Komm einfach immer wieder heim zu dir selbst. Du bist derjenige, auf den du gewartet hast.
Die folgenden Beispiele der Selbstbefragung wurden von Leuten geschrieben, die über ihre Gedanken aufgebracht waren, die sich auf einen Freund oder Geliebten bezogen. Sie machen deutlich, wie tief die Überprüfung gehen kann, wenn Sie sich die Zeit nehmen, Ihre Antworten gründlich und ehrlich aufzuschreiben.
Aussage: Ich bin traurig und wütend, weil Allen nicht gehen kann und wir nicht die Dinge unternehmen können, die für »normale Paare« selbstverständlich sind.
Ist das wahr? Ja.
Was ist die Wirklichkeit? Die Wirklichkeit ist, dass Allen im Rollstuhl sitzt und nicht gehen kann.
Modifizierte Aussage (als Antwort auf die Frage: »Was hätte ich davon, wenn Allen gehen könnte?«): Mein Leben wäre besser, wenn Allen gehen könnte.
Kann ich wirklich wissen, dass das wahr ist? Nein. Ich kann es überhaupt nicht wissen.
Wie reagiere ich, wenn ich glaube, mein Leben wäre besser, wenn Allen gehen könnte? Ich fühle mich wie eine Märtyrerin. Ich empfinde Selbstmitleid. Ich beneide andere Paare. Ich fühle mich betrogen und gerate in Panik. Ich habe das Gefühl, dass ich einen bestimmten Teil meines Lebens nie ausleben kann – besonders in sexueller Hinsicht. Ich sehne mich nach Dingen, die für uns schwierig oder unmöglich sind, beispielsweise Reisen an Orte, die nur für Nichtbehinderte zugänglich sind. Ich mache mir nutzlose und endlose Sorgen, dass ich einen Fehler mache, diesen Mann so zu lieben, wie ich es tue. Ich zweifle an Gott, obwohl Allen der Mann ist, den zu lieben er mich immer wieder auffordert.
Wie fühle ich mich, wenn ich diesen Gedanken glaube? Verrückt, einsam, wie ein Monster, ständig an mein zwanghaftes Denken gefesselt, das mir den Atem raubt. Meine Brust tut körperlich so weh, dass es mir vorkommt, als würde dauernd jemand darauf stehen. Ich werde wütend. Wir fallen auf. Wir sind seltsam und unnormal – nie das ideale Paar.
Wie behandle ich Allen, wenn ich denke, mein Leben wäre besser, wenn er gehen könnte? Ich bin kalt und distanziert. Ich fühle mich unbehaglich. Ich halte liebevolle Gedanken zurück, Dinge, die ich ihm wirklich gerne mitteilen würde. Ich übernehme sexuell nicht die Initiative. Ich erwarte von ihm, dass alle sexuellen Aktivitäten von ihm ausgehen. Ich verhalte mich so, als wüsste ich mehr als er darüber, was für ihn gut ist.
Wie behandle ich mich selbst? Ich halte mich für verrückt und denke, dass mit mir etwas nicht stimmt, weil ich einen Mann im Rollstuhl liebe. Das Schlimmste, was ich tue, ist, dass ich mir nicht erlaube, ihn vollkommen zu lieben. Ich sage mir, dass ich abhängig von seinem Leiden bin. Ich bin so außer mir, dass ich trinke. Ich lese zu viel, oder ich lese gar nicht. Ich versuche, mir einen anderen Mann zu angeln, meist in Gedanken, und manchmal flirte ich auch mit einem wirklichen Mann. Ich fühle mich hin und her gerissen; »Ist es richtig? Ist es nicht richtig?« Ich kann nicht schlafen. Meiner Familie und meinen Freunden gegenüber tue ich so, als machte es mir gar nichts aus, und ich werde defensiv und hart. Ich gestatte mir selbst nicht, an all die wunderbaren Dinge zu denken, die wir gemeinsam haben. Ich suche nach Theorien, die beweisen sollen, dass ich Recht habe – Astrologie, Doppel-Steinbock-Kram, metaphysischem Blödsinn. Ich schäme mich, weil ich nicht meinem Herzen folge. Ich werde nicht mit ihm nach New Mexico ziehen, weil mir meine Karriere, mein schönes Haus und meine Katzen lieber sind.
Kann ich einen Grund sehen, den Gedanken aufzugeben, dass es mir besser gehen würde, wenn Allen gehen könnte? Ja. Alle oben genannten Verhaltensweisen.
Kann ich einen Grund finden, der mir keinen Stress verursacht, an dem Gedanken festzuhalten? Nicht einen.
Wer wäre ich ohne den Gedanken, dass mein Leben besser wäre, wenn Allen gehen könnte? Eine Frau, die einen Mann namens Allen liebt.
Umkehrung der modifizierten Aussage: Mein Leben wäre nicht besser, wenn Allen gehen könnte. Das fühlt sich genauso wahr an.
Umkehrung der ursprünglichen Aussage: Ich bin traurig und wütend, weil ich nicht gehen kann. Ja. Manchmal verzichte ich darauf, irgendwo hinzugehen, und dann gebe ich Allen die Schuld daran. Ich werde wütend und denke, ich kann nicht aufstehen und gehen, wohin ich will. – Wir können Dinge zusammen unternehmen wie »normale Paare« auch. Das ist wahr. Was Allen und ich tun, ist normal für uns. Ich verhindere also, dass wir unsere »normalen Paar-Aktivitäten« genießen, indem ich uns mit anderen Paaren vergleiche und denke, was für sie normal ist, sollte auch für uns normal sein.
Aussage: Ich kann Janine nicht leiden, weil sie mich belügt.
Ist das wahr? Ja.
Welchen Beweis habe ich, dass das wahr ist? Sie hat mir gesagt, die Klasse sei auf 30 Leute begrenzt. In Wirklichkeit waren es 55 Leute. Sie hat mir gesagt, sie würde mir am Ende der Woche die Kassetten schicken. Sie hat sie einen Monat später geschickt. Sie hat mir gesagt, sie sei sicher, sie könne eine frühere Fahrt zum Flughafen arrangieren. Als es so weit war, gab es für mich gar keine Fahrt zum Flughafen.
Beweist irgendetwas davon wirklich, dass sie mich belügt? Ja.
Kann ich absolut sicher sein, dass Janine mich belügt? Ja.
Wie reagiere ich, wenn ich glaube, dass Janine mich belügt? Ich habe das Gefühl, keine Kontrolle zu haben und hilflos zu sein. Ich kann nichts von dem glauben, was sie sagt. Ich fühle mich frustriert. Ich bin sehr verkrampft, wenn ich mit ihr zusammen bin oder auch nur an sie denke. Ich denke immer, ich könnte ihre Arbeit besser machen, als sie es tut.
Modifizierte Aussage (als Antwort auf die Frage: »Was sollte nicht so sein, wie es ist?«): Menschen sollten nicht lügen.
Ist das wahr? Nein – sie tun es.
Wie behandle ich Janine, wenn ich die Geschichte glaube, dass die Menschen nicht lügen sollten, und sie tut es doch? Ich betrachte sie als verlogen, unzuverlässig, inkompetent und lieblos. Ich begegne ihr mit Misstrauen und Kälte. Ich betrachte alles an ihr – Worte, Gesten und Handeln – als Lügen. Ich bin ihr gegenüber kurz angebunden. Ich kann sie nicht leiden und will, dass sie mein Missfallen und meine Missbilligung spürt.
Wie fühlt sich das an? Ich habe das Gefühl, keine Kontrolle zu haben. Ich kann mich selbst nicht leiden. Ich fühle mich schuldig und im Unrecht.
Wer wäre ich (im Beisein von Janine) ohne die Geschichte, dass die Menschen nicht lügen sollten? Ich würde erkennen, dass Janine ihr Bestes tut und tatsächlich sehr gute Arbeit leistet, wenn man berücksichtigt, wie viele Informationen sie für so viele Menschen verwaltet. Ich wäre Janine gegenüber fürsorglicher und hilfsbereiter. Ich würde mir vielleicht Zeit nehmen, mit ihr zu plaudern und sie näher kennen zu lernen. Wenn ich die Augen schließe und sie ohne diese Geschichte betrachte, mag ich sie wirklich und wäre gerne mit ihr befreundet.
Umkehrung der modifizierten Aussage: Die Menschen sollten lügen. Ja, das sollten sie, weil sie es tun.
Umkehrung der ursprünglichen Aussage: Ich kann mich selbst nicht leiden, weil ich Janine belüge. Das ist wahr. Ich habe ihr gesagt, ich könne keinen späteren Flug bekommen. Der Flug war ausgebucht, aber ich habe es nicht mit der Warteliste oder einer anderen Fluggesellschaft versucht. Die Wahrheit ist, dass ich gelogen habe. Ich wollte den früheren Flug nehmen. – Ich kann Janine nicht leiden, weil ich mich selbst belüge (über Janine). Ja, das klingt wahrer. Ich erzähle mir selbst eine Menge Lügen über Janine, wenn ich meine Schlussfolgerungen aus dem ziehe, was sie sagt und tut. Es ist nicht Janine, die ich nicht leiden kann – es sind die Geschichten, die Lügen, die ich mir selbst darüber erzähle, dass ich sie nicht leiden kann. – Ich mag Janine, weil sie mich nicht belügt. Auch das ist wahr. Ich glaube wirklich nicht, dass sie mir jemals mit Absicht etwas gesagt hat, was nicht stimmte. Sie gibt Informationen weiter, die sie bekommt, und sie kann nicht wissen, ob sich daran etwas ändern wird oder nicht. Und ich mag sie wirklich gern.
Ich verursache mein eigenes Leiden –
allerdings nur alles davon.
Baruch Spinoza: Ethik, Buch 5, Lehrsatz 15. Das wörtliche Zitat lautet: »Wer sich und seine Affekte klar und deutlich erkennt, liebt Gott, und zwar umso mehr, je mehr er sich und seine Affekte erkennt.« Wenn Spinoza den Ausdruck Gott verwendet – oft sagt er »Gott oder die Natur« –, dann ist das gleichbedeutend mit der »Wirklichkeit« oder schlicht »dem, was ist«.
Epiktet: Encheiridion, V. Eine weitere relevante Aussage des großen Stoikers (ca. 50–140 n. Chr.): »Bedenke, dass dich nicht derjenige kränkt, welcher dich schmäht oder schlägt; sondern die Meinung, als liege darin etwas Kränkendes. Wenn dich also jemand ärgert, so wisse, dass dich deine Meinung geärgert hat.« (Encheiridion, XX).
Zitiert in einem Dharma-Gespräch des chinesischen Zenmeisters Pai-Chang (729–814). Vgl. The Enlightened Mind: An Anthology of Sacred Prose, hrsg. v. Stephen Mitchell, HarperCollins, 1991, Seite 55.
Dieser Absatz wurde von meinem Freund und Literaturagenten Michael Katz geschrieben, von dem auch der Abschnitt »Wenn die Geschichte schwer zu finden ist« in Kapitel 10 stammt und der viele Teile dieses Buches redigiert hat.
Antonio Damasio: The Feeling of What Happens: Body and Emotions in Making of Consciousness, Harcourt Brace & Company, 1999, Seite 187.
Michael Gazzaniga: The Mind’s Past, University of California Press, 1998, Seite 26.
Aus »A Prayer for My Daughter«, The Collected Works of W. B. Yeats, Bd. 1, The Poems, hrsg. v. Richard J. Finneran, Scribner, 1997, Seite 192. (In der zweiten Zeile des Verses heißt es wörtlich: »Die Seel’ erneut voll Unschuld strahlt«.)
Aus The Enlightened Heart: An Anthology of Sacred Poetry, hrsg. v. Stephen Mitchell, HarperCollins, 1991, Seite 27.
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Byron Katie International, Inc. bietet weltweit Veranstaltungen an und verschickt auf Anforderung auch kostenlos schriftliches Informationsmaterial. Byron Katie International ist eine gemeinnützige Organisation, die sich über Spenden finanziert. Auch Ihre Spende wird dankbar entgegengenommen und für den gemeinnützigen Zweck verwendet.
Die Schule mit Byron Katie: ein Intensivtraining
Die »Schule für The Work mit Byron Katie« ist ein Intensivtraining zur gründlichen und praktischen Überprüfung der Frage: »Wer wäre ich ohne meine Geschichte?« Im Mittelpunkt stehen keine Lehren, sondern Ihre eigene direkte Selbst-Erkenntnis und Selbst-Verwirklichung. Dies ist kein Workshop, in dem Verfahren oder Techniken vermittelt werden; vielmehr erleben Sie durch reale Übungen, Gruppenprozesse und individuelle Erfahrung, wie man als jemand lebt, der das liebt, was ist. Die »Schule für The Work mit Byron Katie« ist für Menschen da, die bereit sind, ihr Leiden zu beenden. Sie ist für jene, die The Work als lebendigen Prozess in ihrem Inneren erfahren möchten.
Teilnehmer berichten, dass die Erfahrungen anschließend nicht verblassen, sondern sich vertiefen und ausdehnen und dabei fortwährenden Frieden und Klarheit in alle Bereiche des Lebens bringen. Beziehungskämpfe lösen sich auf, Probleme werden zur Freude und die Arbeit wird zum Spiel.
Weitere Informationen dazu finden Sie unter www.thework.com
Es ist immer ein Anfang
Wir betreten jetzt eine Dimension, in der wir die Kontrolle haben – unser Inneres.
Was ich an The Work so liebe, ist die Tatsache, dass wir nach innen gehen und unser eigenes Glück finden können, erfahren, was schon in uns existiert, unwandelbar, unbeweglich, allgegenwärtig, immer wartend. Es ist kein Lehrer nötig. Sie selbst sind der Lehrer, auf den Sie gewartet haben. Sie sind derjenige, der Ihrem Leiden ein Ende machen kann.
Oft sage ich: »Glaubt nichts von dem, was ich sage.« Ich möchte, dass Sie Ihre eigene Wahrheit entdecken, nicht meine. Dennoch haben viele Leute festgestellt, dass die folgenden Prinzipien für den Einstieg in The Work hilfreich sind.
Wir leiden nur dann, wenn unsere Überzeugung mit dem, was ist, im Widerstreit liegt. Wenn unser Geist vollkommen klar ist, dann entspricht das, was ist, dem, was wir wollen.
Wenn Sie sich wünschen, dass die Realität anders wäre, als sie ist, könnten Sie genauso gut versuchen, einer Katze das Bellen beizubringen. Sie können es immer wieder versuchen, aber am Ende wird die Katze Sie ansehen und doch »Miau« sagen. Es ist hoffnungslos, sich zu wünschen, dass die Realität anders sein soll, als sie ist. Sie können den Rest Ihres Lebens mit dem Versuch verbringen, eine Katze das Bellen zu lehren.
Und doch werden Sie, wenn Sie darauf achten, immer wieder feststellen, dass wir Dutzende Male am Tag Gedanken wie diese haben: »Die Leute sollten freundlicher sein.«, »Kinder sollten sich gut benehmen.«, »Meine Nachbarn sollten ihren Rasen besser pflegen.«, »Die Schlange vor der Kasse im Supermarkt sollte sich schneller bewegen.«, »Mein Mann oder meine Frau sollte mir zustimmen.«, »Ich sollte schlanker oder hübscher oder erfolgreicher sein.« Diese Gedanken drücken aus, dass wir die Wirklichkeit gerne anders hätten, als sie ist. Wenn Sie denken, dass das deprimierend klingt, dann haben Sie Recht. Der ganze Stress, den wir empfinden, wird dadurch verursacht, dass wir mit dem streiten, was ist.
Nachdem ich 1986 zur Wirklichkeit erwacht war, pflegten die Leute mich »die Frau, die mit dem Wind Freundschaft geschlossen hat« zu nennen. Barstow ist eine Wüstenstadt, wo oft der Wind weht, und jeder hasste das. Die Leute zogen sogar fort, weil sie den Wind nicht ertragen konnten. Ich schloss deshalb Freundschaft mit dem Wind – der Wirklichkeit –, weil ich entdeckt hatte, dass es keine Alternative dazu gab. Ich erkannte, dass es ziemlich verrückt ist, sich dagegen zu wehren. Wenn ich mit der Realität streite, kann ich nur verlieren – und das in jedem einzelnen Fall. Woher weiß ich, dass der Wind wirklich wehen soll? Er weht!
Leute, für die The Work neu ist, sagen mir oft: »Aber ich würde etwas von meiner Kraft einbüßen, wenn ich nicht mehr mit der Realität streiten würde. Wenn ich die Realität einfach akzeptiere, werde ich passiv.« Ich antworte ihnen mit einer Frage: »Können Sie wirklich wissen, dass das wahr ist?« Was nimmt einem mehr von der eigenen Stärke: »Ich wünschte, ich hätte meinen Job nicht verloren« oder »Ich habe meinen Job verloren; was kann ich jetzt in dieser Situation tun?«
The Work offenbart uns, dass das, was unserer Meinung nach nicht hätte sein sollen, wohl hätte sein sollen. Es sollte so sein, weil es so ist, und kein Gedanke der Welt kann daran etwas ändern. Das heißt nicht, dass Sie mit allem einverstanden sein müssen. Es bedeutet nur, dass Sie die Dinge ohne Widerstand und ohne die Verwirrung Ihrer inneren Kämpfe betrachten können. Niemand will, dass seine Kinder krank werden, und niemand will in einen Autounfall verwickelt sein. Aber wenn diese Dinge geschehen, was hilft es dann, wenn wir uns in Gedanken dagegen wenden? Wir haben bessere Möglichkeiten, darauf zu reagieren, und doch wenden wir uns dagegen, weil wir nicht wissen, wie wir damit aufhören können.
Ich bin eine Liebhaberin dessen, was ist, nicht weil ich ein spiritueller Mensch bin, sondern weil es wehtut, mit der Wirklichkeit zu streiten. Wir können wissen, dass die Wirklichkeit gut ist, so wie sie ist, aber wenn wir mit ihr streiten, empfinden wir Anspannung und Frustration. Wir fühlen uns nicht ausgeglichen. Wenn wir damit aufhören, der Wirklichkeit Widerstand zu leisten, wird unser Handeln einfach, fließend, freundlich und furchtlos.
Ich kann im Universum nur drei Arten von Angelegenheiten entdecken: meine, Ihre und Gottes. (Für mich bedeutet das Wort Gott »Realität«. Die Realität ist Gott, denn sie herrscht. Alles, was sich außerhalb meiner, Ihrer und anderer Menschen Kontrolle befindet – das bezeichne ich als Gottes Angelegenheit.)
Viel von unserem Stress hängt damit zusammen, dass wir uns in Gedanken außerhalb unserer eigenen Angelegenheiten bewegen. Wenn ich denke: »Du brauchst einen Job, ich möchte, dass du glücklich bist, du solltest pünktlich sein, du musst besser auf dich achten«, dann bewege ich mich in den Angelegenheiten eines anderen Menschen. Wenn ich mir Sorgen über Erdbeben und Überschwemmungen oder den Zeitpunkt meines Todes mache, dann bewege ich mich in Gottes Angelegenheiten. Wenn ich gedanklich in Ihren oder in Gottes Angelegenheiten bin, dann entsteht daraus ein Gefühl der Trennung. Ich habe das Anfang 1986 bemerkt. Wenn ich mich gedanklich mit den Angelegenheiten meiner Mutter beschäftigte, also beispielsweise dachte: »Meine Mutter sollte mich verstehen«, dann spürte ich sofort ein Gefühl der Einsamkeit. Und ich erkannte, dass ich jedes Mal, wenn ich mich in meinem Leben verletzt oder einsam gefühlt hatte, in den Angelegenheiten von jemand anders gewesen war.
Wenn Sie Ihr Leben führen und ich in Gedanken ebenfalls Ihr Leben führe, wer lebt dann meins? Wenn ich mich in Gedanken mit Ihren Angelegenheiten beschäftige, dann hält mich das davon ab, in meinem eigenen Leben anwesend zu sein. Ich bin getrennt von mir selbst und frage mich, warum mein Leben nicht funktioniert.
Zu denken, dass ich weiß, was für einen anderen Menschen das Beste ist, bedeutet, dass ich mich nicht mit meinen eigenen Angelegenheiten beschäftige. Sogar im Namen der Liebe ist das pure Arroganz, und das Resultat sind Stress, Sorge und Furcht. Weiß ich, was für mich selbst richtig ist? Nur das ist meine Angelegenheit. Daran sollte ich arbeiten, bevor ich versuche, anderer Leute Probleme zu lösen.
Wenn Sie die drei Arten von Angelegenheiten gut genug verstehen, um bei Ihren eigenen Angelegenheiten zu bleiben, dann kann das Ihrem Leben eine Freiheit geben, die Sie sich vorher nicht einmal vorstellen konnten. Wenn Sie das nächste Mal Stress oder Unbehagen spüren, dann fragen Sie sich, in wessen Angelegenheiten Sie sich gedanklich befinden, und es könnte sein, dass Sie in Gelächter ausbrechen. Mit dieser Frage können Sie zu sich selbst zurückfinden. Und vielleicht gelangen Sie zu der Einsicht, dass Sie noch nie wirklich präsent waren, dass Sie sich Ihr ganzes Leben lang gedanklich in den Angelegenheiten anderer Leute bewegt haben. Die bloße Feststellung, dass Sie sich mit den Problemen fremder Menschen beschäftigen, kann Sie zurück zu Ihrem wunderbaren Selbst bringen. Und wenn Sie das eine Weile üben, kommen Sie vielleicht zu der Erkenntnis, dass Sie gar keine Probleme haben und dass Ihr Leben einfach perfekt von selber läuft.
Ein Gedanke ist harmlos, solange wir ihn nicht glauben. Es sind nicht unsere Gedanken, die Leiden verursachen, sondern die Tatsache, dass wir uns an diese Gedanken klammern. Wenn wir an einem Gedanken hängen, bedeutet das, dass wir ihn für wahr halten, ohne ihn zu hinterfragen. Eine Überzeugung ist ein Gedanke, an den wir uns, oft schon seit Jahren, klammern.
Die meisten Leute denken, sie sind das, wofür sie sich in Gedanken halten. Eines Tages stellte ich fest, dass ich nicht atmete – ich wurde geatmet. Dann stellte ich auch erstaunt fest, dass ich nicht dachte – dass ich in Wirklichkeit gedacht wurde und dass das Denken nichts Persönliches ist. Wachen Sie etwa morgens auf und sagen sich selbst: »Ich glaube, ich werde heute mal nicht denken«? Zu spät: Sie sind schon dabei zu denken! Gedanken treten einfach auf. Sie kommen aus dem Nichts und verschwinden wieder ins Nichts wie Wolken, die über den leeren Himmel ziehen. Sie kommen, um vorüberzuziehen, nicht um zu bleiben. Sie schaden uns erst, wenn wir uns an sie klammern, als seien sie wahr.
Niemand hat es je fertig gebracht, sein Denken zu kontrollieren, auch wenn manche Leute das behaupten. Ich lasse meine Gedanken nicht los – ich begegne ihnen mit Verständnis. Dann lassen sie mich los.
Gedanken sind wie ein Windhauch oder die Blätter auf den Bäumen oder fallende Regentropfen. Sie tauchen auf ähnliche Weise auf, und durch die Überprüfung freunden wir uns mit ihnen an. Würden Sie mit einem Regentropfen streiten? Gedanken sind genauso unpersönlich wie Regentropfen. Sobald Sie einer schmerzlichen Vorstellung mit Verständnis begegnen, finden Sie sie vielleicht interessant, wenn sie das nächste Mal auftaucht. Was früher ein Albtraum war, ist jetzt nur noch interessant. Beim nächsten Mal finden Sie es vielleicht lustig. Und beim übernächsten Mal bemerken Sie es wahrscheinlich gar nicht mehr. Das ist die Wirkung, wenn Sie lieben, was ist.
Ich verwende oft das Wort »Geschichte«, wenn ich über Gedanken oder Gedankenabfolgen spreche, deren Wahrheit wir uns selbst einreden. Eine Geschichte kann sich auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft beziehen; sie kann sich darauf beziehen, wie die Dinge sein sollten, wie sie sein könnten oder warum sie so sind, wie sie sind. In unseren Gedanken tauchen täglich Hunderte von Geschichten auf – wenn jemand aufsteht und wortlos den Raum verlässt; wenn jemand nicht lächelt oder unseren Anruf nicht erwidert; wenn ein Fremder uns anlächelt; bevor wir einen wichtigen Brief öffnen; wenn wir eine ungewöhnliche Empfindung in unserer Brust spüren; wenn Ihr Chef Sie in sein Büro bittet; oder wenn Ihr Partner in einem bestimmten Tonfall mit Ihnen spricht. Geschichten sind ungeprüfte Theorien, die uns sagen, was diese Dinge angeblich bedeuten. Dabei ist uns nicht einmal klar, dass es sich nur um Theorien handelt.
Als ich eines Tages in einem nahe gelegenen Restaurant auf die Toilette gehen wollte, kam gerade eine Frau aus der einzigen Toilettenkabine. Wir lächelten uns an, und während ich die Tür schloss, begann sie zu singen und sich die Hände zu waschen. »Welch eine schöne Stimme«, dachte ich. Während ich dann hörte, wie sie hinausging, bemerkte ich, dass der Toilettensitz ganz nass war. »Wie kann man nur so rücksichtslos sein?«, dachte ich. »Und wie hat sie es nur geschafft, über den ganzen Sitz zu pinkeln? Hat sie sich darauf gestellt?« Dann wurde mir klar, dass sie ein Mann war – ein Transvestit, der mit Kopfstimme im Damenwaschraum gesungen hatte. Es schoss mir durch den Kopf, ihr (ihm) nachzugehen und zu sagen, was für eine Schweinerei sie (er) hinterlassen hatte. Während ich den Toilettensitz säuberte, überlegte ich, was ich ihr (ihm) sagen würde. Dann betätigte ich die Spülung. Das Wasser schoss aus der Toilettenschüssel hoch und spritzte über den Sitz. Und ich stand nur da und lachte.
In diesem Fall war der natürliche Verlauf der Ereignisse so nett, meine Geschichte platzen zu lassen, bevor ich Weiteres unternahm. Aber solange ich die Fragetechnik nicht entdeckt hatte, gab es für mich keine Möglichkeit, diese Art von Denken zu stoppen. Kleine Geschichten brachten größere hervor, größere Geschichten entwickelten sich zu Theorien über das Leben, wie entsetzlich es war und welche Gefahren überall in der Welt lauerten. Am Ende war ich zu verängstigt und deprimiert, um überhaupt noch mein Schlafzimmer zu verlassen.
Wenn Sie Ihr Handeln auf ungeprüfte Theorien gründen und das nicht merken, dann befinden Sie sich in dem, was ich als »Traum« bezeichne. Oft wird der Traum beängstigend; manchmal entwickelt er sich sogar zum Albtraum. In solchen Zeiten möchten Sie vielleicht die Wahrheit Ihrer Theorien prüfen, indem Sie The Work machen. The Work sorgt immer dafür, dass Ihre beunruhigende Geschichte zusammenschmilzt. Wer wären Sie ohne diese Geschichte? Wie viel von ihrer Welt besteht aus solchen ungeprüften Geschichten? Sie werden es nie wissen, wenn Sie es nicht untersuchen.
Ich habe nie ein belastendes Gefühl erlebt, das nicht durch das Festhalten an einem unwahren Gedanken verursacht gewesen wäre. Hinter jedem unbehaglichen Gefühl steht ein Gedanke, der für uns nicht wahr ist. »Der Wind sollte nicht wehen.« »Mein Mann sollte einer Meinung mit mir sein.« Wir denken einen Gedanken, der im Widerstreit mit der Wirklichkeit steht, dann empfinden wir ein belastendes Gefühl, und anschließend reagieren wir auf dieses Gefühl und setzen uns dadurch noch mehr unter Druck. Statt den ursprünglichen Auslöser zu verstehen – einen Gedanken –, versuchen wir, unsere belastenden Gefühle dadurch zu verändern, dass wir uns nach außen wenden, um unsere Mitmenschen zu verändern, oder wir suchen vorübergehenden Trost und die Illusion der Kontrolle in Sex, Essen, Alkohol, Drogen oder Geld.
Wenn wir von einem überwältigenden Gefühl mitgerissen werden, ist es hilfreich, uns daran zu erinnern, dass jedes belastende Gefühl wie ein mitfühlender Wecker ist, der uns sagt: »Du hast dich in einem Traum verirrt.« Depression, Schmerz und Furcht sind Geschenke, die sagen: »Schätzchen, wirf doch mal einen Blick auf dein Denken. Du lebst in einer Geschichte, die für dich nicht wahr ist.« Eine Unwahrheit zu leben, bedeutet immer Stress. Aber wenn wir den Wecker nicht respektieren, dann versuchen wir, unsere Gefühle zu ändern oder zu manipulieren, indem wir uns nach außen wenden. Gewöhnlich bemerken wir das Gefühl vor dem Gedanken. Deshalb behaupte ich, dass es ein Wecker ist, der uns darauf aufmerksam macht, dass wir an einem Gedanken festhängen, den wir vielleicht untersuchen sollten. Und die Überprüfung eines unwahren Gedankens durch The Work führt uns immer wieder zu dem zurück, was wir wirklich sind. Es ist schmerzlich zu glauben, dass Sie nicht der sind, der Sie sind, eine Geschichte zu leben, mit der Sie nicht glücklich sind.
Wenn Sie Ihre Hand ins Feuer halten, muss Ihnen dann irgendjemand sagen, dass Sie sie zurückziehen sollen? Müssen Sie dafür erst einen Entschluss fassen? Nein: Wenn Sie sich die Hand verbrennen, zuckt sie automatisch zurück. Sie müssen sie nicht dirigieren; die Hand bewegt sich von selbst. Und wenn wir durch Überprüfung verstanden haben, dass ein unwahrer Gedanke Leiden verursacht, passiert dasselbe: Wir entfernen uns davon. Dieses tut weh, jenes nicht. Bevor mir der Gedanke kam, habe ich nicht gelitten; mit dem Gedanken leide ich; wenn ich erkenne, dass der Gedanke nicht wahr ist, hört das Leiden wieder auf. So funktioniert The Work. »Wie reagiere ich, wenn ich den Gedanken denke?« Hand im Feuer. »Wer wäre ich ohne den Gedanken?« Hand aus den Flammen. Wir betrachten den Gedanken, wir spüren unsere Hand im Feuer und ziehen uns ganz von selbst in die ursprüngliche Position zurück; niemand muss uns das sagen. Und wenn der Gedanke das nächste Mal auftaucht, weicht unser Verstand automatisch vor dem Feuer zurück. The Work lädt uns ein, uns der inneren Ursachen und Auswirkungen bewusst zu werden. Wenn wir diese erkennen, beginnt sich unser Leiden von selbst aufzulösen.
Ich benutze das Wort Überprüfung als Synonym für The Work. Die Überprüfung bedeutet, dass wir einen Gedanken oder eine Geschichte mit den vier Fragen und der Umkehrung (die im nächsten Kapitel erklärt werden) konfrontieren. Die Überprüfung oder Selbstbefragung ist eine Möglichkeit, der Verwirrung ein Ende zu machen und inneren Frieden zu erleben, sogar angesichts einer offenkundig chaotischen Welt. Vor allem aber geht es bei der Überprüfung darum, zu erkennen, dass sämtliche Antworten, die wir je brauchen, ständig in unserem Inneren verfügbar sind. Die ganze Sache ist sehr einfach. Wenn sie das nicht wäre, hätte ich sie nie herausgefunden.
Die Überprüfung ist mehr als eine Technik. Sie erweckt tief in unserem Inneren einen angeborenen Aspekt unseres Daseins zum Leben. Es zeigt sich, dass wir das sind, wonach wir immer gesucht haben. Wenn wir die Überprüfung – die vier Fragen und die Umkehrung – eine Weile praktiziert haben, dann entwickelt sie eine Art Eigenleben in unserem Inneren. Sie taucht auf, wann immer Gedanken auftreten, als deren Ausgleich und Gefährte. Dieser innere Partner macht Sie klar und frei, er ist eine Art freundlicher, fließender, furchtloser, amüsierter Zuhörer, ein Schüler Ihrer selbst und ein Freund, dem man vertrauen kann, dass er uns nicht zurückweist, kritisiert oder grollt. Im Laufe der Zeit kommt dieser Zustand ganz automatisch, als eine Lebensweise. Frieden und Freude bahnen sich natürlich, unvermeidlich und unumkehrbar ihren Weg in jeden Winkel Ihres Geistes, in jede Beziehung und jede Erfahrung. Der Prozess ist so subtil, dass Sie ihn vielleicht gar nicht bemerken und nur noch wissen, dass Sie früher oft Schmerz empfunden haben, heute jedoch nicht mehr.