Schmutztitel

Henriette Wich

Titel

Fußballstar in Gefahr

Kosmos

Umschlagillustration von Ina Biber, München

Umschlaggestaltung von Friedhelm Steinen-Broo, eSTUDIO CALAMAR

 

 

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© 2010 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

 

 

ISBN 978-3-440-13509-9

Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Blume

Fußballalarm

»Ja, ich weiß, ich bin zu spät!« Kim rauschte mit hochrotem Kopf ins Café Lomo und warf sich stöhnend aufs Sofa.

»Falls es dich interessiert«, sagte Marie, während sie ungeduldig mit ihren frisch lackierten Fingernägeln auf ihre pinkfarbene Armbanduhr tippte, »es sind genau 25 Minuten und 40 Sekunden.«

Franzi sah Kim vorwurfsvoll an. »Wir dachten schon, du hast uns vergessen und kommst gar nicht mehr zum Clubtreffen.«

»Natürlich hab ich euch nicht vergessen!«, protestierte Kim. Dass ausgerechnet ihr das passieren musste, wo sie doch nichts mehr hasste als Unpünktlichkeit – megapeinlich! »Tut mir total leid«, sagte sie, »aber es ging wirklich nicht früher.« Sie winkte der Bedienung und bestellte ein großes Wasser, um nach dem unfreiwilligen Sprint ihren mörderischen Durst zu löschen.

»Was ist passiert?«, fragte Marie, die wie immer von Kopf bis Fuß perfekt gestylt war. Zum lilafarbenen Minikleid trug sie einen breiten Gürtel aus weichem Leder und schwarze Leggings. »Hast du einen Sechser im Lotto, oder hast du einen neuen Fall für Die drei !!! an Land gezogen?«

»Weder noch.« Kim nahm ein paar große Schlucke Wasser und seufzte. »Leider! Wisst ihr eigentlich, dass wir jetzt schon über sechs Monate keinen neuen Fall hatten? Wenn das so weitergeht, können wir unseren Detektivclub bald dichtmachen.«

»Nach 23 erfolgreich gelösten Fällen?«, fragte Franzi. »Kommt nicht infrage! Wir müssen nur ein bisschen Geduld haben, das ist alles.«

So ernst hatte Kim es natürlich nicht gemeint. Ein Leben ohne den Detektivclub konnte sie sich überhaupt nicht mehr vorstellen. Inzwischen waren die drei !!! richtige Profis. Mit ihrer Erfahrung und ihrer tollen Detektivausrüstung hatten sie bereits zahlreiche Betrüger, Erpresser, Einbrecher und Schmuggler überführt. Manchmal hatte Kommissar Peters, ein Freund von Maries Vater, ihnen dabei geholfen, aber die Hauptarbeit hatten sie immer ganz alleine geschafft.

»Geduld allein reicht nicht!« Dankbar griff Kim Franzis Stichwort auf. So konnte sie geschickt vom Thema ablenken. »Wir müssen dringend etwas unternehmen. Ich hab mir auch schon was überlegt: Wir könnten Anzeigen aufgeben, im Internet und in den Schülerzeitungen unserer Schulen, zum Beispiel mit einer abgewandelten Version unserer Visitenkarte.« Sie holte eine Karte aus ihrer Hosentasche und legte sie auf den Tisch.

 

Visitenkarte

 

Marie runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Haben wir so was nötig? Wir sollten lieber die Augen offenhalten und unserem Bauchgefühl vertrauen. Oder eine Bestellung beim Universum aufgeben.«

Franzi tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn. »Vergiss es! So einen Quatsch mache ich bestimmt nicht.«

»Ich glaube auch nicht daran, dass das funktioniert«, sagte Kim. In Wirklichkeit fand sie Maries esoterische Experimente ziemlich unheimlich, egal ob es um Gläserrücken, Tarotkarten oder Hexenzaubersprüche ging. Irgendwas Wahres war nämlich doch immer dran.

Marie zuckte beleidigt mit den Schultern. Dann sagte sie zu Kim: »Du bist aber pessimistisch drauf heute! Jetzt erzähl endlich, warum du zu spät gekommen bist. Ich finde, wir haben ein Recht darauf, es zu erfahren.«

Kim zögerte. Sollte sie ihren Freundinnen die volle Wahrheit sagen? Normalerweise vertraute sie solche Dinge nur ihrem Geheimen Tagebuch an, das sie neben dem Detektivtagebuch führte. Fürs erste musste die halbe Wahrheit reichen.

»Heute ist echt nicht mein Tag«, seufzte Kim. »Die Schule war ätzend, ich hab zwei fette Pickel bekommen und meine heiß geliebten Zwillingsbrüder haben sich ein neues Schimpfwort für mich ausgedacht: Statt Planschkuh nennen sie mich jetzt Streuselmonster.«

Franzi verkniff sich ein Grinsen. Kim war wirklich geschlagen mit Ben und Lukas. Die 10-jährigen Jungs waren die reinsten Nervensägen. Im Vergleich dazu hatte Franzi mit ihrer 16-jährigen Zickenschwester Chrissie das große Los gezogen.

Marie nippte an ihrem Kakao Spezial mit Vanillearoma, dem absoluten Lieblingsgetränk der drei !!!. Ihr Ärger auf Kim war inzwischen verflogen. »Da hilft nur eins«, schlug sie vor, »Nervennahrung! Bestell dir doch einen Schokomuffin oder am besten gleich zwei. Ich lade dich ein. Mein Vater hat mir heute ein extra Taschengeld spendiert.«

Als Hauptkommissar Brockmeier in der beliebten Vorabendserie Vorstadtwache verdiente Helmut Grevenbroich so gut, dass er seine einzige Tochter auf Händen tragen konnte.

Kim schüttelte den Kopf. Normalerweise wurde sie bei Süßigkeiten sofort schwach. Die brauchte sie auch als Kopf des Detektivclubs, damit sie konzentriert nachdenken oder am Computer komplizierte Recherchen durchführen konnte. Doch heute war ihr der Appetit vergangen.

Marie und Franzi tauschten einen besorgten Blick. Wenn Kim freiwillig auf ihren Schokomuffin verzichtete, musste mehr dahinterstecken als der übliche Zoff mit den Zwillingen.

Franzi legte den Arm um Kim. »Wir sind doch nicht blind, Kim. Dir geht es nicht gut. Komm, lass es raus!«

Das war zuviel für Kim. Plötzlich musste sie ihre Wut loswerden. »Ich war sogar überpünktlich heute und wollte gerade los, da hat Michi angerufen, obwohl er genau wusste, dass ich mit euch verabredet bin, und …« Sie konnte nicht weiterreden, weil sie nach Luft schnappen musste.

»Und deswegen bist du schlecht drauf?« Marie zog ihre linke Augenbraue hoch. »Michi ist doch sonst dein Garantieschein für gute Laune.«

Das stimmte tatsächlich. Die drei !!! hatten Michi Millbrandt bei ihrem ersten Fall kennengelernt, und Kim hatte sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Seit einiger Zeit war sie mit ihm zusammen und immer noch glücklich wie am ersten Tag (abgesehen von einer kurzfristigen Beziehungsflaute – aber die zählte nicht). Nur heute hätte Kim Michi auf den Mond schießen können, so sauer war sie auf ihn.

»Habt ihr euch gestritten«, bohrte Franzi nach. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.

»Und wie! Ich sag nur eins: Fußball!« Kim verdrehte genervt die Augen.

Sie hoffte auf Zustimmung und Mitleid bei ihren Freundinnen, doch Marie zuckte nur mit den Schultern. »Was erwartest du? Es ist WM, da sind natürlich alle Jungs im Fußballfieber.« Zum Beweis drehte Marie sich um und zeigte auf den großen Fernseher, den der Besitzer des Cafés extra für die WM installiert hatte. Vor dem Flachbildschirm drängelte sich ein Dutzend Jungen und verfolgte gebannt die Berichterstattung. Gerade lief ein Interview mit einem berühmten Fußballer aus Brasilien.

Kim gähnte demonstrativ. Wie man um so einen langweiligen Sport einen solchen Wirbel veranstalten konnte, war ihr völlig schleierhaft. Auch die vielen Deutschlandfahnen überall fand sie übertrieben. Selbst hier im Café Lomo, neben ihrem Hauptquartier der Lieblingstreffpunkt der drei !!!, steckten kleine Fähnchen in den Vasen auf den Tischen, und die Papiertischdecken hatten ein Fußballmuster.

Franzi grinste. »Übrigens sind nicht nur die Jungs im Fußballfieber. Seit die WM angefangen hat, hab ich kein einziges Spiel verpasst.« Kim hätte es sich eigentlich denken können! Sport war Franzis große Leidenschaft. Sie spielte zwar selbst nicht Fußball, skatete aber oft mit Benni und ritt in jeder freien Minute auf ihrem Pony Tinka. Und sie konnte hervorragend klettern. Damit hatte sie Marie und Kim schon oft aus brenzligen Situationen gerettet.

»Also ich finde, du solltest das Ganze nicht überbewerten«, sagte Marie. »Sobald die WM vorbei ist, kannst du mit Michi wieder über andere Themen reden.«

Kim fuhr sich entrüstet durch die kurzen braunen Haare. »Ihr versteht mich nicht. Michi hängt nicht nur vorm Fernseher ab. Beim Endspiel Deutschland-Brasilien will er unbedingt zum Public Viewing im Schillerpark. Von mir aus könnte er da gerne mit seinen Kumpels hingehen, aber er besteht darauf, dass ich mitkomme.«

»Super Idee!«, rutschte es Franzi heraus, und Marie klatschte so begeistert in die Hände, dass das silberne Bettelarmband an ihrem linken Handgelenk klirrte.

Kim starrte ihre beiden Freundinnen fassungslos an. »Das meint ihr jetzt nicht ernst, oder?«

»Mensch, Public Viewing ist doch spitze!« Marie warf ihre langen blonden Haare schwungvoll nach hinten. »Coole Party, Megastimmung, jede Menge durchtrainierter Spieler auf dem grünen Rasen und flirten ohne Ende. Das ist die perfekte Mischung!«

»Klar«, knurrte Kim und verschränkte beleidigt die Arme vor der Brust. Marie dachte wieder mal nur an sich. Seit sie ihren Liebeskummer wegen Holger erfolgreich überwunden hatte, flirtete sie mit jedem gutaussehenden Jungen, der ihr über den Weg lief. Dabei setzte sie hemmungslos alle Tricks ein, die sie in ihren Schauspielstunden gelernt hatte.

Franzi boxte Kim freundschaftlich in die Seite. »Ich finde, Marie hat recht. Public Viewing wird dir gefallen. Das ist wie bei einem Popkonzert. Im Fernsehen versteht man nicht, warum die Fans so ausrasten, aber wenn man live dabei ist, lässt man sich sofort anstecken von der Wahnsinnsbegeisterung.«

»Begeisterung«, sagte Kim. »Über einen lächerlichen Ball, der hin und her geschoben wird.« Sie konnte es nicht glauben, dass Marie und Franzi nicht auf ihrer Seite waren.

»Wie hast du eigentlich auf Michis Vorschlag reagiert?«, fragte Marie neugierig.

Kim presste die Lippen aufeinander. »Ich hab natürlich Nein gesagt. Michi fand das leider gar nicht lustig. Er meinte, das ist voll ungerecht. Entweder habe ich wegen unseres Detektivclubs keine Zeit für ihn, oder wir unternehmen etwas, das ich vorgeschlagen habe.«

»Hmm …«, machte Franzi. »Irgendwie kann ich ihn schon verstehen. In einer Beziehung muss jeder mal Kompromisse machen. Willst du es dir nicht noch mal überlegen? Michi würde sich bestimmt riesig freuen.«

Auf einmal wurde Kim unsicher. War sie vor lauter Wut zu weit gegangen? Ihr fiel ein, wie enthusiastisch Michi geklungen hatte, als er ihr von seiner Idee erzählt hatte. Er wollte seine Begeisterung mit ihr teilen, er wollte ihr um den Hals fallen, wenn Deutschland ein Tor schoss oder vielleicht sogar Weltmeister wurde. Das war eigentlich sogar ganz süß von ihm. Hatte sie einen Fehler gemacht?

»Ich weiß nicht …«, murmelte Kim. Sie hatte immer noch keine Lust auf Fußball, aber ihre Wut war plötzlich weg. Im Grunde war es total albern, sich wegen so einer Kleinigkeit mit Michi zu streiten.

»Was hältst du davon, wenn Franzi und ich mitkommen?«, schlug Marie vor. »Oder noch besser: Wir gehen als drei Pärchen hin: Du mit Michi, Franzi mit Benni und ich mit Adrian!«

Franzi wurde rot. »Benni und ich sind schon ewig nicht mehr zusammen. Wir sind Skaterkumpel, mehr nicht.« Dass sie trotzdem überglücklich war, dass Benni keine neue Freundin hatte, musste sie Kim und Marie ja nicht auf die Nase binden. Sonst fingen sie gleich wieder mit ihren schlauen Beziehungstipps an.

»Klar, wissen wir alles «, winkte Marie ab. »Adrian und ich sind ja auch kein Paar. Er ist bloß mein Nachbar und leider schon 18, aber er sieht immer noch verdammt gut aus. Zufällig hab ich neulich erfahren, dass er sich nicht nur für seine Schauspielschule interessiert, sondern auch für Fußball. Das sollten wir ausnutzen. Mit Freunden macht das Ganze doch gleich viel mehr Spaß.«

Jetzt war auch Franzi Feuer und Flamme. »Au ja! Mensch, komm, Kim, spring über deinen Schatten! Du wirst es nicht bereuen. Und wer weiß, vielleicht wartet ja beim Public Viewing ein neuer Fall auf uns?«

Kims letzter Widerstand schmolz dahin. Sie ließ ihre Freundinnen noch kurz zappeln, aber dann musste sie lachen. »Okay, okay, ihr habt mich überredet. Ich rufe Michi an.«

»Jaaa!«, jubelten Marie und Franzi.

Gleichzeitig grölten die Jungs vor dem Bildschirm: »Jaaa, wir werden Weltmeister, das ist klaaar!«

Kim ließ sich in die weichen Polster des Sofas zurücksinken und zückte ihr Handy. Dann legte sie es wieder auf dem Tisch ab. »Wartet! Vorher muss ich noch dringend was anderes tun.« Sie gab der Bedienung ein Zeichen und rief laut: »Einen Schokomuffin, bitte!«

Blume

Überraschung beim Finale

Kim hatte sich auf große Menschenmengen gefasst gemacht, doch der Ansturm beim Public Viewing verschlug ihr den Atem. Der Schillerpark platzte aus allen Nähten. Dicht an dicht standen die Fans nebeneinander, und immer noch mehr Leute strömten von allen Seiten herbei. Am liebsten wäre Kim sofort wieder umgedreht, aber das konnte sie Michi nicht antun. Sie reckte den Kopf, um nach Franzi und Marie Ausschau zu halten. Rufen hatte keinen Sinn, weil sie gegen die Sprechgesänge der Fans und die Musik aus den großen Lautsprechern sowieso nicht ankam.

»Und ich dachte, wir sind früh dran«, brüllte Kim Michi ins Ohr. »Das Spiel geht doch erst in anderthalb Stunden los.«

»Keine Sorge!«, brüllte Michi zurück. »Ich hab uns einen tollen Platz organisiert. Komm mit!« Er griff nach Kims Hand und lotste sie durch die Menge hinüber zu den Biertischen unter den Kastanien. Dort war es etwas ruhiger, und es roch verführerisch nach Grillwürstchen, Pommes und Popcorn. Kim lief das Wasser im Mund zusammen.

Endlich hatten sie sich erfolgreich durchgeboxt. Michi wechselte ein paar Worte mit einem der Organisatoren, und schon saßen sie auf einer Bank, die einen tollen Ausblick auf die Großleinwand hatte.

»Na, was sagst du?«, fragte Michi stolz. »Für deine Freundinnen und ihre Freunde ist natürlich auch noch Platz.«

»Super, danke!« Kim schmiegte sich an Michis starke Schulter. Wie aufgekratzt er war, und wie lieb er sich um alles gekümmert hatte, total süß! Kim merkte, wie ihre Anspannung nachließ. Vielleicht wurde der Abend ja doch nicht so schlimm.

»Hi, hier sind wir!«, rief Franzi. Sie hatte Benni, Marie und Adrian im Schlepptau und winkte mit ihrem Fanschal. »Die Plätze sind für uns? Michi, du bist ein Schatz!« Sie ließ sich auf die Bank fallen, um im nächsten Augenblick gleich wieder aufzuspringen und bei einem Sprechgesang mitzugrölen.

Kim hielt sich lachend die Ohren zu. »Sonst geht’s dir schon noch gut, oder?«

»Klar doch!«, rief Franzi.

Marie grölte zwar nicht mit, war aber mindestens genauso gut drauf wie Franzi. Für das große Finale hatte sie sich die Deutschlandfahne auf die rechte Wange geschminkt und ein sportliches Outfit in den Nationalfarben ausgewählt: schwarze Hose, rotes T-Shirt und als I-Tüpfelchen einen goldenen Seidenschal. Alle naselang zupfte Marie an ihrem Schal herum, während sie sich von Adrian die Abseitsregel erklären ließ und ihm dabei tief in die Augen sah.

»Wer hat Lust auf Würstchen?«, fragte Benni.

»Ich, ich, ich!«, riefen alle im Chor.

Benni grinste. »Geht klar. Ich hol welche.« Geduldig reihte er sich in die lange Schlange vor dem Grill ein. Adrian kümmerte sich inzwischen um die Getränke.

Bald hatte jeder eine Cola und einen Pappteller vor sich. Kim tunkte ihr Würstchen in den Senf und fütterte Michi damit. Er bedankte sich für jeden Bissen mit einem Kuss, der jedes Mal einen Glücksschauer bei Kim auslöste. Sie vergaß alles um sich herum und schwebte auf Wolke sieben.

»Und, was ist euer Tipp?«, fragte Adrian in die Runde.

»Zwei zu eins für Deutschland!«, sagte Michi wie aus der Pistole geschossen.

Bennis Augen leuchteten auf. »Ich glaube auch an unsere Mannschaft. Wetten, wir gewinnen sogar drei zu eins?«

»Ich weiß nicht«, unkte Adrian und schüttelte bedächtig den Kopf. »Die Brasilianer sollte man nie unterschätzen. Erinnert ihr euch noch an die WM 2002? Und an die von 1994, mit dem Elfmeterschießen?«

»Klar!«, sagte Michi. »Aber damals war das doch ganz was anderes …« Er fing eine heiße Diskussion mit Benni und Adrian an, in der alle drei über Details aus der WM-Geschichte fachsimpelten und sich gegenseitig mit ihrem Wissen übertrumpften.

Kim stöhnte laut auf, doch eigentlich fand sie es gar nicht so schlimm. Während die Unterhaltung der Jungs an ihr vorbeirauschte, bewunderte sie Michis Profil: seine dunkelbraunen Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fielen, seine wunderschönen blaugrünen Augen und die süßen Sommersprossen auf der Nase.

Franzi und Marie tauschten sich inzwischen über die attraktivsten Spieler aus. Sie konnten sich absolut nicht einigen, welcher Brasilianer nun die knackigsten Oberschenkel hatte, doch plötzlich verstummten sie gleichzeitig und starrten in dieselbe Richtung.

»Was ist denn los mit euch?«, fragte Kim verwundert.

Franzi starrte mit offenem Mund einen braungebrannten, muskulösen, etwa 16-jährigen Jungen an, der mit einem breiten Lächeln auf ihren Tisch zusteuerte. Der Typ sah verdammt gut aus, das musste Kim zugeben, aber deshalb mussten Franzi und Marie doch nicht gleich in Schockstarre verfallen.

»Hi Kumpel!«, rief der Junge und klopfte Michi auf die Schulter. »Schön, dich mal wiederzusehen.«

»Hi!« Michi sprang auf und strahlte. »Mensch Bastian! Wie geht’s, wie steht’s?«

»Gut geht’s mir«, sagte Bastian. »Sorry, dass ich auf deine letzte Mail nicht geantwortet habe! Ich hatte ziemlich viel um die Ohren.«

Michi winkte ab. »Kein Problem, das hab ich mir schon gedacht, bei deinem Erfolg. Gratuliere! Freut mich total. Aber du warst ja schon damals in der Schule der absolute Crack.«

Kim verstand nur noch Bahnhof. Warum verschlangen Franzi und Marie diesen Bastian mit den Augen, und warum verstummten plötzlich alle Leute um sie herum? Schnell beugte sich Kim zu Franzi hinüber und raunte ihr ins Ohr: »Wer ist denn das?«

»Sag bloß, du kennst Bastian Jahn nicht«, raunte Franzi zurück, »den Newcomer im 1. FC?«

Kim zuckte mit den Schultern. »Nö, wieso?« Franzi musste doch langsam wissen, dass sie sich nicht für Fußball interessierte.

Jetzt schaltete sich Marie ein und klärte Kim im Flüsterton auf: »Er ist der Nachwuchsstar unserer Stadt, super Mittelstürmer. Hat bereits das Trainingslager zum Länderspiel mitgemacht. Bastian gehört zum weiteren Kreis der U17-Mannschaft, die nächstes Jahr bei der Junioren-WM teilnehmen wird.«

Kim fiel aus allen Wolken. Bastian war ein Fußballstar? Und Michi kannte ihn? Davon hatte er ihr nie erzählt!

»Lange her, was«, sagte Bastian gerade, »dass wir zusammen die Schulbank gedrückt haben?«

»Ewigkeiten her«, bestätigte Michi. »Wir müssen uns unbedingt mal wieder treffen, falls du überhaupt Zeit hast bei deinen vielen Terminen.«

Bastian nickte. »Gern, ich trainiere in den nächsten Wochen mit der U17-Mannschaft sowieso hier in der Stadt. Und zum Abschluss gibt es ein Freundschaftsspiel gegen den 1. FC.«

Ringsumher wurden die Sprechchöre der Fans immer lauter. Sogar Kim als Fußball-Laie konnte daran erkennen, dass das Finale bald losging.

»Habt ihr noch einen Platz für mich frei?«, fragte Bastian.

»Klar!«, sagte Michi. »Setz dich zu uns, wir rutschen zusammen. Das ist übrigens meine Freundin Kim.«