Jim Grimsley
Wintervögel
Aus dem Amerikanischen
von Thomas Brovot und Frank Heibert
Edition diá
Die Südstaaten in den frühen sechziger Jahren, irgendwo zwischen Maisfeldern: Dort ziehen Bobjay Crell, ein einfacher Farmarbeiter, und seine Frau Ellen fünf Kinder groß. Das ländliche Idyll ist nicht ungetrübt. Zwischen Flüchten und Standhalten kämpft die Mutter um das Überleben der Familie. Sohn Danny an ihrer Seite lernt von ihrer Kraft: für die Zukunft.
»Hier spricht Amerika mit einer Stimme, die bei uns selten vernommen wird.« (Der Tagesspiegel)
Jim Grimsley, geboren 1955 in Pollocksville, North Carolina, schreibt Prosa und Theater. Seit den 80er-Jahren entstanden zahlreiche Theaterstücke (veröffentlicht im Sammelband »Mr. Universe and Other Plays«, Algonquin Books 1998), seit den 90er-Jahren schrieb er, nach seinem aufsehenerregenden Debüt »Wintervögel«, sechs Romane, zuletzt »Forgiveness« (University of Texas Press 2007) und den Erzählband »Jesus Is Sending You This Message« (Alyson Books, 2008), außerdem drei Fantasyromane (2000–2006). Werke von Grimsley wurden ins Deutsche, Französische, Spanische, Portugiesische, Niederländische, Hebräische und Japanische übersetzt. Zu den zahlreichen Literatur- und Theaterpreisen, die er in den USA und Europa erhielt, gehören vor allem der Lila Wallace/Reader’s Digest Writers Award für sein Gesamtwerk (1997) und der Academy Award in Literature von der American Academy of Arts and Letters (2005). Jim Grimsley lebt seit Langem in Atlanta, Georgia, und unterrichtet Creative Writing an der dortigen Emory University.
Thomas Brovot, geboren 1958, lebt als Übersetzer (u. a. Juan Goytisolo, Federico García Lorca, Mario Vargas Llosa) in Berlin. 2012 erhielt er den Helmut-M.-Braem-Übersetzerpreis.
Frank Heibert, geboren 1960, übersetzt vor allem aus dem Englischen und Französischen, u. a. Don DeLillo, Richard Ford, Lorrie Moore, Tobias Wolff, Neil Labute und, zusammen mit Hinrich Schmidt-Henkel, Yasmina Reza. 2006 erschien sein erster Roman »Kombizangen«. 2012 erhielt er den Heinrich-Maria-Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis für sein Gesamtwerk.
Berlin 1993
Für meine Mutter
Dort draußen, weit weg vom Bretterhaus, liegen deine Brüder am Flussufer im Gras und schießen Vögel tot. Scharen von Zaunkönigen, Staren und blassen Kardinalsweibchen sind herbeigeflogen, um sich über die Maisreste auf dem Feld herzumachen, und deine Brüder verstecken sich im hohen Gras mit dem Gewehr, lassen es reihum gehen und warten darauf, mit ihrem Kupferschrot Vogelschädel zu zerfetzen. Bei jedem Schuss hörst du deine Brüder lachen.
Du wischst dir zerriebenes Gras von den Fingern. Du meidest den Fluss, wenn deine Brüder dort sind, und so wartest du, bis du sie auf dem Weg, der die Felder zerteilt, heimwärts ziehen siehst, drei kleine Gestalten, die durch den Lehm stolzieren. Sie gehen sorglos mit dem Luftgewehr um, werfen es sich zu, schwingen den Lauf über die Schulter wie Trapper in einer Westernserie. Über Furchen voller Maisstängel, vom Regen aufgeweicht, gehst du auf sie zu. Am Rand des Feldwegs triffst du sie. Sie rufen deinen Namen, fragen, ob das Abendessen schon fertig ist. Grove, der Jüngste und Kleinste, zupft an deiner Jacke und zieht dich herum. Sein geschwollener Arm steckt immer noch im Druckverband. Als du ihn siehst, bist du froh, heute nirgendwo eine verletzte Stelle zu haben. Du schämst dich für diese Freude. Groves Gesicht, dir zugewandt, strahlt glücklich trotz des Arms. »Gibt es heute Schnee?«, fragt er. »Ich hab noch nie Schnee gesehen.«
»Vielleicht«, antwortest du mit einem Blick zu den Wolken am Himmel, die dicht über den Baumwipfeln hängen, schwer beladen mit etwas, das jeden Moment herabfallen kann. »Der Wetteronkel hat es nicht genau gesagt. Er hat bloß gesagt, es wäre wahrscheinlich.«
Grove wendet sich Allen zu. »Erzähl Danny von dem Vogel, den ich runtergeholt habe. Das war doch ein kleiner Zaunkönig, stimmt’s, Allen Ray?«
»Ja, vielleicht war es ein Zaunkönig.«
»Ich hab ihm mitten durch den Kopf geschossen, Danny!«
Du lächelst nicht, schaust nur Allen an, der von einem Fuß auf den anderen tritt. Bevor du irgendetwas sagen kannst, errötet Allen, als hörte er dich schon schimpfen. »Brauchst mich gar nicht so hochnäsig anzuglotzen. Es hat Grove nicht wehgetan, mit diesem Gewehr zu schießen. Bei dem schwachen Rückstoß würde sich nicht mal ’ne Spinne einen blauen Fleck holen.«
»Tut dein Arm weh, Grove?«
»Der blöde Arm ist mir egal, ich hab den Piepvogel voll in den Kopf getroffen.«
»Wahrscheinlich war’s ein Bussard«, sagt Duck und schaut finster zum Fluss hinüber, wo die Vögel zwitschern. »Der war so weit weg, dass man gar nicht erkennen konnte, was das für einer war. Wahrscheinlich ist er nicht mal tot.«
»Ich hab aber gesehen, wie er von ganz oben aus der Luft runtergefallen ist. Hab ich wohl! Du bist bloß eifersüchtig, weil du keinen einzigen Vogel geschossen hast, seit wir hier wohnen, und du hast schon hundertfünfzig Schrotladungen verballert.«
Du sagst, sie sollen den Mund halten. Vom Haus kommt wieder dieses Geräusch. Duck ist wütend. »Erzähl du mir nicht, was ich zu tun habe, du Klugscheißer.«
»Ich sagte, Ruhe, seid still.«
Am liebsten würde er dir weiter Kontra geben, denkst du, doch dann sieht er, wie dein Blick über das Feld zum Haus schweift. Alle verstummen. Ihre Gesichter sind ausdruckslos, aber du kennst das Gefühl in ihrem Bauch, schnell, kühl, hohl. Das Haus ist eine rechteckige weiße Schachtel, halb von Bäumen verdeckt. Ein schwacher Klangfaden huscht herüber, und du spürst, wie du beim Zuhören innerlich leer wirst. Eine blanke Klinge im Flug des Windes über den Feldern, ein Laut wie von einem Tier. »Das ist Papa«, sagst du.
Allen runzelt die Stirn. »Das hören wir genauso. Du brauchst uns nicht zu sagen, wer das ist.«
»Jungejunge, ist der aber laut heute«, meint Grove.
»Red nicht drüber«, sagt Allen. »Tu so, als wär’s gar nicht da.«
Duck presst seine Fäuste gegen die Ohren.
Grove macht weiter. »Ich wette, Mama hat schon Angst.«
Du wirfst einen Blick auf Allens betrübte Miene. »Sei still, Grove. Das wissen wir alle.«
»Ich wette, sie kann nicht stillsitzen …«
»Halt die Klappe«, sagt Duck.
»Ich kann’s nicht mehr hören«, Allen.
»In einer Minute geht’s wieder los«, du.
»Hör auf, dich wie ein Daddy zu benehmen«, Allen.
»Danny benimmt sich gar nicht wie Papa!«, schreit Grove.
»Ich habe nicht gesagt, er benimmt sich wie Papa. Ich habe gesagt, er benimmt sich wie ein Daddy. Das ist ein großer Unterschied.« Allen tritt auf einen Maisstängel, dass es knirscht. Duck schwingt das Luftgewehr über das harte Gras. »Mama und Amy sind ganz allein mit ihm.«
»Ich war eben noch da«, antwortest du. »Er hat nicht versucht, irgendjemand wehzutun.«
»Trotzdem sollten wir zurückgehen«, meint Allen.
»Ich will nicht zurück, da komme ich gerade her«, sagst du. »Ich will am Fluss entlanggehen.«
»So oft wie du zu diesem blöden Fluss gehst, müsstest du schon längst ein Fisch sein«, Duck.
»Wenn du lange wegbleibst, wird sich Mama Sorgen machen«, Allen.
Grove lacht plötzlich und klatscht in die Hände. »Na, und wer benimmt sich jetzt wie ein Daddy?«
»Danny weiß, dass ich recht habe«, Allen.
Du riechst das Flusswasser im Wind, einen Hauch von Süße. »Ich bleibe nicht lang. Versprochen.«
Duck wirft das Gewehr über die Schulter. »Danny kann machen, was er will, wen kümmert’s. Ich bleibe jedenfalls nicht den ganzen Tag in dem eiskalten Wind stehen und warte, bis er es sich überlegt hat.«
»Pass bloß mit dem Gewehr auf«, sagt Allen. »Ich reparier es nämlich nicht mehr, wenn du es wieder kaputt machst.« Er nimmt Grove bei der Hand, und sie gehen auf das Haus zu. »Und du, fall nicht irgendwo drüber, sonst geht das Bluten wieder los. Das hätte Mama gerade noch gefehlt.«
»Ja, Papa Allen, ja, Papa Allen«, singt Grove und tanzt über die Maisreihen, hinter den anderen her. Sie trampeln einen Weg durch die Stängel, rufen sich zu. Du stehst da und horchst, bis der tiefe Himmel und die Entfernung sie schrumpfen lassen und ihre Geräusche aufsaugen. Hinten, umspült von wolkengefiltertem Licht, kauert sich das Haus, auf das sie zugehen, an den Feldrand. Du spürst schon, wie es dich erwartet.
Doch du, Klein Danny, wendest dich ab und gleitest auf die Kiefernwand zu, murmelst, »Ich gehe nie mehr nach Hause zurück, ich gehe nie mehr nach Hause zurück.« Du willst zum Fluss, um dem langsamen Strömen des Wassers in seinem Bett zu lauschen, hoffst, dort einen Ort zu finden, wo du dich vor diesem Geräusch verstecken kannst, das wieder einsetzt, das flach am Boden auf dich zukommt.
Heute ist Erntedankfest, und du bist frei, keine Schule. Du kannst in deinem Bett aus Geißblattranken liegen und den ganzen Tag am Fluss verträumen. Auf dem Weg dorthin schlingst du deine dünnen Arme um dich, und der Wind zerzaust dein dunkles Haar. Die Zweige über deinem Kopf schaukeln sanft. Nachts, wenn du in deinem Bett wach liegst, kannst du hören, wie der Wind in den Wipfeln singt, als wohnte in jedem Baum ein Mensch.
Auf dem Weg die Furcht vor den Dingen, die du fürchten gelernt hast, deinen Vater, dein besonderes Blut, alles, was es aufschreckt. Du setzt jeden Schritt vorsichtig, um nur nicht zu stürzen.
Auf dem Pfad, eine Biegung weiter, schnüffelt Queenie hier und dort im Gras herum und wackelt mit ihrem knochigen Kopf. Vielleicht schnuppert sie, wo deine Brüder verschwunden sind. Sie sieht dich und läuft auf dich zu, ihre Zunge schleift im Gras. Flussgerüche hängen in ihrem Pelz. Du drückst sie fest an dich, hörst ihr Herz pochen, streichelst ihr weiches, braunes Fell. Als sie ihre feuchte Nase hochreckt, damit du sie kraulst, tust du es.
Ihr geblähter Bauch schwingt hin und her, schwer von den Jungen, die sie erwartet. Du kraulst die pralle Haut ihres Bauches, fast erwartest du das Geräusch, wenn man Luftballons reibt. Selig rollt sie sich auf den Rücken, ihr Schwanz klopft auf die Erde. Ihr nackter weißer Bauch ist glatt, und du berührst ihn behutsam. Unter dieser warmen Haut schlafen kleine Hundejunge. Queenie beobachtet dich, als wäre dies der Anfang eines neuen Spiels. »Keine Angst«, sagst du, »ich hole sie nicht raus, bevor sie fertig sind. Ich dachte bloß gerade, welche Farbe sie wohl haben.«
Sie bettet ihren Kopf auf das dürre Gras. Du berührst ihre rosa Zitzen, steif, heiß und feucht. »Mama sagt, sie muss deine Babys im Fluss ertränken«, erzählst du ihr. »Grove sagt, das lässt er nicht zu, er sagt, er versteckt sie, sobald sie geboren sind, aber Mama wird sie finden, egal, wo sie sind. Sie sagt, sie will keine streunenden Hunde ums Haus haben, die alles fressen, was sie kriegen können. Wo sie schon ihre streunende Mama durchfüttern muss.«
Queenie spitzt ein Ohr. Babys sind leicht zu kriegen, sagt sie. Ich habe keine Angst vor deiner Mama. Ich kann so viele Babys machen, wie ich will.
»Du hängst wohl nicht besonders an deinen Babys, was?«
Sind doch bloß Babys, sagt sie.
»Aber woher bekommst du sie? Und warum fühlen sie sich so heiß an, wenn ich deinen Bauch anfasse?«
Sie können jeden Augenblick in mir losgehen, bums, wie ein Feuerwerk, antwortet sie, und ihre Zunge hängt im Gras.
Die Mädchen in der Schule sagen, Hundejunge kommen daher, wo auch die kleinen Kinder herkommen, sie kommen vom Himmel und rutschen ihrer Mama in den Magen, ruckzuck, so wie Schneeflocken in der Hand schmelzen. Hör nicht auf das, was die bösen Jungen sagen. »Aber wie kommen sie aus deinem Magen wieder raus?«
Sie wirft dir einen überheblichen Blick zu. Na, sie klettern raus, du Dummerjan. So geht das.
Sie berührt deine Hand mit einer Pfote, die kalt ist wie die Erde, auf der sie gelegen hat. Am liebsten hätte sie, wenn du ihren Bauch noch ein bisschen weiter reiben würdest, aber plötzlich bist du ihren hungrigen Blick leid und fragst dich, ob irgendein Mensch sie wohl jemals genug streicheln kann, sodass sie zufrieden ist. »Geh weg, du dämlicher Hund, ich habe keine Lust mehr, auf dir rumzureiben.«
Aber sie wartet weiter auf deine Hand. Du stehst auf und schubst sie mit deinem Schuh. »Steh von der Erde auf, du dummes Ding. Lass mich in Ruhe, du gehörst nicht zu meiner Familie, du hast nie dazugehört und wirst es auch nie!«
Als sie sich immer noch nicht rührt, gehst du fort. Sie beobachtet dich nur mit ihren runden schwarzen Augen, und ihr blasser Bauch zeigt gen Himmel.
Du denkst, dass die Kiefern bestimmt die Ruhe mögen, genau wie Gott die Ruhe in der Kirche liebt, also schleichst du auf Zehenspitzen durchs Unterholz und singst halblaut, »Shall we gather at the ri-i-ver …«, brichst die Spitze eines Zweiges ab, wie immer, wenn du an einem niedrigen Baum oder einem Busch vorbeikommst, »the beautiful, beautiful ri-i-ver«, singst du, rupfst die Blätter von den Ästen, zerreißt sie und wirfst die Stückchen auf den Boden. Das magst du gern, wie die Schnipsel hinabfallen, die Luft unter ihnen ist so fest, dass sie hin und her gestupst werden.
Doch bald hörst du auf herumzuschlendern und gehst direkt zum Fluss, ganz gleich, wie viel Lärm deine Füße auf dem Bett aus froststarrem Laub machen. Du kennst eine Stelle, wo du immer hingehst, eine ganz bestimmte Lichtung neben einer alten Eisenbahnbrücke, die du am ersten Tag gefunden hast, als deine Familie in dieses Haus einzog. Du magst den Ort, weil die Zweige über dir dünn sind, und an klaren Tagen fällt das Sonnenlicht hindurch und breitet ein Netz von Schatten über den Boden. Heute, genau wie an jedem anderen Tag, wird etwas ganz leicht in dir, sobald du die Lichtung betrittst. Du hüpfst über einen umgefallenen Baumstamm und stellst dir dabei vor, wie Mama dich ermahnt, vorsichtig zu sein, stolper nicht, du verletzt dich noch. Du singst das Lied lauter, »Shall we ga-ather at the ri-i-ver, the be-oo-tiful, be-oo-tiful river!«
Und dann zum nächststehenden Baum. »Baum, am besten warnst du mich gleich, wenn mein Papa kommt, dann hab ich genug Zeit, mich zu verstecken.«
Der Wind vom kalten Fluss durchschneidet dich, und du ziehst deine dünne Jacke fest um dich. Du starrst auf die Wasseroberfläche, wo Blätter stromabwärts wirbeln wie die Puppen einer Spieldose. Das Geißblatt wächst dick wie eine Matratze am Fluss, und du liegst darauf und schaust in den Himmel.
Deshalb bist du hergekommen, um so dazuliegen, die Wolken eine Weile zu beobachten und dann zu zählen, eins zwei drei, weg mit allem, weg mit dem Haus und den platten Feldern, weg mit Mama Papa Amy Kay Allen Duck Grove weg mit ihnen! Du bist ein Waisenkind, du lebst in diesem Wald, weit weg von ihnen allen, von der ganzen Welt, deine Familie ist tot, weg mit ihnen …
Du schließt die Augen. Du bist zum Träumen an den Fluss gekommen, einen Traum, dessen Schatten an deine Lider drängen.
Wieder träumst du vom Mann im Fluss. Er kommt aus dem Wasser zu deiner Pflanzenmatratze ans Ufer. Er ist so breit wie eine Eiche und stark wie ein Bär, groß und braunhäutig, mit zottigem schwarzen Haar. Er lebt im Wasser oder in dem Wald, durch den du gewandert bist. Er nennt dich seinen Sohn. Du kennst niemanden auf der Welt außer ihm. Du hast kein anderes Zuhause als seines. In seinen Augen siehst du jede Sekunde, wie sehr er um dich besorgt ist.
Du lebst in einem dunklen Raum, vielleicht ist es eine Höhle. Wenn du dir den Raum vorstellst, sind die Wände dunkel wie gestampfte Erde, Fackeln beleuchten sie. Ihr Schein und die Schatten, die sie werfen, geben dem Raum etwas Wärme und Sicherheit. Felle von großen Tieren hängen an den Wänden. In einer Ecke brennt ein Feuer, der Rauch zieht durch einen Steinkamin ab. Räume wie diesen hast du schon im Fernsehen gesehen, in Filmen über den Dschungelmann und den Jungen, den er als seinen Sohn großzieht. Wenn er mit dir im Zimmer ist, kannst du den langsamen, stetigen Rhythmus seines Atems hören.
Der Raum hat einen Geheimeingang, den nur du und der Mann im Fluss kennt, einen Unterwassertunnel, durch den ihr beide schwimmt.
Und wie du heute so daliegst, fallen dir ein Dutzend Abenteuer ein, die du schon mit dem Mann im Fluss erlebt hast … In einem Kanu seid ihr stromabwärts gepaddelt, an Krokodilen vorbei, die vom glitschigen Ufer ins Wasser gleiten, und vorbei an wasserbedeckten Felsen, die sich erheben und als Nilpferde entpuppen … Du bist mit dem Mann im Fluss durch die Ruinen einer vergessenen Stadt gewandert, ein leeres Gebäude nach dem anderen … Und dann, ein anderes Mal, du ganz allein, verirrt im Wald oder am Fluss und voller Angst, weil der Mann im Fluss nicht weiß, wo du bist. Du versuchst, ihn zu finden, läufst endlos am Ufer entlang und rufst, Flussmann, Flussmann …
Manchmal träumst du, du liefest durch den Wald, der in deiner Vorstellung unendlich ist, freust dich an deinem Laufen und daran, dass jeder deiner Schritte so lautlos ist wie der vorherige, bloßes Raunen über den Grashalmen.
Manchmal siehst du Tiere und streichelst ihr weiches Fell, Gazellen, Antilopen, kleine Affen, Löwenbabys, und alle ganz zahm bei deiner Berührung, als hättest du einen Zauber.
Manchmal erklimmst du die ausladenden Bäume und hüpfst leichtfüßig von einem zum nächsten, bist Affe oder Eichhörnchen, läufst allein durch das Licht und die dichten Laubmassen.
Heute träumst du, der Mann im Fluss säße neben dir am Ufer. Du hast gerade ein Wettrennen mit ihm gemacht. Er hat gelacht, als du ihn besiegt hast, wie jedes Mal. Er sagt, Du wirst immer schneller, seine Stimme warm und tief.
Du hättest mich schlagen können, wenn du gewollt hättest. Das weiß ich genau.
Wie fühlt sich dein Bein an? Er wirft einen Blick auf deinen Oberschenkel. Du schüttelst den Kopf und antwortest, Es tut nicht weh. Keiner der Kratzer ist aufgegangen.
Ich hätte dich nicht so schnell laufen lassen dürfen, ich hatte Angst. Er knickt ein Blatt von einem niedrigen Schilfrohr ab und schaut sorgenvoll zur Seite. Du sagst, es geht dir gut, das Bein heilt, und schaust selbst nach unten. Und obwohl dies dein Traum ist, den du dir erfindest, bist du nicht auf das vorbereitet, was du siehst.
Du träumst, das Bein wäre voller Narben und Schorf. Du hast es deutlich vor Augen. An einer Seite des Schenkels vermengen sich Streifen und Fäden geronnenen Blutes mit blassem, aufgeschrammtem Fleisch. Die Schnitte haben sich inzwischen geschlossen, aber du erinnerst dich noch daran, wie sie roh und offen waren, wie das Rote hinauslief, frei
der tiefe Riss
Du erinnerst dich, wie es passierte, in einem anderen Traum an einem anderen Tag, den du jetzt von Anfang bis Ende noch einmal durchlebst.
Allein im glitzernden Mittagswald, schiebst du das Laubwerk mit der Hand beiseite
du hast eine Lichtung vor dir, strahlend golden wie eine Schale voller Sonnenlicht, umfasst von dichtem Gestrüpp, Smaragdgras, dicke breite Halme
der Himmel über der Lichtung ein weites Tal in Blau, alles verschlingend
du musst aus dieser Dunkelheit, diesem Schutz hinaus in das Licht
der kühle Fluss verloren, irgendwo, meilenweit hinter Schichten aus Laub und Unterholz; der Mann im Fluss irgendwo dort, weit weg
du darfst dich nicht länger im Verborgenen bewegen, du musst diese Lichtung betreten, um zu erfahren, wie sich das Licht auf der Haut anfühlt
doch der Gedanke, nackt in dieser Nacktheit zu stehen, hat dir die Kehle ausgetrocknet
du trittst ins Licht, schiebst Laubwerk und Zweige mit der Hand beiseite; dein Schatten schrumpft unter dir
das Sonnenlicht ist deiner Haut neu, ein frisches, erfüllendes Prickeln … du lächelst, rennst los durch das hohe Gras, allein dein überschnelles Herz verrät deine Angst
die Lichtung ist ein Kreis, und du stehst in der Mitte und drehst dich um und herum
der Himmel ist ein Rad, du unter der Nabe, die Nabe ist ein Auge, das auf dich herabschaut, wenn du hinaufschaust
du hörst das neue Geräusch hinter dir, drehst dich zuerst nicht um
dann hörst du es wieder und weißt, was es ist … das gedämpfte Rollen aus dem tiefen Schlund
du drehst dich um, siehst ihn
durchs Gras springt Strahlender Löwe, großschenklig, spielerisch fast
du vergräbst deine Hände in seiner Mähne
das breite Maul gähnt
die riesige Tatze erhebt sich, ein verspielter Klaps
du schnappst nach Luft bei dem Riss, weichst aus, immer noch an die Mähne geklammert, schauderst und entfernst dich langsam, dein Herz explodiert in Hitze … der Löwe drängt zutraulich auf dich zu, warme rote Zunge an deinen Händen
du führst ihn auf die Seite, jeder Schritt fällt dir schwer bei seinen hohen Sprüngen, er schwebt in der Luft über dem hohen Gras, das deine Schenkel streift, später befleckt von dem leuchtenden, herabströmenden Blut
du hinkst und fällst doch nie
da kommt Strahlender Löwe neben dir zur Ruhe, kein Tollen mehr
du erreichst die Bäume, und er beobachtet dich, wie du einen erklimmst, der Schmerz ein Feuer in deiner Seite … er sitzt auf seinen Hinterbeinen und schlägt mit dem Schwanz, erstaunt, dass du nicht weiterspielen willst … du fällst in den Schoß einer Astgabel, zu hoch selbst für seinen höchsten Sprung
der Geruch deines Blutes treibt in die Luft hinaus
da unten hockt Strahlender Löwe und schaut zu.
Du träumst, du erwachtest in Flussmanns Höhle beim Geräusch von Wasser, das in den Tunnel plätschert. Schatten huschen über die Lehmwände. Von einer Fackel? Nein, von dem Feuer, das im Steinkamin brennt.
Dein Bein schmerzt, als hättest du dort eine Blutung. Du fasst es an, getrocknetes Blut löst sich in Schuppen ab und hinterlässt einen hellen Fleck auf deinen Fingern. Jetzt fällt dir der Löwe wieder ein, und wie du in einer Astgabel eingeschlafen bist, als wärst du ein Affe.
Flussmann?
Deine Stimme so klein, dass der Raum sie verschluckt.
Flussmann, bist du hier irgendwo?
Erst als du ganz wach bist, merkst du, dass du in Flussmanns Bett liegst, nicht in deinem eigenen. Aus diesem Blickwinkel sieht das Zimmer ganz komisch aus, alles am falschen Platz und doch wieder nicht. Als du versuchst, dein Bein zu bewegen, brennt es. Schmerz schießt wie eine Flamme an deiner Seite hoch. Aber du achtest nicht darauf und beugst dich über die Bettkante, bis du dein eigenes Bett erkennen kannst, das in der Ecke hinter einer Holztruhe steht.
Da liegt er, ein großer Schatten, über die Kante ragende Füße. Jetzt hörst du auch ganz schwach seinen Atem, so tief, dass er fast kein Geräusch macht. Du rufst, Flussmann, aber leise, du willst ihn nicht wecken, nur seinen Namen nennen. Doch er richtet sich auf und schaut dich an.
Danny? Danny, bist du wach?
Warum ist es so kalt hier?
Er durchquert das Zimmer und legt seine Hand auf deine Stirn. Er sieht müde aus. Du bist aber kalt.
Deck mich mit irgendwas zu.
Er holt eine Decke, etwas Schweres, vielleicht das Fell eines großen Tieres, eines Bären oder Löwen, den er getötet hat. Er breitet sie über dich, und du seufzt wohlig auf, so verschlingt dich ihre Schwere und Wärme.
Eben hat das Bluten endlich aufgehört, sagt er.
Mein Bein fühlt sich so dick an.
Es ist ziemlich geschwollen. Die Schnittwunden sind am schlimmsten. Es sind keine Risse, nur tief eingeschlitzt.
Es war ein Löwe, Flussmann.
Ich weiß.
Er war golden und seine Mähne so strahlend, als würde sie in Flammen stehen. Er kam einfach so aus dem Wald gelaufen, als wollte er spielen.
Er dreht das Gesicht dem Feuer zu. Auch das weiß ich.
Hast du ihn gesehen?
Später, ja. Er betrachtet dich lange Zeit und berührt schließlich sanft deine Schulter. Ich dachte, das Bluten würde nie aufhören. Weißt du, was ich für eine Angst hatte?
Darauf weißt du keine Antwort. Er sieht dich an und lächelt, legt eine Hand auf deine Stirn. Dir ist immer noch kalt.
Es ist gleich vorbei.
Du sollst nicht frieren, sagt er, ragt groß und dunkel vor dir auf, ein warmer Schatten, lüpft das Fell und schlüpft neben dich
Jetzt schwindet der Traum. Als du die Augen wieder aufschlägst, fließt der Fluss an dir vorbei wie zuvor, und die Zweige über dir weben immer noch das Labyrinth, das die herabfallenden Lichtstrahlen verlangsamt. Der Brückenbogen hängt über dem Fluss und wartet auf die Eisenbahn. Du wischst dir den Hosenboden ab, als du aufstehst, und schleuderst einen Stock weit auf das Wasser hinaus. Es wäre lustig, denkst du, so herumzuwirbeln wie dieser Stock, oder wie diese Blätter, die sich auf der Wasseroberfläche drehen, bis der Fluss ins Meer mündet.
Der Traum hat ein Gefühl der Schwere hinterlassen.
Du gehst am Ufer entlang, balancierst am Schilfrand, schaust auf das Wasser hinunter, in dein eigenes Gesicht, das hochstarrt. »Du bist hässlich«, teilst du deinem Spiegelbild mit und versenkst einen Stein in dir selbst. »Du hast ein Gesicht wie ein Maiskuchen und schiefe Zähne und große Ohren.«
Du singst Wörter, deren Klang du magst, Genesis Exodus Leviticus Numeri Deuteronomium Eleanor River Potter’s Lake Mars Hill Matthäus Markus Lukas Mentho-Eukalyptus Hohelied Salomos Jesaja Jeremia Hesekiel Daniel Daniel Nicholas Crell Bobjay Crell Robert Jay Crell Robert Jay Judas Robert Judas. Crell. Dann sprichst du zu deinen eigenen bloßen Armen. »Ihr seid so weiß, dass ihr auch gleich einem Gespenst gehören könntet.«
Stets achtest du darauf, wohin du trittst, passt auf, dass keine Scherben unter deinen Füßen liegen, nichts, wodurch du dir den Knöchel verknacksen könntest, keine Stelle zum Stürzen.
Den Stellen, wo das Unterholz spärlich ist, drehst du den Rücken zu, du könntest von dort aus das Haus jenseits der Felder erkennen.
Deine Familie ist tot, tot, du bist ein Waisenkind …
Doch die Kiefern können Papas Stimme nicht aufhalten. Als du sie hörst, bleibst du wie angewurzelt stehen. Der Wind frischt auf, erstickt das Geräusch für einen Moment und beugt die Kiefern, mal langsam, mal schneller. Die Wolken hängen tief auf den Kiefernspitzen. Weit hinten auf dem Feld siehst du Queenie mit der Nase im Dreck. Hinter ihr schimmert das Haus. Du denkst, vielleicht steht deine Mama an einem der Fenster und schaut hinaus, wie sie es gerne tut. Vielleicht hat sie auf dich gewartet. Vielleicht erkennt sie dich jetzt und freut sich, dass du nach Hause kommst. Vielleicht ist das ja ihr Schatten, den du jetzt sehen kannst, wie er sich von einem der schwarzen Rechtecke aus Glas abwendet.
Oder es ist Papa, der da lauert.
Einen Augenblick lang möchtest du wieder zum Fluss zurück. Aber nein. Du wirst den Mann im Fluss mit dir nehmen, du wirst träumen, dass er neben dir hergeht, über die Felder, braun und groß und stark, seine warme Hand auf deiner Schulter.
In jenen Tagen, Danny, schliefst du mit deinen Brüdern und Amy Kay im selben Zimmer, in einem Bett mit Allen, der dich nie ganz nah an sich heranlassen wollte, es sei denn, ihm war kalt. Im Haus am Fluss war es immer kalt, der Wind strömte durch die Ritzen von Türen und Fenstern herein, die Schornsteine hinab und aus vernagelten Kaminen hervor. Die Familie, die früher in diesem Haus lebte und die Felder bestellte, hat das Land vor langer Zeit verkauft, und der neue Besitzer kennt nicht mal mehr ihren Namen.
Ihr seid vor über einem Monat hier eingezogen. Es ist das siebte Haus, in dem du seit deiner Geburt lebst. Wenn du es wieder verlässt, wirst du mit deiner Familie noch in sieben weiteren Häusern leben, bevor du alt genug bist, dich niederzulassen, wo du es für richtig hältst.
Du und Amy Kay, ihr habt gleich am Anfang einen Namen für das Haus gefunden, das Kreishaus, weil man bei offenen Türen im Kreis gehen konnte, endlos von einem Zimmer ins nächste. Amy Kay und du, ihr habt allen Häusern Namen gegeben, in denen ihr gewohnt habt, auch wenn es nicht immer einfach war, den richtigen Namen zu finden.
Dieses Spiel habt ihr zum ersten Mal im Schlangenhaus gespielt, einem grünen Holzhaus auf Zementblöcken mit rotem Schindeldach. Mama mochte dieses Haus mehr als alle anderen Häuser, die nachher kamen, weil das Wohnzimmer und der Flur mit poliertem Kirschbaumholz getäfelt waren und weil es in der Küche Einbauschränke gab.
Das Schlangenhaus stand in einem Kieferndickicht am Rand eines Wäldchens, wo es von Schlangen wimmelte. Das Haus erhob sich auf einem niedrigen Betonsockel, und durch Ritzen und Löcher konnten die Schlangen hineinkriechen. Mama versuchte, die Löcher, so gut es ging, mit Steinbröckchen und alten Lumpen zu verstopfen, und noch Jahre später erzählte sie euch Geschichten von den Schlangen, die sie überall im Haus fand. Einmal machte sie im Flur den Wandschrank auf, um frische Laken zu holen, und ihre Hand lag auch schon auf der Kante der zusammengefalteten Bettwäsche, als sie eine zusammengerollte schwarze Kletternatter obendrauf entdeckte, die mit ihrer Zunge Feuer spie. Kaum trat Mama vom Schrank zurück, da war die Schlange auch schon verschwunden.
Mama holte tief Luft und zählte bis zehn, dann durchsuchte sie den Schrank von oben bis unten und nahm jedes Laken und jedes Handtuch langsam und vorsichtig aus den Regalen. Keine Schlange, selbst als der Schrank leer war. Also durchsuchte sie das ganze Haus, räumte alle Kleider aus den Kommodenschubladen, rückte Sofas und Sessel von den Wänden, rollte sogar den abgetretenen Teppich in ihrem Schlafzimmer zusammen, die Schlange konnte sich ja darunter versteckt haben. Doch die Schlange fand sie nirgendwo.
Sie ging ins Bad. Wenn irgendetwas sie nervös machte, musste sie alle fünf Minuten Pipi machen, sagte sie. Sie hatte sich gerade auf die Toilette gesetzt, ihre Hosen um die Fußknöchel, als sie die Schlange neben sich in der Badewanne sah, wie sie mit ihrer Zunge am Rand des Abflusses entlangfuhr. Mama rannte, hastig die Hosen hochziehend, aus dem Badezimmer und schnappte sich die Gartenhacke, die neben der Hintertür hing, und hieb der Schlange ihren schwarzen Kopf ab, während diese panisch versuchte, sich in den Abfluss hineinzuzwängen.
Ein andermal hörte sie ein trockenes Rascheln unter dem Spülstein und brachte den Rest des Morgens damit zu, alles aus den Schubladen und von den Regalen zu räumen, bis sie am Mittag eine Hühnerschlange fand, die sich hinter den Abflussrohren zusammengerollt hatte. Sie zerschmetterte ihren Kopf mit einem Schmalzfass und verbrannte den Kadaver mit den Abfällen des Tages auf dem Müllhaufen.
Und einmal erschoss Mr Luther, dem die Saatfarm gehörte, wo Papa arbeitete, und auch euer Haus, eine zwei Meter lange Klapperschlange auf dem Feldweg in der Nähe eures Briefkastens. Mama, Amy Kay und du, ihr saht über den Straßengraben hinweg zu. Mama hielt dich an der Schulter fest, damit du nicht auf die Straße liefst. Du starrtest gebannt hin, wie die sterbende Schlange mit ihrem dicken Schwanz, der Musik machte, den Staub aufpeitschte. Der Anblick dieses langen, schlagenden Etwas machte dir solche Angst, dass Mama in jener Nacht an deinem Bett sitzen musste, bis du endlich einschlafen konntest.
Später, im gleichen Sommer, faltete Mama gerade Wäsche zusammen, die sie von der Leine in der Sonne genommen hatte, als Amy Kay ihr zurief, »Mama, da ist eine Schlange bei Danny auf dem Bett!« Mama rannte zur Tür.
Du hast einfach bloß dagesessen, Danny, und etwas angestarrt, das nichts weiter als ein blödes, zusammengerolltes braunes Seil hätte sein können. Mama wisperte dir zu, dich ja nicht zu rühren. Wenn sie diese Geschichte dann erzählte, betonte sie immer, wie entsetzt sie gewesen sei, dass du so vollkommen reglos dagesessen hättest, vollkommen fasziniert von der Schlange. Sie holte eine Steppdecke aus dem anderen Zimmer. Ruhig trat sie hinter die Schlange und warf die Decke über den trockenen, schuppigen Körper. Und ohne auch nur Atem zu holen, riss sie dich vom Bett herunter, du steif und mit weit aufgerissenen Augen, ohne einen Mucks, und schlug die Tagesdecke und die Steppdecke übereinander. Die wütende Schlange rollte und schlängelte sich in der Stoffhülle um sich selbst und zerrte das ganze Bündel nach draußen. Mama ließ sie allein herausfinden und schlug ihren Kopf mit der Hacke ab, zerhieb den Körper noch ein Dutzend Mal und beobachtete, wie die Schlangenstücke hilflos im Gras zuckten und zappelten. Eine Mokassinschlange. Drinnen zog sie dich splitternackt aus und suchte deinen ganzen Körper sorgfältig nach Bissen ab. Du hieltest ihren Arm fest und stiertest sie wortlos an. Amy Kay stand auf der Schwelle, ihre Fingerknöchel an den Mund gepresst.
Am selben Abend redete Mama mit hoher, gepresster Stimme mit Papa. »Du solltest Mr Luther endlich dazu bringen, die Löcher in diesem Haus zu verstopfen. Es ist mir egal, ob wir Eisenplatten dazu brauchen, Hauptsache, die Schlangen lassen meine Kleinen in Ruhe.« Als Papa sie in den Arm nahm, zitterte sie. Er fragte, sanfter als gewöhnlich, was diesmal wieder passiert sei.
Ob er jemals mit Mr Luther über die Schlangen sprach, ist eine andere Sache. Papa hatte viel zu tun und keine Zeit, sich über Schlangen aufzuregen. Er war Vormann auf Mr Luthers Farm, und die Arbeit hielt ihn von morgens bis abends auf Trab. Hier, auf Mr Luthers Farm, hier verlor Papa auch das Stück von seinem Arm.