Das Bild vom Herbst des Lebens ist treffend. Wir freuen uns auf diese Jahreszeit, in der Früchte reifen und geerntet werden. So soll auch unser Leben sein. Was wir und andere in uns investiert haben, soll jetzt Frucht bringen: Uns und andere nähren und inspirieren. Da ist auch das wunderschöne Herbstlaub, das leuchtende Farben entwickelt, bevor es abfällt. Alte Menschen können eine innere Schönheit entwickeln, die andere erfreut.
Wie die Ernte gelingt, hängt auch davon ab, was zuvor unser Leben erfüllt und geprägt hat. Anders als bei Obst und Getreide, wo Ergebnisse nicht mehr beeinflussbar sind, können wir selbst in dieser Erntezeit des dritten Lebensabschnitts noch manches ausgleichen und korrigieren. Lasten und Fehlprägungen während unseres Lebens können betrachtet und geheilt werden.
Die Reife eines Menschen zeigt sich darin, dass er Spannungen ertragen kann. Er hat gelernt auch mit ungelösten Problemen oder nicht beantworteten Fragen zu leben. Ohne bitter oder gar verbittert zu werden. Wir können reife Menschen werden, deren innere Qualität mit dem äußeren Verhalten übereinstimmt.
Wenn wir Gutes geerntet haben, können wir anderen daran Anteil geben. Gute Beziehungen, die auf Geben und Nehmen beruhen, sind dabei wichtig. Sie entstehen nicht von selbst, sondern erfordern immer wieder unser aktives Bemühen. Das gilt besonders für unsere Beziehungen zu den Jüngeren. Dann haben wir nicht unter Einsamkeit zu leiden.
- Denk mal
Warum liest du dieses Heft? Bist du selber in der dritten Lebensphase? Willst du dich besser darauf vorbereiten?
- Mach mal
Schreibe auf, was du vom Alter erhoffst.
Freust du dich aufs Alter? Die Antwort hängt auch von dem Altersbild ab, das du hast. Noch immer sind Altersbilder in unserer Gesellschaft verbreitet, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Zum Beispiel das Bild vom Lebensbogen mit einem Höhepunkt in der Mitte, nach dem es nur noch abwärts geht. Das mag für die körperliche Kraft und Schnelligkeit teilweise richtig sein. Viele andere Eigenschaften können jedoch in der zweiten Lebenshälfte noch entwickelt und verbessert werden.
Alter ist nicht in erster Linie Abstieg, sondern Wandel. Jeder Wandel bringt neue Aufgaben und Möglichkeiten mit sich, die angenommen und verarbeitet werden müssen. Dadurch wachsen und reifen wir.
Der neue Freiraum gibt uns endlich Zeit, Dinge zu tun, die wir schon immer gern tun wollten. Wir können Orte besuchen, mit denen wir schöne Erinnerungen verbinden. Oder neu entdecken. Heute können wir in Länder reisen, die für uns in unserer Jugend verschlossen waren.
Und wir haben die Möglichkeit ehrenamtliche Dienste zu übernehmen. Sie sind auch für uns persönlich ein Gewinn, da wir dadurch Beziehungen zu anderen Menschen bekommen und Einblick in viele gesellschaftliche Zusammenhänge erhalten.
Keinesfalls dürfen wir uns den Freiraum verbauen indem wir aus Gefälligkeit Aufgaben übernehmen, die eigentlich gar nicht dran sind. So wie es ein Buchtitel sagt: »Nein sagen ohne Schuldgefühle!«
- Denk mal
Was fällt dir im Alter schwerer als früher, was gelingt dir heute leichter?
- Mach mal
Liste nebeneinander die Vorteile des Alters und die Nachteile des Alters auf. Was überwiegt in deinen Augen?
Im Beruf waren wir eingeschränkt durch vorgegebene Zeiten und Themen. Jetzt können, ja müssen wir den Tagesablauf und die Inhalte selber gestalten. Um erfüllt zu leben, brauchen wir die Überzeugung, dass auch der dritte Lebensabschnitt sinnvoll ist und uns klare Aufgaben stellt.
Wie in jeder Lebensphase brauchen wir die Bereitschaft zum Lernen und zum Weiterwachsen; die Bereitwilligkeit, uns auf Neues einzulassen. Ältere Menschen können in allen Bereichen der Gesellschaft wesentliche Beiträge leisten. Sie brauchen nur die Möglichkeit und vielleicht Ermutigung. Gemeinsam können wir dabei mehr erreichen als jeder allein.
Wir haben endlich Zeit, das bisher Erreichte voll zu genießen. Das ist die späte Freiheit: Wir müssen nicht mehr, aber wir dürfen und können. Wir können uns endlich in Bereichen kundig machen, die uns schon immer interessierten. Wir können Bildungslücken auffüllen, um Gaben, die wir haben besser ausüben zu können. Manche studieren auch noch. Die Frage bleibt dann aber: Wozu nehmen wir diese Mühe auf uns?
Im Alter können wir ausgiebiger Beziehungen pflegen. Besonders mit Menschen, die uns ermutigen und korrigieren. Und zu solchen, die unseren Rat und unsere Hilfe brauchen. Alte Bekanntschaften erneuern und neue knüpfen. Tun wir das nicht, kreisen wir nur um uns selbst. Dann erleben wir das Leben auch oft als sinnlos. Und es besteht die Gefahr, einsam und wunderlich zu werden.
- Denk mal
Wie kommst du mit deinem Tagesablauf und der freien Zeit zurecht?
- Mach mal
Überlege gemeinsam mit anderen, welche neuen Möglichkeiten du jetzt hast und wie du sie nutzen kannst.