Impressum
Verlag:
Gruner + Jahr AG & Co KG
Verlagsgruppe München
Weihenstephaner Str. 7
81673 München
Chefredakteurin: Marie-Luise Lewicki (v.i.S.d.P.)
ISBN 978-3-652-00250-9
1. Allein mit Kind
Muss man sich als Alleinerziehende wirklich alleine fühlen? Eine Frau und ein Mann erklären, wie aus der Erziehung gemeinsame Sache wird
2. Müssen Scheidungskinder leiden?
Interview mit dem Züricher Professor und Autor Remo Largo darüber, was eine Trennung für Kinder bedeutet und wie Familien sie am besten bewältigen
3. Die wichtigsten rechtlichen und finanziellen Fragen rund um die Trennung
4. „Ich wäre so gern eine unbeschwerte Mutter“
Wie ist das – ein Kind zu erwarten und gleichzeitig seinen Partner zu verlieren, seinen Job und fast auch seine Zuversicht? Unsere Autorin hat es erlebt
5. Papa kommt
Drei Fragen an Annette Habert, Gründerin der Initiative „Mein Papa kommt“
6. Hot Single Mums
In Hollywood ist das Leben leichter – aber das ist nicht das Einzige, was unsere Kolumnistin von Jennifer Lopez unterscheidet
7. Zehn Eltern-Fragen rund ums Thema Alleinerziehen
8. Drei Kilometer sind weit weg
Die Söhne blieben nach der Trennung beim Vater. Dann brachen sie den Kontakt ab. Eine Mutter über ihr neues Leben ohne Kinder
9. Trennung – was schützt die Eltern-Kind-Beziehung jetzt?
Ein Gespräch mit der Diplom-Sozialpädagogin Claudia Ordon von der Münchner Beratungsstelle IETE
10. Die Mama-WG
Zwei alleinerziehende Mütter, drei Kinder – und eine gute Idee: Warum nicht zusammenziehen und sich das Leben so ein bisschen einfacher machen? Eine Reportage über eine neue Lebensform
11. Mami allein zu Haus
Keine neue Kino-Komödie, sondern Realität für viele Alleinerziehende: Heiligabend ohne Kinder. Wir erklären, wie es trotzdem keine Tragödie wird
12. Single-Mütter schlafen besser
Wie meistern Alleinerziehende ihr Leben – und wie prägt das ihre Kinder? Ein sehr persönlicher E-Mail-Wechsel zwischen zwei Freundinnen
13. Mamis neuer Freund
Praktische Tipps für die ersten Begegnungen zwischen Ihrem Kind und dem neuen Partner
14. Trotzdem ein Bund fürs Leben
Getrennt sein und dennoch eine Familie bleiben – eine Mutter erklärt, wie das geht
Autoren: Nina Berendonk, Ulrike Blieffert, Christiane Börger, Verena Hagedorn, Xenia Frenkel, Anne Ziehres
Der Begriff „alleinerziehend“ klingt ein bisschen nach „allein gelassen“, auch „hilfebedürftig“ schwingt mit. Und man kann sich fragen, wieso sich viele Alleinerziehende – 90 Prozent von ihnen sind Frauen – tatsächlich so fühlen. Was macht der Vater? Und wo bleibt der Staat? Eine Frau und ein Mann erklären, wie aus der Erziehung eine gemeinsame Sache wird
„Ich suche ein Netzwerk, keine Leidensgenossen“
Frauen am Rand des Nervenzusammenbruchs. Manchmal einsam, manchmal arbeitslos, oft beides. Hartz-IV-Empfänger, obwohl zwei Drittel der Betroffenen gern wieder arbeiten würden. Das sind Stichworte aus Berichten über Alleinerziehende, die inzwischen einem neuen Glamour weichen, den Promis wie Sharon Stone und Rachida Dati dem Thema verleihen. Doch auf die alltäglichen Schicksale treffen sie noch immer zu.
18 Prozent aller Familien sind Familien mit einem alleinerziehenden Elternteil. Besonders in Großstädten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, früher oder später zu dieser großen Minderheit zu gehören.
Nicole Focke ist passiert, was sie sich nicht hätte vorstellen können. Eines Tages stand sie mit ihrem kleinen Sohn allein da. Alles, was sie seither will, ist: zurück in die Normalität. Die 38-Jährige will Betreuung für ihren Sohn, einen Job, ein gutes Verhältnis zum Vater und eine neue Beziehung. Doch bei ihren Bemühungen kam nichts heraus, stattdessen muss sie mit Behörden und dem Exfreund um Unterstützung feilschen. Abseits der üblichen Hilfsangebote versucht sie, ihren Weg zu finden.
Erste Station: Anruf beim Familien-Notruf München
Am Anfang, da stand noch nicht fest, ob sie jetzt alleinerziehend sein würde oder nicht. Sie stritt stundenlang mit ihrem Freund, der immer seltener zu Hause war, während sie sich immer häufiger mit ihrem damals elf Monate alten Sohn allein gelassen fühlte. Der Kleine war oft krank, Nicole Focke steckte sich an. Die Situation eskalierte, weil der Vater vor dem Stress zu Hause flüchtete, wodurch der natürlich noch größer wurde. „Ich drängte ihn, den Familien-Notruf anzurufen. Man sagte uns, dass wir in vier Wochen einen Termin bekommen könnten.“ Eine lange Zeit für jemanden, der in Not ist.
Einen Monat später ging es nicht mehr darum, die Familie zu retten: „Es war zumindest für mich klar, dass wir uns trennen würden“, sagt Nicole Focke. „Seine Affäre hätte ich meinem Freund verzeihen können. Aber nicht die ganzen Lügen.“
Zweite Station: Die Gruppe
Ein Zettel an der Badezimmertür diente als Wegweiser durch das Chaos: „Betreuung“ und „Wohnung suchen“ standen oben auf der Liste. „An der Tür musste ich vorbei, deshalb hing der Zettel dort, damit ich ihn nicht übersehe. Mein Freund war ausgezogen, ich war wie gelähmt und brauchte dringend Unterstützung. “
Nicole Fockes Erfahrung mit dem Verband Alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) war nicht sehr ermutigend. „Das ist zweifellos für viele eine sehr wichtige Einrichtung. Es ging mir aber weniger um Fragen wie ‚Was steht mir zu?‘ als um die Frage ‚Wie werde ich wieder unabhängig?‘. Ich suche nach einem Netzwerk, nicht nach Leidensgenossen.“
Im Internet fand sie die Seite einer Gruppe, die sich gerade aufgelöst hatte, weil keines der Mitglieder mehr alleinerziehend war. „Für mich war das zwar schade, aber gleichzeitig hat es mir Mut gemacht, den Glauben zu behalten: Das ist nur eine Phase. Das bleibt nicht, wie es ist.“
Dritte Station: Das Jugendamt Hamburg
Ihren Job als Einkäuferin konnte Nicole Focke wegen der vielen Auslandsreisen als Alleinerziehende nicht länger ausüben. Das wäre nur mit der Unterstützung ihres Exfreundes möglich gewesen. „Statt Verantwortung zu übernehmen, meinte er nur, er sei kein Babysitter. Ich finde, es muss selbstverständlich sein, dass zwei Menschen Partner bleiben, auch wenn sie kein Paar mehr sind.“ Damit wären viele Probleme Alleinerziehender beseitigt.
Mit ihrem Sohn und ein paar Taschen fuhr sie von München nach Hamburg – erst mal zu ihrer Mutter. Nicole Focke meldete sich in der Hansestadt, um so schnell wie möglich einen Krippenplatz zu finden und sich als Textildesignerin selbstständig zu machen. Dann die Ernüchterung auf dem Amt: Wer in Hamburg Betreuung sucht, der muss sich beim Jugendamt einen Gutschein ausstellen lassen. Den bekommt aber laut Gesetz nur, wer Arbeit hat. Und auch erst vier Wochen vor Arbeitsbeginn: praktisch aussichtslos, in dieser kurzen Zeit einen der begehrten Krippenplätze zu ergattern. Umsteiger wie Nicole Focke haben kein Anrecht auf Betreuung – sie fallen durch das grobmaschige Netz.
„Das war ein schlimmer Rückschlag für mich. Ich mag ein spezieller Fall sein, aber wer ist nicht speziell, wenn er sein Leben komplett neu einrichten muss?“ Daraus gelernt hat sie, dass die Standardlösungen der Behörden sie nicht weiterbringen: „Dabei kann ich mir gar nicht vorstellen, dass individuelle Hilfe mehr Geld kosten würde, als all den abgewiesenen Fällen jahrelang Hartz IV zu zahlen. Die Politik sollte arbeitswillige Mütter mehr motivieren.“
Vierte Station: Telefonat mit einer anderen Mutter
Ihr Vater sagt immer: „Wenn du nicht weiterweißt, dann zieh dir Schuhe an und geh raus.“ Das mag banal klingen, aber für Nicole Focke ist es manchmal einfach nur die Bewegung, die sie vor dem innerlichen Stillstand bewahrt. Weitergehen – das ist ein einfaches Mantra.
Überhaupt sind es meistens ganz einfache Dinge, die wirkungsvoll sind und wie unauffällige Pfeile in der Landschaft einen Weg markieren, den man sonst nicht sehen würde. Nicole Focke erinnerte sich daran, dass sie einmal mit einer alleinerziehenden Mutter aus Hamburg gesprochen hatte. Jetzt wählte sie deren Nummer.
Die Frau hatte sich von einem Onkel Geld geliehen, war in umgekehrter Richtung nach München gefahren und hatte sich dort innerhalb weniger Wochen eine Wohnung und einen Krippenplatz organisiert. „Na bitte, geht doch, fasste ich nach diesem Telefonat Mut. Ich habe diese Frau noch nie getroffen, aber ihre Geschichte war besser als jedes bezahlte Coaching.“
Fünfte Station: Die Kinderärztin
Manchmal kann man niemanden um Rat fragen. Freunde nicht, weil sie nicht wissen, wie es ist, allein die Verantwortung für einen kleinen Jungen zu tragen. Die eigenen Eltern nicht, weil sie es selbst nie geschafft haben, das Glück ihres Kindes über die eigenen Interessen zu stellen. Nicole Focke hat ihren Vater von ihrem achten bis zu ihrem 18. Lebensjahr nicht gesehen. Sie will, dass ihr Kind so etwas nicht erleben muss.
„Papa kommt morgen“, sagt sie. Doch dann kommt er nicht. Sie kann einem Zweijährigen nicht erklären: „Papa kommt nur dann, wann er will.“
Braucht ein Kind seinen Vater um jeden Preis? Ihre Kinderärztin macht sich Sorgen: „Ein Kind, das so lebendig ist wie Lennert, braucht vor allem feste Strukturen.“ Die unregelmäßigen Besuche seines Vaters aber bringen ihn noch Tage danach durcheinander. Und wenn die Ärztin recht hat?
Sechste Station: Das Internet
Ist es unromantisch, die Liebe im Internet zu suchen? Spätestens seit Daniel Glattauers E-Mail-Roman „Gut gegen Nordwind“ wohl nicht mehr. Und wer jeden Abend über den Schlaf eines Zweijährigen wacht, stellt sich die Frage: „Wo sonst bitte, soll ich die Liebe suchen?“
„Ich habe immer gedacht, Partnervermittlungen sind nichts für mich. Heute weiß ich ihre Filterfunktion zu schätzen: Was nützt mir ein Mann, der noch nicht weiß, ob er Familie will?“ Am besten stehen die Chancen mit einem, der schon Vater ist, glaubt Nicole Focke. Eines Abends tauchte so einer – entgegen jeder Erwartung – auf ihrem Bildschirm auf.
Siebte und vorläufig letzte Station: Die Selbstständigkeit
Innerhalb von 16 Monaten nach der Trennung hat Nicole Focke sich beruflich selbstständig gemacht. Sie arbeitet nachts, weil sie noch immer keine passende Betreuung für Lennert gefunden hat. Ihre Kinderärztin hat sie davor gewarnt, sich zu überanstrengen, aber sie ist euphorisch. „Ich bin so stolz, dass ich diesen Schritt geschafft habe. Ich spüre zum ersten Mal, dass ich vorankomme.“
Von Ursula von der Leyens Projekt „Vereinbarkeit für Alleinerziehende“, das Müttern den beruflichen Wiedereinstieg individuell erleichtern soll, hat Nicole Focke gehört. Weil sie sich zurzeit aus beruflichen Gründen in München aufhält, ist aber keiner der Projektstandorte in ihrer Nähe. Von der Leyens Vorschlag in solchen Fällen heißt: „Rabatz machen!“ Nicole Focke sagt dazu: „Dafür habe ich keine Energie mehr übrig. Ich kann weder den Vater noch den Staat zwingen, gemeinsame Sache zu machen.“ Ihre Lösung: einfach weitergehen. Vielleicht kommen die anderen ja nach.
„Ein Kind trägt beide Eltern in sich“
ELTERN: Sie engagieren sich im Verein Väteraufbruch für Kinder e. V., der die Gleichstellung von Vätern im Familienrecht fordert. Ist es so, dass alleinerziehende Mütter immer bedauert werden, während die zugehörigen Väter sich verteidigen müssen?
André Winter: