Kosmos
Umschlagillustration von Silvia Christoph
Umschlaggestaltung von eStudio Calamar, Girona, auf der Grundlage
der Gestaltung von Aiga Rasch (9. Juli 1941 - 24. Dezember 2009)
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© 2012, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
Mit freundlicher Genehmigung der Universität Michigan
Based on characters by Robert Arthur.
ISBN 978-3-440-13435-1
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
»Justus, Peter und Bob: die drei ???«, rief eine Männerstimme. Sie kam aus der Richtung des großen Schuppens im Hof des Gebrauchtwarencenters T. Jonas.
Der Erste Detektiv drehte sich um. Diese Stimme kannte er doch! Aber wie sollte ausgerechnet …
Seine Gedanken stockten, als er mit eigenen Augen sah, dass er sich nicht getäuscht hatte. »Kommissar Reynolds!«, rief er so erfreut wie fassungslos. Seinen beiden Detektivkollegen Peter Shaw und Bob Andrews fielen fast die Metallstangen aus der Hand, die sie gerade quer über den Hof schleppten.
Ihr Besucher trat näher und streckte die Hand aus. »Samuel Reynolds, in der Tat! Kommissar bin ich allerdings nicht mehr und ich fühle mich auch gar nicht mehr so. Dazu bin ich schon zu lange pensioniert, versteht ihr, da kommt einem die Verbrecherjagd vor wie Erinnerungen an ein anderes Leben.«
Justus schüttelte ihrem Besucher die Hand. »I… ich … also, ich bin hocherfreut, Sie zu sehen!«
Peter grinste übers ganze Gesicht. »Wenn Just ins Stottern gerät, sollte man ein Kreuz in den Kalender machen! Es freut mich sehr, Kommiss…, ich meine, Sir.«
»Dem schließe ich mich an«, sagte Bob. »Was verschlägt Sie denn nach Rocky Beach? Sie sind doch damals weggezogen, als Sie pensioniert wurden.«
Reynolds lächelte. Ohne seine Polizeiuniform sah er im leuchtend roten T-Shirt und einer ausgewaschenen Jeanshose entspannt und erholt aus. Er trug eine Baseballkappe, deren Schirm Schatten auf sein Gesicht warf. »Ich bin … sagen wir, aus privaten Gründen in der Stadt. Aber was für euch viel wichtiger ist: Ich habe einen Fall für die drei ??? im Schlepptau. Ja, ich muss euch in einer Familienangelegenheit um Hilfe bitten. Schließlich weiß ich, dass ihr Spezialisten seid, wenn es um die Aufklärung von Rätseln geht.«
»Interessant«, murmelte Justus, dem ein neuer Fall allemal lieber war, als weiterhin Schrottteile durch die Gegend zu schleppen. Kommissar Reynolds, ihr ehemaliger Mentor bei der Polizei von Rocky Beach, als Auftraggeber? Das hatte es noch nicht gegeben! »Worum handelt es sich denn, Sir?« Er räusperte sich verlegen. »Aber vielleicht wollen Sie sich erst einmal setzen und etwas trinken? Entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit. Kommen Sie doch mit ins Haus.«
»Stimmt«, meinte Peter leise. »Eine kleine Pause könnte bei dieser Schufterei in brüllender Hitze nichts schaden.« Doch was tat man nicht alles, um ein paar Dollar zu verdienen, wenn – wie fast immer – Ebbe in der Kasse herrschte? Die drei Detektive hatten sich deshalb nicht lange bitten lassen, als Onkel Titus ihnen vorgeschlagen hatte, wieder einmal den Schrottplatz aufzuräumen.
Tante Mathilda sah die drei Jungen und ihren Gast aufs Haus zukommen und erwartete sie an der Tür. »Kommissar Reynolds! Wie in alten Zeiten! Ach, wenn ich daran denke, was Sie mit Justus und seinen Freunden alles erlebt haben!«
In einer ungewohnt sentimentalen Anwandlung strubbelte sie ihrem Neffen durchs Haar. Der starrte sie ebenso verblüfft wie unangenehm berührt an.
Zum Glück überging Reynolds die Peinlichkeit mit einem leichten Lüpfen seiner Baseballmütze. »Darf ich reinkommen, Mrs Jonas?«
»Aber selbstverständlich! Ich hole Ihnen etwas zu trinken.« Mathilda verschwand eilig in Richtung Küche, während die anderen ins Wohnzimmer gingen.
So kam es, dass Justus, Peter und Bob an einem ganz gewöhnlichen Mittwochnachmittag mitten in den Sommerferien mit Samuel Reynolds am Tisch saßen und gespannt darauf warteten, was für einen Auftrag der pensionierte Kommissar »im Schlepptau« hatte.
Reynolds trommelte mit den Fingerspitzen auf der Tischplatte. Erst als Justus hinüberblickte, gab er sich einen Ruck und hörte damit auf. Der ehemalige Kommissar schien nervös zu sein. »Ich bin froh, dass ihr nicht gerade in irgendwelchen Ermittlungen steckt, Jungs. Ich weiß nicht, ob es falsch ist, euch mit meinen Problemen zu belästigen.«
»Aber Sir«, sagte Justus. »Wie könnten Sie uns belästigen?« Mit einer routinierten Bewegung zog er eine ihrer Visitenkarten aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
»Ich kenne eure Karte«, meinte Samuel Reynolds. Trotzdem nahm er sie in die Hand und warf einen verklärten Blick darauf, als würde er sich an die vielen Fälle erinnern, die er mit der Hilfe der drei ??? gelöst hatte.
»Dann lesen Sie doch noch einmal die zweite Zeile.« Justus deutete auf die entsprechende Stelle. »›Wir übernehmen jeden Fall‹. Und das gilt erst recht, wenn wir Ihnen helfen können!«
»Ich danke euch, Jungs. Ihr seid … Freunde! Und die kann man sich ja, im Gegensatz zu seiner Verwandtschaft, selbst aussuchen.«
Tante Mathilda stellte ausgerechnet in diesem Augenblick ein Tablett mit Getränken ab – und das nicht sonderlich sanft. Die zwei Karaffen, eine mit Wasser, eine mit Saft, stießen aneinander. Sie räusperte sich übertrieben.
Reynolds winkte ab. »Womit ich natürlich nicht Sie meine, Mrs Jonas! Ich bin sicher, Justus hätte sich genau Sie auch liebend gerne ausgesucht.«
»Zumindest wenn sie verspricht, mir nicht mehr durch die Haare zu strubbeln«, meinte der Erste Detektiv.
Peter unterdrückte ein Kichern. Mathilda lächelte gutmütig. »Dann will ich Sie mal mit den Burschen allein lassen. Sie haben es nicht gern, wenn ich sie bei … Dienstbesprechungen störe.« Sie verließ das Wohnzimmer.
»Ich bin sicher, Ihre Bemerkung mit der Verwandtschaft war kein Zufall«, sagte Justus. »Zumal Sie vorhin bereits erwähnten, dass Ihr Fall privater Natur sei.«
»So ist es. Ich bin in die Stadt gekommen, weil mein älterer Bruder hier offenbar schon vor vielen Jahren einen Brief bei einem Anwalt hinterlegt hat. Er war für mich bestimmt. Deshalb hatte er dafür auch eine Kanzlei hier im Ort gewählt, obwohl er selbst nicht in Rocky Beach gewohnt hat.«
»Er ist gestorben?«, fragte Bob. »Mein Beileid.«
Reynolds tippte wieder mit den Fingerspitzen auf dem Tisch. »Das ist es ja. Mein Bruder ist schon seit zwei Jahren tot und trotzdem hat sich der Anwalt erst jetzt gemeldet. Das Testament war ja lange eröffnet – da war alles geregelt.«
»Rätselhaft!« Peter klang interessiert.
Ihr Besucher nickte. »Und das ist bei Weitem nicht das einzige Rätsel in dieser ganzen Angelegenheit. Aber es ist sicher besser, wenn ich von vorne beginne. Ihr müsst wissen, dass mein Bruder das schwarze Schaf der Familie war.«
Dieser Satz war ihm nur schwer über die Lippen gekommen, doch dann sprudelte es nur so aus ihm heraus. So erfuhren die drei ???, dass Adam Reynolds die meiste Zeit seines Lebens im Gefängnis verbracht hatte. Schon als Jugendlicher war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten und das erste Mal hinter Gitter gekommen.
»Vielleicht habe ich deshalb den Beruf eines Polizisten ergriffen.« Der ehemalige Kommissar schenkte sich Wasser ein, ohne allerdings etwas zu trinken. »Um mich von Adam abzugrenzen. Weil ich ihn … ach, versteht ihr, er war mein Bruder, aber zugleich völlig anders als ich. Wir hatten immer Probleme miteinander, wir haben uns viel gestritten. Öfter noch als sonst unter Geschwistern üblich, habe ich mir sagen lassen. Als Erwachsene hatten wir kaum Kontakt. Aber zurück zu dem Brief, den mein Bruder mir hinterlassen hat. Wie gesagt: Mehr als zwei Jahre nach Adams Tod hat mich der Anwalt kontaktiert und mir dann heute Morgen den Brief übergeben.«
»Haben Sie nachgefragt, warum er das erst so spät gemacht hat?«, fragte Justus. »Ist ihm da ein Fehler unterlaufen?«
»Das war kein Irrtum, das hat der Anwalt mir versichert. Aber eine Erklärung hat er mir auch nicht gegeben, sondern sich auf seine Schweigepflicht berufen. Er hat allerdings betont, dass es sehr wohl einen konkreten Anlass gab, sich ausgerechnet jetzt zu melden.«
»Und weiter?«, fragte Bob, der sich mit einem Kugelschreiber Notizen auf seinem Block machte.
»Ich habe hier den Brief.« Reynolds zog ihn aus seiner Hosentasche; das einfache weiße Blatt steckte in einem in der Mitte gefalteten Umschlag. »Soll ich euch den Text vorlesen? Er ist mysteriös, gelinde gesagt. Ich verstehe so gut wie kein Wort.«
Die drei ??? nickten gleichzeitig. »Geheimnisvolle Botschaften und Rätsel aller Art sind schließlich unsere Spezialität!«, versicherte Peter.
»Wartet es nur ab!« Reynolds entfaltete das Blatt. »Also passt auf: Wenn dich wirklich interessiert, was damals in der Finsternis geschehen ist, kleiner Bruder, dann sieh im wahren Zentrum der Zentrumsstadt nach. Die Elfen sind die Wahrheit. Ach, würde es nur nicht brennen! Es hat so viel Zeit gekostet: dreizehn Jahre, vierzehn Monate und fünfzehn Wochen.«
»Was soll das bedeuten?«, fragte Bob.
Justus pfiff leise durch die Zähne. »In der Tat sehr mysteriös. Darf ich den Brief mal sehen, bitte?«
Ihr Besucher überreichte ihm das Blatt. Der Erste Detektiv las die Nachricht ein zweites Mal.
Und ein drittes Mal.
Und verstand immer noch nichts.
Seinen Kollegen, die ihm über die Schulter schauten, erging es offenbar nicht anders. »Eine Menge Fragen«, sagte Bob schließlich. »Von welcher Finsternis redet er? Was meint er mit der Zentrumsstadt? Was hat es mit dem Brand auf sich und wieso gibt er eine so seltsame Zeitangabe? Dreizehn Jahre, vierzehn Monate und fünfzehn Wochen. So drückt sich doch kein Mensch aus!«
»Nicht mal Justus, wenn er zu Hochform aufläuft«, stimmte Peter zu. »Kann es sein, dass Ihr Bruder … entschuldigen Sie bitte, Sir … dass er verwirrt war, als er das schrieb? Außerdem schreibt er, dass die Elfen die Wahrheit wären. Elfen sind Fabelwesen, so wie Zwerge oder Kobolde – von Wahrheit kann man da wohl kaum sprechen!«
Samuel Reynolds rückte seine Mütze zurecht. »Ein klein wenig davon verstehe ich. Ich glaube es zumindest. Wie gesagt, ich muss euch noch einiges über meinen Bruder und sein Leben erzählen, aber ein richtiger Einschnitt war seine Verhaftung mitten in der Nacht, nach einer spektakulären Flucht quer durch Amerika. Danach musste er für viele Jahre ins Gefängnis.«
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen«, sagte Justus. »Eine Verhaftung in der Nacht – darauf bezieht er sich, wenn er schreibt, was damals in der Finsternis geschehen ist.«
»Genau. Er gibt mir den Auftrag herauszufinden, was sich in jenen Stunden wirklich ereignet hat. Und natürlich interessiert es mich! Deshalb bitte ich euch um Hilfe, Jungs. Ich möchte euch engagieren.«
»Schon passiert!«, versicherte Peter. »Nur wissen wir nicht, wo wir mit unseren Ermittlungen beginnen sollen.«
»Aber das sagt uns der Verstorbene doch«, meinte Justus. »Wir werden genau dort nachsehen, wovon Adam schreibt: im wahren Zentrum der Zentrumsstadt.«
»Und wo soll das sein, Just?«
Der Erste Detektiv hob Schultern und Augenbrauen. »Keine Ahnung. Das müssen wir erst noch herausfinden.«
»Na prima«, flüsterte Bob. »Wir wissen weder, welchen Ort er als Zentrumsstadt bezeichnet, noch, was dort das sogenannte wahre Zentrum sein soll.«
»Rätsel sind dazu da, um gelöst zu werden!« Justus grinste. »Ich bin dazu bereit! Ihr nicht?«
»Wir sind die drei ???«, betonte Peter. »Wir sind allzeit bereit! Das könnten wir glatt noch auf unsere Visitenkarte drucken lassen!«
»Eins noch, ehe ich euch mehr von meinem Bruder erzähle.« Der ehemalige Kommissar hob seine Baseballmütze und schaute zur Seite. Am Hinterkopf kam eine dicke Beule zum Vorschein. Den drei ??? tat es schon beim bloßen Hinsehen weh. »Ich bin überfallen worden, kaum dass ich die Kanzlei verlassen hatte. Jemand wollte mir den Brief stehlen.«
»Lassen Sie das ja nicht Tante Mathilda sehen«, bat Justus, »sonst schickt sie Sie gleich zum Arzt und lässt Sie …«
»Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee«, unterbrach Peter. »Das sieht übel aus.«
»Es schmerzt ziemlich«, gab ihr Besucher zu. »Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Schlag abbekommen habe. Unkraut vergeht nicht, wisst ihr! Wir sind also nicht die Einzigen, die das Rätsel dieser Botschaft lösen wollen. Es gibt jemanden, der großen Wert darauf legt, schneller als wir zu sein.«
»Haben Sie den Täter erkennen können?«, wollte Bob wissen, während Peter gleichzeitig fragte: »Wie hat sich der Überfall abgespielt? Gab es Zeugen?«
»Ich sehe schon, ich muss alles genau erklären«, meinte Samuel Reynolds.
Justus nickte. »Um die Sachlage korrekt einzuschätzen, müssen wir alle Fakten kennen. Das ist natürlich unerlässlich.«
So erzählte der ehemalige Kommissar, wie er nach dem Verlassen des Anwaltsbüros in den kleinen Stadtpark gegangen war, an dessen anderem Ende er sein Auto abgestellt hatte. »Ich war völlig allein unterwegs. Niemand weit und breit, nur ein paar Leute am gegenüberliegenden Ufer von diesem Teich da, ihr wisst schon. Plötzlich habe ich gehört, wie jemand mit schweren Schritten auf mich zurannte. Ich konnte mich nicht mehr herumdrehen, da haben mich schon richtig massige Arme von hinten umklammert. Und eine dumpfe Stimme hat mir ins Ohr gekrächzt, ich sollte ihm sofort den Brief geben.«
»Gekrächzt?«, hakte Justus nach.
»Ja, in einer rauen Stimmlage, wie während einer schweren Erkältung. Völlig heiser oder mit belegten Stimmbändern, ihr versteht schon. Ich habe mich natürlich geweigert. Dank meiner Jahre bei der Polizei kenne ich schließlich so einige Tricks. Ich mag pensioniert sein, gehe aber noch nicht am Krückstock! Also habe ich den Griff gesprengt, bin herumgewirb…« Reynolds verzog schmerzlich das Gesicht. »Tja, und dann hat der Kerl zugeschlagen. Mit einem kleinen Knüppel, schätze ich, vielleicht auch einer Art Schlagring um seine Faust. Da hab ich erst mal Sterne gesehen, ihm aber auch noch einen Schlag in den Bauch verpasst.«
Die drei ??? hingen an seinen Lippen, gespannt auf jedes weitere Wort.
»Trotzdem war mir schwindlig, das gebe ich zu. Zu meinem großen Glück waren die Passanten auf der anderen Seite des Teiches aufmerksam geworden. Und noch mehr Glück war wohl, dass sie nicht einfach weggeschaut haben, sondern rübergerannt sind und dem Angreifer zugerufen haben, dass er mich in Ruhe lassen soll. Das ist leider bei Weitem nicht mehr selbstverständlich, wisst ihr?«
Der Zweite Detektiv nickte langsam. »Heutzutage erhält man eher Aufmerksamkeit, wenn man ›Feuer!‹schreit, als wenn man um Hilfe ruft.«
Mr Reynolds sah ihn nachdenklich an. »So ist es – leider! In meiner Zeit als Polizist habe ich das oft genug erleben müssen. Aber zurück zur Sache. Jedenfalls hat sich der Angreifer zurückgezogen. Und bevor ihr fragt: Ich konnte kaum etwas von ihm erkennen. Er trug eine Mütze tief ins Gesicht gezogen und eine dunkle Jacke mit hohem Kragen. Ein bulliger, grobschlächtiger Kerl, mehr kann ich nicht sagen.«
»Da stellt sich vor allem eine Frage«, zog Justus ein vorläufiges Resümee: »Was kann an dieser seltsamen Botschaft so wichtig sein, dass jemand Sie genau abpasst und handgreiflich wird, um den Brief in seine Gewalt zu bekommen? Auch der zeitlich genau abgestimmte Überfall spricht dafür, dass es einen guten Grund gibt, warum Sie der Anwalt ausgerechnet jetzt kontaktiert hat, Sir. Ich bin sicher, dass wir von diesem Angreifer schon bald wieder hören werden. Da steckt mehr dahinter als nur die verschlüsselte Nachricht eines Verstorbenen an seinen Bruder wegen irgendwelcher Familienangelegenheiten …«
Nicht nur Samuel Reynolds, sondern auch die drei ??? bedienten sich an den Getränken.
Onkel Titus kam ins Wohnzimmer und begrüßte ihren Gast. »Es ist schön, Sie zu sehen. Sie haben während Ihrer Amtszeit viel für Justus und seine Freunde getan. Der Sonderausweis als ehrenamtliche Junior-Detektive und Mitarbeiter der Polizei-Direktion von Rocky Beach, den Sie ihnen ausgestellt haben, ist ja geradezu legendär!«
Der ehemalige Kommissar winkte ab. »Ich bin sicher, dass mein Nachfolger Inspektor Cotta seinen Dienst ebenso gut erledigt und die Hilfe der drei ??? zu schätzen weiß.«
Onkel Titus verabschiedete sich und Reynolds brachte das Gespräch wieder auf seinen Bruder. »Adam ist 1939 geboren worden und hat sich, wie bereits gesagt, früh zum schwarzen Schaf der Familie entwickelt. Schon mit 16 Jahren ist er von zu Hause weg, also 1955. Irgendwie hat er sich durchgeschlagen. Ich weiß kaum etwas über sein Leben seitdem. Im Nachhinein bedauere ich es, aber es lässt sich nun mal nicht mehr ändern. 1958 saß er zum ersten Mal im Gefängnis, wegen irgendwelchen kleineren Delikten, zuletzt wegen einem Autodiebstahl. Noch nicht mal ein besonders wertvoller Wagen. Ein Jahr später ist er wieder freigekommen und unsere Eltern wollten sich seiner annehmen, doch er hat sich völlig zurückgezogen. Ich habe mit ihm damals nur ein einziges Mal am Telefon gesprochen, wenn ich mich recht erinnere.«
»Klingt traurig«, sagte Peter.
»War es auch.« Reynolds knirschte mit den Zähnen. »Und ist es immer noch. Kurz darauf hat er geheiratet. Und zu unserer Überraschung nicht einmal eine … na ja, wie soll ich sagen … es war keine Gangsterbraut, versteht ihr? Auf der Hochzeit habe ich Adam zum ersten Mal seit Langem gesehen. Seine Frau war eine junge Lehrerin. Die beiden wirkten glücklich, ein richtiges Traumpaar. Ich hoffte, nun würde sich alles zum Besseren wenden.«
»Aber so kam es nicht?«, vermutete Justus.
»Ganz und gar nicht. 1962, also in den ersten Ehejahren, hat Adam mit einem unbekannten Komplizen eine Bank überfallen. Das hat damals wegen der extrem großen Beute überall Schlagzeilen gemacht und ich muss zugeben, dass ich mich sogar geschämt habe, weil ich Angst hatte, das würde meiner Karriere bei der Polizei schaden. Adam und sein Kumpan sind quer durch die USA geflohen.« Reynolds musste lachen. »Wie in einem Roadmovie, könnte man sagen. War eine ganz schön verrückte Sache. Das ging monatelang so, bis Adam schließlich im Bundesstaat Pennsylvania gestellt wurde.«
»Damals in der Finsternis