Inhaltsverzeichnis

Buch
Autorin
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Epilog
Copyright

Autorin

Sandra Brown ist eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen, die mit jedem ihrer Bücher die Spitzenplätze der »New-York-Times«-Bestseller-liste erreicht! Sie lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und South Carolina.

 

Weiter Informationen finden Sie unter: www.sandra-brown.de

Ms Martin, Mr Tierney möchte Sie sprechen.«

Dank der vielen Reportagen über die Ereignisse, die sich vor drei Monaten in North Carolina abgespielt hatten, wusste Lillys Assistentin genau, wer Ben Tierney war. Obwohl sich die meisten Berichte auf William Ritts Gefangennahme konzentriert hatten, hatte es in der Kaffeeecke lange Spekulationen darüber gegeben, was sich während der zwei Tage, die sie mit Tierney eingeschlossen gewesen war, in der Hütte ereignet haben mochte.

Keiner ihrer Untergebenen hatte den Mumm gehabt, sie zu fragen, vor allem da der Kontakt zwischen ihr und Tierney seither abgerissen war. Bis gestern. Da hatte er angerufen und um einen Termin gebeten.

Lilly wusste, dass die Kunde von ihrer bevorstehenden Begegnung wie ein Lauffeuer durch das Büro gegangen war. Heute Vormittag waren alle unter Hochspannung und darauf erpicht, einen Blick auf Tierney werfen zu können.

Die Lässigkeit ihrer Assistentin war nur gespielt.

Lilly war nicht mehr in der Lage, irgendwem etwas vorzuspielen.

Ihre Stimme klang wie die einer Fremden. »Bitte schicken Sie ihn herein.«

Mit pochendem Herzen starrte sie auf die geschlossene Bürotür. Er öffnete, trat ein und schloss die Tür hinter sich. Diesmal trug er eine Leinenhose und ein Sportjackett. Sie hatte ihn noch nie in etwas anderem gesehen als seiner Kajakhose oder Jeans, Sweater und dem Mantel, den er in der Hütte getragen hatte.

Na schön und ohne alles.

»Hallo, Lilly.«

»Hallo.«

»Ich bin froh, dass du heute Zeit für mich hast.«

»Ich habe es mir zum Prinzip gemacht, jeden Mann, mit dem ich während eines Schneesturms achtundvierzig Stunden in einer Berghütte festsaß, mindestens noch einmal zu empfangen.«

Er war ein bisschen dünner, ein bisschen blasser, aber das Lächeln, unter dem er den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches herauszog und sie in aller Ruhe von Kopf bis Fuß betrachtete, war herzerwärmend vertraut. Als er ihr schließlich wieder in die Augen sah, sagte er: »Du siehst toll aus.«

Warum hast du dann vierundneunzig Tage verstreichen lassen, bevor du angerufen hast? So schrie es in ihrem Kopf. Laut fragte sie: »Wie geht es deiner Schulter?«

»Die ist brandneu. Sie haben die alte gegen eine aus Plastik ausgetauscht, die angeblich haltbarer und praktisch unzerstörbar ist.«

»Stört sie dich?«

»Nicht besonders.«

»Das sagst du bei jeder Verletzung.«

Er hielt ihren Blick einen Moment gefangen und sagte dann leise: »Manche schmerzen mehr als andere.«

Sie drehte den Kopf zur Seite, um sich der magnetischen Kraft seiner blauen Augen zu entziehen. Zahllose Male hatte sie sich gefragt, was sie wohl sagen und tun würde, wenn sie ihn wiedersah – falls sie ihn wiedersah.

Nun, dass sie ihn wenigstens einmal wiedersehen würde, hatte sie gewusst. Das musste sein. Aber was sie danach erwarten sollte, hatte sie nicht gewusst.

Sie hatte sich mehrere Möglichkeiten zurechtgelegt, diese Szene zu spielen, angefangen von kühler Distanz bis zu leidenschaftlicher Hingabe. Jetzt wollte ihr keine Zeile aus irgendeinem dieser Phantasieszenarien einfallen.

»Ich nehme an, du musstest zur Physiotherapie gehen.«

»Ich war mehrere Wochen in der Reha.«

»In einer Klinik festzusitzen hat dich bestimmt zum Wahnsinn getrieben.«

»Allerdings. Aber mir ging es immer noch besser als den meisten anderen Patienten dort. Scott Hamer zum Beispiel.«

»Ja, ich habe von seinem Unfall gehört.«

»Es war kein Unfall.« Offenbar merkte er ihr die Überraschung an. »Er und ich haben im Krankenhaus lange geredet. Er hat mir erzählt, dass er das Seil absichtlich losgelassen hat.«

»Warum?«

Mit wachsender Bestürzung hörte sie, dass Wes seinen Sohn mit Steroiden gedopt hatte. »Obendrein hat er mit Scotts Freundin geschlafen«, bemerkte sie kopfschüttelnd. »Wes Hamer ist ein zutiefst verabscheuenswürdiger Mensch.«

»Da gebe ich dir Recht. Sie halten den Skandal mit Millicent unter der Decke. Nicht um Wes zu schützen, sondern um ihre Eltern zu schonen. Warum sollten sie die beiden noch unglücklicher machen?«

»Er hätte es verdient, öffentlich bloßgestellt zu werden, aber ich kann das verstehen.«

»Wie man hört, geht Wes in Sack und Asche, nicht nur wegen Scotts Unfall, sondern auch wegen der Ereignisse auf dem Berg.«

»Er ist Dutch nur gefolgt.«

»Das stimmt nicht ganz, Lilly. Wie Scott mir erzählt hat, hat Wes zugegeben, dass er Dutch auf meine Fährte gehetzt hat.«

»Und warum?«

»Eine Zeitlang hatte er Angst, dass sein Sohn Blue sein könnte.«

»Scott?«

»Ein Motiv hätte er gehabt. Glaubte Wes wenigstens. Darum schürte Wes Dutchs Eifersucht auf uns zwei und redete ihm zu, das zu tun, was er ohnehin tun wollte – mich dafür zu bestrafen, dass ich bei dir war. Dutch zu überreden, war für Wes ein Leichtes, nur führte es letztendlich dazu, dass sein bester Freund sterben musste. Die Schuld dafür wird er bis an sein Lebensende tragen.«

»Warum bleibt sie bei ihm?«

»Mrs Hamer? Scott sagt, sie hätte ihn um ein Haar verlassen, als sie von den Steroiden erfuhr. Wes bettelte sie an zu bleiben. Er hat gelobt, sich zu ändern. Eine neue Seite aufzuschlagen. Um zu beweisen, dass er zu allem bereit ist, hat er seinen Job als Trainer aufgegeben. Jetzt verkauft er Sportwaren.«

»Für Millicents Onkel?«

»So verändert hat er sich auch wieder nicht«, meinte Tierney trocken.

»Was ist mit Scott? Was wird jetzt aus ihm?«

»Er sitzt noch im Rollstuhl, aber sobald er wieder auf den Beinen ist, will er seine Ausbildung wie geplant fortsetzen.«

»Aber nicht als Sportler.«

»Nein. Er kann keinen Leistungssport mehr treiben, und nichts könnte ihn glücklicher machen.«

»Er muss ein furchtbar unglücklicher junger Mann gewesen sein, sonst hätte er nicht zu so einer extremen Maßnahme gegriffen, um sich von Wes zu befreien.«

»Er ist immer noch unglücklich.« Tierney zog nachdenklich die Stirn in Falten. »Scott hat mir vieles anvertraut. Er ist erleichtert, dass er keinen Sport mehr treiben muss. Aber irgendwas setzt ihm immer noch zu.

Er sagt, es sei so persönlich, dass er es mir nicht erzählen kann, denn er sei noch nicht bereit, sich zu öffnen. Während wir im Krankenhaus waren, hatte ich reichlich Zeit, ihn zu beobachten. Er liest. Größtenteils Klassiker. Ansonsten sitzt er nur da und starrt manchmal stundenlang in die Luft. Er ist ein extrem trauriger junger Mann.«

»Vielleicht wegen Millicent?«

»Natürlich bedauert er, was ihr zugestoßen ist, aber nachdem sie und Wes …« Den Rest ließ er unausgesprochen. »Etwas anderes  – oder jemand anderes – hat ihm das Herz gebrochen. Vielleicht fühlt er sich irgendwann sicher genug, um es zu erzählen. Er hat mir versprochen, dass wir in Verbindung bleiben.«

»Ich bin sicher, er weiß, was für einen Freund er in dir hat.«

»Er ist ein guter Junge.«

Nach kurzem Schweigen sagte sie: »Du weißt bestimmt schon, dass sich William Ritt in allen Punkten schuldig bekannt hat.«

Tierneys Lippen schnurrten zu einer dünnen Linie zusammen. »Fünfmal lebenslänglich. Das ist immer noch zu gut für ihn.«

»Da kann ich dir nur zustimmen.«

»Wenigstens hat er den Steuerzahlern die Kosten für ein langwieriges Verfahren erspart.«

»Er war nie wirklich beliebt«, sagte sie. »Bei niemandem. Ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass er umso abstoßender wurde, je jovialer er sich gab. Jetzt hat sich sogar seine Schwester von ihm abgewandt. Ich kenne Marilee nicht besonders gut, aber sie kam mir immer nett vor. Kannst du dir ausmalen, wie sie sich schämen muss? Ich habe ihr eine tröstende Karte geschickt, aber die kam ungeöffnet zurück.«

»Wie ich gehört habe, ist sie aus Cleary weggezogen und hat keine Nachsendeadresse hinterlassen. Wahrscheinlich ist es so am besten«, sagte er.

»Wahrscheinlich.«

Nachdem dieses Thema abgeschlossen war, wurde es still. Sie spürte, wie er sie ansah. Trotzdem hielt sie den Blick eisern auf den Poststapel auf ihrem Schreibtisch gerichtet. Sie hatte sich nicht darauf konzentrieren können, weil sie gewusst hatte, dass er heute kommen würde. Schließlich ertrug sie das gespannte Schweigen nicht länger und sah ihn an.

»Lilly, ich habe dich nicht früher angerufen, weil …«

»Du brauchst mir nichts zu erklären.«

»Du hast aber eine Erklärung verdient.«

Sie stand auf und ging ans Fenster. Der schlimmste Sturm der letzten hundert Jahre hatte das Ende des Winters gebracht. Inzwischen war der Frühling eingekehrt, schon bald rückte der Sommer näher. Zwanzig Stockwerke unter ihr badeten die Straßen von Atlanta in der Wärme eines sonnigen Nachmittags.

»Du hast das Krankenhaus gewechselt, Tierney. Du hast das FBI-Büro in Charlotte angewiesen, niemandem, mich eingeschlossen, zu verraten, wie man dich erreichen konnte. Ich habe verstanden.«

»Offenbar nicht. Es war nicht so, dass ich dich nicht sehen wollte.«

»Nein?«

»Nein.«

»Was war es dann?«

»Du musstest Dutch beerdigen«, sagte er. »Und ich musste Torrie exhumieren lassen.«

Lillys Ärger verrauchte abrupt. Sie drehte sich zu ihm um. »Entschuldige. Ich habe dir noch gar nicht gesagt, wie leid mir das mit ihr tut.«

»Danke. Dass ich herausgefunden habe, was ihr zugestoßen ist, war gleichzeitig eine Erleichterung und ein Abschied. Gut auf der einen Seite. Grauenvoll auf der anderen.«

Fast wäre sie zu ihm gegangen, aber dann besann sie sich. »Ich würde gern mehr über Torrie erfahren. Wenn du darüber sprechen möchtest.«

»Es ist keine schöne Geschichte, aber du solltest sie hören.«

Sie bedeutete ihm weiterzusprechen.

Er atmete tief durch. »Als Torrie wenige Monate alt war, trat ich eine ausgedehnte Reise quer durch Afrika an. Ich hatte einen Vertrag abgeschlossen, für ein Reisemagazin den ganzen Kontinent abzudecken. Was eigentlich ein paar Wochen dauern sollte, dehnte sich zu mehreren Monaten aus. Vielen Monaten. Ich verpasste Thanksgiving. Weihnachten. So vieles.

Während ich weg war, lernte Paula – Torries Mutter – einen anderen Mann kennen und lieben. Als ich endlich heimkehrte, haute sie mir die Scheidungspapiere um die Ohren, bevor ich auch nur ausgepackt hatte. Paula und ihr zukünftiger Ehemann wollten, dass ich meine väterlichen Rechte an Torrie an ihn abtrat, da er mehr Zeit mit ihr verbracht hatte als ich.

Damals redete ich mir ein, dass es nur richtig und anständig sei zuzustimmen. Lambert liebte Paula. Und er behandelte Torrie wie seine eigene Tochter. Ich bildete mir ein, es wäre besser für Torrie, wenn ich einfach meinen Hut nehmen und die drei ihr Leben leben lassen würde, ohne mich weiter einzumischen.«

»Damals«, sagte Lilly leise. »Das ist eine entscheidende Einschränkung.«

»Genau.« Er stand auf und trat an die Wand, an der eingerahmt einige der wichtigsten Ausgaben ihrer Zeitschrift hingen. Er betrachtete ein Cover nach dem anderen, aber Lilly glaubte nicht, dass er wirklich die Schlagzeilen las oder die Fotos betrachtete.

»Sie hielten mich keineswegs davon ab, sie zu sehen. Im Gegenteil, sie ermunterten mich dazu. Aber die Besuche waren immer irgendwie peinlich. Wir kannten einander nicht. Ich war ein Fremder, mit dem das arme Kind ab und zu einen Nachmittag verbringen musste. Ich trat von links auf die Bühne, sagte meinen Text auf und ging rechts wieder ab, um für ein weiteres Jahr hinter den Kulissen zu verschwinden. Das war das Leben meiner Tochter, doch ich spielte darin nur eine Statistenrolle. Nach einigen Jahren hörte ich auch damit auf. Meine Besuche wurden immer seltener.«

Er trat an ein anderes Cover und studierte es. »Ich war gerade am Amazonas, als ich die Nachricht bekam, dass sie vermisst wurde. Sie war spurlos verschwunden, man glaubte, dass sie entführt worden sei. Ich brauchte zwei Wochen, um in die Zivilisation zurückzukehren und in die Vereinigten Staaten zu fliegen.

Ich hatte sie seit Jahren nicht gesehen. Man hatte mich aus reiner Höflichkeit benachrichtigt, mehr nicht. Paula traute ihren Augen nicht, als ich vor ihrer Tür in Nashville auftauchte, was allein eine Menge über mich und meine Prioritäten aussagt, nicht wahr? Aber statt sie zu trösten und alles zu tun, um die Situation für sie zu erleichtern, führte ich mich auf wie ein Berserker.

Ich hatte die Frechheit, sie zu kritisieren, weil die beiden nicht länger in Cleary geblieben waren und nicht darauf bestanden hatten, dass man weiter nach Torrie suchte. Inzwischen war es Winter geworden. Es war nicht machbar, dass man den Berg weiterhin von Hunderten von Leuten durchkämmen ließ. Aber ich weigerte mich zu akzeptieren, dass wir nicht mehr tun konnten, als zu hoffen, dass Torrie eines Tages wieder auftauchen würde. Ich konnte mich nicht damit abfinden, ihr Gesicht mit einer Suchmeldung auf einem Milchkarton abgedruckt zu sehen.«

Er drehte sich wieder um. »Lambert warf mich aus seinem Haus, und ich kann ihm deshalb keinen Vorwurf machen. Ich mietete mich in einem Hotel ein. Und in diesem unpersönlichen Raum, in dem mir nicht mehr gehörte als eine Reisetasche voller Anziehsachen, erkannte ich plötzlich, wie unendlich allein ich war.

Paula und ihr Mann hatten einander, um sich Halt zu geben, um miteinander zu weinen, um sich aufrechtzuhalten. Ich hatte keinen Menschen, und das hatte ich ganz allein mir zuzuschreiben. Mir wurde bewusst, dass ich den einzigen Menschen auf der Welt, der mein Blut teilte, im Stich gelassen hatte. Damals wurde mir brutal vor Augen geführt, was für ein selbstsüchtiger Idiot ich war.

Torrie aufzugeben war für mich kein Opfer gewesen. Das hatte ich mir damals eingeredet, aber es stimmte nicht. Ich hatte mich nicht in einer großartigen, selbstverleugnenden Geste zum Wohle meines Kindes aufgeopfert, sondern ausschließlich an mich selbst gedacht. Ich wollte damals nur reisen. Ich wollte die Freiheit haben, mein Zeug zu packen und loszuziehen, ohne auf eine Familie Rücksicht nehmen zu müssen. In jenem leeren Hotelzimmer sah ich mich erstmals so, wie ich wirklich war. Oder wie ich zumindest gewesen war. Jetzt war es Zeit zur Wiedergutmachung.

In jener Nacht schwor ich mir herauszufinden, was Torrie zugestoßen war, oder zumindest alles dafür zu unternehmen. Um diese eine Verantwortung würde ich mich nicht drücken. Es war das Letzte, was ich je für mein Kind tun würde. Das Einzige, was ich je für mein Kind tun würde.« Inzwischen war seine Stimme rau und schwer.

»Ich musste diesen Weg bis ans bittere Ende gehen, Lilly. Ich musste aus dem Krankenhausbett kriechen, aber ich war dabei, als die Männer von der Spurensicherung die Leichen bargen. Ich war bei Paula, als die Überreste unserer Tochter identifiziert wurden. Wir hielten einen Gedenkgottesdienst für Torrie und beerdigten sie in Nashville.«

Er beendete seine Inaugenscheinnahme der Zeitschriftencover und sah sie an. Sein Blick war feucht. »Ich musste damit abschließen, bevor ich zu dir kommen konnte. Verstehst du das?«

Sie nickte, zu bewegt, um etwas zu sagen.

»Nachdem du das jetzt weißt, willst du vielleicht lieber nichts mit mir zu tun haben, aber ich hoffe, dass du es trotzdem tust.«

»Glaubst du …?«

»Was?«

»Glaubst du, dass du an dem Tag, als wir mit den Kajaks auf dem Fluss waren, in mir die gleiche Art von Leere und Verlust gespürt hast, die du selbst empfunden hast? Ich hatte Amy verloren. Du Torrie. Dass du damals …«

»Eine Seelenverwandtschaft gespürt habe?«

»Etwas in der Art.«

»Ganz bestimmt«, sagte er.

»Oh.«

»Warte, fragst du dich etwa, ob das der Grund war, weshalb ich mich damals zu dir hingezogen gefühlt habe? Ob das der einzige Grund war?«

»Und?«

»Glaubst du das?«

Sein Blick war so intensiv, dass sie ihn wie eine Liebkosung empfand. Die ihre Frage beantwortete. Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Ich glaube, als wir uns verabschiedeten, wussten wir beide, dass es nur ein Aufschub sein würde.«

»Die Zeit, die wir miteinander verbracht haben, lässt sich in Stunden messen«, sagte er. »Trotzdem habe ich das Gefühl, dass wir uns besser kennen, als sich die meisten Paare je kennen werden.«

»Sind wir ein Paar, Tierney?«

In diesem Moment kam er auf sie zu, nahm ihr Gesicht in seine Hände und hob es an, bis es nur noch eine Handbreit von seinem entfernt war. »O Gott, wie sehr ich das hoffe.« Seine Augen streiften kurz ihre Gesichtszüge, ehe sie auf ihrem Mund zu liegen kamen.

»Willst du mich?«, flüsterte sie.

»Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr.«

Damit senkte er den Kopf und küsste sie. Seine Zunge schob sich zwischen ihre Lippen, anfangs sanft, doch im nächsten Augenblick war sein Kuss feucht und heiß, unglaublich sexy und voll erotischer Versprechungen.

Den rechten Arm konnte er immer noch nur eingeschränkt bewegen, aber dafür legte er den linken um sie und drückte in einer Geste, an die sie sich nur zu gut erinnerte, die Hand auf ihre Taille, um sie an seinen Leib zu pressen.

Sie küssten sich minutenlang, ohne auch nur eine Unterbrechung. Als sie sich schließlich voneinander lösten, strich er ihr die Haare aus dem Gesicht. »Du hast keine Angst mehr?«

»Höchstens, dass du noch einmal aus meinem Leben verschwinden könntest.«

»Dann hast du nichts zu befürchten.« Er hauchte einen Kuss auf ihre Lippen, um dieses Versprechen zu besiegeln, doch als er den Kopf hob, wurde er wieder ernst. »Diesmal mache ich alles anders, Lilly, das schwöre ich dir. Ich werde dich lieben, wie du noch nie geliebt worden bist.«

»Das hast du schon getan. Du hast dein Leben für mich riskiert. Mehrmals.«

»Früher wusste ich nicht, wie man liebt, aber …«

Sie legte den Finger auf seine Lippen. »O doch, das wusstest du, Tierney. Was du für Torrie getan hast – ihr zwei Jahre deines Lebens zu opfern und ihretwegen fast zu sterben –, hättest du nicht tun können, wenn du sie nicht geliebt hättest.«

»Aber sie starb, ohne es zu wissen.«

»Das glaube ich nicht. Sie wusste es bestimmt.«

Er sah sie skeptisch an, doch sie sah ihm an, dass er ihr für sein Leben gern glauben wollte. »Paula hat mir erzählt, dass sie alle meine Artikel gelesen hatte. Dass sie all die Zeitschriften in ihrem Zimmer aufbewahrte und keine einzige davon wegwerfen wollte.«

Lilly legte die Hände um seinen Kopf. »Sie wusste, dass du sie liebst.«

»Wenn ich alles noch mal machen könnte, würde ich dafür sorgen, dass sie es weiß. Jeden Tag würde ich es ihr sagen. Ich würde alles anders machen. Ich würde es richtig machen.«

Lilly schloss ihn in die Arme und schmiegte ihren Kopf an seine Brust, damit er ihr verstohlenes Lächeln nicht bemerkte. Der heutige Tag gehörte ihnen ganz allein. Morgen war noch Zeit genug, ihm zu offenbaren, dass er, während er ein Kind auf dem Berg verloren hatte, ein neues gezeugt hatte.

Er hatte bereits eine zweite Chance gewährt bekommen, alles richtig zu machen.

Das Grab war nur ein Provisorium.

Der vorhergesagte Sturm sollte alle Rekorde brechen.

Das Grab für Millicent Gunn – achtzehn Jahre, kurzes, braunes Haar, graziler Körperbau, ein Meter fünfundsechzig, vor einer Woche vermisst gemeldet – war kaum mehr als eine flache Kuhle, die man dem unnachgiebigen Erdboden abgerungen hatte. Es war gerade so lang, dass das Mädchen hineinpasste. Das Problem mit der mangelnden Tiefe könnte man im Frühling beheben, sobald das Erdreich zu tauen begann. Falls die Aasfresser den Leichnam nicht schon vorher beseitigt hatten.

Ben Tierney lenkte den Blick von dem frischen Grab auf die anderen daneben. Vier insgesamt. Windbruch und Totholz boten eine natürliche Tarnung, und doch veränderte jedes davon auf ganz eigene Weise die zerklüftete Topografie; man musste nur wissen, worauf man zu achten hatte. Über eines war ein toter Baum gestürzt, unter dem es nur für jemanden mit geschultem Blick zu erkennen war.

Für jemanden wie Tierney.

Er warf einen letzten Blick in das leere, flache Grab, hob dann die Schaufel zu seinen Füßen auf und trat einen Schritt zurück. Dabei bemerkte er die dunklen Abdrücke, die seine Stiefel in der weißen Decke aus Hagelkörnern hinterließen. Das war nicht weiter schlimm. Wenn die Meteorologen Recht behielten, wären die Stiefelspuren bald von tiefem Schnee oder Eisregen bedeckt. Und wenn der Boden wieder taute, würden die Abdrücke im Schlamm versinken.

Jedenfalls hielt er nicht an, um sie zu verwischen. Er musste ins Tal hinunter. Sofort.

Den Wagen hatte er ein paar hundert Meter vom Gipfel und dem provisorischen Friedhof entfernt auf der Straße abgestellt. Folglich ging es zwar bergab, doch er musste sich mühsam durch den dichten Wald schlagen. Das dichte Unterholz verhinderte, dass der Boden schlüpfrig wurde, aber das Terrain war uneben und gefährlich, vor allem weil ihm der Hagel ins Gesicht prasselte und ihm die Sicht nahm. Obwohl er es eilig hatte, war er gezwungen, jeden Schritt mit Bedacht zu setzen, um einen Fehltritt zu vermeiden.

Der Wetterbericht hatte diesen Sturm seit Tagen vorhergesagt. Es handelte sich um ein Zusammentreffen mehrerer Wetterfronten, die zusammengenommen das Potenzial hatten, einen der schlimmsten Schneestürme in der jüngeren Geschichte zu bilden. Der Bevölkerung im mutmaßlich betroffenen Gebiet wurde geraten, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, sich mit Proviant einzudecken und alle unnötigen Reisen zu unterlassen. Nur ein Irrer hätte sich heute auf den Berg gewagt. Oder jemand, der etwas zu erledigen hatte, was keinen Aufschub duldete.

Wie Tierney.

Der kalte Nieselregen, der am frühen Nachmittag eingesetzt hatte, war inzwischen in einen mit Hagel vermischten Eisregen übergegangen. Die Körner brannten wie Schrot auf seinen Wangen, während er sich durchs Dickicht schlug. Er zog die Schultern hoch und klappte den Mantelkragen nach oben, damit er die Ohren bedeckte, die vor Kälte schon taub waren.

Die Windgeschwindigkeit hatte merklich zugenommen. Die von wütenden Böen geprügelten Bäume schlugen die nackten Äste gegeneinander wie Trommelstöcke. Der Wind zerrte die Nadeln von den Nadelbäumen und peitschte sie durch die Luft. Eine blieb wie ein Dartpfeil in seiner Wange stecken.

Fünfunddreißig Stundenkilometer aus nordwestlicher Richtung, dachte er mit jenem Teil seines Gehirns, der automatisch den Zustand seiner Umgebung registrierte. Er wusste solche Dinge – Windgeschwindigkeit, Zeit, Temperatur, Richtung – instinktiv, als hätte er in seinem Körper eine Wetterstation, eine Uhr, ein Thermometer und ein GPS, die sein Unterbewusstsein unablässig mit sachdienlichen Informationen fütterten.

Es war eine angeborene Gabe, die er zur Kunst verfeinert hatte, indem er sich als Erwachsener viel draußen aufgehalten hatte. Er musste diese ständig wechselnden Umweltdaten nicht bewusst abrufen, trotzdem verließ er sich oft auf seine Fähigkeit, im Notfall sofort darauf zurückgreifen zu können.

Jetzt zum Beispiel verließ er sich darauf, denn es wäre ungut, auf dem Gipfel des Cleary Peak erwischt zu werden – dem zweithöchsten Berg in North Carolina nach dem Mount Mitchell –, während er sich mit einer Schaufel in der Hand im Laufschritt von vier alten Gräbern und einem frisch ausgehobenen entfernte.

Die örtliche Polizei war nicht gerade berühmt für ihre hartnäckigen Ermittlungen und ihre phänomenale Aufklärungsquote. Im Gegenteil, das örtliche Police Department war ein Witz. Der Chief war ein Großstadtdetective auf dem absteigenden Ast, den man aus seinem früheren Department rausgeworfen hatte.

Chief Dutch Burton führte eine Riege unfähiger Kleinstadtpolizisten  – Dorfdeppen in geschniegelten Uniformen und mit funkelnden Polizeimarken –, die schon fast überfordert gewesen waren, den Sprayer zu fangen, der die Müllcontainer hinter der Texaco-Tankstelle mit Obszönitäten besprüht hatte.

Jetzt konzentrierten sie sich auf die fünf ungeklärten Vermisstenfälle. Trotz ihrer Beschränktheit waren die Gesetzeshüter von Cleary zu dem Schluss gelangt, dass es höchstwahrscheinlich doch kein Zufall war, wenn in einer kleinen Gemeinde innerhalb von zweieinhalb Jahren insgesamt fünf Frauen verschwanden.

In einer Großstadt wäre diese Statistik von anderen, grausigeren überschattet worden. Aber hier, in dieser bergigen, dünn besiedelten Gegend schlugen die Wogen hoch, wenn fünf Frauen verschwanden.

Außerdem herrschte allgemein die Auffassung, dass die vermissten Frauen einem Verbrechen zum Opfer gefallen waren, weshalb sich die Behörden darauf konzentrierten, menschliche Überreste und nicht die Frauen selbst zu finden. Es würde jedenfalls Verdacht erregen, wenn jemand mit einer Schaufel durch den Wald spazierte.

So wie Tierney.

Bis jetzt hatte er das Radar unterfliegen können und es vermieden, die Neugier von Police Chief Burton auf sich zu ziehen. Es war extrem wichtig, dass das so blieb.

Im Rhythmus seiner Schritte rekapitulierte er die wichtigsten Daten der Frauen, die in den Gräbern unter dem Gipfel lagen. Carolyn Maddox, eine Sechsundzwanzigjährige mit tiefem Busen, schönem schwarzem Haar und großen braunen Augen. Seit letztem Oktober vermisst gemeldet. Sie war die alleinerziehende Mutter eines zuckerkranken Kindes und hatte in einer der kleinen Pensionen am Ort als Zimmermädchen gearbeitet. Ihr Leben war ein freudloser, endloser Reigen aus Mühsal und Erschöpfung gewesen.

Jetzt hatte Carolyn Maddox umso mehr Frieden und Ruhe. Genau wie Laureen Elliott. Blond, übergewichtig und alleinlebend, hatte sie als Krankenschwester in einer örtlichen Klinik gearbeitet.

Betsy Calhoun, eine verwitwete Hausfrau, war die Älteste.

Torrie Lambert, die Jüngste, war außerdem die Erste, die Hübscheste und die Einzige, die nicht aus Cleary stammte.

Tierney ging schneller, als könnte er seinen verstörenden Gedanken ebenso entfliehen wie dem Wetter. Eine dünne Eisschicht begann die Zweige mit langen Ärmeln zu überziehen. Die Steine bekamen eine Glasur. Die steile, gewundene Straße nach Cleary hinunter wäre schon bald unpassierbar, und er musste um jeden Preis von diesem gottverfluchten Berg verschwinden.

Zum Glück ließ ihn sein eingebauter Kompass nicht im Stich, er trat keine zehn Meter von der Stelle entfernt aus dem Wald, an der er ihn betreten hatte. Es überraschte ihn nicht, dass sein Wagen mit einer dünnen Eis- und Graupelschicht überzogen war.

Schwer atmend und dicke Dampfwolken in die kalte Luft blasend näherte er sich dem Auto. Der Abstieg vom Gipfel war kräftezehrend gewesen. Vielleicht waren sein schwerer Atem und der rasende Puls aber auch ein Zeichen seiner Angst. Oder seiner Frustration. Oder seiner Reue.

Er legte die Schaufel in den Kofferraum. Dann schälte er die Latexhandschuhe ab, die er getragen hatte, warf sie ebenfalls in den Kofferraum und schlug die Klappe zu. Er stieg ein, schloss hastig die Tür und genoss den ersehnten Schutz vor dem beißenden Wind.

Bibbernd blies er in die Hände und rieb sie kräftig, in der Hoffnung, das Blut in seine Fingerspitzen zurückzutreiben. Die Latexhandschuhe musste er tragen, aber sie schützten nicht vor der Kälte. Er zog ein Paar mit Kaschmirwolle gefütterte Lederhandschuhe aus der Manteltasche und streifte sie über.

Dann drehte er den Zündschlüssel.

Keine Reaktion.

Er drückte mehrmals aufs Gaspedal und probierte es wieder. Der Motor keuchte nicht einmal. Nach mehreren erfolglosen Versuchen lehnte er sich zurück und starrte auf die Anzeigen im Armaturenbrett, als erwartete er, sie würden ihm mitteilen, was er falsch machte.

Ein letztes Mal drehte er den Schlüssel, aber der Motor blieb stumm und tot wie die Frauen, die so respektlos in der Erde verscharrt worden waren.

»Scheiße!« Er donnerte beide behandschuhten Fäuste aufs Lenkrad und starrte durch die Scheibe, ohne etwas zu erkennen. Der Eisfilm hatte die Windschutzscheibe komplett überzogen. »Tierney«, murmelte er, »du bist am Arsch.«

Der Wind ist stärker geworden, und draußen kommt so Eiszeugs runter.« Dutch Burton ließ den Vorhang wieder vor das Fenster fallen. »Wir sollten lieber bald runterfahren.

»Ich muss nur noch ein paar Fächer leer räumen, dann bin ich fertig.« Lilly zog mehrere Leinenbände aus dem eingebauten Bücherregal und stapelte sie in eine Umzugskiste.

»Du hast immer geschmökert, wenn wir hier oben waren.«

»Da hatte ich Zeit, die neuesten Bestseller zu lesen. Hier hat mich nichts abgelenkt.«

»Außer mir, schätze ich«, sagte er. »Ich kann mich gut erinnern, wie ich dich gepiesackt habe, bis du dein Buch beiseitegelegt und dich mit mir beschäftigt hast.«

Sie sah von ihrem Sitzplatz auf dem Boden zu Dutch auf und lächelte. Aber sie weigerte sich, in Erinnerungen daran zu schwelgen, wie sie ihre Freizeit in der Berghütte verbracht hatten. Ursprünglich waren sie hergekommen, um an den Wochenenden und in den Ferien dem hektischen Leben in Atlanta zu entfliehen.

Später wollten sie hier allem entfliehen.

Sie war dabei, all das einzupacken, was sie an persönlichen Dingen mitnehmen würde, wenn sie heute abfuhr. Sie würde nicht wieder herkommen. Genauso wenig wie Dutch. Dies war das Schlusskapitel – genauer gesagt der Epilog – zu ihrem gemeinsamen Leben. Sie hatte gehofft, dass ihr letzter Abschied so unsentimental wie möglich vonstatten gehen würde. Er schien entschlossen, noch einmal die Straße der Erinnerungen zu beschreiten.

Es war ihr gleich, ob er die vergangenen Zeiten heraufbeschwor, damit er sich besser fühlte, oder ob er es tat, damit sie sich schlechter fühlte. Sie würde dieses Spiel nicht mitspielen. Ihre guten gemeinsamen Zeiten wurden so von den schlechten überschattet, dass jede Erinnerung alte Wunden aufreißen musste.

Sie lenkte das Gespräch auf pragmatischere Themen zurück. »Ich habe alle Verkaufsdokumente kopiert. Sie sind in dem Umschlag, zusammen mit einem Scheck über deine Hälfte des Verkaufserlöses.«

Er sah auf den hellbraunen Umschlag, ließ ihn aber auf dem Couchtisch aus Eichenholz liegen, wo sie ihn abgelegt hatte. »Das ist nicht fair. Dass ich die Hälfte bekomme.«

»Dutch, wir haben das schon besprochen.« Sie klappte die vier Laschen des Umzugskartons nach innen, um ihn zu verschließen, und wünschte im selben Moment, sie könnte dieses Gespräch genauso leicht abschließen.

»Du hast die Hütte bezahlt«, sagte er.

»Wir haben sie gemeinsam gekauft.«

»Aber dein Gehalt hat das erst möglich gemacht. Mit meinem allein hätten wir sie uns nicht leisten können.«

Erst als sie den Karton über den Boden zur Tür geschoben hatte, stand sie auf und drehte sich um. »Wir waren verheiratet, als wir sie gekauft haben, und wir waren verheiratet, als wir hier waren.«

»Verheiratet, als wir uns hier geliebt haben.«

»Dutch …«

»Verheiratet, als du mir morgens den Kaffee ans Bett gebracht hast und nichts als ein Lächeln und diese Decke am Leib hattest«, sagte er und deutete dabei auf die Häkeldecke über der Rückenlehne des Sessels.

»Bitte tu das nicht.«

»Das ist mein Text, Lilly.« Er machte einen Schritt auf sie zu. »Tu das nicht.«

»Wir haben es schon getan. Vor sechs Monaten.«

»Du könntest es rückgängig machen.«

»Du könntest dich damit abfinden.«

»Ich werde mich nie damit abfinden.«

»Nur weil du es nicht willst.« Sie verstummte, holte tief Luft und senkte dann die Stimme. »Du wolltest dich nie damit abfinden, Dutch. Du sperrst dich gegen jede Veränderung. Und genau deshalb kommst du nie über irgendwas hinweg.«

»Ich will nicht über dich hinwegkommen«, widersprach er.

»Das musst du aber.«

Sie wandte sich von ihm ab, schleifte einen leeren Karton vor das Bücherregal und begann, ihn mit Büchern zu füllen, wobei sie diesmal weniger sorgfältig war als beim ersten Karton. Inzwischen wollte sie nur noch weg von hier, sonst wäre sie gezwungen, ihn noch mehr zu verletzen, um ihn zu überzeugen, dass ihre Ehe endgültig und unwiderruflich zu Ende war.

Die minutenlange angespannte Stille wurde vom Rauschen des Windes in den Bäumen rund ums Haus untermalt. Immer häufiger und immer kräftiger schlugen die Äste gegen den Giebel.

Sie wünschte, er würde vor ihr abfahren, denn es wäre ihr lieber, dass er nicht mehr da war, wenn sie die Hütte verließ. Sie wusste, dass es das letzte Mal wäre und er möglicherweise von seinen Emotionen überwältigt würde. Sie hatte solche Szenen schon öfter erlebt und wollte keine weitere erleben. Ihr Abschied brauchte nicht bitter und hässlich zu werden, aber Dutch steuerte direkt darauf zu, indem er alte Streitpunkte zu neuem Leben erweckte.

Obwohl er eindeutig das Gegenteil beabsichtigte, unterstrich die Tatsache, dass er diese Auseinandersetzungen wieder aufwärmte, wie richtig ihre Entscheidung war, diese Ehe zu beenden.

»Ich glaube, dieser Louis L’Amour gehört dir.« Sie hielt ein Buch hoch. »Willst du ihn haben, oder soll ich ihn den neuen Eigentümern überlassen?«

»Die kriegen sowieso alles«, antwortete er düster. »Da macht ein Taschenbuch mehr oder weniger keinen Unterschied.«

»Es war einfacher, die Möbel zusammen mit der Hütte zu verkaufen«, sagte sie. »Die Einrichtung wurde extra für diese Hütte angefertigt und würde in jeder anderen Wohnung deplatziert wirken. Und was hätte ich damit anfangen sollen, wo keiner von uns Platz dafür hat? Alles herausräumen, nur damit wir es jemand anderem verkaufen können? Und wo hätte ich die Möbel bis dahin untergestellt? Es war nur vernünftig, die Hütte mit allem Inventar zu verkaufen.«

»Darum geht es nicht, Lilly.«

Sie wusste, worum es ihm ging. Er wollte sich nicht vorstellen müssen, dass Fremde in ihrer Hütte wohnten und ihre Sachen benützten. Alles unberührt zu hinterlassen, damit es ein anderer genießen konnte, erschien ihm wie ein Sakrileg, eine Entehrung der vertrauten und intimen Momente, die sie in diesen Räumen geteilt hatten.

Es ist mir egal, ob es vernünftig ist, den ganzen Klumpatsch zu verscheuern, Lilly! Ich pfeif auf vernünftig! Wie kannst du den Gedanken ertragen, dass fremde Leute in unserem Bett und unter unserer Decke schlafen?

So hatte er reagiert, als sie ihm erklärte, was sie mit der Einrichtung vorhatte. Offenbar ärgerte ihn ihre Entscheidung immer noch, aber jetzt war es zu spät, um etwas daran zu ändern, selbst wenn sie dazu bereit gewesen wäre. Was sie nicht war.

Als die Regalfächer bis auf den einsamen Western geleert waren, schaute sie sich noch einmal um, ob sie vielleicht etwas übersehen hatte. »Die Lebensmittel.« Sie deutete auf die Dosen, die sie auf der Frühstückstheke zwischen dem Kochbereich und Wohnzimmer aufgereiht hatte. »Willst du sie mitnehmen?«

Er schüttelte den Kopf.

Sie legte sie in den letzten, nur halb vollen Bücherkarton. »Ich habe Strom und Wasser abstellen lassen, weil die neuen Besitzer erst im Frühjahr einziehen wollen.« Das wusste er mit Sicherheit schon. Sie redete nur, um das Schweigen zu vertreiben, das umso schwerer zu werden schien, je mehr persönliche Dinge sie aus der Hütte herausgeräumt hatte.

»Ich muss noch ein paar letzte Sachen aus dem Bad holen, dann bin ich fertig. Ich werde alles abstellen, abschließen und den Schlüssel wie vereinbart bei der Immobilienagentur abgeben, wenn ich aus der Stadt fahre.«

Seiner Miene und seiner Haltung war deutlich anzusehen, wie unglücklich er war. Er nickte, sagte aber nichts.

»Du brauchst nicht auf mich zu warten, Dutch. Du hast im Ort bestimmt genug zu tun.«

»Das kann warten.«

»Obwohl ein Eissturm vorhergesagt wurde? Wahrscheinlich musst du den Verkehr im Supermarkt regeln«, versuchte sie zu scherzen. »Du kannst dir vorstellen, wie die Leute vor so einer Belagerung zu hamstern anfangen. Lass uns Adieu sagen, dann kannst du schon ins Tal fahren.«

»Ich warte auf dich. Wir fahren zusammen. Du kannst das hier zu Ende bringen«, sagte er und deutete dabei ins Schlafzimmer. »Ich lade solange die Kartons in deinen Kofferraum.«

Er wuchtete den ersten Karton hoch und trug ihn hinaus. Lilly ging ins nächste Zimmer. Das Bett mit den zwei Nachttischen passte genau an die Wand unter der Dachschräge. Ansonsten standen nur ein Schaukelstuhl und eine Kommode im Raum. Die Fenster nahmen die ganze Raumseite gegenüber ein. An der anderen Wand gab es einen Kleiderschrank und ein kleines Bad.

Nachdem sie die Vorhänge schon vorhin zugezogen hatte, lag der Raum im Halbdunkel. Sie warf einen Blick in den Kleiderschrank. Verloren hingen die leeren Bügel an der Stange. Die Schubladen in der Kommode waren leer geräumt. Sie ging ins Bad und sammelte die Toilettenartikel ein, die sie heute Morgen verwendet hatte, zog den Reißverschluss eines Kulturbeutels aus Plastik zu und kehrte, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass der Medizinschrank ausgeräumt war, ins Schlafzimmer zurück.

Sie verstaute den Kulturbeutel in ihrem Koffer, der aufgeklappt auf dem Bett lag, und war gerade dabei, ihn zu schließen, als Dutch ins Zimmer kam.

Ohne jede Vorrede erklärte er: »Wenn das mit Amy nicht gewesen wäre, wären wir noch verheiratet.«

Lilly senkte kopfschüttelnd den Blick. »Dutch, bitte, ich will nicht …«

»Wir wären ewig zusammengeblieben.«

»Das wissen wir nicht.«

»Ich weiß es.« Er nahm ihre Hände. In seinem heißen Griff fühlten sie sich eisig an. »Ich übernehme die volle Verantwortung für alles. Dass es mit uns nicht geklappt hat, war allein meine Schuld. Wenn ich anders reagiert hätte, hättest du mich nicht verlassen. Ich sehe das ein, Lilly. Ich habe begriffen, welche Fehler ich gemacht habe. Sie waren riesig. Und dumm. Ich gebe das zu. Aber bitte gib mir noch eine Chance. Bitte.«

»Wir könnten nicht so tun, als wäre nichts passiert, Dutch. Wir sind nicht mehr die Menschen, die sich damals kennen gelernt haben. Begreifst du das nicht? Niemand kann ungeschehen machen, was geschehen ist. Es hat uns verändert.«

Das war sein Stichwort. »Du hast Recht. Menschen ändern sich. Ich habe mich seit der Scheidung geändert. Indem ich hier hoch gezogen bin. Diesen Job angenommen habe. All das hat mir gut getan, Lilly. Mir ist klar, dass Cleary nicht mit Atlanta zu vergleichen ist, aber hier habe ich etwas, worauf ich aufbauen kann. Ein festes Fundament. Hier bin ich zu Hause, und die Menschen hier kennen mich und meine Leute. Sie mögen mich. Und sie respektieren mich.«

»Das ist wunderbar, Dutch. Ich möchte, dass du hier Erfolg hast. Ich wünsche es dir aus vollem Herzen.«

Sie wollte wirklich, dass er hier Erfolg hatte, und zwar nicht nur seinet-, sondern auch ihretwegen. Bis Dutch wieder als guter Polizist angesehen wurde und sich vor allem selbst so sah, würde sie nicht von ihm loskommen. Erst wenn er mit sich und seiner Arbeit wieder im Reinen war, würde er es auch ohne sie schaffen, neues Selbstbewusstsein aufzubauen. Cleary als kleine Gemeinde bot ihm die Möglichkeit dazu. Sie hoffte bei Gott, dass alles gut ausgehen würde.

»Im Beruf und privat«, sprudelte es aus ihm heraus. »Überall habe ich neu angefangen. Aber all das ist bedeutungslos, wenn du mich verlässt.«

Ehe sie es verhindern konnte, hatte er die Arme um sie gelegt und sie an seine Brust gezogen. Er murmelte ihr beschwörend ins Ohr: »Sag, dass du uns noch eine Chance gibst.« Dann versuchte er, sie zu küssen, doch sie drehte den Kopf zur Seite.

»Lass mich los, Dutch.«

»Hast du vergessen, wie gut wir zusammenpassen? Wenn du dich nur ein einziges Mal öffnen würdest, könnten wir wieder ganz von vorn anfangen. Wir könnten all die schlechten Zeiten vergessen und da weitermachen, wo wir früher waren. Damals konnten wir die Finger nicht voneinander lassen, weißt du noch?« Er versuchte sie wieder zu küssen, diesmal, indem er seine Lippen hartnäckig auf ihre presste.

»Hör auf!« Sie schubste ihn weg.

Er strauchelte einen Schritt zurück. Sein Atem hing schwer im Raum. »Ich darf dich nicht mal berühren.«

Sie verschränkte die Arme vor dem Bauch, als wollte sie sich selbst umarmen. »Du bist nicht mehr mit mir verheiratet.«

»Du wirst mir nie verzeihen, stimmt’s?«, schnauzte er sie an. »Du hast die Sache mit Amy dazu benutzt, um dich von mir scheiden zu lassen, aber eigentlich ging es um was ganz anderes, stimmt’s?«

»Hör auf, Dutch. Fahr, bevor…«

»Bevor es mit mir durchgeht?« Er feixte.

»Bevor du dich lächerlich machst.«

Sie ließ sich nicht von seinem hasserfüllten Blick einschüchtern. Unvermittelt drehte er sich um und stampfte aus dem Zimmer. Er schnappte sich den Umschlag auf dem Couchtisch und zog seinen Mantel und Hut von den Kleiderhaken neben der Tür. Ohne sie anzuziehen, knallte er die Tür so fest hinter sich zu, dass die Fensterscheiben klirrten. Sekunden später hörte sie, wie der Motor seines Broncos ansprang und der Schotter unter den übergroßen Reifen aufspritzte, dann war er davongerast.

Sie setzte sich aufs Bett und ließ das Gesicht in die Hände sinken. Nachdem alles vorbei war, erkannte sie, dass sie nicht nur wütend und angewidert gewesen war, sondern dass sie auch Angst gehabt hatte.

Dieser Dutch mit dem explosiven Temperament war nicht mehr der charmante Mann, den sie geheiratet hatte. Trotz seiner Behauptung, er habe ganz neu angefangen, wirkte er verzweifelt. Und diese Verzweiflung äußerte sich in beängstigenden, quecksilberschnellen Stimmungsumschwüngen.

Sie schämte sich beinahe, so erleichtert war sie über die Gewissheit, dass sie ihn nie wiedersehen würde. Es war endgültig vorbei. Dutch Burton war aus ihrem Leben verschwunden.

Vor Erschöpfung ließ sie sich rückwärts aufs Bett fallen und legte den Unterarm über die Augen.

 

Das Klackern der Hagelkörner auf dem Blechdach weckte sie wieder auf.

Die Wortgefechte mit Dutch hatten sie immer erschöpft. Die angespannten Begegnungen mit ihm während der vergangenen Woche, in der sie in Cleary geblieben war, um den Verkauf der Hütte abzuschließen, waren kräftezehrender, als sie sich eingestehen wollte. Nach dem letzten Durchgang hatte ihr Körper ihren Geist gnädig zur Ruhe kommen lassen und ihr etwas Schlaf geschenkt.

Sie setzte sich auf und rieb gegen die Kälte über ihre Arme. Im Schlafzimmer war es dunkel, so dunkel, dass sie nicht einmal ihre Armbanduhr ablesen konnte. Sie stand auf, trat ans Fenster und zog den Vorhang zurück. Es fiel nur wenig Licht durch den Spalt, aber das reichte, um zu erkennen, wie spät es war.

Die Uhrzeit überraschte sie. Sie hatte tief und traumlos geschlafen, aber zu ihrer Überraschung nicht besonders lang. So dunkel, wie es draußen war, hätte sie gedacht, dass es schon viel später war. Die tiefen Wolken, die unter dem Gipfel hingen, hatten eine frühe, bedrohliche Dämmerung geschaffen.

Inzwischen war der Boden mit einer durchgehenden Hagelschicht bedeckt. Immer noch fielen Hagelkörner, vermischt mit Eisregen und dem, was die Meteorologen als Graupel bezeichnen, winzigen Eiskörnern, die wesentlich heimtückischer aussehen als ihre spitzenbesetzten Cousins. Schon jetzt waren alle Äste in Eispanzer gehüllt, die sichtbar dicker wurden. Kräftige Windböen rüttelten an den Fensterscheiben.

Es war töricht gewesen einzuschlafen. Diesen Fehler würde sie mit einer aufreibenden Fahrt über die Bergstraße bezahlen. Selbst nachdem sie es nach Cleary geschafft hatte, würde der Wettersturz die Heimfahrt nach Atlanta höchstwahrscheinlich um ein Vielfaches verlängern. Nachdem sie hier alles erledigt hatte, wollte sie so schnell wie möglich zurück, zurück in ihren Alltag, in ihr vertrautes Leben. In ihrem Büro würden sich unbeantwortete Anfragen, E-Mails und unerledigte Projekte häufen, mit denen sie sich umgehend befassen musste. Aber statt die Rückkehr zu fürchten, freute sie sich darauf, die Aufgaben anzugehen, die auf sie warteten.

Abgesehen davon, dass sie Heimweh nach ihrer Arbeit hatte, konnte sie es kaum erwarten, Dutchs Heimatstadt zu verlassen. Sie liebte die Atmosphäre in Cleary und die schöne, gebirgige Umgebung. Aber die Menschen hier kannten Dutch und seine Familie seit Generationen. Solange sie seine Frau gewesen war, hatte man sie warmherzig auf- und angenommen. Seit sie sich von ihm hatte scheiden lassen, behandelten die Einheimischen sie spürbar kühler.

Wenn sie bedachte, wie wütend er aus der Hütte hinausgestampft war, war es höchste Zeit, dass sie sein Territorium verließ.

Eilig trug sie ihren Koffer ins Wohnzimmer und stellte ihn neben der Tür ab. Dann unterzog sie die Hütte einer letzten kurzen Inspektion, bei der sie sich davon überzeugte, dass alles ausgeschaltet war und sie nichts zurückgelassen hatten, was ihr oder Dutch gehörte.

Zufrieden, dass alles in Ordnung war, zog sie Mantel und Handschuhe an und öffnete die Haustür. Der Wind packte sie mit einer Kraft, die ihr den Atem verschlug. Sobald sie auf die Veranda trat, peitschten ihr Eiskristalle ins Gesicht. Sie musste ihr Gesicht abschirmen, aber für eine Sonnenbrille war es eindeutig zu dunkel. Die Augen gegen den Hagel zusammengekniffen, trug sie den Koffer zum Auto und stellte ihn auf die Rückbank.

Dann kehrte sie ein letztes Mal in die Hütte zurück und benutzte ihren Inhalator. Die kalte Luft konnte einen Asthmaanfall auslösen. Der Inhalator würde das verhindern helfen. Zuletzt zog sie, ohne sich einen letzten nostalgischen Blick zu gönnen, die Tür zu und schloss mit ihrem Schlüssel den Sperrriegel ab.

In ihrem Auto war es kalt wie in einem Eisschrank. Sie startete den Motor, musste aber abwarten, bis die Scheibenheizung warm geworden war, bevor sie losfahren konnte; die Windschutzscheibe war komplett vereist. Den Mantel fest um den Leib geschlungen, schob sie Nase und Mund in den hochgeschlagenen Kragen und konzentrierte sich darauf, gleichmäßig zu atmen. Ihre Zähne klapperten, und sie schlotterte am ganzen Leib.

Endlich war die Luft aus den Lüftungsschlitzen warm genug, um das Eis auf der Scheibe zu matschigem Schnee zu schmelzen, den die Scheibenwischerblätter beiseiteschieben konnten. Allerdings kamen sie nicht gegen den dichten Eisregen an. Lillys Blickfeld war gefährlich eingeschränkt, das würde sich erst ändern, wenn sie unten im Tal war. Sie hatte keine andere Wahl, als die kurvige Mountain Laurel Road hinunterzufahren.

Die Straße war ihr vertraut, aber so vereist war sie noch nie gewesen. Lilly beugte sich über das Lenkrad und spähte durch die schlierige Windschutzscheibe, bemüht, etwas jenseits der Kühlerfigur zu erkennen.

Auf den Serpentinen schmiegte sie sich eng an den rechten Fahrbahnrand und die Felswand, denn sie wusste, dass an der anderen Straßenseite ein Abgrund drohte. Sie ertappte sich dabei, wie sie in den Haarnadelkurven den Atem anhielt.

Die Fingerspitzen waren trotz der Handschuhe so kalt, dass sie fast taub waren, aber die Handflächen, die das Lenkrad umklammerten, waren verschwitzt. Vor Anspannung begannen die Muskeln in ihren Schultern und ihrem Nacken zu brennen. Ihr ängstlicher Atem ging immer stockender.

In der Hoffnung, ihr Blickfeld zu vergrößern, rieb sie mit dem Mantelärmel über die Windschutzscheibe, aber damit verschaffte sie sich lediglich einen besseren Ausblick auf den dichten Hagelschleier.

Dann sprang ganz unerwartet eine menschliche Gestalt aus dem Wald am Straßenrand direkt vor ihr Auto.

Instinktiv stieg sie auf die Bremse und entsann sich zu spät, dass man auf einer vereisten Straße auf gar keinen Fall abrupt bremsen sollte. Der Wagen kam ins Schleudern. Die Gestalt im Scheinwerferlicht machte einen Satz zur Seite und versuchte sich zu retten. Mit blockierenden Rädern und wild schwänzelndem Heck schlitterte der Wagen daran vorbei. Lilly spürte einen dumpfen Schlag an der hinteren Stoßstange. Mit einem üblen Gefühl im Magen erkannte sie, dass sie ihn getroffen hatte.

Das war ihr letzter peinigender Gedanke, bevor der Wagen gegen einen Baum krachte.