Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Der PERRY RHODAN-Wegweiser

Impressum

PERRY RHODAN - Die Serie

 

Nr. 2678

 

Das Windspiel der Oraccameo

 

Sie kämpfen um die Macht – und finden die Unsterblichkeit

 

Michael Marcus Thurner

 

 

Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von all diesen Entwicklungen weiß Perry Rhodan nichts. Auch ihn hat es in einen fremden Kosmos verschlagen: Mit dem gewaltigen Raumschiff BASIS gelangt er in die Doppelgalaxis Chanda. Dort regiert die negative Superintelligenz QIN SHI, die für ihre Pläne das geheimnisvolle Multiversum-Okular benötigt.

Nicht zuletzt durch die Aktivitäten des unsterblichen Terraners bröckelt mittlerweile QIN SHIS Macht – und der Widerstand setzt zum entscheidenden Schlag an. Die Galaxis Chanda kann befreit werden und steuert nun unter der Führung von Ramoz einer hoffentlich friedlicheren Zukunft entgegen. Doch der Kampf geht an anderer Stelle weiter: Informationen über die Natur des Gegners verrät DAS WINDSPIEL DER ORACCAMEO ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Maran Dana Fogga – Ein Geschöpf, das dient.

Wörgut Gooswart – Ein Oraccameo muss sich im Machtpoker bewähren.

Tion Youlder – Der Oberste Herr hat weitreichende Pläne für seine Galaxis.

Cofirazi Marturia – Der Minister sieht in Gooswart einen Gegner auf dem Weg zur Spitze.

»Du wirst alles über Schauspiel lernen. Über Lyrik, Prosa, Drama, Bühne, avantgardistische Bewegungen, Ausdruckstanz, klassischen und theoromantischen Bifantismus, transzendentale Schlachtgesänge, Architektur, über die Iota-Spiegelungen des künstlerischen Geschlechtsaktes eines Laminars ... kurzum: Du wirst Kunst inhalieren. Es wird kein kulturelles Gebiet geben, in dem du nicht firm sein wirst.«

»Aber Halter, ich ...«

»Du widersprichst mir? Soll ich dich dort absetzen, wo ich dich aufgelesen habe? In diesem elendigen Loch auf einem elendigen Planeten, umgeben von Unrat, Gestank und Wesen, die dich hassen, weil du anders bist als sie? Du würdest niemals von dort entkommen! Man würde dich zur Zwangsarbeit verpflichten, dich prostituieren, dich wegen einiger Kredite aufschlitzen und aus deiner Fellhaut einen Mantel fertigen. Willst du das?«

»Nein, Halter. Ich möchte bloß wissen, wozu ich das alles lernen soll. Und warum ausgerechnet ich?«

»Weil du es kannst. Weil dein Geist frisch und unverbraucht ist. Weil du mir gehörst. Und weil du Teil meines Plans bist.«

Maran Dana Fogga frohlockte still. Ein erstes Teilziel war erreicht.

 

 

1.

Exposition

 

Wörgut Gooswarts Sternenraumer trug den banalen Namen ZACKENGUT. Die einzige Funktion des riesigen Schiffs war es, seinen Besitzer möglichst rasch durch Chalkada zu transportieren. Es gab einige Brennpunkte in dieser Galaxis, und nicht alle hatten unmittelbar mit dem Krieg gegen die Kuippri zu tun.

Mitarbeiter versorgten den Minister mit den letzten Informationen über Änderungen an den Kriegsfronten. Andere analysierten oder schlugen neue taktische Winkelzüge vor. Einige verloren sich in uralten Schlachtentagebüchern, um in der Vergangenheit Lösungen für die Zukunft zu finden, und ein erklecklicher Haufen Fachleute aller Richtungen beschäftigte sich damit, die Rechner mit Daten zu füttern, die in einigen Jahren den Sieg über die feindlichen Kuippri bewirken würden. Denn dass es einen Sieg geben würde, stand nach Meinung des Oraccameo-Kriegsherrn unabänderlich fest.

Maran Dana Fogga verabscheute die Enge des Schiffs. Es gab keine Weite und keine Perspektive. Wohin er blickte, existierten Begrenzungen seines Sichtfelds und seines Geistes. Außerhalb der metallenen Hüllen existierte zwar die Unendlichkeit in purster Form. Doch in seinem Kabinentrakt fühlte er sich wie in einem Gefängnis.

»Die Landung erfolgt in Kürze«, ließ der Kommandant der ZACKENGUT verlautbaren.

Die Nachricht galt einzig und allein seinem Herrn. Wörgut Gooswart nutzte die Zeit an Bord des Schiffs meist zur Kontemplation. Er versank dann in meditativer Grundhaltung, die Glieder überkreuzt, den Kopf weit in den Nacken geschoben, lautstark atmend.

Doch nicht diesmal. Gooswart saß im Luft-Zirkulat seines Arbeitsplatzes und arbeitete mögliche Pläne durch, die sein weiteres Vorgehen im Kampf um eine bessere Position im Herrschaftsgefüge der Oraccameo betrafen. Fogga war von dieser Arbeit ausgeschlossen. Er war ein willfähriger Mitarbeiter, und seine Belohnung bestand darin, dass er leben durfte. Nun – zumindest glaubte das sein Halter.

»Mach dich bereit, Fogga«, sagte Gooswart, ohne von seinen Unterlagen hochzublicken. »Bevor wir mit dem Obersten Herrn zusammentreffen, sollen wir uns auf seinen Wunsch hin ein ganz besonderes Schauspiel ansehen.«

»Ein Schauspiel?«, hakte Fogga nach, dessen Interesse mit einem Mal geweckt war.

»Du brauchst dich keinerlei Hoffnungen hingeben. Es handelt sich um Hinrichtungen. Ich verstehe zwar nicht, warum Tion Youlder möchte, dass ich mir selbst einen Eindruck von einer langweiligen Routineangelegenheit mache – aber ich werde ihm diesen Wunsch nicht abschlagen.«

»Eine Exekution kann große künstlerische Bedeutung erlangen, wenn sie in einem würdigen Rahmen getätigt wird«, wagte Fogga den Widerspruch. »Mord, Selbstmord, Massenmord – für all diese Dinge gibt es ausgezeichnete Literatur.«

»Manchmal überlege ich mir, was für ein Monster ich da herangezogen habe«, meinte Gooswart, und diesmal hob er den Kopf. Er wirkte verstört. »Kennst du keinerlei Grenzen?«

»Kennst du sie denn, Herr?«

Der Kriegsminister wandte sich ab. Er wechselte abrupt das Thema und sprach nun über Belanglosigkeiten, die sie auf einer belanglosen Welt namens Edenar Parie erwarteten. Hatte Fogga ihn diesmal wirklich aus dem Konzept gebracht?

 

*

 

Die Gerichtsverhandlung fand im Inneren eines weitläufigen Gebäudes statt, das völlig frei von Wind gehalten wurde. Die Gefangenen waren übelsten Bedingungen ausgesetzt. Niemals durften sie in ihren Wartezellen auch nur das leiseste Lüftlein spüren; selbst das Laufen war ihnen verboten. Ihre Haut, die nach Erfrischung gierte, war runzlig und spröde. Die fettreiche Ernährung tat ihr Übriges, um die Gefangenen leiden zu lassen.

Die drei Delinquenten saßen bereits in ihren Urteilsmulden. Sie hatten sich des Hochverrats schuldig gemacht, ohne dass eine nähere Begründung gegeben wurde, worin dieser Hochverrat eigentlich bestand.

Sie erwarteten das Urteil mehr oder minder gefasst. Sie wussten, dass jeglicher Protest sinnlos war, zumal Wörgut Gooswart anwesend war.

Der Mann, der den Tod brachte ... So flüsterte man hinter vorgehaltener Hand, sobald der Kriegsminister in der Nähe weilte. Seine Präsenz verhieß selten Gutes.

Fogga betrachtete wenig interessiert die Vorbereitungsarbeiten auf die Hinrichtung, die in einem Nebensaal stattfanden – für die drei Opfer stets sichtbar. Die Tätigkeiten der Henker wirkten banal und bargen kaum ein dramatisches Element, das sich in Text oder Musik umsetzen ließe.

Gewiss – ein Fachmann hätte selbst aus dieser alltäglichen Situation die Strophe eines Lieds, einen bemerkenswerten Satz oder einen geistreichen Dialog hervorkitzeln können. Doch das war es auch schon. Der Tod in seiner Alltäglichkeit bot keinerlei Überraschungen.

Der Richter las die Urteile vor und kam recht bald zu einem Ende. Auch er wirkte gelangweilt. Edenar Parie galt als Kolonie der Oraccameo, in der das Recht mit aller Härte durchgesetzt wurde.

Doch zum Ende hin kamen bemerkenswerte Sätze, die Fogga aufhorchen ließen.

Der Richter schloss: »... und werden die Angeklagten hiermit zur Entleibung freigegeben. Die Vollstreckung hat innerhalb des nächsten Tages stattzufinden. Die Verurteilten haben durch ihr abscheuliches Tun jedwedes Recht auf Gnade oder Barmherzigkeit verwirkt. Das Barmherzige Hinrichtungswerk ist angehalten, jede weitere Verzögerung auszuschließen. Die Verhandlung ist beendet.«

Der Oraccameo im traditionellen Rot seiner Zunft stieg von der Schwebeplattform, die ihn über die Anwesenden erhoben hatte. Er verneigte sich tief vor dem Kriegsminister und verließ dann den Gerichtssaal.

Mehrere Wächter kümmerten sich um die Delinquenten, die den Spruch ohne sonderliche Regung hinnahmen. Sie waren darauf vorbereitet gewesen. Die Augen des einen wirkten glasig. Womöglich hatte er Drogen geschluckt. Ein anderer murmelte seltsame Dinge vor sich hin.

Fogga hatte in Erfahrung gebracht, dass Teile der Bevölkerung Edenar Paries einem seltsamen Gottesglauben nachhingen, der mit der Lehre reiner Vernunft, der die meisten Oraccameo anhingen, kaum in Einklang zu bringen war.

Sie wurden in den Raum des Barmherzigen Hinrichtungswerks gebeten, unmittelbar hinter den drei Verurteilten. Fogga konnte sie riechen, trotz des Energieschirms, der sie voneinander trennte. Er fühlte, wie ihre Selbstbeherrschung nachließ. Wie die Angst nach ihnen griff. Wie sie sich verzweifelt an Hoffnungen klammerten, die immer geringer wurden, je näher sie dem Vollzugsblock kamen.

Seltsam.

Da lagen keine Kristallspritzen parat, die ihre Venen und Adern sprengen und das Herz zum Versagen bringen würden. Auch kein chemischer Repulsionsstoff, mit dessen Hilfe der Psyche des Verurteilten dessen Bedeutungslosigkeit dargelegt wurde, so lange, bis er aus Gram verstarb. Nicht einmal eine Hinrichtungswaffe lag bereit, die im Normalfall bei Gnadenfällen zur Anwendung kam.

Wörgut Gooswart wirkte ebenfalls irritiert. Er sah sich um. Unsicher, vielleicht sogar ängstlich.

Befürchtete er, vom Obersten Herren in eine Falle gelockt worden zu sein und gemeinsam mit den drei Verbrechern hingerichtet zu werden?

Der Haupthenker trat zum Vollzugsblock. Der Oraccameo trug gemäß uralter Traditionen keine Kutte. Er war nackt bis auf ein kunstvoll geknotetes Tuch, das seinen Brustbereich bedeckte. Seine Opfer sollten in den letzten Augenblicken ihres Lebens wissen, wem sie gegenüberstanden.

Dieser da wirkte ausgezehrt. Er trug unzählige Narben an seinem Körper, die auf ein Leben im Kampflager hindeuteten. Vielleicht war er einmal Ausbilder gewesen.

Er wurde von einem pilzähnlichen Wesen begleitet, das in einer Antigravschale lag und dessen Fußfäden hell leuchteten. Diese seltsamen Geschöpfe, Marestobaren genannt, waren meist in Kontaktstrom getaucht, der ihnen die Arbeit als höchst begabte Techniker der Fünfdimensionalität erleichterte.

»Was hat das zu bedeuten?«, fragte Fogga seinen Halter, weiterhin durch einen Energieschirm geschützt.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Gooswart. »Tion Youlder hat mir keinerlei Hinweise gegeben, was ich hier zu tun habe.«

Der Oberste Herr über alle Oraccameo erteilte mitunter rätselhafte Anweisungen, wie Fogga nur zu gut wusste. Er kannte den größten Teil der Konversation zwischen Wörgut Gooswart und ihm. Vieles deutete auf charakterliche Widersprüchlichkeiten hin, die ihn eines Tages in Depressionen oder Schlimmeres treiben würden. Doch eine derartige Veranlagung war den meisten Oraccameo zu eigen.

Der Haupthenker ließ sich von einem Helfer ein unspektakulär wirkendes Gerät reichen.

Es war kugelrund und hatte zwei schwere Griffe, die wie Ohren abstanden. Schläuche führten von dem sonderbaren Ding in einen unscheinbaren Kasten, der am anderen Ende des Raums positioniert war. Es lag keinerlei Ästhetik, keinerlei künstlerischer Inhalt in dieser Anordnung. Fogga vermutete, dass es sich um einen wenig entwickelten Prototypen handelte, der eine mit »Entleibung« umschriebene Tötung vollziehen sollte.

»Ihr seid so weit«, sagte der Haupthenker. Er musterte einen Delinquenten nach dem anderen. »Keine Gnade wird gewährt. Doch ihr dürft stolz sein, Teil eines Experiments zu sein.«

Er sprach die Worte formelhaft.

Fogga merkte ihm an, dass er sie verwendete, ohne zu wissen, worum es eigentlich ging. Der Marestobare, dessen Wurzeln nun heftig leuchteten und glühten, war derjenige, der die Fäden in der Hand hielt.

»Vollzug!«, sagte der Haupthenker und fuhr auf Geheiß des Pilzwesens einen Regler an seinem Gerät hoch. Er hielt den leicht abgeflachten Teil auf einen der Verurteilten gerichtet.

Es geschah ... nichts. Der Oraccameo stand bloß da, an Händen und Beinen gefesselt, schicksalsergeben, mit gesenktem Kopf.

Zeit verging, der Haupthenker gab sich nervös. Er schwenkte die Kugel hin und her. Der Marestobare lenkte ihn mit seinen Leuchtfühlern, schwebte zur lenkenden Zentraleinheit, nahm dort einige Justierungen vor, kehrte zurück.

Auch er wirkte zunehmend verzweifelt. Fogga verstand sich zwar nicht sonderlich gut auf die Deutung dieser seltsamen Geschöpfe, doch die Anzeichen einer Körperfäule, die unweigerlich zu Krankheit und einer Häutung führen würden, waren deutlich auszumachen.

Der Verurteilte zuckte zusammen. Sein Kopf schlug zurück, wie von Geisterhand bewegt. Er torkelte, stolperte über die energetischen Beinfesseln, wurde aufrecht gehalten.

Er kreischte los mit hoher Stimme.

Wie lange war es her, dass Fogga einen Oraccameo hatte schreien hören?

Oraccameo hatten die Selbstbeherrschung zu einer ihrer großen Tugenden gemacht, wie sie auch die Begabung besaßen, Schmerzgefühle zu unterdrücken.

Doch dieser da – er litt! Sein Leib zuckte. Der Kopf vollführte unmöglich erscheinende Bewegungen. Schaum träufelte aus den Mundwinkeln, er hustete und brabbelte sinnloses Zeug vor sich hin.

Die beiden anderen Verurteilten rückten von ihm ab, so weit sie konnten; doch auch sie wurden nun, da der Haupthenker sein Gerät hin und her schwenkte, von den Ausstrahlungen des Entleibers erfasst.

Es war eine Bestrahlung, die sie erlitten, keine Frage. Vielleicht ließ sie Zellkerne mutieren, vielleicht brachte sie alle Körperflüssigkeit zum Kochen. Fogga interessierte es nicht. Der experimentelle Charakter dieses Schauspiels – und es war ein Schauspiel! – zog ihn mehr und mehr in seinen Bann.

Was er zu sehen bekam, war ... gut! Die Dramaturgie mochte etwas laienhaft sein und die Effekte übertrieben. Doch er erahnte eine ganz besondere Kraft, die dem Drama, das sich vor seinen Augen vollzog, seine Würze gab.

Der erste Oraccameo brach zusammen, dann der nächste. Der letzte hatte eine deutlich längere Leidenszeit – er bildet damit den krönenden Abschluss dieser gelungenen Aufführung! – und wurde schließlich auch von den energetischen Fesseln freigelassen. Haltlos fiel er zu Boden, ein dumpfes Geräusch erklang.

»Dem Recht ist Genüge getan«, sagte der Haupthenker. Er legte das Gerät zu Boden und zeigte dabei eine ungewöhnliche Regung: Er wirkte angewidert. Schlug die Wirkung des Entleibers auch auf ihn zurück?

Der Marestobare lenkte seine Antigravschale auf eines der Opfer zu und ließ sie kippen, sodass sein Leib auf dem Toten zu liegen kam. Die leuchtenden Fühler tasteten ruhig, fast zärtlich über dessen Leib – um dann unvermittelt und mit großer Wucht die Haut zu durchbohren und in sein Inneres vorzudringen.

Fogga beobachtete den Vorgang mit einem angenehmen Schaudern. Die Dramaturgie dieses Schauspiels erlaubte einen weiteren, einen nicht unbedingt erwarteten Akt. Ein neues Handlungskapitel wurde eröffnet, neue Personen traten aufs Tapet.

Großartig!

Der Marestobare löste sich nach einer Weile von seinem Opfer. Sein Körper pulsierte, die Lichtzeichnungen verrieten so etwas wie Freude. Er kroch zurück in seine Schale, aktivierte die Übersetzungseinheit und ließ dann einige Konvulsiv-Bewegungen seines Leibs in Sprache übertragen.

Er befahl dem nach wie vor desorientiert wirkenden Haupthenker und seinen Helfern, den Raum zu verlassen.

Als sie gegangen waren, sagte er: »Die Versuchsperson ist völlig leer. Das Experiment ist großteils gelungen.«

»Klär mich gefälligst auf, was das hier soll!«, forderte Wörgut Gooswart mit allen Anzeichen der Ungeduld. »Ich habe keine Lust, mich mit ominösen Andeutungen eines Helfershelfers abzugeben.«

Der Marestobare gab sich unterwürfig. »Leider, Herr«, sagte er und rieb einige Wurzelfäden als Zeichen seiner Demut aneinander, »wurde ich von Tion Youlder angehalten, dir nur einige wenige Stichworte zu verraten.«

»Dann sag, was du zu sagen hast!«

Das Pilzwesen rückte sich in seiner Antigravschale zurecht. »Was du hier gesehen hast, Kriegsminister, nennen wir eine Entleibung, wie du mittlerweile weißt. Wir haben, laienhaft ausgedrückt, den Verurteilten jedwede Lebenskraft entzogen und sie dort«, er wies auf einen quadratischen Aufbau des Steuergeräts, »abgespeichert. Ich besitze Aufzeichnungen, dass dieser Transfer gelungen ist ...«

»Was wurde transferiert?«, unterbrach ihn Gooswart verständnislos.

»Lebenskraft. Das, was uns denkende Geschöpfe funktionieren und existieren lässt. Es gibt philosophische Ansätze, die ...«

»Ich bin an philosophischen Betrachtungsweisen nicht interessiert. Ich möchte Daten und Fakten haben!«

»Ich muss dich leider enttäuschen, Herr.« Der Maristobare zog seinen Leib zusammen. »Wir wissen längst noch nicht, was der Geist eines Wesens ist und was ihn ausmacht.«

»Das ist alles, was du mir sagen kannst?«

»Ich wurde gebeten, diese Demonstration vorzunehmen, bevor du dem Obersten Herrn gegenübertrittst. Wenn du mich nun entschuldigst? – Ich und meine Kollegen müssen dieses Experiment so rasch wie möglich auswerten. Vielleicht können wir dir danach einige weitergehende Antworten geben.«

»Schon gut.« Gooswart winkte seinem Gegenüber, das Pilzwesen war entlassen.

Mehrere Roboter kümmerten sich um den raschen Abtransport der Leichen.

»Das war enttäuschend«, sagte Fogga.

»Und dennoch muss sich Tion Youlder etwas dabei gedacht haben, dass er mich hierher beorderte.«

Fogga ließ die Schaumhaare unverbindlich blubbern. Es hatte wenig Sinn, seinen Halter darauf aufmerksam zu machen, dass er eine ganz andere Form der Enttäuschung gemeint hatte. Ihn irritierte vielmehr, dass der Auftritt des Marestobaren so sang- und klanglos zu Ende ging und die Dramaturgie dieser Lebensepisode darunter litt.

Oder handelte es sich um einen ganz besonderen Geniestreich? Klang dieses Schaustück in einem Manifest der Langeweile aus, das als Kontrapunkt zu seiner sonst so aufregenden Existenz als Faktotum des Kriegsherrn stand?

Fogga war unwohl bei diesem Gedanken. Er verabscheute ein Lebensstück der Enttäuschungen. War es zu viel verlangt, an einem gut inszenierten Leben teilhaben zu dürfen?

Der Kriegsminister verließ den Raum des Barmherzigen Vernichtungswerks. Auch hier war niemand mehr zu sehen. Bis auf einen weiteren, großgewachsenen Oraccameo.

»Hat es dir gefallen?«, fragte der andere. »Dir und deinem Laufburschen?«

»Ich wüsste nicht, was dich meine Befindlichkeit angeht«, entgegnete Wörgut Gooswart, der sich bemühte, sich seine Überraschung nicht anmerken zu lassen. »Was hast du hier zu suchen, Marturia?«

Cofirazi Marturia. Der Ethik-Minister im Reich der Oraccameo, oftmals im Konflikt mit Wörgut Gooswart stehend. Ein Mann, dessen Verhaltensweisen Fogga nur äußerst schwer einschätzen konnte. Er gab sich manchmal hinterlistig und verschlagen, war aber durchaus in der Lage, Dinge zu tun, die allgemein als »gut« erkannt wurden und ihm selbst bei den Angehörigen unterjochter Völker Anerkennung verschafften.

»Ich bin hier auf Geheiß des Obersten Herrn, wie du dir wohl denken kannst. Er legt sehr viel Wert auf meine Meinung, was dieses Entleibungs-Instrument betrifft.«

»Wie möchtest du dir eine Meinung bilden, wenn du der Hinrichtung und dem Einsatz des Geräts nicht einmal unmittelbar beigewohnt hast?«