Matthias Bastigkeit

Mikronährstoffe sinnvoll kombinieren

Vitamine, Mineralstoffe und Basen kritisch unter der Lupe

Mikronährstoffe
sinnvoll

kombinieren

Inhalt:

Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente – was braucht mein Körper wirklich? Woher weiß ich, welche Menge sinnvoll ist und wie ich sie zuführen kann? Was darf kombiniert werden und was nicht? Wann ist eine Basentherapie sinnvoll? Welche Nährstoffe benötige ich etwa bei Diabetes? Matthias Bastigkeit zeigt auf, was Mikronährstoffe bewirken und räumt dabei auch mit Mythen auf. Er beleuchtet mögliche Wechselwirkungen, Synergieeffekte und zeigt, wie Betroffene ihre Krankheitsbehandlung mit Mikronährstoffen und einer Basentherapie gezielt unterstützen können. Ein praktischer Leitfaden für den gesunden Alltag und hilfreicher Ratgeber bei Erkrankungen von Kopfschmerz bis Rheuma.

Autor:

Matthias Bastigkeit, geboren 1965, ist für diverse schulische und universitäre Bildungsträger sowie Ärzte- und Apothekerkammern als Fachdozent für Pharmakologie tätig, u. a. am Asklepios-Klinikum Hamburg. Am Zentrum für Gesundheitsberufe in Hamburg ist er Dozent und Fachprüfer für den Bereich Anästhesie und operative Intensivmedizin. An der Berliner Akademie für Hausärztliche Medizin ist er Dozent für Stoffwechselkrankheiten. Als Medizinjournalist ist er Ressortleiter der Zeitschrift Rettungsdienst und redaktioneller Mitarbeiter der Zeitschrift Report Naturheilkunde sowie des DocCheck-Newsletters. Er ist Herausgeber und Autor mehrerer Fachbücher und Mitglied mehrerer Fachgesellschaften der Fachgebiete Pharmakologie, Naturheilkunde und orthomolekulare Medizin sowie der Gesellschaft für angewandte Vitaminforschung.

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Typografie & Satz: Hani Aghakhani

Umschlagfoto: © Unclesam, fotolia.com

Print-Ausgabe: ISBN 978-3-85175-957-0

E-Book: ISBN 978-3-99030-006-0

Auch als pdf erhältlich: ISBN 978-3-99030-007-7

E-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de

Vorwort

„Lass das Essen Deine Medizin sein und die Medizin Deine Nahrung.“

Hippokrates

Wer bei einem großen Onlinebuchversand das Stichwort „Vitamin“ eingibt, erhält fast 4.000 Ergebnisse, bei Mineralstoffen immer noch über 800. Warum also noch ein Buch zu diesem Thema?

Häufig werden Mikronährstoffe wie Vitamine und Mineralstoffe unter dem Gesichtspunkt der Ernährungswissenschaften beschrieben. Welche Symptome zeigen sich bei einem Mangelzustand und worin sind die Stoffe enthalten?

Dieses Buch widmet sich dem Thema aus orthomolekularer Sicht. Dabei geht es um die Synergieeffekte, die die Bausteine ausüben, wenn sie geschickt kombiniert werden. Dieses Puzzle der Mikronährstoffe wird hervorragend durch eine sinnvolle Basentherapie sowie durch Pflanzeninhaltsstoffe unterstützt. Diese Aspekte werden im Buch ausführlich beschrieben.

Noch etwas ist in diesem Buch anders: Es ist kritisch. Ich unterscheide klar zwischen durch Studien belegte Fakten oder dem Wissen der Erfahrungsheilkunde. Ziel ist es, mit Mythen aufzuräumen. Spinat enthält nur wenig Eisen, Calcium ist fragwürdig bei Allergien und einige Substanzen in Nahrungsergänzungsmitteln werden vom Körper gar nicht aufgenommen.

Im Krankheitsteil steht der Patient mit seiner Erkrankung im Mittelpunkt. Welche Nährstoffe braucht ein Diabetiker? Wie kann ein Schmerzpatient seine Therapie unterstützen? So ist das Buch auch gegliedert: Erst werden die Eigenschaften der Mikronährstoffe beschrieben und dann die Anwendungs- und Kombinationsmöglichkeiten bei Erkrankungen.
Ein Kapitel über Wechselwirkungen rundet die Reise durch die Welt der Mikronährstoffe ab.

Mit diesem Buch möchte ich dem interessierten Verbraucher, aber auch Fachleuten wie Ärzten, Apothekern und Ernährungswissenschaftlern, einen kritischen Ratgeber zur Verfügung stellen.

Dem facultas/maudrich-Verlag, namentlich Frau Dr. Sigrid Neulinger, danke ich für den Optimismus, ein weiteres „Vitaminbuch“ zu verlegen und meinem Lektor, Herrn Mag. Philipp Rissel, für die geduldige und akribische Durchsicht sowie seine konstruktive Kritik. Dank auch an meine Frau, Apothekerin Nicole Bastigkeit, für die Erstkorrektur.

Matthias Bastigkeit

Inhalt

Einleitung

I. Grundlagen der Mikronährstoffe

II. Vitamine

Vitamin A (Retinol)

Betacarotin und Carotinoide

B-Vitamine

Vitamin B9 (Folsäure)

Vitamin B12

Vitamin C (Ascorbinsäure)

Vitamin D

Vitamin E (Tocopherol)

Ubiquinon (Coenzym Q10) und Ubiquinol

III. Mineralstoffe und Spurenelemente

Mineralstoffe

Calcium

Magnesium

Spurenelemente

Eisen

Selen

Zink

IV. Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe

Antioxidantien

Flavonoide

Grapefruitkernextrakt

Cranberry

Adaptogene

Rosenwurz (Rhodiola rosea)

V. Basentherapie

Säure-Basen-Haushalt

Ursachen einer Übersäuerung

Diagnose der chronisch latenten Acidose

Erkrankungen und Acidose

Basentherapie bei Niereninsuffizienz

Basentherapie bei Dialysepatienten

Basentherapie bei chronischen Schmerzen

Basentherapie und Migräne

Basentherapie bei Muskelerkrankungen

Basentherapie bei Rheuma und Arthrose

Basentherapie bei Osteoporose

Basentherapie bei Allergien

Basentherapie und Krebs

Basentherapie bei Herzerkrankungen

Basentherapie bei Diabetes

Basentherapie bei Gicht

Basentherapie bei entzündlichen Darmerkrankungen (CED)

Basentherapie bei Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse

Basentherapie bei Magenerkrankungen

Basentherapie in der Schwangerschaft

Therapie einer latenten Acidose

VI. Erkrankungen/Lebensabschnitte und sinnvolle Mikronährstoffkombinationen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Diabetes

Gicht

Nierenerkrankungen

Magen-Darm-Erkrankungen

Schilddrüsenerkrankungen

Rheuma, Arthritis, Osteoporose

Kopfschmerz und Migräne

Augenerkrankungen: Trockene Augen und AMD

Schwangerschaft und Stillzeit

VII. Mikronährstoffe und Arzneimittel

Mikronährstoffdefizite durch Arzneimittel

Beeinflussung der Arzneistoffwirkung durch Mikronährstoffe und/oder Nahrung

Anhang

Tabellen

Literatur

Glossar

Sachregister

Einleitung

Basentherapie und Mikronährstoffe

Drei Säulen bilden die Grundlage der Ernährungsmedizin: Die Komplementärmedizin als Basis, die orthomolekulare Medizin und die Welt der Mikronährstoffe.
Die Komplementärmedizin fasst diagnostische und therapeutische Maßnahmen, die sich teilweise aus der Naturheilkunde und Erfahrungsmedizin, der Mikronährstofftherapie, der Ernährungsmedizin und verschiedenen Behandlungsmaßnahmen herleiten, zusammen. Bestandteile können die Homöopathie, die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), die antroposophische Medizin und die Basentherapie sein.

Der Begriff orthomolekulare Medizin leitet sich aus dem griechischen , orthós ab, das soviel wie „richtig“ bedeutet. Molekular kommt aus dem Lateinischen und steht für „Baustein“.
Diese Therapierichtung ist eine maßgeblich vom zweifachen Nobelpreisträger Linus Pauling beeinflusste alternativmedizinische Methode. Im Mittelpunkt steht die (oft hoch dosierte) Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen zur Vermeidung und Behandlung von Krankheiten.
Die orthomolekulare Medizin arbeitet mit Mikronährstoffen. Dabei handelt es sich im Gegensatz zu den Makronährstoffen Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße um Stoffe, die der Stoffwechsel mit der Nahrung aufnehmen muss, ohne dass sie Energie liefern.

Ziel dieses Buches ist es, Wege aufzuzeigen, wie sich die Basentherapie effizient mit Mikronährstoffen kombinieren lässt und umgekehrt.

Neben den Mikronährstoffen gibt es bei vielen Erkrankungen einen kleinsten gemeinsamen Nenner: den pH-Wert der Körperflüssigkeiten, der Organe und des Gewebes.

Bereits etwa 400 Jahre vor Christus beschrieb Hippokrates, der Urvater aller Ärzte, das Problem der Übersäuerung des Körpers. „Von allen Zusammensetzungen unserer Körpersäfte wirkt sich die Säure zweifellos am schädlichsten aus.“
Geradezu frappierend prägnant formulierte Hippokrates die heutige orthomolekulare Medizin, die damals so noch gar nicht existierte: „Lass das Essen Deine Medizin sein und die Medizin Deine Nahrung.“
Obwohl der berühmte Arzt den Zusammenhang zwischen Nahrung und Gesundheit bereits vor über 2500 (!) Jahren erkannte, ist das Zitat und die sich daraus ableitende Erkenntnis brandaktuell.
Damit die orthomolekulare Medizin effizient wirken kann, muss der richtige „Baustein“ in der richtigen Form an die richtige Stelle im Körper gebracht werden. Erst durch die richtige Kombination von Vitaminen, Mineralien, Pflanzeninhaltsstoffen und Basen ergeben sich immense Synergieeffekte. Dieses Buch zeigt diese Effekte auf, ohne dabei unkritisch mit dem Thema umzugehen.

I. Grundlagen der Mikronährstoffe

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I. Grundlagen der Mikronährstoffe

Natur pur oder Saft und Pille?

Gemüse und Obst sind das A und O einer ausgewogenen Ernährung. Sie tragen viele Mikronährstoffe in sich und sorgen dafür, dass es dem Körper gut geht.

Zu den Mikronähstoffen zählen Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe. Gerade die letzte Gruppe ist riesig: über 30.000 Verbindungen lassen sich identifizieren. Im Gegensatz zu den Makronährstoffen Fette, Kohlehydrate und Eiweiße haben die Mikronährstoffe keinen Brennwert, liefern also keine Kalorien.

Mikronährstoffe: Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe

Studien haben gezeigt, dass die Aufnahme von Gemüse und Obst das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes mellitus Typ 2 reduzieren (World Cancer Research Fund 1997, Williams 1999, Joshipura 2001, Liu 2001, Terry 2001). Für diese vorbeugende Wirkungen sind neben den essenziellen Nährstoffen wahrscheinlich auch Ballaststoffe und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe mit verantwortlich.

Doch wie kann man dem Körper Mikronährstoffe am besten zuführen?

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Dafür gibt es drei Möglichkeiten:

• Essen von Gemüse und Obst in roher Form

• Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln, die aus Extrakten von Gemüse und/oder Obst hergestellt werden

• Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln/Arzneimitteln, die Mikronährstoffe als chemische Substanzen enthalten.

Sind Bioextrakte besser als Vitamine & Co aus der Retorte?

Vom Gefühl her ist es für den Körper natürlicher, wenn er eine Kapsel schluckt, in der Vitamin C enthalten ist, das direkt aus Zitrusfrüchten gewonnen wurde. Harte Fakten existieren dafür nicht! Um diese Frage beantworten zu können, sehen wir uns die Bioverfügbarkeit eines Stoffes an. Bioverfügbar ist das, was nach der Verdauung am Wirkort ankommt und seine Wirkung entfaltet.

Ein wesentlicher Aspekt für die Wirksamkeit ist deshalb die Bioverfügbarkeit eines Stoffes. Der Weg beginnt im Magen und/oder Darm mit der Resorption, dann kommen die Verteilung, die Umwandlung und die Wirkung am Wirkort. Was dort ankommt, ist bioverfügbar. Für die ernährungsphysiologisch wirksamen Inhaltsstoffe von Nahrungsergänzungsmitteln mit Bioextrakten fehlt in aller Regel der Nachweis der Bioverfügbarkeit. Sie sind meist erheblich teurer, vermutlich aber nicht besser als die chemisch hergestellte Substanz.

Für Apfelsaft ist beispielsweise bekannt, dass über 80 % der Flavonoide beim Pressvorgang im Apfeltrester verbleiben und nur ca. 20 % in den Saft übergehen (van der Sluis 1997).

Nicht alle Nahrungsergänzungsmittel sind empfehlenswert

„Bei Nahrungsergänzungsmitteln auf der Basis von Gemüse- und Obstextrakten fehlt gegenwärtig in der Regel der wissenschaftliche Nachweis der behaupteten gesundheitlichen Wirkungen. Die Übertragung wissenschaftlicher Befunde aus Studien, die direkt die Wirkung von Obst und/ oder Gemüse untersucht haben, auf Nahrungsergänzungspräparate ist wissenschaftlich nicht zulässig. Der Nachweis einer gesundheitlich relevanten Wirkung muss jeweils für das einzelne Nahrungsergänzungspräparat erbracht werden, da ansonsten der Verbraucher irregeführt und getäuscht wird“, so Dr. Bernhard Watzl und Prof. Dr. Gerhard Rechkemmer vom Institut für Ernährungsphysiologie in Karlsruhe.

Natur oder Chemie?

Es besteht ein großer Unterschied zwischen der Ascorbinsäure aus einer Kapsel und dem, das mit (nicht aus!) einem Apfel aufgenommen wird. Diese Sichtweise ist zwar nicht falsch, aber zu einseitig betrachtet. Um die Mangelerkrankung Skorbut zu vermeiden, ist es gleichgültig, ob die Ascorbinsäure aus dem Apfel kommt, mit Apfel gegessen wird oder chemisch gewonnen wurde. Betrachtet man die antioxidativen und tumorhemmenden Effekte von Ascorbinsäure, besteht hingegen ein großer Unterschied hinsichtlich Herkunft und Umfeld.

Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

• 100 g frischer Apfel enthalten knapp 6 mg Vitamin C, die antioxidative Aktivität entspricht jedoch 1.500 mg isoliertem Vitamin C.

• Reines Vitamin C besitzt keine tumorhemmenden Eigenschaften, Vitamin C aus (und mit) dem Apfel schon. (Eberhardt 2000)

Was ist das Besondere daran? Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, Flavonoide und Fruchtsäuren ergeben einen Mix, der mit der Summe der chemischen Bestandteile nicht vergleichbar und nicht verwechselbar ist.
Frucht- bzw. Apfelsäfte tragen diese Stoffe in sich. Sie sind wichtige Bestandteile einer gesunden Ernährungsweise. In Österreich beträgt der Pro-Kopf-Verbrauch von Fruchtsäften 25,8 Liter pro Jahr.

Gerade für Kinder ist eine gesunde und ausgewogene Ernährung wichtig. Spezielle Nahrungsergänzungsmittel für Kinder wurden auf ihren Gehalt an Vitamin B1, B2, B6, Pantothensäure und Folsäure untersucht. Die Analyse der Vitamine in den fünf flüssigen Getränkeproben ergab 13 Unterdosierungen, sechs Überdosierungen und nur in zwei Fällen wurden keine Abweichungen gegenüber den deklarierten Werten festgestellt. Unter Berücksichtigung der vom Bundesministerium für Gesundheit und Frauen festgelegten Toleranzgrenzen der Gehalte von -15 % bzw. +30 % entsprachen zwölf von 21 Messergebnissen den etikettierten Werten. Eine exakte Übereinstimmung fand sich nur bei zwei Vitamingehalten. Bei den fünf festen Proben (= Tabletten) wurden 14 Unterdosierungen, sieben Überdosierungen und nur eine vollständige Übereinstimmung mit den angegebenen Vitamingehalten festgestellt. 16 Vitamingehalte der insgesamt 22 Analysen entsprachen unter Berücksichtigung der empfohlenen Toleranzgrenzen den deklarierten Werten. Nur bei einer der 22 Analysen wurde hinsichtlich eines Vitamins der deklarierte Gehalt nachgewiesen. Die Auswertung eines Ernährungsplans diente dazu, die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Vitamin-Supplementierung bei Kindern kritisch zu betrachten.

Lassen Sie sich in der Apotheke oder von anderen Fachleuten beraten. Die Zusammensetzung von Nahrungsergänzungsmitteln sollte einerseits hinsichtlich der Menge den Empfehlungen der Ernährungsgesellschaften entsprechen. Andererseits sollte die Qualität der Inhaltsstoffe eine gute Aufnahme (Bioverfügbarkeit) in den Körper gewährleisten.

II. Vitamine

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II. Vitamine

Das Wort „Vitamin“ setzt sich zusammen aus dem lateinischen vita (Leben) und amin, was auf die chemische Struktur einer Stickstoffverbindung hinweist. Vitamine erfüllen zahlreiche wichtige Aufgaben im Körper. Sie sind an der Bildung von Hormonen beteiligt, helfen bei der Entgiftung, sind an der Umwandlung von Nahrung in Energie beteiligt. Außerdem sind sie für die Immunabwehr und den Aufbau von Körpergewebe zuständig. Man unterscheidet grundsätzlich in wasser- und fettlösliche Vitamine. Die wasserlöslichen Vitamine (B-Gruppe, C und Biotin) werden bei einem Überangebot ausgeschieden. Die fettlöslichen (A, D, E und K) können sich im Körper anreichern. Viele Vitamine agieren nur in Verbindung mit anderen Mikronährstoffen effizient. Gerade deshalb ist eine ausgewogene Kombination sinnvoll.

Vitamine wandeln Nahrung in Energie um, unterstützen die Immunabwehr und bauen Körpergewebe auf

Vitamin A (Retinol)

Vitamin A findet sich zum Beispiel in:
Karotten, Kürbis, Spinat, Leber

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Vitamin A ist der Überbegriff von natürlichen und synthetischen Substanzen, die eine biochemisch verwandte Struktur, jedoch unterschiedliche Wirkungsweisen besitzen.

Verwandt mit Vitamin A sind die sog. Retinoide (Derivate des Vitamin A), zu diesen gehören Retinol, Retinylester und Retinal. Betacarotin zählt zu dem erweiterten Formenkreis des Vitamin A und wird auch als Provitamin A bezeichnet.

Vitamin A wird überwiegend aus dem Abbau von Carotinoiden gebildet. Der Umbau des Provitamins A erfolgt im Darm und in der Leber.

Vitamin A erfüllt wichtige Aufgaben im Körper und ist für die unterschiedlichsten Vorgänge bedeutsam:

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Aufgaben im Körper

• Sehvorgang

• Immunsystem

• beim Ungeborenen: Entwicklung des Skelettsystems, des Neuralrohrs und von Organen

• Zellwachstum und -schutz

• Knochenwachstum

• Hormonstoffwechsel (Schilddrüsenhormone, Testosteron u. a.)

• Eisentransport

• Entgiftungsfunktion der Leber

• Krebsschutz der Haut

Bei Vitamin A-Mangel drohen mannigfaltige Probleme:

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Symptome bei Mangel

• Degeneration der Hornhaut des Auges

• Nachtblindheit

• Trockene Augen

• Wachstumsstörungen bei Kindern

• Appetitlosigkeit

• gesteigerte Infektanfälligkeit

• Lebererkrankungen

• verminderte Spermienaktivität

• Zahn- und Knochenwachstum kann vermindert werden

• Überfunktion der Schilddrüse

Die empfohlene Tagesmenge ist z. B. enthalten in Karotten:

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50 g pro Tag

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1 Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert.

2 Ca. 70 μg Retinol-Äquivalente-Zulage pro 100 g sezernierte Milch.

Die biologische Wirkung von Vitamin A wird in Internationalen Einheiten (IE) beziehungsweise in Retinol-Äquivalenten (RÄ) angegeben: 3,33 IE Vitamin A = 1 μg Retinol = etwa 6 μg Carotin.

Die Wirkung von Vitamin A im Körper wird in sogenannten Internationalen Einheiten (IE) angegeben

Die Menge von 1 μg Retinol wird als 1 μg Retinol-Äquivalent (RÄ) bezeichnet.

Vitamin-A-Mangel kann auch eine ernährungsbedingt erworbene Immunschwäche sein. Selbst Kinder mit einem nur geringen Mangel zeigen im Vergleich zu Kindern, die ausreichend Vitamin A aufnehmen, eine erhöhte Anfälligkeit für Atemwegs-Erkrankungen und Durchfall. Außerdem sterben sie häufiger an Infektionskrankheiten.

Vitamin A und Auge

Für den Sehvorgang ist Retinol von großer Bedeutung. Retinal, ein Abkömmling des Vitamin A, verbindet sich mit dem Protein Opsin in den Stäbchen der Netzhaut. Opsin wird gerne als Sehpurpur bezeichnet. Einfallendes Licht löst eine chemische Reaktion aus und bildet Opsin. Dies löst eine Signalkette aus, die den Sehnerv erreicht. Bei einem Mangel an Vitamin A wird auch zu wenig Opsin gebildet. Die Folge ist eine Sehminderung bei Dunkelheit (Nachtblindheit), eine Ermüdung der Augen und eine Verhornung der Sehzellen.

Vitamin A unterstützt die Bildung von Opsin („Sehpurpur“) wesentlich

In Österreich leidet etwa ein Viertel der über 75-Jährigen an einer altersabhängigen Makuladegeneration (AMD). Die Makula der Augen ist reich an Lutein und Zeaxanthin, aber nicht an anderen Carotinoiden.

Bei den meisten Betroffenen handelt es sich um die „trockene“ Form der AMD. Unter den Sehzellen der Netzhaut lagern sich Stoffwechselabfälle ab und führen langsam zu ihrem Funktionsverlust und damit zum Nachlassen der Sehschärfe. Bei der „feuchten“ Form der AMD kann die Sehschärfe dagegen innerhalb kurzer Zeit verloren gehen. Blutgefäße der Aderhaut wachsen in den zentralen Sehfleck (Makula) ein und lassen die Netzhaut anschwellen. Bestimmte Patientengruppen mit Makuladegeneration profitieren in begrenztem Ausmaß von der regelmäßigen Einnahme von Vitamin C, E oder Betacarotin gemeinsam mit dem Spurenelement Zink.

Damit Verletzungen der Schleimhaut des Auges schneller heilen, können Augenarzneimittel mit Vitamin A empfohlen werden. Sie eignen sich ebenfalls für die Nachbehandlung von Hornhautentzündungen. Diese Präparate lindern auch Austrocknungserscheinungen der Hornhaut. Sie sollen die Regeneration des Auges nach Bindehautentzündungen oder kleineren Hornhautverletzungen beschleunigen. Allerdings ist ihr Nutzen klinisch bisher nicht eindeutig erwiesen.

Vitamin A und Masern

Alle Kinder in Entwicklungsländern, die an Masern erkranken, sollten den Empfehlungen der WHO zufolge Vitamin A erhalten. Dieses reduziert nicht nur das Risiko für Augenschäden und Erblindungen, sondern auch die Sterblichkeit um etwa 50 %.

Vitamin A und Infektionen

Vitamin A ist als Anti-Infektionsvitamin bekannt. Es ist wichtig für die normale Funktion vieler Abläufe des Immunsystems. Die Haut und die mukosalen Zellen, die Atemwege und den Magen-Darm-Trakt sowie die harnableitenden Wege auskleiden, bilden die erste Verteidigungslinie des Körpers gegen eine Infektion. Vitamin A und seine Abkömmlinge sind erforderlich, um die Schutzfunktion dieser Zellen zu erhalten. Außerdem spielen Vitamin A und Retinsäure eine Rolle in der Entwicklung weißer Blutzellen (Lymphozyten).

Als Anti-Infektions-Vitamin bekannt: Vitamin A

Vitamin A und Schlaganfälle

Vitamin A kann Schlaganfälle nicht verhindern, das haben drei Interventionsstudien bestätigt. Dafür erhöhte Vitamin A in acht anderen Studien die Sterberate um 7 %, und in sechs weiteren Studien starben Teilnehmer mit Vitamin A-Supplementation 10 % häufiger an kardiovaskulären Erkrankungen.

Vitamin A und Schwangerschaft

Sowohl ein Vitamin A-Überschuss als auch ein Mangel im Plasma der Mutter kann zu Gesundheitsschäden für das ungeborene Kind führen.

Ausreichende Konzentrationen von Retinol sind für eine normale embryonale Entwicklung erforderlich. Außerdem reguliert eine Retinsäure das Wachstumshormon.

Die in verschiedenen Medien publizierte Schreckensmeldung, Vitamin A sei genauso gefährlich wie Contergan, ist sachlich falsch, dies stellt der Arbeitskreis Ernährungs- und Vitamin-Information (evi) in einer Pressemitteilung klar. Nur bei Einnahme von Retinoiden müsse eine Schwangerschaft wegen Teratogenität ausgeschlossen werden. Retinoide sind Derivate des Vitamin A, sie unterliegen der Verschreibungspflicht. Sie werden u. a. in der Therapie schwerster Akne eingesetzt.

Vitamin A selbst ist in begrenzter Menge (3000 IE) für den normalen Verlauf einer Schwangerschaft notwendig und nach derzeitigem Kenntnisstand sind bis zu 10.000 IE für das Ungeborene unbedenklich, so der Arbeitskreis weiter. Bei handelsüblichen Produkten werde dem Rechnung getragen. Freiverkäufliche Multivitaminpräparate sind in der Regel frei von Vitamin A. Apothekenübliche Multivitamin-Präparate können laut evi Vitamin A enthalten, jedoch nur in auch für Schwangere vertretbaren Dosen von maximal 5000 IE.

Betacarotin und Carotinoide

Betacarotin und Carotinoide finden sich zum Beispiel in:
Tomaten, Karotten, Spinat, Brokkoli, Kürbis, Aprikosen, Birnen

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Carotinoide und Sonne

Carotinoide werden von Pflanzen gebildet, man kennt mehr als 600 verschiedene. Sie sind sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe, die zum Beispiel als Lycopin in Tomaten oder als Betacarotin in Karotten vorkommen. Lycopin und Betacarotin können vor UV-Strahlung, vor Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen. Sie tun dies, indem sie zu Vitamin A umgewandelt werden, das zellschädigende freie Radikale hemmt.

Nützliche Carotinoide: Sie können vor UV-Strahlung, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen

Wie verhält es sich mit dem Schutz vor UV-Licht genau? Studien geben dazu Auskunft: Bei einer Supplementierung von Betacarotin im Dosisbereich von 24 mg pro Tag über 12 Wochen konnten Schutzeffekte erzielt werden. Nach ca. 8 Wochen Einnahme wurde eine deutliche Verminderung einer UV-Licht-induzierten Hautrötung (Sonnenbrand) im Vergleich zur Kontrolle festgestellt. Dieser Effekt war nach 12-wöchiger Gabe von Betacarotin noch stärker ausgeprägt. Die Schutzwirkung lässt sich durch die Kombination von Betacarotin mit Tocopherol noch steigern. Der durch die Einnahme von Carotin erhaltene Sonnenschutzfaktor lag bei etwa 2–3. Die Daten zeigen, dass ein oraler Sonnenschutz mit Carotinoiden also grundsätzlich möglich ist.

Forscher der Universitäten in Witten-Herdecke und Düsseldorf haben in Zusammenarbeit mit niederländischen Kollegen herausgefunden, dass auch Tomatenmark vor Sonnenschäden schützen kann. Sie testeten die Schutzwirkung an 19 Versuchspersonen. Eine Gruppe der Testpersonen verzehrte täglich 40 Gramm Tomatenmark zusammen mit 10 Gramm Olivenöl. Eine Kontrollgruppe erhielt nur das Öl. Das Ergebnis nach zehn Wochen: Die Haut der „Tomatenmarkgruppe“ war besser vor Sonnenbrand geschützt. Der aufgebaute Sonnenschutzfaktor lag bei allen Personen zwischen zwei und drei. Nach Ansicht der Wissenschaftler ersetzt das zwar keine Sonnencreme, ein erhöhter Grundschutz für besonders sonnenempfindliche Menschen ist jedoch möglich.

Über die normale Nahrung hingegen können Carotinoide nicht als Überschuss aufgenommen werden. Natürliche Carotinoide in Gemüse sind kein ausreichender Schutz vor der Sonne.

Eine Lokaltherapie mit Lycopin reduzierte die Hautrötungen durch UV-Strahlung signifikant stärker als Placebo und immer noch deutlicher als die lokale, kombinierte Applikation von Vitamin E und C.

Im Experiment wirkten Carotinoide darüber hinaus bei Entzündung sowie auf das Immunsystem.

Betacarotin und Rauchen

Für Raucher ist das Nahrungsergänzungsmittel Betacarotin nicht ohne Risiko. Bereits bei einer täglichen Dosis von 20 mg wurde im Zusammenhang mit Rauchen eine gesundheitsschädliche Wirkung beobachtet. In manchen A-C-E-Säften sind bis zu 36 mg enthalten. Rauchern möchte ich daher von dieser Kombination eher abraten.

Raucher sollten nur wenig Betacarotin zu sich nehmen!

Betacarotin kann Lunge und Prostata krank machen

In der ATBC-Studie (1994) und der CARET-Studie (1996) wurden 20 bzw. 50 mg Betacarotin im Vergleich zu Placebo über fünf bis acht bzw. vier Jahre an Raucher verabreicht.

In der Carotingruppe beider Studien war die Lungenkrebsrate erheblich höher als in den Placebogruppen. Vermutlich führen nicht Betacarotin, sondern die Oxidationsprodukte des Betacarotins über verschiedene tumorfördernde Mechanismen zu einem erhöhten Lungenkrebsrisiko bei noch aktiven Rauchern. Es existieren ältere Studien, die dem Carotin auch bei Rauchern einen tumorprotektiven Effekt aussprechen. Dennoch sollten Raucher mit der Einnahme sehr zurückhaltend sein.

Besonders kritisch scheint die Kombination Rauchen und Alkohol zu sein. In der ATBC-Studie stieg auch das Risiko für Prostatakrebs.

Dennoch wird weiterhin zur allgemeinen Prävention die tägliche Verabreichung von 5–20 mg Carotinoidkomplex empfohlen, nur Raucher sollten darauf verzichten. Auf dem Markt sind Vitaminpräparate erhältlich, in denen die Dosierungen bis zu 10.000 % über der Empfehlung liegen.

B-Vitamine

Keine Vitamingruppe ist so groß wie die der B-Vitamine, auch keine ist so heterogen hinsichtlich ihres Nutzens und der Schädlichkeit.

„Vitamin B-Präparate: B-scheuert“, titelte die Zeitschrift Ökotest provokativ und veröffentlichte einen kritischen Beitrag zu dieser größten Gruppe der Vitamine. Besonders ungünstig kommen Vitamin B6 und Nikotinsäure davon, weil sie in hohen Dosen negative Effekte haben können. In allen 19 getesteten Produkten sind einzelne Vitamine überdosiert. Die Folge: Nur vier Mal steht unter dem Strich ein „gut“, zehn Mittel fallen hingegen mit „mangelhaft“ oder gar „ungenügend“ durch. „Da die Versorgung der hiesigen Bevölkerung mit den meisten B-Vitaminen gut ist, dürfte selbst die Einnahme hoch dosierter Vitamine nicht die Leistungsfähigkeit explodieren lassen oder das Wohlbefinden verbessern“, so resümierten die Tester.

Sowohl den Test als auch Einzelaussagen muss man sehr differenziert betrachten. Dabei müssen die Indikationen „Vorbeugung vor Mangel“ und „Therapeutische Effekte“ im Rahmen der orthomolekularen Medizin getrennt werden. 10 g Salz in der Suppe sind zu viel, zum Kochen von Nudeln ist die Menge genau richtig. Für den Konsumenten ist jedenfalls Vorsicht geboten: Im Bereich der B-Vitamine strotzen die Aussagen der Hersteller nicht selten vor Werbelyrik. Hier muss klar zwischen volksnaher Empirie und evidenzbasierter, geprüfter Medizin unterschieden werden. Auf zweiterer Basis sollen die B-Vitamine an dieser Stelle auch bewertet werden.

Auf alle B-Vitamine ausführlich einzugehen, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Die zwei wichtigsten B-Vitamine, Vitamin B9 (Folsäure) und Vitamin B12 (Cobalamin), und ihre Wirkungen auf den Körper möchte ich Ihnen im Anschluss genauer vorstellen.

Die beiden wichtigsten B-Vitamine: B9 (Folsäure) und B12 (Cobalamin)

Überblick über die B-Vitamine

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Überblick über die B-Vitamine

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Vitamin B9 (Folsäure)

Vitamin B9 findet sich zum Beispiel in:
Weizenkeimen, Kürbis, Champignons, Leber, Spinat, Avocado

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Der Oberbegriff zur Folsäure – Folat – umfasst die Summe der folatwirksamen Verbindungen, die natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen können. Folsäure hingegen ist vollständig oxidiert und synthetisch hergestellt. Der Körper wandelt Folsäure in ihre aktive Wirkform, Folat, um. Folat ist ein wasserlösliches Vitamin, das in den 1940er-Jahren entdeckt wurde. Der Name Folat leitet sich vom lateinischen Begriff „folium“, das Blatt, ab, da das Vitamin zuerst aus Spinat isoliert wurde.

Folate sind oxidations-, hitze- und lichtempfindlich sowie wasserlöslich. Aus diesem Grund kann es bei der Zubereitung und Verarbeitung folathaltiger Lebensmittel zu sehr hohen Vitaminverlusten kommen, die zwischen 35 und 70 % liegen können.

Eine knappe, aber treffende Beschreibung weist Folsäure als das Fortpflanzungsvitamin aus. Aber nicht nur: als Partner von Vitamin B12 hat es auch Einfluss auf die Vorbeugung von Gefäßerkrankungen.

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Aufgaben im Körper

• Vor und während der Schwangerschaft, während der Stillzeit:

• Primärprophylaxe von Neuralrohrdefekten

• Deckung des erhöhten Bedarfs

• Verbesserung der Spermienaktivität

• Zur Nahrungsmittelergänzung:

• Prävention von Krebs (nicht belegt)

• Depressionen

• Herz-Kreislauf-Erkrankungen

• Schlaganfall

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Ursachen für einen Folsäuremangel

• Fehl- oder Mangelernährung

• Alkoholismus

• Absorptionsstörungen bei Erkrankungen im Verdauungstrakt (Sprue, Zöliakie, Morbus Crohn)

• Medikamente (Folatantagonisten)

• erhöhter Bedarf während des Wachstums, der Schwangerschaft, Stillzeit und bei hämolytischer Anämie

• Rauchen

In den USA sind seit 1998 alle Hersteller verpflichtet, bereits mit Mikronährstoffen angereicherte Produkte wie Mehle, Brote, Brötchen, Stärkemehle, Maisgrütze, Maismehle, Reis und Nudelprodukte zusätzlich mit Folsäure anzureichern. Warum ist das so wichtig und für wen? Einerseits denkt man an die Vermeidung von Organschäden des ungeborenen Kindes, andererseits aber soll Schlaganfällen vorgebeugt werden.

Die empfohlene Tagesmenge ist z. B. enthalten in Spinat:

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100 g pro Tag

Empfohlene Tageszufuhr laut D-A-CH

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1 Berechnet nach der Summe folatwirksamer Verbindungen in der üblichen Nahrung = Folat-Äquivalente (gemäß neuer Definition)

2 Berechnet für Jugendliche und Erwachsene mit überwiegend sitzender Tätigkeit (PAL-Wert 1,4)

3 Hierbei handelt es sich um einen Schätzwert

4 Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, sollten zusätzlich 400 μg synthetische Folsäure (= Pteroylmonoglutaminsäure/PGA) in Form von Supplementen aufnehmen, um Neuralrohrdefekten vorzubeugen. Diese erhöhte Folsäurezufuhr sollte spätestens 4 Wochen vor Beginn der Schwangerschaft erfolgen und während des ersten Drittels der Schwangerschaft beibehalten werden.

D-A-CH-Referenzwerte der DGE, ÖGE, SGE/SVE © DGE

Folsäure und Schwangerschaft

Die Folatzufuhr der Deutschen liegt größtenteils unter dem D-A-CH-Referenzwert von 400 μg pro Tag. Durch eine rechtzeitige Aufnahme von Folsäure in der Frühschwangerschaft könnten bis zu drei Viertel aller Neuralrohrdefekte (offener Rücken, Spina bifida) verhindert werden. Doch nicht nur zur Prophylaxe von Neuralrohrdefekten hat sich Folsäure bewährt. Eine jetzt im Britischen Ärzteblatt veröffentlichte bevölkerungbasierte Fall-Kontroll-Studie hat gezeigt, dass auch die Inzidenz von Gaumenspaltenbildungen und Gesichtsschäden gesenkt werden könnte. Der Autor Willcox errechnete, dass die Supplementierung mit wenigstens 400 μg das Risiko auf eine Gaumenspaltbildung um 39 % senkt. Bei rechtzeitiger Einnahme von mindestens 400 μg Folsäure kann außerdem das Risiko für angeborene Herzfehler um 26 % und für Defekte an der Herzscheidewand um 40 % gesenkt werden.

Vitamin B9 (Folsäure), besonders wichtig in der Schwangerschaft: Es verhindert bis zu drei Viertel aller Neuralrohrdefekte beim ungeborenen Kind

In einer irischen Fall-Kontroll-Studie (Daly 1995) wurde eine direkte Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen dem Folatgehalt der roten Blutkörperchen und dem Risiko für Neuralrohrdefekte (NRD) gezeigt. Frauen mit dem niedrigsten Folatgehalt (< 150 μg/L) in den roten Blutkörperchen hatten ein achtfach höheres Risiko, ein Kind mit NRD zu gebären, als Frauen in der Gruppe mit den höchsten Folatgehalten.

Folsäure muss, wie eingangs erwähnt, im Körper erst in seine aktive Wirkform Folat umgewandelt werden. Bei 50 % der Frauen ist die dafür nötige Enzymaktivität aber eingeschränkt. Deshalb ist es sinnvoll, ergänzend zur Folsäure das bioaktive 5-MTHF (Folat, Metafolin®) zu supplementieren oder es als Monosubstanz (Einzelwirkstoff) zuzuführen.

Angaben zum Folat-Gehalt erfolgen als Folat-Äquivalent [μg], wobei die Umrechnung folgendermaßen aussieht:

1 μg Folat-Äquivalent = 1 μg Nahrungsfolat = 0,5 μg synthetische Folsäure.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, zusätzlich 400 μg Folsäure in Form von Supplementpräparaten aufzunehmen.

In der Schwangerschaft liegt der Folatbedarf noch höher. Die erhöhte Folsäurezufuhr sollte spätestens vier Wochen vor Beginn der Schwangerschaft erfolgen und während des ersten Drittels der Schwangerschaft beibehalten werden. Das Risiko der Folsäureübersupplementierung ist gering.

Folsäure und Spermienqualität

Folsäure ist nicht nur für Frauen mit Kinderwunsch ein Muss. Auch Männer profitieren von einer Einnahme. In einer Studie von Suzanne Young von der Universität Kalifornien wurde die Spermienqualität von Männern in Verbindung mit ihren Folsäurewerten verglichen.

Nach Berücksichtigung anderer Faktoren wie Alter, Alkoholkonsum und Begleiterkrankungen hatten Männer mit der höchsten Folsäurezufuhr (722–1150 μg/Tag) zu 2–30 % weniger Spermien mit Chromosomenanomalien im Ejakulat als Männer mit der geringsten Folsäurezufuhr. Pro 100 μg Folsäure sank das Risiko um 3,6 %. Für antioxidative Vitamine (C, E und Betacarotin) und Zink wurde keine Assoziation gefunden.

Folsäure bei Herzerkrankungen und Schlaganfällen

Folat ist notwendig für den Abbau der Aminosäure Homocystein. Erhöhte Homocysteinkonzentrationen im Blut begünstigen vermutlich die Entstehung von Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall, Depressionen und Altersdemenz. Ein Mangel kann möglicherweise außerdem bestimmte Krebsarten (Dickdarmkarzinome) begünstigen.

Sinnvoll: Folat baut Homocystein im Körper ab

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Aufschlussreiche Ergebnisse aus Studien:

• Die Zahl der tödlichen Herzinfarkte und Schlaganfälle sank 1998, dem Jahr der flächendeckenden Anreicherung von Mehl in den USA, um circa 25.000 Fälle (3,4 %) gegenüber 1997.

• In einer Studie von Yang wurde gezeigt, dass seit Beginn der Anreicherungsmaßnahme pro Jahr 31.000 Todesfälle durch Schlaganfall und 17.000 Todesfälle durch Ischämische Herzerkrankungen haben verhindert werden können.

• Forscher analysierten das Nationale Sterberegister in den USA von 1990 bis 2001 auf die Veränderung der Todesraten für Erkrankungen des Blutgefäßsystems und Schlaganfall bei Personen ab 40 Jahren. Die Auswertung ergab, dass die Folsäurezugabe zum Mehl in der Bevölkerung zu einer Verdoppelung der durchschnittlichen Serumfolatkonzentration von 6,6 ng/ml auf ca. 15 ng/ml geführt hat. Parallel fiel der Serumhomocysteinwert von durchschnittlich 9,6 auf 8,3 μmol/l ab. Die Todesrate für Schlaganfall war in den drei Jahren nach Beginn der Anreicherungsmaßnahme (1999–2001) im Vergleich 10–15 % niedriger als in den drei Jahren (1994–1997) vorher. Vor 1997 betrug die Todesrate pro Jahr ca. 1 %, während sie danach pro Jahr um 4,5 % abfiel. Diese Tendenz galt sowohl für beide Geschlechter als auch Farbige und Weiße.

• In die randomisierte HOPE-2-Studie (Risk factors for lung cancer and for intervention effects in CARET, the Beta-Carotene and Retinol Efficacy Trial) wurden rund 5.500 Patienten im Alter von mindestens 55 Jahren eingeschlossen. Bei allen Studienteilnehmern waren entweder koronare Herzerkrankung, Schlaganfälle, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder Diabetes bekannt. Zusätzlich bestand mindestens ein zusätzlicher kardiovaskulärer Risikofaktor wie hoher Blutdruck, zu hoher Cholesterinspiegel oder Rauchen. Die Patienten nahmen für fünf Jahre entweder täglich die Kombination aus

• 2,5 mg Folsäure,

• 50 mg Vitamin B6 und

• 1 mg Vitamin B12

• oder ein Placebopräparat ein.

Bei der erneuten Analyse der HOPE-2-Daten nahm in der Gruppe der mit dem Kombipräparat Behandelten die Homocysteinkonzentration um 2,2 μmol/l ab, unter Placebo stieg sie um 0,8 μmol/l. Während der Beobachtungszeit ereignete sich bei 258 Personen (4,7 %) ein Schlaganfall. Dabei lag die Schlaganfall-Häufigkeit unter Einnahme der Vitamine bei 0,88 pro 100 Personenjahren und in der Placebogruppe bei 1,15 pro 100 Personenjahren. Auch die Rate der nicht tödlichen Schlaganfälle war unter der Vitaminkombination signifikant reduziert. Die Schwere des Schlaganfalls und die Behinderungen blieben dagegen unbeeinflusst. Ein Nutzen war diesbezüglich nur in einzelnen Subgruppen nachweisbar.

Folsäure und B12 bei Migräne

Amine, die in der Natur vorkommen, sind am Entstehen einer Migräne wesentlich beteiligt. Deshalb sollten Nahrungsmittel gemieden werden, die diese Eiweiße enthalten. Dazu zählen Alkohol (besonders Rotwein), Käse (vor allem Hartkäse wie Parmesan), Südfrüchte, Schokolade und Kakao. Die zusätzliche Gabe von Folsäure und Vitamin B12 wird vom Food and Nutrition Board (FNB) der USA für Migränepatienten empfohlen. Ernährungsempfehlungen wurden bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts ausgesprochen.

Das National Research Council (NRC) in den USA prägte 1941 den Begriff der Recommended Dietary Allowances (RDA), Empfehlungen für die Energie- und Nährstoffaufnahme. Diese Empfehlungen werden in den USA vom FNB herausgegeben.

Die aktuellen Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr „Dietary Reference Intakes“ (DRI) ersetzen die „alten“ RDA. Zielsetzung ist es, die Gesundheit des Menschen zu verbessern bzw. ein „langes Leben in Gesundheit“ zu sichern sowie das Risiko für ernährungsabhängige Krankheiten zu vermindern. Es ist ratsam, dass Personen, die unter Migräne leiden, die Eiweiße Phenylalamin und Tyramin vermeiden und Vitamin B12 und Folsäure zuführen.

Die aktuellen „Dietary Reference Intakes“ (DRI) ersetzen die alten „Recommended Dietary Allowances“ (RDA)

Folsäuresubstitution nicht kritiklos

Eine zu hohe Folsäureaufnahme kann einen Vitamin B12-Mangel überdecken. Kombinationspräparate aus Folsäure und 5-Methyl-Tetrahydrofolat (5-MTHF) lösen einige pharmakologische Probleme. 5-MTHF ist die biologisch aktive Form der Folsäure. Sie entfaltet ihre Wirkung im Körper besonders effizient und maskiert einen Vitamin B12-Mangel nicht. Möglich sind auch Wechselwirkungen mit Antiepileptika und eine Beeinträchtigung der Immunabwehr. Eine Studie hat ergeben, dass unter einer Folsäuretherapie Mehrlingsgeburten zunehmen. Für die Folsäuremengen, die von der DGE vorgeschlagen werden, erscheinen die Risiken nach sorgfältiger Abwägung vernachlässigbar gegenüber den gesundheitlichen Vorteilen.

Auch Fachgesellschaften, wie die D-A-CH-Liga, geben sich zurückhaltend, weil noch keine eindeutigen Ergebnisse vorliegen. Antiepileptika wie Phenobarbital, Carbamazepin, Primidon, Valproat und Phenytoin erhöhen beispielsweise das Homocystein im Plasma.

Dr. Michael Thamm (RKI) forderte, die breite Anreicherung von Lebensmitteln einzuschränken, um extrem hohe Zufuhrwerte zu vermeiden. Wolle man die positive Wirkung eines Nährstoffs nutzen, ein Risiko aber nicht eingehen, müsse man ganz gezielt je nach Personenkreis, Alter und weiteren Faktoren das Vitamin zuführen, sagte auch Prof. Alfonso Lampen vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin.

„Wir dürfen ein gesenktes Risiko für Neuralrohrdefekte nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko erkaufen.“ Dr. Christian Grugel vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz lehnte eine verpflichtende Anreicherung von Lebensmitteln mit Folsäure in Deutschland ab und sprach sich für zielgruppenspezifische Maßnahmen aus. Die Aufklärung, insbesondere von Frauen im gebärfähigen Alter, müsse gefördert werden, um diese bedarfsgerecht zu versorgen. Prof. Hans K. Biesalski von der Universität Hohenheim verwies diesbezüglich auf das Verbesserungspotenzial bei der Information von und Aufklärung durch Frauenärzte.

Vitamin B12

Vitamin B12 findet sich zum Beispiel in:
Fleisch, Milch und Quark, Eigelb, Fisch, Leber, Bierhefe

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Die chemische Grundstruktur des Vitamin B12-Moleküls ist dem des roten Blutfarbstoffs Hämoglobin sehr ähnlich. Allerdings befindet sich beim Hämoglobin in der Mitte des Moleküls Eisen, bei Vitamin B12 Kobalt. Davon leitet sich auch der chemische Name des Vitamin B12 ab: Cobalamin. Vitamin B12 ist enthalten in:

Lebensmittel Vitamin B12-Gehalt
in μg/100 g
Gouda-Käse 1,9
Hühnerei 1,8
Quark 0,9
Joghurt 0,5
Kuhmilch (3,5 % Fett) 0,4
Ensinger Active Isontiv Water (Mineralwasser) 0,15
Hohes C Multivitamin Fruchtsaft 0,5
Hohes C Mineral Aktiv Fruchtsaft 0,5
Kelloggs Corn Flakes Vollkorn 0,8
Nimm 2 Fruchtbonbons 4,5

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Aufgaben im Körper

• Schutz vor Herz- und Kreislauferkrankungen

• Abbau von Homocystein

• Umwandlung von Folsäure in ihre aktive Form

• zentrale Rolle bei der Zellteilung und der Bildung des Erbguts

• Synthese von Myelin zum Schutz der Nervenstränge von Rückenmark und Gehirn

Vitamin B12 wird direkt im Körper hergestellt: Die Dickdarmbakterien produzieren Vitamin B12, allerdings an einer Stelle, wo die Aufnahme in den Körper fast unmöglich ist.

Bei der Aufnahme über Lebensmittel wird Vitamin B12 im Magen resorbiert. Dafür ist der sogenannte Intrinsic-Faktor notwendig, der von den Belegzellen des Magens gebildet wird, ebenso wie Salzsäure.

Bei Vitamin B12 bedarf es einer genauen Analyse der Studiendaten, um den Sinn vom Unsinn zu trennen. Unbestritten ist Vitamin B12 lebenswichtig für den Organismus, bei einem Mangelzustand kann es zu schweren Störungen kommen. Aber die Menge, die Art der Verabreichung und die Zielgruppe bestimmen die Notwendigkeit einer Therapie.

Der Intrinsic-Faktor sorgt für die Resorbierung von Vitamin B12 im Magen

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Ursachen eines Mangelzustandes

Es gibt drei wesentliche Gründe für einen Mangel an Vitamin B12:

1. Ernährung

Ein B12-Mangel kann durch jahrzehntelange vegane, vegetarische oder falsche Ernährung entstehen. Vitamin B12 ist das Zentralatom im roten Blutfarbstoff Hämoglobin. Häufig hört man den Mythos: Findet sich in der Nahrung kein Tier, ist auch kein Blut und somit kein B12 vorhanden. Ein Mangel ist vorprogrammiert. Das ist falsch! Auf Obst und Gemüse befinden sich Vitamin B12-produzierende Mikroorganismen. Bei einer intakten Darmflora wird ausreichend Vitamin B12 produziert, um einem Mangelzustand vorzubeugen.

2. Erkrankungen

Nur wenn Vitamin B12 nicht umgewandelt und/oder resorbiert werden kann, kommt es zu massiven Mangelerscheinungen. Folgende Erkrankungen können dafür verantwortlich sein:

• Gastritis/Magengeschwüre

• Morbus Crohn (chronische, schubweise verlaufende Entzündung des Magen-Darm-Traktes)

• Zöliakie (Erkrankung der Dünndarmschleimhaut aufgrund einer Überempfindlichkeit gegen Klebereiweiß (Gluten))