Manfred Hermann Schmid, Jahrgang 1947, lehrt als Ordinarius für Musikwissenschaft an der Universität Tübingen und ist Direktor des musikwissenschaftlichen Instituts der Universität Tübingen. Er ist Herausgeber der Mozart-Studien und «one of today’s most eminent Mozart specialists» (Robert Levin, Harvard University).
Bevor der schwäbische Feuerkopf Christian Friedrich Daniel Schubart als politischer Häftling auf dem Hohenasperg aller Möglichkeiten beraubt war, den unaufhaltsamen Fortschritt der Musik als Augen- und Ohrenzeuge weiter zu verfolgen, hatte er zu den Besuchern einer Aufführung von Mozarts erster Münchner Oper im Theater am Salvatorplatz gezählt und das Ereignis zum Anlass genommen, über den 19-jährigen Komponisten, der in Deutschland höchstens als Klaviervirtuose und Autor von Instrumentalmusik bekannt war, für die ‹Deutsche Chronik› unter dem 27.4.1775 zu berichten: «Auch eine Opera buffa habe ich gehört von dem wunderbaren Genie Mozart. Sie heißt: La finta Giardiniera. Genieflammen zucken da und dort, aber es ist noch nicht das stille, ruhige Altarfeuer, das in Weihrauchwolken gen Himmel steigt. Wenn Mozart nicht eine im Gewächshaus getriebene Pflanze ist, so muß er einer der größten Komponisten werden, die jemals gelebt haben.»
Prognosen erfüllen sich bekanntlich selten. Die Schubarts ist wörtlich eingetreten, bis hin zum «jemals». Welchen Weg Mozart in den kommenden 16 Jahren nehmen würde, davon konnte sich aber selbst der visionäre Schubart keine Vorstellung machen. Es ist auch im Nachhinein schier unbegreiflich. Exzeptionelle Begabung, der historische Augenblick mit neuartigen technischen Mitteln in der Formbildung und der Rückhalt für das Genie in einer Gemeinschaft der Zunft wie des geistigen und praktischen Lebens stärkten sich gegenseitig. Dieser vielschichtige Prozess einer künstlerischen Entwicklung ist bisher nur in Ansätzen beschrieben. Einfach zu benennen ist aber sein Ergebnis.
Die Musik tritt aus dem Schatten anderer Disziplinen und rückt ins Zentrum der ‹Schönen Künste›. Der hehre Begriff des Klassischen, bis dahin für die Literatur reserviert, geht auf die ‹Tonkunst› über. Das hätte das Werk von Joseph Haydn, dem Stammvater der Wiener Klassiker, allein nicht zu bewirken vermocht, ebensowenig wie das Beethovens als des Dritten im Bunde, auch wenn seine Werke zu Mustern aller Formen- und Kompositionslehre für Adepten der Kunst werden. Doch im öffentlichen Bewusstsein lebte vor allem die Musik Mozarts.
Ihre Heimat fand sie im bürgerlichen Wohnzimmer mit seinem Klavier, das an die großen Ereignisse des Besuchs im Theater als einer Einrichtung erinnern konnte, ohne die in den deutschsprachigen Ländern selbst Kleinstädte nicht auskamen. Die Theater in ihrer Doppelfunktion von Belehrung und Unterhaltung wurden zum weithallenden Resonanzraum von Mozarts Opern. Stellen daraus kursierten als geflügelte Worte, deren Verbreitung erst mit dem Verschwinden deutscher Übersetzungen nachließ. Dafür hat sich das Echo internationalisiert. Spätestens seit der Zeit von Ton- und Bildträgern ist das Schaffen Mozarts geradezu omnipräsent und in einer Weise bekannt, für die es in der Geschichte keine Vorbilder gibt. Der Name Mozart ist zum Synonym für ewige Gültigkeit von Kunst geworden. Kein Ereignis vergangener Zeiten hätte je die Menschheit weltweit so zu bewegen vermocht, von Grönland bis China, wie Mozarts 250. Geburtstag im Jahre 2006.
Verständlich wird der beispiellose Erfolg von Musik, die keine Grenzen kennt und Sprache zur Not auch wechseln kann, allein mit einer Erkenntnis. Das Opernschaffen Mozarts versammelt in sich wie ein Brennspiegel Wahrheiten menschlicher Existenz, um sie in einem tönenden Widerhall zurückzugeben und so die Herzen derer zu entzünden, die für Harmonie in Tönen empfänglich sind. Mehr kann man von Kunst nicht verlangen.
Über Entstehungsgeschichte und Überlieferung von Mozarts Opern unterrichten detailliert die Vorworte der Neuen Mozart Ausgabe (Editionsleitung: Ernst Fritz Schmid, Wolfgang Plath, Wolfgang Rehm u.a., Kassel usw. 1955–2007). Einen kompletten Reprint der zeitgenössischen Libretti hat Ernest Warburton vorgelegt (New York und London 1992). Die Faksimilierung aller originalen Opernhandschriften Mozarts ist durch ein Projekt der Packard Humanities in Vorbereitung.
Mozarts Opern sind etwas wie ein Kosmos für sich. So haben sie Literatur mit vielen Facetten aus allen denkbaren Disziplinen hervorgerufen, von der Geschichts-, Musik-, Theater- und Literaturwissenschaft bis zur Soziologie, Tiefenpsychologie und Esoterik. Nachgewiesen werden hier allein Arbeiten, die über das Libretto hinaus auch etwas zum Verständnis der Musik beitragen. Selbst bei dieser Beschränkung ist notgedrungen nur ein Teil dessen angeführt, was mir Kenntnisse verschafft und Anregungen gegeben hat. Der englischsprachige Leser sei ergänzend auf die sieben Bändchen der Cambridge Opera Handbooks verwiesen. Über Theatergeschichte und Gattungsästhetik informiert umfassend das von Lorenzo Bianconi und Giorgio Pestelli herausgegebene Handbuch 1990–1992, im Fall des deutschen Singspiels die Arbeit von Jörg Krämer 1998, über Opernästhetik bei Mozart jene von Gerhard Splitt 1998. Ein Meilenstein bleibt nach wie vor Stefan Kunzes in der Verbindung von Analyse und Interpretation eindrückliches Buch von 1984, das zudem Urteile und Ansichten von Thrasybulos Georgiades konserviert, die schriftlich sonst nicht fassbar wären.
Der erste Textentwurf hatte drei fachkundige Leser: Prof. Dr. Lorenzo Bianconi (Bologna), Dr. Helga Lühning (Bonn) und Dr. Ann-Katrin Zimmermann (Tübingen). Ihren klugen Anmerkungen verdanke ich Korrekturen und wichtige Ergänzungen.
Gittana, 10.8.2008 Manfred Hermann Schmid
Bücher:
Abert, Hermann: W. A. Mozart. Neu bearbeitete und erweiterte Ausgabe von Otto Jahns Mozart, 2 Bände, Leipzig 1919–1921
Allanbrook, Wye Jamison: Rhythmic Gesture in Mozart. Le Nozze di Figaro and Don Giovanni, Chicago und London 1983
Aringer, Klaus: Instrumente und musikalischer Satz im Orchester der Wiener Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven, Habilitationsschrift Tübingen 2003
Assmann, Jan: Die Zauberflöte. Oper und Mysterium, München und Wien 2005
Betzwieser, Thomas: Sprechen und Singen: Ästhetik und Erscheinungsformen der Dialogoper, Stuttgart und Weimar 2002
Bianconi, Lorenzo, und Pestelli, Giorgio (Hrsg.): Geschichte der italienischen Oper, Band 4–6, Laaber 1990–1992
Böhmer, Karl: W. A. Mozarts Idomeneo und die Tradition der Karnevalsopern in München, Tutzing 1999
Chailley, Jacques: La flûte enchantée. Opéra maçonnique, Paris 1968
Csampai, Attila, und Holland, Dietmar (Hrsg.): W. A. Mozart. Texte und Materialien, Kommentare zu: Don Giovanni (Reinbek 1981), Die Hochzeit des Figaro (1982), Die Zauberflöte (1982), Entführung aus dem Serail (1983), Così fan tutte (1984)
Dent, Edward: Mozart’s Operas. A Critical Study, London 1913, 21947, 31960, deutsch Berlin 1922
Durante, Sergio: Mozart and the idea of vera opera: A study of La clemenza di Tito, Ph. D. Harvard University 1993
Eckelmeyer, Judith A.: The Cultural Context of Mozart’s Magic Flute, Lewiston etc. 1991
Gallarati, Paolo: La forza delle parole. Mozart drammaturgo, Turin 1993
Goehring, Edmund J.: Three Modes of Perception in Mozart. The Philosophical, Pastoral, and Comic in Così fan tutte, Cambridge 2004
Goldin, Daniela: La vera fenice. Librettisti e libretti tre Sette e Ottocento, Torino 1985
Heartz, Daniel: Mozart’s Operas, edited with contributing essays [zu Entführung und Zauberflöte] by Thomas Bauman, Berkeley 1990
Krämer, Jörg: Deutschsprachiges Musiktheater im späten 18. Jahrhundert, 2 Bände, Tübingen 1998
Kunze, Stefan: Mozarts Opern, Stuttgart 1984
Lert, Ernst: Mozart auf dem Theater, Berlin 1918, 31921
Link, Dorothea: The National Court Theatre in Mozart’s Vienna. Sources and Documents 1783–1792, Oxford 1998
Lühning, Helga: Titus-Vertonungen im 18. Jahrhundert. Untersuchungen zur Tradition der opera seria von Hasse bis Mozart, Laaber 1983
Maurer-Zenck, Claudia: Così fan tutte. Dramma giocoso und deutsches Singspiel, Schliengen 2007
Metzger, Heinz-Klaus, und Rien, Rainer (Hrsg.), Mozarts Da Ponte-Opern, München 1991 (Musik-Konzepte, Sonderband)
Münster, Robert (Hrsg.): W. A. Mozart. Idomeneo 1781–1981, Bayerische Staatsbibliothek. Ausstellungskatalog 24, München und Zürich 1981
Natošević, Constanze: Così fan tutte. Mozart, die Liebe und die Revolution von 1789, Kassel usw. 2003, 22004
Osthoff, Wolfgang, und Wiesend, Reinhard (Hrsg.): Mozart und die Dramatik des Veneto, Tutzing 1996 (Mozart Studien, Band 6)
Platoff, John: Music and Drama in the Opera buffa Finale. Mozart and his Contemporaries in Vienna, 1781–1790, Diss. Univ. of Pennsylvania 1984
Ruf, Wolfgang: Die Rezeption von Mozarts Le nozze di Figaro bei den Zeitgenossen, Wiesbaden 1977
Schmid, Manfred Hermann: Italienischer Vers und musikalische Syntax in Mozarts Opern, Tutzing 1994
Senici, Emanuele: La clemenza di Tito di Mozart. I primi trent’anni, Brepols 1997
Splitt, Gerhard: Mozarts Musiktheater als Ort der Aufklärung, Freiburg i. B. 1998
Steptoe, Andrew: The Mozart–Da Ponte Operas, Oxford 1988
Sühring, Peter: Die frühesten Opern Mozarts, Kassel usw. 2006
Willaschek, Wolfgang: Mozart-Theater. Von Idomeneo bis zur Zauberflöte, Stuttgart und Weimar 1995
Einzelne Aufsätze:
Brauneis, Walther: Das Frontispiz im Alberti-Libretto von 1791 als Schlüssel zu Mozarts Zauberflöte, in: Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum 1993, Heft 3–4, S. 49–59
Brown, Bruce Alan, und Rice, John A., Salieri’s Così fan tutte, in: Cambridge Opera Journal 8, 1996, S. 17–43
Brown, Bruce Alan: Beaumarchais, Paisiello and the Genesis of Così fan tutte, in: W. A. Mozart. Essays on His Life and His Music, hrsg. v. Stanley Sadie, Oxford 1996, S. 312–338
Buch, David J.: Der Stein der Weisen. Mozart and Collaborative Singspiels at Emanuel Schikaneder’s Theater auf der Wieden, in: Mozart Jahrbuch 2000, S. 91–126
Döhring, Sieghart: Die Arienformen in Mozarts Opern, in: Mozart Jahrbuch 1968/70, Salzburg 1970, S. 66–76
Dürr, Walther: Zur Dramaturgie des Titus. Mozarts Libretto und Metastasio, in: Mozart Jahrbuch 1978/79, S. 55–61
Eder, Petrus: Gesang der Geharnischten: in ders.: Die modernen Tonarten und die phrygische Kadenz, Tutzing 2004 (dort Kapitel II/F,h S. 225–228)
Edge, Dexter: Mozart’s Viennese Orchestras, in: Early Music 1992, S. 64–88
Finscher, Ludwig: Zur Musikdramaturgie in Mozarts La clemenza di Tito, in: Festschrift Christoph-Hellmut Mahling, Tutzing 1997, S. 361–369
Georgiades, Thrasybulos G.: Aus der Musiksprache des Mozart-Theaters, in: Mozart Jahrbuch 1950, S. 76–98
ders., Der Chor «Triumph, Triumph, du edles Paar» aus dem 2. Finale der Zauberflöte, in: Colloquium Music and Word, hrsg. v. Rudolf Pecman, Brünn 1973, S. 229–237
Goldin, Daniela: Mozart, Da Ponte e il linguaggio dell’opera buffa, in: Venezia e il melodramma nel settecento, hrsg. v. Maria Teresa Muraro, Band 2, Firenze 1981, S. 213–277
Hammerstein, Reinhold: Der Gesang der geharnischten Männer. Eine Studie zu Mozarts Bach-Bild, in: Archiv für Musikwissenschaft 13, 1956, S. 1–24
Heartz, Daniel: The Great Quartet in Mozart’s Idomeneo, in: Music Forum 5, 1980, S. 233–256
Kempers, Karel Ph. Bernet: Die chromatisch angefüllte Quarte als Leid- und Leitmotiv in Mozarts Don Giovanni, in: Mozart Jahrbuch 1971/72, S. 255–267
Klein, Bert: Vitellias Rondò «Non più di fiori». Musikalische und entstehungsgeschichtliche Aspekte, in: Mozart Studien 11, Tutzing 2002, S. 117–142
Kramer, Kurt: Da Ponte’s Così fan tutte, in: Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen 1973, Nr. 1, Göttingen 1973
La Face Bianconi, Giuseppina: Filologia dei testi poetici nella musica vocale italiana, in: Acta musicologica 66, 1994, S. 1–21 und 139 (bes. S. 16–18)
Lederer, Josef-Horst: Zwischen Liebe und Tod. Ausdrucksvariablen eines musikalischen Topos in Mozarts Don Giovanni, in: Mozart Jahrbuch 1991, S. 863–870
Link, Dorothea: Così fan tutte. Dorabella and Amore, in: Mozart Jahrbuch 1991, Kassel usw. 1992, S. 888–894.
Lühning, Helga: Die Rondo-Arie im späten 18. Jahrhundert. Dramatischer Gehalt und musikalischer Bau, in: Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, Bd. 5, 1981, S. 219–246
dies., Mozart als Regisseur, in: Mozart Studien 3, Tutzing 1993, S. 91–113.
Mauser, Siegfried: Psychologie und Dramaturgie. Analytische Beobachtungen in Belmontes Auftrittsarie aus der Entführung, in: Mozart Jahrbuch 1987/88, S. 249–256
Moberly, Robert, und Raeburn, Christopher: Mozarts Figaro: der Plan des dritten Aktes, in: Mozart Jahrbuch 1965/66, S. 161–163
Neville, Don: The Rondò in Mozart’s Late Operas, in: Mozart Jahrbuch 1994, S. 141–155
Osthoff, Wolfgang: Die Opera buffa, in: Gattungen der Musik in Einzeldarstellungen, 1. Folge, Bern und München 1973, S. 678–743
Perl, Benjamin: Wo soll man bei 6/8 die Taktstriche setzen? Weitere Gedanken zum Duett aus der Zauberflöte, in: Mozart Jahrbuch 1998, S. 85–101
Platoff, John: Musical and Dramatic Structure in the Opera Buffa Finale, in: Journal of Musicology 7, 1989, S. 191–230.
Rice, John A.: ders., Rondò vocali di Salieri e Mozart per Adriana Ferrarese, in: I vicini di Mozart, hrsg. v. Maria Teresa Murano, vol. 1, Florenz 1989, S. 185–209
Scheel, Hans Ludwig: Le Mariage de Figaro von Beaumarchais und das Libretto der Nozze di Figaro von Lorenzo Da Ponte, in: Die Musikforschung 28, 1975, S. 156–173
Schlötterer, Reinhold: Das Duettino «Che soave zefiretto» in Le nozze di Figaro, in: Festschrift Rudolf Bockholdt, Pfaffenhofen 1990, S. 233–246
ders.: Das Addio-Rezitativ in Così fan tutte. Da Pontes Text und Mozarts Musik, in: Mozart Studien 3, Tutzing 1993, S. 79–89
Schmid, Ernst Fritz: Zu Mozarts Leipziger Bach-Erlebnis, in: Zeitschrift für Musik 111, 1950, S. 297–303
Schmid, Manfred Hermann: Die Romanze des Pedrillo aus Mozarts Entführung, in: Festschrift für Gerhard Croll, Laaber 1992, S. 305–314
ders., The Almaviva-Susanna Duet in Mozart’s Figaro or: Who’s really sympathetic with the Count? in: Mozart Studien 6, Tutzing 1996, S. 277–298
ders.: Text versus Musik? Metastasios «Ah! non lasciarmi, no» und Mozarts Arie KV 295a, in: Mozart Studien 11, Tutzing 2002, S. 73–115
ders., Deutscher Vers, Taktstrich und Strophenschluss. Notationstechnik und ihre Konsequenzen in Mozarts Zauberflöte, in: Mozart Studien 12, Tutzing 2003, S. 115–145
Schwartz, Judith L.: Rhythmic Gesture in La clemenza di Tito. Dance Rhythms as Rhetorical Devices, in: Mozart Jahrbuch 1991, Kassel usw. 1992, S. 755–765.
Seidel, Wilhelm: Figaros Cavatine «Se vuol ballare Signor Contino», in: Festschrift Rudolf Stephan, Laaber 1990, S. 149–170
ders.: Seneca – Corneille – Mozart. Ideen- und Gattungsgeschichtliches zu Mozarts La clemenza di Tito, in: Musik in Antike und Neuzeit, hrsg. v. M. von Albrecht und W. Schubert, Frankfurt a. M. 1987, S. 109–128.
Staehelin, Martin: «Ah fuggi il traditor …». Bemerkungen zur zweiten Donna-Elvira-Arie in Mozarts Don Giovanni, in: Festschrift Heinz Becker, Laaber 1982, S. 67–86
Webster, James: The Analysis of Mozart’s Arias, in: Mozart Studies, hrsg. v. Cliff Eisen, Oxford 1991, S. 101–199
Wiesend, Reinhard: Ein «einfaches Sekundarierstück ohne individuelle Züge»? Tradition und Erfindung in der Arie Torna di Tito a lato, in: Mozart Jahrbuch 1984/85, S. 134–144
ders.: Regieanweisung. Werk, Edition – am Beispiel der Zauberflöte, in: Mozart Studien 3, Tutzing 1993, S. 115–136.
Wolff, Christoph: «O ew’ge Nacht! …». Zum Verständnis der Sprecherszene im ersten Finale von Mozarts Zauberflöte, in: Festschrift für Hans Heinrich Eggebrecht, Stuttgart 1984, S. 234–247
1767 |
Apollo und Hyacinth, lateinisches Schuldrama, Salzburg, Universitätstheater, Text Rufinus Widl OSB |
1767 |
Grabmusik, Salzburg, Dom (?), szenisches deutsches Oratorium, Textdichter unbekannt, möglicherweise Marian Wimmer oder Andreas Schachtner |
1767 |
Die Schuldigkeit des ersten Gebots, szenisches (?) deutsches Oratorium, Salzburg, Rittersaal der Residenz, Text Ignaz Anton Weiser |
1768 |
Bastien und Bastienne, deutsches Singspiel, Wien, Aufführung dort fraglich, Text Friedrich Wilhelm Weiskern und Johann Heinrich Friedrich Müller, revidiert von Andreas Schachtner |
1768 |
La finta semplice, Opera buffa, Salzburg, Hoftheater, 1769 (anstelle von Wien), Text Marco Coltellini |
1770 |
Mitridate, Opera seria, Mailand, Teatro Regio Ducale, Text Vittorio Amadeo Cigna-Santi |
1771 |
Ascanio in Alba, Opera seria («festa teatrale»), Mailand, Teatro Regio Ducale, Text Giuseppe Parini |
1771 |
La Betulia liberata, italienisches Oratorium, geschrieben für Padua, eine Aufführung ist nicht belegt, Text Pietro Metastasio |
1771 |
Il sogno di Scipione, Opera seria («azione teatrale»), vermutlich Salzburg, Hoftheater in der Residenz, 1772, Text Pietro Metastasio |
1772 |
Lucio Silla, Opera seria, Mailand, Teatro Regio Ducale, Text Giovanni de Gamerra |
1773 |
Thamos, Schauspielmusik zu einem Text von Tobias Philipp Freiherr von Gebler, Wien, Kärntnertortheater (mit Mozarts Musik?), Aufführungen mit Mozarts Musik in erneuerter Fassung (Salzburg 1777?, 1779?) ungesichert |
1775 |
Il Re pastore, Opera seria («serenata»), Salzburg, Hoftheater in der Residenz, Text Pietro Metastasio |
1775 |
La finta giardiniera, Opera buffa, München, Theater am Salvatorplatz, Text vermutlich von Giuseppe Petrosellini |
1777 |
Semiramis, Melodram, Mannheim, Text Otto Heinrich von Gemmingen (Musik Fragment geblieben und verschollen) |
1779 |
Zaide, deutsches Singspiel, vorgesehen für Salzburg oder Wien (?), Text Johann Andreas Schachtner (Musik Fragment geblieben) |
1781 |
Idomeneo, Opera seria, München, Hoftheater in der Residenz (Cuvilliés-Theater), Text Giambattista Varesco |
1782 |
Die Entführung aus dem Serail, deutsches Singspiel, Wien, Burgtheater, Text Gottlieb Stephanie d. J. nach Christoph Friedrich Bretzner |
1783 |
L’oca del Cairo, Opera buffa, Wien, Text Giambattista Varesco (Musik Fragment geblieben) |
1783 |
Lo sposo deluso, Opera buffa, Wien, Textdichter unbekannt (Musik Fragment geblieben) |
1783 |
Diener zweier Herren, deutsches Singspiel, Wien, Text von Carlo Goldoni in der Übersetzung eines Unbekannten (Musik Fragment geblieben und verschollen) |
1785 |
Davidde penitente, italienisches Oratorium, Wien, Burgtheater, Textdichter unbekannt, möglicherweise Lorenzo Da Ponte (Musik weitgehend aus der Messe KV 427 übernommen) |
1786 |
Der Schauspieldirektor, deutsches Singspiel, Wien, Orangerie im Schloss Schönbrunn, Text Gottlieb Stephanie d. J. |
1786 |
Le nozze di Figaro, Opera buffa, Wien, Burgtheater, Text Lorenzo Da Ponte |
1787 |
Don Giovanni, Opera buffa, Prag, Ständetheater, Text Lorenzo Da Ponte |
1790 |
Così fan tutte, Opera buffa, Wien, Burgtheater, Text Lorenzo Da Ponte |
1791 |
La clemenza di Tito, Opera seria, Prag, Ständetheater, Text Caterino Mazzolà, nach Pietro Metastasio |
1791 |
Die Zauberflöte, deutsches Singspiel, Wien, Freihaustheater auf der Wieden, Text Emanuel Schikaneder. |
Die Oper war um 1600 in Italien nach Anregungen aus Gelehrtenzirkeln als eine Form höfischen Zeremoniells entstanden. Sie diente, mit der Absicht, zu beeindrucken und zu belehren, der Repräsentation. Früh schon erhielt das vornehme Kunstgebilde nach Florentiner und Mantuaner Vorbild einen populären Konkurrenten, als 1637 in der Stadtrepublik Venedig für zahlendes Bürgertum ein Opernhaus eröffnet wurde, dessen Hauptziel die Unterhaltung war. Damit drangen vermehrt komische Elemente in die Handlung ein. Im 18. Jahrhundert näherten sich die beiden Typen aus Gründen immer labiler Finanzierung einander an. Zwischen den Akten einer opera seria ließen sich zur allgemeinen Belustigung komische Intermezzi einfügen, aus denen sich eine selbständige opera buffa entwickelte. Die Hoftheater öffneten sich einem größeren Publikum bald auch durch Zugang gegen Eintrittsgeld. Zu Zeiten Mozarts waren sie in der Hauptsache an Unternehmer verpachtet, die zwar Rücksicht auf höfisches Leben zu nehmen hatten, im Alltag aber einen Spielplan organisierten, der zu verlässlichen Einnahmen führen sollte. Basis der Finanzierung war der Verkauf oder die Vermietung parzellierter Zuschauerkabinette für komplette Spielzeiten an adelige oder begüterte Familien. Architektonisch fand dieses Prinzip im Logentheater seinen Niederschlag.
Das Hoftheater konnte sich, getragen von Musikliebhabern, sogar in ein regelrechtes Bürgertheater verwandeln. Mozart kannte das aus Salzburg, wo der Fürsterzbischof 1775 ein Opernhaus hatte einrichten lassen, das zwar eine Fürstenloge aufwies, aber den Staatshaushalt nicht belastete, weil es von durchreisenden Wandertruppen bespielt wurde, die ganz auf eigenes Risiko arbeiteten. Damit war die höfische Opernsprache Italienisch hinfällig. Das Programm wurde allein mit deutschen Übersetzungen bestritten. Für Unternehmungen dieser Art haben auch Werke Mozarts deutsche Texte erhalten, mit Billigung des Komponisten wie bei der Finta giardiniera.
In einem letzten Schritt machten sich private Operntruppen von höfischer Bevormundung frei und suchten sich ihre eigenen Häuser, wenn sie innerhalb von Residenzen auf Vorstädte auswichen. So begründete Emanuel Schikaneder 1788 sein Freihaustheater in Wien, mit dem er, auch wenn er sich im Titel «K. k. priv. Wiedner-Theater» kaiserlichen Privilegs und Schutzes versicherte, ein ganz neues Publikum anzog.
Mozarts Opern, seien sie für Mailand, Salzburg, München, Wien oder Prag geschrieben, rechneten mit dem zwar bürgerlich unterstützten, aber doch echten Hoftheater alten Schlages samt seinem gebildeten und anspruchsvollen Publikum, in dem der Adel unbestritten die Meinungsführerschaft behielt. Die einzige, aber signifikante Ausnahme bildet die Zauberflöte von 1791: um so verwunderlicher, dass gerade sie Anspielungen liebt, denen nur literarisch Kundige folgen konnten. Das bürgerliche Theater lag bis dahin außerhalb von Mozarts Interessenhorizont. Doch eben dieses bürgerliche Theater war es, in dem sich Mozarts Opern bald nach seinem Tod verbreitet haben, bei den italienischen Werken zunächst unter Streichung aller Rezitative, die durch gesprochenen Dialog ersetzt wurden; erst im späteren 19. Jahrhundert kehrten sie unter dem Eindruck der vorbildlichen Partiturausgaben von Julius Rietz zurück, freilich jetzt mit deutschem Text. Die Originalsprachen haben sich erst seit wenigen Jahrzehnten wieder durchgesetzt, seit Herbert von Karajans Direktion an der Wiener Staatsoper von 1956 bis 1960.
Musikalische Formen werden von jeher von Sprache geprägt, ja geschaffen, und sie werden durch Sprachen und Sprachformen – Prosa, Vers, Strophentypen – auch in sich differenziert. Das gilt in besonderem Maße für die Oper. Sie gibt es, anders als Motette, Chanson oder Madrigal, in verschiedenen Sprachen und nationalen Dialekten. Dabei herrscht seit dem 17. Jahrhundert als allgemein verbindliche ‹Hochsprache› das Italienische, verbindlich auch in Paris, London, München und Petersburg. Daneben hatten sich regionale Varianten vom Französischen bis zum Russischen gebildet, die nur im jeweiligen Land Geltung hatten. Zwei Sprachen allein waren Mozart aber nicht genug. Ihn zeichnet wie Händel echte Vielsprachigkeit aus, mit Konsequenzen für sein ganzes Werk. Denn Mozart wusste einerseits bei klarer Präferenz für das internationale Italienisch die Traditionen der unterschiedlichen Sprachen sehr genau zu unterscheiden, andererseits nutzte er seine Kenntnis für auffällige Verschiebungen in Form von Importen und Exporten. Seine Präferenz lag allerdings lange, selbst noch zu Zeiten, als er sich Hoffnungen auf einen Kontrakt mit dem Münchner Intendanten Graf Seeau über jährlich vier «teutsche opern, theils Bufe und serie» machte (2.10.1777), beim Italienischen: «das opera schreiben steckt mir halt starck im kopf. französisch lieber als teütsch. italienisch aber lieber als teütsch und französisch» (7.2.1778).
Mozart fand zu dieser Zeit ein ausdifferenziertes System an Gattungsvarianten vor. An fast allen sollte er sich im Laufe seines Lebens auch aktiv beteiligen (Schema auf der nächsten Doppelseite S. 12–13). Die Zugehörigkeiten regeln sich nach den Sprachen. Beim Deutschen bleiben die Werke aus Auftragsgründen äußerlich ans Singspiel gebunden. Mozart kennt aber auch die größere und anspruchsvollere Form, die bei der Entführung, intentional einer anderen Gattung angehörig als die Zauberflöte, mitgedacht und im «seria» des zitierten Briefes von 1777 auch angesprochen ist. Insofern war eine Teilung in GROßE DEUTSCHE OPER und SINGSPIEL geboten. Eckig eingeklammert sind unvollendet gebliebene Werke. Die geschwungene Klammer, beschränkt auf die deutsche Rubrik, verweist auf Verlorenes, dessen Existenz nur durch indirekte Zeugnisse belegbar ist, so das nie abgeschlossene Melodram Semiramis und ein erwogenes Singspiel nach Carlo Goldonis Diener zweier Herren.
Den Zahlen nach hat das Italienische Vorrang. Mit ihm gilt, gemäß der sprachlichen Scheidung von ungereimten versi sciolti und lyrischem Vers, die Trennung zwischen Rezitativ und Arie. Die textliche Differenzierung wird in den süddeutsch-katholischen Ländern im Kontext von Jesuitendrama und benediktinischem Schulspiel auch aufs Lateinische übertragen. Mozarts Apollo und Hyacinth ebenso wie andere Werke des Salzburger Universitätstheaters sind den Formen nach italienische Miniaturopern auf Lateinisch.
Eine Nebenlinie betrifft das Oratorium. Es entstammt der italienischen Tradition und verbindet sich von Anfang an in der Scheidung von Rezitativ und Arie mit der italienischen Oper. Auch diese Nebenlinie hat einen direkten Ableger im Lateinischen, bei Mozart eher zufällig nicht belegt, wohl aber bei anderen Salzburger Musikern wie Michael Haydn im Zusammenhang von Festmusiken und Applausus-Kantaten. Wichtig am Oratorium ist nebenbei, dass es auch einen regulären Vertreter im Deutschen hat, das heißt mit Rezitativen, die keineswegs nur Domäne lutherischer Kirchenkantate sind.
Die italienischen Muster strahlen auf alle regionalen Varianten aus. Dabei steht das Deutsche gleich unter mehrfachem Einfluss, weil es auch noch französische Elemente aufnimmt. Ohne auf andere Länder einzuwirken, beeinflusst es mit dem Oratorium als Muster für durchkomponierte große deutsche Oper bestenfalls sich selbst.