Cover
Nr. 1250 – Die Raum-Zeit-Ingenieure
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Nr. 1251 – Stalker
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Nr. 1252 – Start der Vironauten
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Nr. 1253 – Aufbruch nach Erendyra
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1254 – Welt ohne Hoffnung
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
Nr. 1255 – Unternehmen Quarantäneschirm
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1256 – Die Faust des Kriegers
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Nr. 1257 – Die Letzte Schlacht
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1258 – Sternenfieber
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Nr. 1259 – Der Weg nach Eden
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1260 – Das letzte Chronofossil
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Nr. 1261 – Devolution
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Epilog
Nr. 1262 – Schule der Helden
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
Epilog
Nr. 1263 – Die Freibeuter von Erendyra
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Nr. 1264 – Der Flug der LOVELY BOSCYK
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Epilog
Nr. 1265 – Die heilende Göttin
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1266 – Der Tross des Kriegers
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Nr. 1267 – Flucht aus Elysium
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Übersicht: Die Lage im Cepor-System
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1268 – Die Tiermeister von Nagath
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Epilog
Nr. 1269 – Ein Auftrag für die SOL
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Nr. 1270 – Der Rettungsplan
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Nr. 1271 – Finale in der Tiefe
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1272 – Revolte der Ritter
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
Nr. 1273 – Upanishad
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Nr. 1274 – Die Paratau-Diebe
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1275 – Die Gorim-Station
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Nr. 1276 – Kodexfieber
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1277 – Nachricht aus Gruelfin
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1278 – Der Elfahder
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1279 – Insel der Sternensöhne
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1280 – Meister der Intrige
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Nr. 1281 – Teleport
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1282 – Sprung zum Dreiecksnebel
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
Nr. 1283 – Der Kartanin-Konflikt
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
Nr. 1284 – Am Pass der Icana
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Nr. 1285 – Das Spiel des Lebens
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Nr. 1286 – Comanzataras Träume
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Nr. 1287 – In der Kalmenzone von Siom Som
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1288 – Das Barbarentor
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1289 – Sterntagebuch
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Prolog
1.
2.
3.
4.
Epilog
Nr. 1290 – Stalker gegen Stalker
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Nr. 1291 – Die Verblendeten
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
Nr. 1292 – Das Versteck der Kartanin
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1293 – Desothos Geschenk
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Nr. 1294 – Die Botschaft des Elfahders
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Bericht Lavoree
1.
2.
3.
4.
5.
Bericht Lavoree
Nr. 1295 – Der neue Sotho
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
Srimavo
Roi Danton
Srimavo
Roi Danton
Srimavo
Roi Danton
Srimavo
Roi Danton
Srimavo
Sotho Tyg Ian
Nr. 1296 – Intrigen zwischen den Sternen
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
Nr. 1297 – Zweikampf der Sothos
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
Nr. 1298 – Der Gorim von Aquamarin
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
Nr. 1299 – Im Garten der ESTARTU
Vorspann
Die Hauptpersonen des Romans
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Leseprobe PR 2700 - Andreas Eschbach – Der Technomond
Vorwort
Prolog
1.
2.
3.
Gespannt darauf, wie es weitergeht?
Die Welt des Perry Rhodan
Vorwort
Die Welt des Perry Rhodan
Ein kleines Who's Who des Perry Rhodan-Universums
Häufig gestellte Fragen
Neu im PR-Universum?
Die PR-Produktpalette
Impressum
Impressum
Nr. 1250
Die Raum-Zeit-Ingenieure
Begegnung am Rand der Welt – es geht um die Zukunft der Tiefe
von Thomas Ziegler
Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt
Während sich zur Jahreswende 428/29 NGZ die Auseinandersetzung zwischen den Kräften der Ordnung und den Mächten des Chaos in Richtung Erde verlagert, die als Chronofossil aktiviert werden soll, scheint sich gleichzeitig im Tiefenland eine endgültige Entscheidung anzubahnen.
Das gigantische Tiefenland, vor Äonen von den Raum-Zeit-Ingenieuren und ihren Hilfsvölkern erschaffen, ist seit längerem der Schauplatz der Aktivitäten von Atlan, Jen Salik und Lethos-Terakdschan, den Rittern der Tiefe. Nach einer gefahrvollen Odyssee haben sie zusammen mit ihren Orbitern und den Tiefenpolizisten, den so genannten Exterminatoren, das Kyberland erreicht und einen Angriff der Grauen Lords zurückgeschlagen.
Doch dieser Sieg besagt nicht viel, denn es wird immer deutlicher erkennbar, dass die Graugebiete weiterhin im Wachsen begriffen sind und dass die Heerscharen der Grauen Lords sogar zum Vagenda, der Quelle der Vitalenergie, vordringen können.
Bei dem folgenden Desaster bleibt den Rittern der Tiefe nur die Flucht auf einer Route, die sich mit herkömmlichen Mitteln nicht bewältigen lässt. Hilfe ist vonnöten, wenn Atlan und seine Gefährten den Auftrag der Kosmokraten erfüllen wollen, der die Reise zum Rand der Welt erforderlich macht – denn dort befinden sich DIE RAUM-ZEIT-INGENIEURE ...
Atlan, Jen Salik und Lethos-Terakdschan – Die Ritter der Tiefe auf der Lichtebene.
Das Tabernakel von Holt – Die »Schachtel« gibt ihr Geheimnis preis.
Myzelhinn – Einer der letzten Raum-Zeit-Ingenieure.
Krart – Der Lordrichter jagt die Ritter der Tiefe.
Wir dagegen haben uns gefunden
In des Äthers sterndurchglänztem Eis,
Kennen keine Tage, keine Stunden,
Sind nicht Mann noch Weib, nicht jung noch Greis.
Still zu eurem zuckenden Leben nickend,
Still in die sich drehenden Sterne blickend
Atmen wir des Weltraums Winter ein,
Sind befreundet mit dem Himmelsdrachen,
Kühl und wandellos ist unser ewiges Sein,
Kühl und sternhell unser ewiges Lachen.
– Hermann Hesse, »Die Unsterblichen«
1.
Hier am Rand der Welt war der Strom der Zeit ein stehendes Gewässer: Dunkel und glatt wie ein erblindeter Spiegel, bleiern erstarrt zur ewigen Gegenwart. Hier am Rand der Welt war die Zeit besiegt.
Aber vielleicht, dachte Myzelhinn, vielleicht war der Sieg über die Zeit in Wirklichkeit unsere größte Niederlage. Vielleicht ist die Unsterblichkeit der eigentliche Feind des Lebens, eine Krankheit, die nicht einmal durch den Tod geheilt werden kann.
Myzelhinn stand hoch über den endlosen Weiten der Lichtebene auf dem einzigen Turm der Letzten Bastion, die in majestätischer Pracht Ebene und Abgrund trennte, und zu seinen Füßen rauschte die Brandung eines purpurroten Ozeans.
Königsblau leuchteten die Mauern der Bastion, purpurn glühte der Ozean, und darüber lag – wie ein durchscheinendes Tuch, aus dem Licht der Sterne gesponnen – ein Schleier aus goldener Helligkeit.
Hier auf dem Turm, auf halber Höhe zwischen Meer und Wolkendecke, war es still. Irgendwo landeinwärts wühlte ein Atmosphärewirbel die Luft auf und blies Wind über die Ebene. Die frische Brise kühlte Myzelhinns Gesicht, aber nicht seine brennenden Augen.
Wie schon so oft wandte er die Blicke in jene Richtung, in der er den Grenzwall wusste. Das Tiefenland war flach wie ein Brett, und keine Erdkrümmung schuf die Illusion der Endlichkeit in Form eines Horizonts; die Luft war klar und durchsichtig wie poliertes Glas, und kein Dunst trübte die Sicht; dennoch blieben die Berge seinen Blicken verborgen.
Über eine Milliarde Kilometer lagen zwischen der letzten Bastion und den Bergen; selbst das rasende Licht brauchte eine volle Stunde für diesen weiten Weg. Und noch ein Jahr dazu, wenn es Starsen erreichen wollte. In der Ferne versank alles in Dunst, in dem das Goldlicht des Schöpfungsbergs verschlungene Muster zeichnete.
Aber Myzelhinns Augen waren keine gewöhnlichen Augen.
Ihr Blick brannte den Nebel und die tanzenden Muster fort. Ihr Blick befahl der Luft, durchlässig und klar wie Vakuum zu werden, und ihr Blick befahl dem Raum, zu schrumpfen und den langen Weg der Photonen abzukürzen, und die Luft und der Raum gehorchten.
Nach und nach, in visionärer Deutlichkeit, schälte sich das zerklüftete Massiv des Grenzwalls aus dem golddurchglühten Nebel. Wie ein grimmiges, metallenes Ungeheuer, das unter seiner eigenen Last zusammengebrochen war, erstreckte sich der Grenzwall von einem Rand des Tiefenlands zum anderen: Eine titanische Mauer zwischen der Lichtebene und der grauen Wildnis von Ni, eine Barriere von so unvorstellbaren Ausmaßen wie das Tiefenland selbst. Die zerklüfteten Hänge und die gezackten Kämme des Walls reichten bis hinauf zur Tiefenkonstante und vereinten sich dort mit der lückenlosen Wolkendecke; Wolken, die vom Berg der Schöpfung bis zur verlorenen Stadt am anderen Ende der Welt den Himmel verhüllten.
Goldlicht brach sich myriadenfach an Klippen aus Silber und Chrom, an eisernen Graten und kupfernen Steilwänden, an Simsen aus Stahl und Bronzemoränen. Flöze aus Uran teilten mit dunklen Strichen Hänge aus blitzendem Zinn; Gletscher aus schillernder Formenergie kalbten lautlos an Wismutbergen; und weit im Osten stürzte ein strudelnder Quecksilberfluss in eine Schlucht aus purem Zirkonium.
Und dort der Pass.
Der Platinpass, der einzige Pass über den Grenzwall.
Myzelhinns Vision verblasste. Das gigantische Gebirge versank wieder im goldenen Nebel der Lichtebene.
Myzelhinn hatte gesehen, was er sehen wollte: die drei Kundschafter – und das Holt ...
Sie kommen, dachte Myzelhinn. Sie haben vollbracht, was noch keinem vor ihnen geglückt ist: Sie haben die wahnsinnigen Wächter der Grube passiert und sind mit dem Tiefenfahrstuhl hinunter nach Starsen gelangt; sie haben die Mauer um Starsen überwunden und sind durch die kosmischen Weiten des Tiefenlands gewandert; sie haben das Vagenda erreicht und sind als Gefangene der Grauen Lords nach Ni gereist; sie haben den Verlockungen der Macht und dem Gift des Graueinflusses widerstanden und sind aus den Kerkern der Lordrichter geflohen; und nun haben sie den Platinpass überquert und sind auf dem Weg zum Rand der Welt, zur Letzten Bastion, zum Berg der Schöpfung ... und Zorn ist in ihren Herzen.
Weil sie unwissend sind ...
Eine Bewegung am Fuß der königsblauen Trutzmauern erregte Myzelhinns Aufmerksamkeit. Er beugte sich über die niedrige Brüstung des Turmes und spähte in die Tiefe. Ein drei Meter langer Wurm mit milchweißer Haut, von einem faustgroßen, pulsierenden Organ golden durchschimmert, glitt durch die Fluten aus flüssiger Formenergie. Ein Lla Ssann. Er schien nach einem Weg in die Letzte Bastion zu suchen.
Myzelhinn erkannte ihn sofort.
Suu Oon Hoo, der letzte Tiefenschwimmer, der mit den Vitalenergieströmen des Vagendas zur Lichtebene gelangt war. Nur Suu Oon Hoo konnte so närrisch sein und hoffen, dass sich die Tore der Bastion für ihn öffneten.
Plötzlich entdeckte ihn der Lla Ssann.
Ich verachte dich, wisperte Hoos telepathische Stimme in Myzelhinns Bewusstsein. Ich verachte dich für deinen Verrat, für dieses Verbrechen, das beispiellos in der Geschichte der Tiefe und des Hochlands ist. Ich verfluche dich und deinesgleichen für das, was ihr den Völkern der Tiefe angetan habt. Ihr seid schlimmer als die Grauen Lords, schlimmer als der Tod. Es gibt keine Worte, um das wahre Ausmaß eures Verbrechens zu beschreiben. All die Äonen haben die Völker der Tiefe euch treu gedient, und zum Lohn für ihre Dienste habt ihr sie dem Graueinfluss geopfert. Ich wünschte, ich könnte euch alle töten ...!
Aber nichts und niemand kann uns töten, dachte Myzelhinn. Wir haben den Tod besiegt.
Und er wandte sich ab, drehte dem zornerfüllten Gewisper des Lla Ssann den Rücken zu, und war mit zwei Schritten bei dem Schacht, der tausend Meter in die Tiefe reichte. Der Schacht glühte im königsblauen Licht der Psi-Energie, die unter dem Willen Myzelhinns die Festigkeit von molekulargehärtetem Stahl angenommen hatte, und mit einem weiteren Schritt stürzte er sich in die Tiefe.
Kein Kraftfeld bremste seinen Sturz; kein Sicherheitsmechanismus griff ein, um ihn vor dem tausend Meter tiefen Fall und dem Tod am Grund des Schachtes zu bewahren. Nackte, glatte Wände, die senkrecht nach unten führten – das war alles.
Trotzdem stürzte er nicht, sondern sank sacht.
Denn die Schwerkraft weigerte sich, ihren eigenen Gesetzen zu gehorchen, und die Luft wurde dichter und dichter, bildete aus eigenem Antrieb ein schützendes Polster unter Myzelhinns Körper, und der Boden wurde weich und federnd, um seinen Gast so zu empfangen, wie er es verdient hatte.
Dienstbeflissene Elemente ...
Ein Lächeln, bitter und melancholisch zugleich, spielte um Myzelhinns Lippen.
Verstehst du nun, Suu Oon Hoo?, dachte er. Begreifst du nun, wie unerfüllbar dein Wunsch ist? Wie willst du jemand töten, der Raum und Zeit, Materie und Energie zu seinen Verbündeten hat? Wie willst du jemand töten, wenn die Waffe, die du auf ihn abfeuerst, versagt? Wenn das Gift, das du ihm einflößt, zu Wasser wird? Wenn die Bombe, die ihn verbrennen soll, statt Feuer Blumen gebiert? Wenn sich deine eigene Mordlust in Liebe verwandelt, sobald du deinem Opfer gegenüberstehst?
Myzelhinn neigte den Kopf und lauschte.
Stille erfüllte die Bastion. Schon vor langer Zeit war die Stille in den Gewölben der Psi-Festung eingezogen. All die vielen Stimmen, die einst die königsblauen Säle mit Leben erfüllt hatten, waren verklungen. Und bald würde die Stille der einzige Bewohner der Bastion sein.
Aber noch war es nicht soweit.
Noch war das Werk nicht vollendet.
Er dachte wieder an Suu Oon Hoo, und er seufzte. Dieser Hass ...! Es schmerzte, so von Hass verfolgt zu werden; Hass, der den Tiefenschwimmer dazu trieb, die Gefahren des Purpurmeers auf sich zu nehmen, um jene zu töten, die er für Verräter hielt ... Was wussten die Lla Ssann schon von Verrat? Sie sahen nur die Oberfläche: Das Vagenda versiegt, das Tiefenland grau ... weil Verrat im Spiel war. Sie sahen sich auf ungeheuerliche Weise hintergangen, und sie reagierten auf die einzige Weise, die ihnen möglich war: mit verzweifeltem Hass.
Und die Lla Ssann, die Hüter des Vagendas, die wie die Tiziden, die Jaschemen, die Chylinen und die Archivare von Schatzen zu den ältesten und zuverlässigsten Getreuen gehörten, versuchten in ihrem Zorn das Unmögliche – jene zu töten, für die der Tod nur ein leeres Wort war.
Myzelhinn lachte, und sein Gelächter hallte kühl von den glühenden Wänden, der pulsierenden Decke, wanderte auf verborgenen Wegen durch den gewaltigen Komplex der Bastion.
Nicht einmal die Jaschemen, die so klug und mächtig waren, dass sie ungezählte Tiefenjahre lang aus eigener Kraft dem Graueinfluss und den Angriffen der Lords widerstanden hatten ... nicht einmal sie hatten herausgefunden, warum Myzelhinn und die anderen seiner Art gegen jede Gefahr gefeit waren.
Mit schnellen Schritten durchmaß Myzelhinn den Bogengang, der den Turm an der Südmauer der Bastion mit dem Saal der Zeit-Porträts verband. Niemand begegnete ihm auf seinem Weg. Die Bastion war groß und der Weg zum Bildersaal war weit, doch Myzelhinn verzichtete darauf, den Raum oder die Zeit seinen Wünschen gefügig zu machen, so dass aus Metern Millimeter und aus Minuten Sekunden wurden.
Er verzichtete aus gutem Grund.
Selbst ein Wesen, dem die Zeit nichts bedeutete, hatte zuweilen Anlass, sich ihren Gesetzen zu unterwerfen.
Myzelhinn war verwirrt von seinem plötzlichen Bedürfnis nach Ruhe, nach einer Atempause vor der entscheidenden Begegnung mit den Kundschaftern der Hohen Mächte, den drei Rittern der Tiefe, die den Platinpass im Grenzwall überquert hatten und nun in die Lichtebene eindrangen. Ganze Generationen waren im Tiefenland geboren worden und wieder gestorben, ohne dass sich in der Letzten Bastion irgend etwas verändert hatte. Und jetzt, da die größte Umwälzung seit dem Scheitern der Rekonstruktion bevorstand, versucht er Zeit zu gewinnen ...
Es ist die Furcht vor dem Versagen, dachte Myzelhinn. Die Furcht vor einem erneuten Fehlschlag unserer Pläne. Zweimal sind wir schon gescheitert – mit katastrophalen Folgen. Versagen wir auch diesmal, werden die Konsequenzen noch schrecklicher sein: Dann wird das Tiefenland untergehen, dann werden all unsere Schutzbefohlenen sterben ...
Myzelhinn blieb stehen. Er atmete schwer. Er war diese langen Fußmärsche nicht gewohnt.
Schnurgerade bohrte sich der Bogengang durch die Bastion, erhellt von der königsblauen Glut der psinergetischen Wände, die sich in kilometerweiter Ferne zu verengen schienen, bis Wände, Boden und Decke zu einem vagen blauen Fleck verschmolzen. Im Zentrum des blauen Flecks blitzte ein roter Punkt – das Tor zum Saal der Zeit-Porträts.
Des Laufens müde, befahl Myzelhinn dem Raum, sich stärker zu krümmen, damit die Entfernung zum Bildersaal schrumpfte, und binnen eines Augenblicks wuchs der rote Punkt vor ihm zum Halbrund eines riesigen offenen Tors. Ein Schritt, und er befand sich im Bildersaal.
Der Bildersaal war nicht das größte Gewölbe in der Letzten Bastion, doch es war das einzige, das Myzelhinn so etwas wie Ehrfurcht einflößte. Die Decke wölbte sich in schwindelerregende Höhe, die Rückwand war so weit entfernt, dass die perspektivische Verzerrung sie in ein handtellergroßes Rechteck verwandelte, und jeder Laut erzeugte ein langanhaltendes, vielfach reflektiertes Echo.
Myzelhinn zögerte.
Die Leere und die Stille bedrückten ihn. Wie lange war er nicht mehr hier gewesen! Wie lange hatte er diesen Teil der Letzten Bastion gemieden! Und nun – kurz vor der entscheidenden Begegnung mit den Rittern der Tiefe – war er zurückgekehrt ins Allerheiligste seines Volkes.
Die Luft, die er atmete, weckte Erinnerungen in ihm, Erinnerungen an die Zeit der Größe, an die Zeit der Hoffnung, an tausend und tausend Gesichter, an Stimmen, die er seit Äonen nicht mehr gehört hatte, an Freunde, die längst den grauen Weg gegangen waren.
Myzelhinn blickte zur Wand auf, und sein Herz krampfte sich zusammen, gepeinigt vom einzigen Schmerz, den ein Wesen wie Myzelhinn fühlen konnte, vom Schmerz, der in der Seele wohnte. In endlosen Reihen, nebeneinander und übereinander, hingen Bilderrahmen aus verstofflichter Vitalenergie an der Wand – Rahmen aus goldenem Licht, jeder vier Meter hoch, zwei Meter breit, einen Meter tief. Ebenso an den anderen Wänden; insgesamt 150.000 Rahmen.
Aber fast alle Rahmen ... waren leer.
Langsam hob Myzelhinn den Kopf und sah hinauf zu jener Stelle, wo ein Farbtupfer zwischen den endlosen Reihen der leeren Rechtecke aufblitzte: ein Zeit-Porträt. Sein Blick glitt weiter, fand das zweite, das dritte, das vierte und schließlich das fünfte Porträt.
Fünf, dachte Myzelhinn bedrückt. Fünf von hundertfünfzigtausend.
Mit eiserner Willenskraft zwang er sich, im Saal der Zeit-Porträts zu bleiben, statt seinem innersten Drang nachzugeben und zu fliehen.
Stumm und von einer Traurigkeit erfüllt, gegen die nicht einmal Wesen wie er gefeit waren, hielt er den Blick auf den fünften Rahmen gerichtet, auf das vertraute Bild in goldener Fassung, auf das Porträt, vor dem er schon so oft gestanden hatte.
Es war das Porträt eines verwachsenen, knapp einen Meter großen Humanoiden mit brauner, faltiger Haut, runzlig und verschrumpelt wie die Schale eines alten Apfels. Der Rumpf war schmächtig, schien kaum kräftig genug, die Last des großen, kahlen Kopfes zu tragen. Das Gesicht wurde von riesigen braunen Augen beherrscht, und diese Augen waren dunkel und tief wie Brunnenschächte. Die Nase und der Mund waren klein, verkümmert. Die schlenkernden Arme reichten bis zu den Knien der kurzen Beine, die unter dem Gewicht von Rumpf und Kopf krumm geworden waren; die Füße zehenlos, von dunklem Horn überzogen und auf clownesk anmutende Weise überdimensioniert.
Seit Hunderttausenden von Tiefenjahren hing das Porträt an der Wand des Bildersaals hier im Herzen der Letzten Bastion, und in diesem unvorstellbaren Zeitraum hatte es sich ebenso wenig verändert wie Myzelhinn.
Das Porträt war dreidimensional, aber es war kein Hologramm; es war stofflich, aber es war keine Materieprojektion.
Es war eine Sekunde aus dem Leben eines Wesens, dessen Dasein schon Milliarden Jahre währte, eine Sekunde der Wirklichkeit, aus dem Zeitstrom herausgeschnitten und in einem Rahmen aus Vitalenergie konserviert.
Porträt und Porträtierter waren identisch. Zwei Ausgaben von ein und derselben Person, vom Abgrund der Zeit getrennt und hier durch eine Technik vereint, die die Naturgesetze zu ihren Werkzeugen gemacht hatte.
Myzelhinn konzentrierte sich auf das Bild, und wie stets erfüllte es seine Bitte um ein Zwiegespräch. Das Porträt erwachte übergangslos aus tausendjährigem Schlaf. Der Schädel drehte sich, die großen, dunklen Augen begannen zu glänzen, und die schmalen Lippen öffneten sich.
»Myzelhinn!«, sagte das Porträt mit einer hohen, fast piepsenden Stimme. »Bist du es wirklich, Myzelhinn? Ich habe geträumt ... Viele Träume ... Wie lange, Myzelhinn? Wie viel Tiefenjahre sind seit deinem letzten Besuch verstrichen?«
»Fast tausend Jahre«, antwortete Myzelhinn.
Tausend Jahre, Jahre, Jahre, wisperte das Echo, bis es sich schließlich in den Weiten des Gewölbes verlor.
»Tausend!«, stieß das Porträt hervor. Es sah nach rechts und links, nach oben und unten, sah aus seinem Rahmen zur gegenüberliegenden Wand, zu den goldgefassten leeren Rechtecken, die sich lückenlos aneinanderreihten, vom Boden bis hinauf zur hohen Decke, von der äußersten rechten bis zur äußersten linken Seite. Rahmen, aber keine Bilder.
»Nildefin!«, schrie das Zeit-Porträt verzweifelt. »Wo ist das Bildnis Nildefins? Wo ist es, wo? Bei deinem letzten Besuch hing es noch dort, mir genau gegenüber ... Und Jhaam! Jhaams Porträt ist auch verschwunden! Und Foolgal, Douburlen, Laschiin ... Alle sind fort! Was ist seit deinem letzten Besuch geschehen?«
»Tausend Tiefenjahre sind eine lange Zeit«, sagte Myzelhinn leise. »Schon damals, bei unserem letzten Gespräch, gab es nicht einmal mehr vierzig von uns. Das Unglück geschah vor elf Tiefenjahren. Wir entdeckten, dass die psionischen Siegel des Tors am Berg der Schöpfung schwächer geworden waren. Nildefin, Jhaam, Foolgal, Douburlen, Laschiin und fünfundzwanzig andere zogen zum Berg, brachen die Siegel und öffneten das Tor – gerade weit genug, um eine Botschaft ins Hochland zu senden ... Einen Hilferuf an die Kosmokraten. Aber das Tor wurde plötzlich instabil, und als die dreißig versuchten, die Verbindung aufrechtzuerhalten, da atmete die Tiefe sie ein. Wir konnten ihnen nicht helfen. Wir kamen zu spät.«
»Also sind auch sie den grauen Weg gegangen«, stellte das Porträt bekümmert fest. »War es wirklich ein Unglück, oder ...?«
»Es war eine Falle der Lords«, sagte Myzelhinn. »Sie haben auf irgendeine Weise vom Plan erfahren und versucht, den Rufimpuls an die Kosmokraten zu stören. Als ihnen das nur unvollständig gelang, zerrten sie die dreißig in die Tiefe.«
»Und der Hilferuf?«, fragte das Porträt piepsend. »Wurde er beantwortet? Haben die Kosmokraten Hilfe geschickt?«
Myzelhinn presste die Lippen zusammen. Die alte Bitterkeit schnürte ihm sekundenlang die Kehle zu.
»Hilfe ... Ja, sie haben Hilfe geschickt, diese Hohen Mächte aus der Region jenseits der Materiequellen! Aber ... wir haben sie um die sofortige Entsendung einer Streitmacht gebeten, mächtig wie die Heerscharen Ordobans. Wir haben sie angefleht, so schnell wie möglich Hilfe zu schicken. Wir haben ihnen gestanden, dass wir die Kontrolle über das Tiefenland verloren haben und dass es ohne Hilfe von außen zu einer Katastrophe kommen muss. Wir haben erklärt, dass es nicht um unsere Rettung, sondern um die Rettung der Tiefenvölker geht. Wir haben die Situation schonungslos dargelegt ...«
Myzelhinns Stimme überschlug sich vor Erregung. Er zwang sich zur Ruhe, sprach gepresst weiter. »Für diesen Hilferuf mussten dreißig von uns den grauen Weg gehen. Wir, die wir übrigblieben, trösteten uns mit dem Gedanken, dass uns die Kosmokraten nicht im Stich lassen würden. Also warteten wir. Auf eine Armee oder auf Beauftragte der Kosmokraten vom Rang der Sieben Mächtigen, ausgerüstet mit den notwendigen Mitteln, um die Verbindung von der Tiefe zum Hochland wiederherzustellen, die Macht der Lords zu brechen, den Graueinfluss zu besiegen.«
»Und?«, drängte das Zeit-Porträt. »Ist die Armee eingetroffen? Ist die Verbindung von der Tiefe zum Hochland wiederhergestellt, Myzelhinn? Wen haben die Kosmokraten geschickt?«
»Drei Kundschafter«, sagte Myzelhinn. »Drei Kundschafter, mehr nicht. Aber die Kundschafter aus dem Hochland – sie tragen die Aura der Kosmokraten. Sie sind Ritter der Tiefe!«
Myzelhinn und das Zeit-Porträt sahen sich an.
»Du weißt, was das bedeutet, Myzelhinn?«, fragte das Zeit-Porträt.
»Ja«, nickte Myzelhinn. »Jeder von uns fünf, die noch nicht den grauen Weg gegangen sind, weiß es: Das Tiefenland spielt in den Plänen der Kosmokraten keine Rolle mehr. Jenseits der Materiequellen ist man überzeugt, nicht mehr auf unsere Hilfe bei der Reparatur des Moralischen Kodes angewiesen zu sein. Die Kosmokraten sind bereit, das Tiefenland zu opfern.«
»Weil Ordobans Suche nach all den Äonen doch noch zum Ziel geführt hat«, sagte das Porträt. »TRIICLE-9! Ordoban hat das alte Feld endlich gefunden! Und ...« Das Porträt zögerte. »Und die Kosmokraten haben TRIICLE-9 vielleicht schon für die Rückkehr in die Tiefe präpariert! TRIICLE-9 wird sich wieder in die psionische Doppelhelix einfügen und ... und ...«
»Und das Tiefenland wird im gleichen Moment in das Normaluniversum stürzen«, schloss Myzelhinn. Seine Stimme war ausdruckslos; nur seine Augen verrieten etwas von seinen Gefühlen: Verbitterung, Entsetzen, Zorn – und Resignation. »Dann unterliegt das Tiefenland wieder den normalen physikalischen Gesetzen. Es wird in Myriaden Stücke zerfallen, und die Völker der Tiefe werden sterben.«
»Es ist unmöglich«, flüsterte das Porträt. »So etwas können sie nicht tun!«
»Sie sind allwissend«, erinnerte Myzelhinn. »Sie wissen auch, welche Folgen es haben wird, wenn der Moralische Kode beschädigt bleibt. Sie opfern die Tiefenvölker, um noch größere Opfer zu vermeiden. Das ist es, was Allwissenheit bedeutet: Der Zwang, grausam zu sein, damit es nicht zu noch schrecklicheren Grausamkeiten kommt ...«
Und alles, dachte Myzelhinn verzweifelt, ist unsere Schuld. Weil wir versagt haben. Wir haben unsere Chance, den Moralischen Kode zu reparieren, vertan. Den Kosmokraten bleibt keine andere Wahl, als den anderen Weg zu gehen – gleichgültig, welche Folgen dies für uns und das Tiefenland haben wird.
Er wandte sich ab; das Gespräch mit dem Zeit-Porträt hatte ihn innerlich aufgewühlt, statt seine Gedanken zu klären. Mit unbeholfenen Schritten ging er davon.
»Aber ihr müsst etwas tun!«, rief ihm das Porträt nach. »Ihr müsst etwas unternehmen, um die Tiefenvölker vor der Katastrophe zu retten, Myzelhinn!«
»Wir versuchen es«, sagte Myzelhinn; er sprach leise, mehr zu sich selbst als zu dem Zeit-Porträt. »Aber wir sind nur noch fünf.«
»Ihr seid Raum-Zeit-Ingenieure!«, erinnerte das Porträt. »Ihr seid die einzigen, die es schaffen könnt!«
Wie du, mein Porträt, dachte Myzelhinn. Und wie du, so sind auch wir in einem Rahmen gefangen, aus dem es kein Entkommen gibt.
Langsam ging er aus dem Bildersaal, ein Zwerg mit runzliger, brauner Haut, einem großen Kopf, viel zu groß und zu schwer für den schmächtigen Rumpf, mit schlenkernden Armen und kurzen, krummen Beinen.
Exkurs Tiefenland (I)
Die Tiefe ...
Sie ist mehr als eine andere Welt, mehr als eine andere Dimension. Die Tiefe ist der Raum unter dem Raum, eine n-dimensionale Schicht, die das Einstein-Universum von den anderen Raum-Zeit-Kontinua des Multiversums trennt und die Entstehung interuniverseller Überlappungszonen verhindert.
In dieser Schicht der Tiefe ist die Doppelhelix psionischer Felder verankert – Informationsspeicher des kosmischen Schöpfungsprogramms, des Moralischen Kodes des Universums.
Die Doppelhelix umspannt den gesamten Kosmos.
Die Doppelhelix ist in gewisser Weise der Kosmos, denn in ihr sind die Informationen gespeichert, die die Erscheinungsform des Universums bestimmen, Informationen über die Naturgesetze, denen Raum und Zeit, Energie und Materie, Evolution und Leben unterliegen.
Der Moralische Kode programmiert das Universum, und jede Veränderung oder Störung dieses Programms bedeutet eine Veränderung oder Störung des Universums.
Schöpfungsprogramm und Schöpfung stehen in permanenter, wechselseitiger Verbindung – n-dimensionale Botenstoffe, die Messenger, sorgen für eine laufende Informationsübertragung zwischen dem einzelnen psionischen Speicherfeld und jener kosmischen Region, für die dieses Feld zuständig ist.
Eines dieser Felder trägt die Bezeichnung TRIICLE-9.
Eingebettet in der Tiefe, ragt nur ein winziger Teil dieses psionischen Feldes in den Normalraum, und zwar in Form einer hyperdimensionalen Verwerfung. Die Position dieser Verwerfung: der Leerraum zwischen den Milchstraßensystemen des Clusters Coma Berenice, 2,8 Millionen Lichtjahre jenseits der Grenzen einer Riesengalaxis, die von ihren Bewohnern Behaynien genannt wird.
TRIICLE-9 ist nur eines von Milliarden Feldern des Moralischen Kodes.
Doch dies besagt nichts über seine Bedeutung, denn eine Störung von TRIICLE-9 zieht zwangsläufig die Störung einer ganzen kosmischen Region von der Größe der Lokalen Galaxiengruppe nach sich.
Angesichts der unvorstellbaren Zahl der psionischen Informationsspeicher des Schöpfungsprogramms ist es wahrscheinlich, dass es im Lauf der Zeit zu Störungen kommt.
Zeit, in Millionen oder Milliarden Jahren gemessen.
Störungen treten in Form von spontanen Mutationen auf. Spontane Mutationen sind immanenter Bestandteil eines Systems psionischer Informationsspeicher. Die meisten Mutationen werden vom System neutralisiert oder in das System integriert. Doch manche Veränderungen sind schwerwiegender Natur; sie überfordern die Selbstheilungskräfte des Systems.
Zur Überwachung derartiger Mutationssprünge und zur Abwehr von Eingriffen der Mächte des Chaos in die universelle Doppelhelix psionischer Felder haben die Mächte der Ordnung – die Kosmokraten aus der Region jenseits der Materiequellen – spezielle Beauftragte eingesetzt.
Jeder Beauftragte gebietet über eine Wachflotte aus Millionen Raumschiffen zahlloser Hilfsvölker.
Wie jedes psionische Feld, wird auch TRIICLE-9 von einer riesigen Flotte bewacht.
Kommandant dieser Flotte ist der saddreykarische Admiral Ordoban.
Ordoban ist nur einer von vielen Wächtern, und TRIICLE-9 ist nur eines von vielen psionischen Feldern.
Doch es ist TRIICLE-9, das spontan mutiert, und es ist Ordoban, der seine Aufsichtspflicht vernachlässigt.
Der Mutationssprung führt dazu, dass sich TRIICLE-9 von seinem Fundament in der Tiefe löst und seinen Platz in der universellen Doppelhelix verlässt. Eine Lücke entsteht im Moralischen Kode, eine Störung des kosmischen Schöpfungsprogramms, die langfristig auch die Nachbarfelder in Mitleidenschaft zu ziehen droht. Und jene Region im Universum, die von TRIICLE-9 über die Messenger mit den Informationen des Schöpfungsprogramms versorgt wird, verändert sich. Abgeschnitten vom permanenten Informationsstrom verwandelt sich diese Region in den unorganisierten Urzustand des Universums zurück.
Die Beschädigung des Moralischen Kodes ist gleichbedeutend mit der Entstehung der Negasphäre.
Die Entstehung der Negasphäre ist gleichbedeutend mit dem Erstarken der Mächte des Chaos.
Das seit Anbeginn der Zeit bestehende Gleichgewicht zwischen Kosmokraten und Chaotarchen verschiebt sich zugunsten des Chaos.
Dieses Gleichgewicht wiederherzustellen, die Mutation weiterer Felder nach dem Dominoprinzip zu verhindern und den Moralischen Kode zu reparieren, ist das Ziel der Kosmokraten.
Sie vertrauen darauf, dass Ordoban, der mit seiner Wachflotte die Suche nach TRIICLE-9 aufgenommen hat, das mutierte Feld finden wird. Sie vertrauen darauf, dass es gelingt, die Mutation von TRIICLE-9 rückgängig zu machen und den psionischen Informationsspeicher wieder in die universelle Doppelhelix zu integrieren.
Doch während Ordoban mit seiner Millionen oder aber Millionen Schiffe zählenden Wachflotte, der späteren Endlosen Armada, zu seiner Äonen dauernden Odyssee durch das Universum aufbricht, werden sich die Kosmokraten der Gefährlichkeit ihrer Lage schmerzhaft bewusst. Und je länger Ordobans Suche dauert, desto wahrscheinlicher wird die Möglichkeit weiterer Mutationen im Bereich der Nachbarfelder.
Aus diesem Grund beauftragen die Kosmokraten ein Volk, das kurz vor der Metamorphose zur Superintelligenz steht, einen Ersatz für TRIICLE-9 zu konstruieren, eine perfekte Kopie des verschwundenen Informationsspeicherfelds vor der Mutation.
Das Volk, das den Auftrag erhält, hat Wissenschaft und Technik zur Vollkommenheit entwickelt. Es ist in der Lage, ganze Milchstraßen aus der interstellaren Protomaterie und den unerschöpflichen Energien des Hyperraums zu bauen; es kann die Struktur der Raum-Zeit verändern und in begrenztem Rahmen die Naturgesetze manipulieren.
Es ist das Volk der Raum-Zeit-Ingenieure.
Jahrhunderte vergehen, bis die Situation analysiert ist; weitere Jahrhunderte verstreichen, bis empirische Forschungen die erfolgversprechendste Methode zur Rekonstruktion von TRIICLE-9 ermittelt haben; Jahrtausende dauern die Vorplanungen.
Dann ist es soweit.
Der erste Schritt auf einem Weg, dessen Ende Millionen Jahre in der Zukunft liegt, wird getan.
An der Stelle im Leerraum zwischen den Galaxien des Clusters Coma Berenice, wo einst TRIICLE-9 eine hyperdimensionale Verwerfung erzeugt, eine Verbindung zwischen Tiefe und Normaluniversum hergestellt hat, konstruieren die RZI ein schüsselförmiges Objekt von planetaren Ausmaßen – die Grube, das Tor in die Tiefe.
Sobald die Grube fertiggestellt und die Verbindung zur Tiefe stabilisiert ist, machen sich die RZI an den nächsten Schritt.
Ihnen ist bewusst, dass die Rekonstruktion eines psionischen Feldes samt seiner Myriaden Informationspools die Kräfte eines einzelnen Volkes bei weitem übersteigt. Die RZI benötigen viele Helfer; Millionen, ja, Milliarden Wesen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten, die in der Tiefe eine neue Heimat finden sollen, und das auf unbestimmte Zeit.
Um all diese Hilfsvölker aus allen Bereichen des Universums möglichst schnell und reibungslos zum Einsatzort Tiefe zu schaffen, konstruieren die RZI ein kosmisches Transportsystem: In zahllosen Galaxien entstehen die so genannten Tiefenbahnhöfe, die durch sechsdimensionale Tunnel mit der Grube verbunden sind. Die Verwaltung der Bahnhöfe übertragen die RZI einem Volk non-humanoider Telepathen, die sich bereits in den Diensten der Kosmokraten bewährt haben. Der erste dieser Tiefenzöllner ist Narl Narlenhort; er übernimmt die Leitung der Zentralstation Cortrans in der Galaxis Cor.
Als nächstes Hilfsvolk verpflichtet die RZI die Jaschemen; begnadete Techniker und Wissenschaftler, die Zugang zum Hightech-Arsenal ihrer Auftraggeber haben. Der Auftrag der Jaschemen: Planung und Bau einer künstlichen Welt in der Tiefe, die einerseits den Gesetzen dieser Dimension angepasst und andererseits so groß sein soll, wie es angesichts der Größe der Aufgabe erforderlich ist.
Unterstützt von den RZI, machen sich die Jaschemen an die Durchführung des Auftrags.
Die neue Welt in der Tiefe ist eine Scheibe mit einem Durchmesser von 1 Lichtjahr oder rund 9,46 Billionen Kilometern. Der imaginäre Südpol dieser Scheibenwelt befindet sich – gemäß den Vorgaben der RZI – direkt unter der Grube; der Nordpol grenzt unmittelbar an das Fundament des alten psionischen Feldes TRIICLE-9, einem gewaltigen Massiv aus Psi-Materie – Berg der Schöpfung genannt.
Im Gegensatz zu den unvorstellbaren horizontalen Ausmaßen dieser neuen Welt namens Tiefenland ist ihre vertikale Ausdehnung extrem gering. Die eigentümlichen physikalischen Gesetzmäßigkeiten des Raumes unter dem Raum begrenzen die dritte Dimension, die Höhe, auf genau 2312 Meter über dem Bodenniveau.
Die Tiefenkonstante.
Eine natürliche Grenze wie die Lichtgeschwindigkeit im Normaluniversum.
Die Forschungen der Jaschemen ergeben, dass die Tiefenkonstante – wie die Lichtmauer im Normaluniversum – nur mit einem erheblichen Aufwand an hyperdimensionalen Energien überwunden werden kann.
In den nächsten langen Jahrhunderten werden von den Jaschemen die großtechnischen Anlagen zur Erzeugung und Steuerung von Licht, Atmosphäre, Temperatur, Klima, Schwerkraft und einer Reihe anderer Lebenserhaltungssysteme installiert. Die zentralen Anlagen entstehen in einer Dimensionsblase oberhalb der Tiefenkonstante, dem Neutrum; die erforderlichen Reglermechanismen, die Fabriken, werden unter dem Neutrum errichtet: Im Kyberland.
Während die Jaschemen die nächsten Jahrtausende mit der Planung und dem Bau zahlloser autarker, lebensfähiger Ökosysteme verbringen, die speziell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der erwarteten Hilfsvölker zugeschnitten sind, isolieren die RZI ein 7,7 Millionen Quadratkilometer großes Gebiet unterhalb der Grube durch eine Formenergiemauer mit psionischer Komponente vom übrigen Tiefenland. Eine Sicherheitsmaßnahme auf Betreiben der Kosmokraten. Zwar haben sie die Grube so konditioniert, dass sie Wesen mit negativem Bewusstsein abweist, doch weder die Kosmokraten noch die RZI trauen diesem Schutzmechanismus.
Um die Infiltration der Tiefe durch Agenten der Mächte des Chaos von vornherein auszuschließen, wird die Grube von Schöpfungen der Kosmokraten bewacht, von fremdartigen Wesen aus der Frühzeit des Universums, den Wächtern der Tiefe. Die Formenergiemauer unter der Grube ist eine zusätzliche Barriere.
Die vorerst letzte großtechnische Leistung der Jaschemen besteht in der Errichtung eines komplexen, landesweiten Transmittersystems. Mit einem gigantischen Aufwand an Material und Personal werden zunächst Tausende, dann Millionen, schließlich Milliarden Transmitterdome installiert; jeder Dom ist von den Nachbartransmittern eine Lichtsekunde oder rund 300.000 Kilometer entfernt.
Im imaginären Norden des Tiefenlands – eine Lichtstunde vom Berg der Schöpfung entfernt – legen die RZI ein schier unerschöpfliches Rohstofflager an, das später Grenzwall genannt werden wird.
Noch vor der Fertigstellung des Transmittersystems kommt es im Tiefenland zum Auftreten eines unerwarteten, rätselhaften Phänomens, das die RZI veranlasst, die Dienste eines weiteren Hilfsvolks in Anspruch zu nehmen.
Die Raum-Zeit-Ingenieure rufen – und die Alai kommen ...
Atlan schlief, und er träumte von der grünen Sonne Cortrans im Zentrum der sterbenden Galaxis Cor, vom Tiefenzöllner Drul Drulensot und den unheimlichen Wächtern der Grube, von der Alten Tiefenschule und den Katakomben unter Starsen, von Chulch und Wöleböl und von Kerzl, dem uralten Baumwesen.
Seitdem sind fast sechzehn Monate vergangen, schnitt die emotionslose Mentalstimme des Logiksektors in Atlans Traumwelt. Soeben hat der 1. Februar 429 NGZ begonnen, was dem Jahr 4016 altterranischer Zeitrechnung entspricht. Höchste Zeit, dass du aufwachst!
Atlan blieb mit geschlossenen Augen liegen. Schlaftrunken versuchte er sich zu erinnern, wo er sich befand und was in den letzten Stunden und Tagen geschehen war. Dann brach die Erinnerung wie eine Sturmflut über ihn herein.
Das Vagenda, von den Grauen Heeren Lordrichter Krarts erobert ... Suu Oon Hoo, der letzte Tiefenschwimmer, der die RZI beschuldigt hatte, das Vagenda und die noch freien Gebiete des Tiefenlands dem Graueinfluss zu opfern, um ihre eigene Haut zu retten ... Der Versuch der Grauen Lords, Atlan, Salik und Lethos zur Tiefenphilosophie zu bekehren, sie zu Lordrichtern mit Sitz in der Grauen Kammer zu machen ... Die Begegnung mit dem Astral-Fischer Giffi Marauder – und mit Iruna von Bass-Teth, der Sarlengort in der Gestalt einer Akonin, Kazzenkatts Schwester, von Agenten der Genetischen Allianz aus dem tödlichen Traum der W'in erweckt, damit sie ihren Bruder tötete ...
Dann die Flucht über den Platinpass im Massiv der metallenen Berge des Grenzwalls, die Rückkehr des Tabernakels von Holt; kurz nachdem sie den höchsten Punkt des Platinpasses hinter sich gelassen hatten, war es plötzlich wieder aufgetaucht ... Dann der Flug in die blendende goldene Helligkeit der Lichtebene, in das Reich der Raum-Zeit-Ingenieure ...
Eine Stunde nach Erreichen der Lichtebene ließ die Helligkeit abrupt nach, erinnerte der Logiksektor den Arkoniden. Alles deutet darauf hin, dass es sich bei dem Licht um ein quasi-psionisches Phänomen handelt, dem sich das Bewusstsein binnen kürzester Zeit anpasst. Mit großer Wahrscheinlichkeit neutralisiert es den gefährlichen Graueinfluss – schließlich haben die Lords keinen Versuch gemacht, euch zu verfolgen. Nebenbei bemerkt, dürfte die Lichtebene diesem Phänomen ihren eigentümlichen Namen zu verdanken haben.
Atlan erinnerte sich an Marauders Bemerkung über das Sextadim-Element der Lichtebene, das Iruna unweigerlich getötet hätte, wäre sie mit ihm über den Platinpass geflohen. Hatte der Astral-Fischer dieses quasi-psionische Lichtphänomen damit gemeint?
Er presste die Lippen zusammen.
Es spielte keine Rolle; Iruna war mit Giffi Marauder verschwunden, und es war mehr als zweifelhaft, ob er sie jemals wiedersehen würde.
»Verdammt!«, stieß der Arkonide hervor.
Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um in melancholischen Erinnerungen an eine Romanze zu schwelgen, die von vornherein zum Scheitern verurteilt war, meldete sich der Logiksektor zu Wort. Das gesamte Tiefenland ist grau und in der Gewalt der Lords; eure einzige Hoffnung besteht darin, so rasch wie möglich mit den Raum-Zeit-Ingenieuren Kontakt aufzunehmen. Nur gemeinsam mit den RZI habt ihr eine Chance, das Tiefenland vom Graueinfluss zu befreien.
Aber die RZI haben das Tiefenland bewusst geopfert, dachte Atlan bitter.
Das ist keinesfalls erwiesen, widersprach der Extrasinn. Unsere wenigen Informationen über die RZI erlauben noch kein abschließendes Urteil.
Plötzlich sah Atlan wieder das Traumbild der sterbenden Galaxis Cortrans vor sich. Es erschien ihm wie ein Symbol für den Niedergang des Tiefenlands und seiner Erbauer, der RZI.
Der Extrasinn hatte nichts für Symbole übrig. Ich habe inzwischen mit der Analyse aller vorliegenden Daten über den Komplex Tiefe und Raum-Zeit-Ingenieure begonnen. Ich bin zu einigen bemerkenswerten Erkenntnissen gelangt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist der vorzeitige Alterungsprozess der Galaxis Cortrans auf den Bau des Tiefenlands zurückzuführen ...
Intuitiv erfasste Atlan, worauf der Extrasinn hinaus wollte. Du glaubst, dass die RZI einen Großteil der Energien Cors in Materie umgewandelt und zum Bau des Tiefenlands verwendet haben?, dachte er. Natürlich! Das könnte erklären, wieso sich ein überaltertes Milchstraßensystem wie Cor in einem Cluster relativ junger Galaxien befindet!
Exakt, bestätigte der Logiksektor. Ich werde meine Analysen fortsetzen und sie zu gegebener Zeit in einem »Exkurs Tiefenland« zusammenfassen.
Atlan wartete, aber der Extrasinn gab keine weiteren Erklärungen ab.
Atlan öffnete die Augen. In einer Höhe von genau 2312 Metern spannte sich die lückenlose Wolkendecke, wie sie fast für das gesamte Tiefenland charakteristisch war. Auch hier schien es keine zentrale Lichtquelle zu geben; jeder Quadratkilometer Himmel verbreitete gleichbleibende Helligkeit, die etwa mit der eines irdischen Herbsttags vergleichbar war.
Von den quasi-psionischen Lichtfluten, mit denen das Reich der Raum-Zeit-Ingenieure sie beim Abstieg vom Grenzwall empfangen hatte, war nichts mehr zu bemerken.
Atlan richtete sich auf. Flüchtig nahm er zur Kenntnis, dass sich sein TIRUN farblich der Umgebung angeglichen hatte: Hellgolden wie der lichtdurchströmte, gläserne Boden, auf dem er lag; weiß wie die Wolkendecke über ihm. Licht und Wolken – das war alles, was die Ebene den Blicken bot.
Jen Salik und Tengri Lethos-Terakdschan saßen ein paar Schritte weiter auf der leuchtenden, endlosen Glasebene. Salik hatte ihm den Rücken zugedreht, doch die Emotioverbindung zwischen den TIRUNS schien ihm zu verraten, dass Atlan erwacht war, denn er drehte sich in diesem Moment zu ihm um.
»Gut geschlafen?«, fragte Jen Salik.
»Zu kurz«, gestand Atlan. »Ich fühle mich wie gerädert.«
»Vermutlich eine Nachwirkung des Graueinflusses«, bemerkte Lethos. »Ohne eure Zellaktivatoren hättet ihr euch nie so schnell von den Strapazen der letzten Wochen erholt.«
»Und du?« Atlan warf dem Hathor einen forschenden Blick zu. »Was ist mit dir?«
»Ich bin eine Bewusstseinsprojektion«, erinnerte Lethos-Terakdschan. Ein Lächeln huschte über sein smaragdgrünes, golden gemustertes Gesicht. Im Gegensatz zu Atlan und Salik trug er keinen TIRUN, sondern seine alte Hathor-Kombination; wie die TIRUNS hatte er sie in Form eines abstrahierten Gedankenmusters, eine Art mentale Blaupause, mit in die Tiefe genommen und später aus der Formenergie der Starsenmauer memoriert. »Außerdem«, fügte er hinzu, »wirkt das semi-organische Gewebe meiner Kombination wie ein Zellaktivator, sobald ich materielle Gestalt annehme.«
Atlan drehte den Kopf und betrachtete gedankenverloren die gigantische Bergkette des Grenzwalls; die höchsten Gipfel reichten bis zur Wolkendecke. Weiße Kappen, die an Schnee erinnerten, aber aus Formenergie bestanden, krönten diese Riesen aus Stahl und Silber, Zinn und Iridium, Kupfer, Gold und Titan, Zink, Bronze und Wismut. Farbenprächtige, gletscherähnliche Gebilde aus Formenergie wuchsen an schroffen Hängen empor; geschmolzenes Metall stürzte dampfend in bodenlose Abgründe; Klippen aus purem Weißgold reckten sich in schwindelerregende Höhen; Chromnadeln, jede mindestens zweihundert Meter hoch, überragten ein Plateau aus reinem Uran ...
Der Grenzwall war ein fast unüberwindliches Hindernis. Rechts und links setzte sich die Bergkette fort, bis sie in der Ferne verschwamm, und nach allem, was sie über den Grenzwall erfahren hatten, reichte er von einem Rand des Tiefenlands bis zum anderen. Eine lückenlose Barriere. Und selbst die niedrigsten Gipfel waren noch hoch genug, um von der Tiefenkonstante beeinflusst zu werden; es war unmöglich, sie zu besteigen.
Nur ein einziger Einschnitt – der Platinpass, der 1000 Kilometer westlich der Grauen Bergfestung den Wall spaltete – bot die Möglichkeit, knapp unterhalb des Wirkungsbereichs der Konstante den Wall zu passieren.
Atlan versuchte sich auszumalen, aus wie viel Milliarden Tonnen Metall der Grenzwall bestand. Er musste ein nahezu unerschöpfliches Rohstofflager sein – und die Lords von Ni nutzten diese Rohstoffe für ihre Rüstungsproduktion.
Ganz Ni war eine einzige Waffenschmiede ...
Wie lange wollt ihr denn noch herumlungern? Bis die Armeen der Lords über den Platinpass marschieren und mit der Eroberung der Lichtebene beginnen? Unter Rittern der Tiefe habe ich mir etwas anderes vorgestellt als drei verdammte Schafsköpfe, die dem Laster des Nichtstuns frönen. Handelt! Die kostbare Zeit verrinnt, und ihr trödelt nur herum! Ich frage mich wirklich, wie ihr unter diesen Umständen den Berg der Schöpfung erreichen wollt ...
Atlan löste den Blick vom Grenzwall und starrte die vorwitzige schwarze Schachtel an, die ein paar Meter entfernt in der Luft schwebte: Das Tabernakel von Holt.
Ist das alles, was du kannst?, zeterte das Tabernakel. Dämlich glotzen?
Der Arkonide lächelte humorlos.
Obwohl sich das Tabernakel mehrfach als wertvoller Helfer erwiesen und ihnen wichtige Informationen geliefert hatte, traute er dem mysteriösen Gebilde nicht über den Weg.
Gewiss, ohne das Tabernakel hätten sie nicht so rasch das Vertrauen der Archivare von Schatzen erringen können, doch der Tiefenplan im Innern des schwarzen Kastens hatte sich als armseliger Fund erwiesen. Und erst während der Abenteuer im Kyberland hatte das Tabernakel enthüllt, dass es vor langer Zeit von den RZI als Kundschafter nach Starsen geschickt worden war, um festzustellen, ob sich die Grube inzwischen wieder als Tor zum Normaluniversum nutzen ließ.
In den Augen des Arkoniden war das Tabernakel ein unsicherer Kantonist. Und er hatte guten Grund, an der Loyalität der schwarzen Schachtel zu zweifeln ...
Er lachte grimmig.