue Kreativitätstheorie ersinnt, erklärt er NEUtronen zu ALTEN Hüten, verharrt er auf der Stelle, um die Dimension eines Quantensprungs zu versinnbildlichen, argumentiert er glaubhaft und unwiderlegbar, das englische Sonett wäre von einem britischen Skiurlauber am Ende des 14. Jahrhunderts auf einem Sessellift in Serfaus ersonnen worden, und er kann auch belegen, dass Andreas Hofer nicht erschossen worden ist, sondern in selbstmörderischer Absicht bei Vomp vor eine Garnitur eines railjet der railservice, Mitglied der rail team alliance gesprungen ist.
Martin Fritz ist das Buch der Schatten directors cut, Martin Fritzens Denken ist nicht von dieser Welt, nein, die Fritz’schen Gedanken galoppieren gravitationslos gen Galaxien und fremde Zivilisationen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat ...
Martin Fritz ist jedoch kein Wissensprahler. Fritz’ Prinzip heißt Anti-, Parti- und Emanzipation, Martin Fritz ist Wissenskommunist und lässt Andere bereitwillig an seinem Wissen teilhaben.
Wie sagte schon der Evangelist Fritz: Nur die sind gütig, die geben, ohne über den Vorteil des Nicht-Gebens zu sinnieren.