Geschichte einer
schwierigen Freundschaft
C.H.Beck
Willy Brandt und Helmut Schmidt – zwei berühmte Deutsche, die gegensätzlicher kaum hätten sein können. Gunter Hofmann, langjähriger Chefkorrespondent der ZEIT, schildert die faszinierende Geschichte ihrer schwierigen Freundschaft, in der sich ein ganzes Jahrhundert deutscher Geschichte widerspiegelt. Seine intime Kenntnis der Akteure und Ereignisse, sein feines Gespür für die seelischen Konstellationen und nicht zuletzt sein glänzender Stil machen dieses Buch über zwei Weggefährten, Kanzler und Rivalen zu einer spannenden Lektüre.
Gunter Hofmann war bis 2008 Chefkorrespondent der «ZEIT». 2002 erhielt er für sein Buch «Abschiede, Anfänge – Die Bundesrepublik. Eine Anatomie» den «Preis der Friedrich-Ebert-Stiftung» für das beste politische Buch des Jahres. Zuletzt erschien von ihm bei C.H.Beck: «Richard von Weizsäcker. Ein deutsches Leben» (22010).
«Lieber George, es gab keine andere Möglichkeit als den Rücktritt – aber Schwermut beschleicht einen doch dabei und Kummer über die Unzulänglichkeit allen Daseins. Helmut Schmidt ist der einzige, der potentiell in der Lage sein wird, die verfahrene Situation zu retten und dem dies wohl auch praktisch gelingen wird. Er hat die Intelligenz, richtig zu analysieren, Vernunft und Erfahrung genug, um zu wissen, was durchsetzbar ist, und er verfügt über die Kraft, dies solchermaßen als machbar und richtig Erkannte dann auch auszuführen. Daß die Kombination dieser drei selten gemeinsam auftretenden Fähigkeiten in der Lage ist, Außerordentliches zu leisten, weiß man. Aber man hätte sich so gewünscht, einmal zu erfahren, dass auch ein Mensch ohne Arg, ein Träumer, der gleichzeitig ein großer Realist ist, eine mythenbildende Persönlichkeit zum selben imstande ist.»
Marion Dönhoff an George Kennan, 29. Mai 1974[*]
Für
Theresa und Kalle
I. Letztes Bild
II. Zweierlei Irrtümer
III. Mauerbau und Sturmflut
IV. Nebeneinander
V. Schisma
VI. Briefpartner
VII. Abschiede
VIII. Die Unvergleichlichen
Anhang
Anmerkungen
Bildnachweis
Personenregister
Keines Blickes würdigte Willy Brandt Helmut Schmidt beim Kölner Sonderparteitag der SPD im November 1983 in den tristen Messehallen, und auch der Kanzler a. D. wollte offenkundig am liebsten nicht mehr zum Parteivorsitzenden Brandt hinsehen: blass, versteinert ihre Mienen, kein Sieger, nirgends. Lediglich noch dreizehn von vierhundert Delegierten hatten sich soeben bei der Abstimmung bereit gezeigt, Helmut Schmidts Position mitzutragen, die überwältigende Mehrheit votierte mit Willy Brandt endgültig dagegen, dass atomare Mittelstreckenraten auf deutschem Boden stationiert werden. Es war das Ende eines vierjährigen Konflikts, wie ihn die Bundesrepublik selten erlebt hatte. Einsam war es um Schmidt geworden, der in der Welt ähnlich viel Respekt genoss wie Brandt. Als Kanzler war er bereits abgewählt, dreißig Kilometer entfernt von der Messehalle saß Helmut Kohl als sein Nachfolger im Kanzleramtsbüro und leitete vom leicht erhöhten Chefsessel aus die Kabinettssitzungen. Kühl verkündete er, Schmidts Kurs zu vollenden und die Raketen zu stationieren – dass er auch Kontinuität in der Brandt’schen Ostpolitik wahren wolle, davon sagte er nichts. Nach seinem Amt verlor Schmidt jetzt auch noch diesen Konflikt in der eigenen Partei.
In diesem Bild, Brandt und Schmidt, die sich nicht anblickten, leuchtete die ganze komplizierte Beziehung noch einmal auf. Lange hatten sie verschleiern wollen, dass sie in unterschiedliche Himmelsrichtungen zerren – aber nun kam es zum Schwur. Es sah so aus, als kollidierten Realpolitik (Schmidt) und Idealismus (Brandt), und der führende Exponent der Realpolitiker unterlag. Natürlich war das eine trügerische Vereinfachung, Brandt war kein Idealist. Aber Schmidt selbst hatte dazu beigetragen, dass man ihren Zwist so deutete; seine Widersacher, spitzte er gerne zu, verweigerten sich den Realitäten. Daher hatte diese Szene etwas von High Noon. Ein Hauch von Bitterkeit haftete dem an, alle drängte es aus dem Saal, als wollten sie flüchten.
Auf der Rolltreppe in der Messehalle begegneten sie sich noch einmal auf dem Weg zu ihren schwarzen, bleiverglasten Limousinen und den wartenden Chauffeuren. Journalisten, die es beobachteten, haben die wenigen Sekunden nie vergessen: Sie sahen sich an, Willy Brandt und Helmut Schmidt, und sie sahen sich nicht. Was man sich spontan wünschte, war offenbar ganz und gar unmöglich für sie – sie gingen nicht aufeinander zu, keiner schüttelte dem anderen versöhnlich die Hand. Den ersten Schritt, dachte man unwillkürlich, hätte in diesem Augenblick Brandt machen müssen, denn er hatte sich durchgesetzt. Aber zu viel war geschehen. So blieb das haften, als enthülle das letzte, dramatische Bild ein endgültiges Zerwürfnis – und die nackte Wahrheit. Diese Geschichte ist nie zu Ende erzählt worden.
Der eine war in der Emigration, der andere Wehrmachtssoldat. Der eine hatte eine normale Jugend in Deutschland erlebt, der andere gehörte zu den raren Ausnahmen, er wich vor Hitler über Dänemark nach Skandinavien aus, die Nationalsozialisten expatriierten ihn und er wurde norwegischer Bürger. Nur fünf Jahre trennten sie, nicht viel, wie man meinen könnte. Willy Brandt kam am 18. Dezember 1913 zur Welt, Helmut Schmidt am 23. Dezember 1918, entscheidende fünf Jahre, nach seiner festen Überzeugung. Der Ältere wurde im Jahr 1969 Kanzler, 1974 trat er in der Affäre um den Ostberliner Agenten im Kanzleramt, Günter Guillaume, zurück; der Jüngere folgte ihm – zögernd – nach und blieb bis zum Herbst 1982 strapaziöse achteinhalb Jahre im Amt. Beide, Brandt wie Schmidt, hatten in diesen dreizehn Jahren das Bild der Republik – damals noch geteilt – weltweit verändert; und die Welt interessierte nicht, ob sie sich überworfen hatten. Gleichwohl, politisch bedeutsam und folgenreich war ihr kompliziertes Verhältnis untereinander, und das hing mit ihren Lebensgeschichten zusammen. Vielleicht hat das Duo Brandt-Schmidt, gerade weil sich so wenig zu fügen schien, am Ende gemeinsam eine solche Wirkung entfaltet?
Mit einem Lob für Willy Brandt und Herbert Wehner ließ Helmut Schmidt bewusst eines seiner Erinnerungsbücher, Weggefährten, ausklingen. Das Triumvirat, wünschte der Autor Schmidt sich nachdrücklich beim Rückblick, habe Anspruch auf Respekt vor der gemeinsamen dauerhaften Führungsleistung. Sie hätten gestritten – aber nicht öffentlich. Selten sei es laut zwischen ihnen geworden wie im Jahr 1974 in jenen dramatischen Stunden in der Klausur von Münstereifel, als die Führungsgarnitur der Sozialdemokraten mit Willy Brandt über sein Verbleiben oder seinen Rücktritt nach der Enttarnung Guillaumes beriet und er zornig dagegen plädierte. Geschämt habe er sich später dafür. Fast etwas wie Abbitte leistete Schmidt in einem Aufwasch gleich auch noch für das Jahr 1972: Wenn Brandt nach seinem triumphalen Erfolg bei den Bundestagswahlen den Eindruck gehabt haben sollte, er hätte ihm diesen Sieg nicht gegönnt, sei das falsch. «Nicht im Traum» habe er an eine eigene Kanzlerschaft gedacht. Und dann Schmidts Erinnerung an ihr letztes Treffen, bei seinem Besuch in Unkel am Rhein in Brandts Privathaus kurz vor dessen Tod, eine Erinnerung, die in einem Bekenntnis, beinahe einem Seufzer, ja einer versöhnlichen Formel für die Ewigkeit mündete. Streit und Dissens, das leugnete er nicht, habe es im Laufe ihrer langen gemeinsamen Geschichte gegeben – «jedenfalls aber war dies 1992 bei ihm genauso vergessen oder abgesunken wie bei mir Willy Brandts Votum gegen den Nato-Doppelbeschluß im Jahr 1983.» Rechtzeitig hätten sie sich «als Freunde wiedergefunden».[1] Aus dem Protokoll der Geschichte war, wie Helmut Schmidt es sah, all dieser Kleinkram fortan gelöscht. Ähnlich wiederholte es der Autor in seinen Erinnerungen später noch einmal, als solle man es bloß nicht überlesen oder vergessen: «Wir haben uns als Freunde empfunden – und ich werde mich auch fürderhin einen Freund Willy Brandts nennen.»[2]
Freunde? Ja, Freunde seien sie gewesen, auch mir gegenüber bekräftigte der alte Herr es noch einmal in seinem Büro im Hamburger Pressehaus am Speersort, in dem er so gern residiert. Ihre Konflikte ließen sich nicht aus dem Protokoll der Geschichte streichen, aber mit «1989» hatten sie sich doch einfach erledigt, gibt er mir zu verstehen. Und dann, geradezu um Verständnis werbend für seinen Vorgänger im Kanzleramt: Ob ich mir klar sei darüber, wie sehr Brandt unter Depressionen litt? Er jedenfalls sei sich sicher, ohne diesen Befund könne man vieles an Brandts Verhalten nicht richtig verstehen.
In den Sinn kamen mir beim Zuhören einige Zeilen des Brandt-Biographen David Binder, eines renommierten Korrespondenten der New York Times, der beide Kanzler gut kannte und den sie schätzten. Binder erinnerte sich folgendermaßen an Schmidts Worte: «Ich habe ihm meine Freundschaft angeboten. Das muss 1959 gewesen sein, denke ich. Aber er wollte sie nicht. Ich denke, er ist sehr einsam. Ich denke auch, er hat Sorge, von Leuten ausgenutzt zu werden, die ihm zu nahe kommen.»[3] 1959!
Aus Schmidts Sicht zählte Brandt zu jener Generation, die gerade schon alt genug war, um zu erkennen, was mit Hitler auf Deutschland und Europa zuzukommen drohte. Andererseits rechnete er ihn bei dem kleinen Altersunterschied noch fast zur eigenen Generation, sodass er ohnehin kaum erwarten konnte, einmal Anspruch auf das Kanzleramt anmelden zu können – falls Brandt will, gebührt ihm der Vortritt, das wusste er und daran rüttelte er auch nicht. «Schmidt hatte ja Recht», räsoniert Horst Ehmke altersmilde, ihre Kriegsbeile haben sie beide längst begraben – «wenn Brandt nicht alles passiert wäre, was ihm passierte, wäre es ja auch durchaus möglich gewesen, dass Schmidt nicht Kanzler wird.»
Blieb dieser Willy Brandt ihm ein Rätsel, das sich nicht recht entschlüsseln lässt? Helmut Schmidts Antwort auf meine Frage, nach einem Moment des Nachdenkens, lautet streng und ohne zu zögern: «Nein!» Aber Fragen hätte er an ihn. Was beispielsweise? Dass er sich zum Schluss auf die Seite der Friedensbewegung stellte, erwiderte Helmut Schmidt, obwohl er doch «kurz zuvor» noch ausdrücklich den Doppelbeschluss der Nato unterstützt habe. Bis heute kann oder will er nicht recht glauben, dass dieser Positionswechsel Brandts wirklicher innerer Überzeugung entsprach. Oder weshalb er in den späten 80er Jahren von der «Lebenslüge» Wiedervereinigung sprach, als hätte er die Einheit aufgegeben. Weshalb er Machtworte derart scheute. Und dann – «können Sie sich erklären, weshalb Brandt nicht in Auschwitz war?»
Beide trauten sich erstaunlich früh das Regieren im Adenauer- und CDU-Staat zu, Brandt und Schmidt (auch Fritz Erler, der früh starb, müsste man noch hinzuzählen), sie ließen sich nicht den Schneid abkaufen, als sei ihre Partei auf ewig zur Opposition verdammt, und als beherrschten sie das nicht auch, diese Kunst des Regierens. Noch gaben die Älteren den Ton an in ihrer Partei, Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer, Carlo Schmid und Herbert Wehner. Ein kleiner Nebenkanzler aber war Brandt ohnehin, seit er 1957 in Berlin zum Regierenden Bürgermeister gewählt worden war und die Interessen der Stadt auch in den großen Hauptstädten der westlichen Welt vertrat – eine Mission, die der christdemokratische Kanzler in Bonn von Brandt sogar wünschte. Helmut Schmidts Name prägte sich in der Republik spätestens mit der Hamburger Flutkatastrophe im Februar 1962 ein, seitdem galt er als begnadeter Krisenmanager, der auch anderen Herausforderungen gewachsen wäre. Mit seinem Buch Verteidigung oder Vergeltung (1965) schrieb er sich hinein in die internationale militär-strategische Community. Den Weltblick eignete er sich systematisch an, den Brandt als Emigrant gewann, seit er inkognito mit der Bahn in der Holzklasse nach Paris, Barcelona, Prag oder heimlich sogar Berlin reiste, um für den Widerstand gegen Hitler Fäden zu knüpfen.
Von Rut (Hansen) Brandt, die ihren Mann 1944 in Schweden kennenlernte und mit ihm noch zusammenlebte, als er dreißig Jahre später, 1974, als Kanzler demissionierte, stammt jene kleine Episode über ihren Gatten, die man nicht vergessen sollte. Bei ihren Parteitagen ließ die SPD den Berliner Politiker regelmäßig schnöde durchfallen, wenn er sich wieder mal um einen Platz im Vorstand bewarb, und es half ihm auch nicht, dass er aus der Frontstadt kam. Schweigsam und verschlossen, so schilderte Rut Brandt es, habe er jedes Mal auf diese Niederlagen reagiert und den Parteihickhack zu verdrängen gesucht. Als sie ihn darauf ansprach, warum denn Einfluss für ihn so wichtig sei – sie sei eben «keine gute Stütze» für ihn gewesen, flocht sie noch entschuldigend ein –, sie hätten sich doch jenseits der Politik ein ruhiges Leben gönnen können, erwiderte er spontan: «Verstehst du denn gar nicht, dass ich Macht will!»
Macht sei für sie etwas Diktatorisches gewesen, erinnerte Rut Brandt sich, «das wir von der Besatzungszeit kannten», «Willy» sei alles andere als ein Machtmensch gewesen. Viele Jahre später, nachdem er «Macht» bekommen hatte, sei sie im Gespräch mit ihm auf die Episode zurückgekommen, «er konnte sich aber nicht daran erinnern». Damals habe sie besser verstanden, was er in Berlin meinte, als er so explodierte. «Er war in die Heimat zurückgekehrt», so deutete sie seine Reaktion, «um sich für seine Ziele einzusetzen, um auf die Entwicklung einzuwirken, um beim Aufbau eines neuen Deutschland dabei zu sein.» Für ihn sei durchaus entscheidend gewesen, sich dort zu platzieren, «wo er den größten Einfluß ausüben konnte.»[4] Und das war das Palais Schaumburg, in dem damals noch der alte Fuchs und Rosenzüchter, der Kölner Katholik Konrad Adenauer residierte, als sei es für immer. Willy Brandt hätte es so direkt, klar und schnörkellos wohl nie formuliert wie Rut, aber in dem Sinne wollte er Macht, und es war daher auch keineswegs Herbert Wehner allein, der ihn 1960 zum Kanzlerkandidaten der SPD beförderte.
War Helmut Schmidt ein Machtmensch, drängte ihn Ehrgeiz ins Kanzleramt, oder was war sein Movens? Diese Kategorie, erwiderte er dem früheren ZEIT-Chefredakteur Theo Sommer, mit Schmidt seit Jahrzehnten eng verbunden, habe für ihn nie eine Rolle gespielt. Ein Politiker brauche «Tatkraft», manchmal gewinne er Einfluss, «aber Macht übt er kaum aus». Schmidt, ungnädig: Einem Soziologen oder einem Politologen oder einem Journalisten angemessen seien solche Fragen vielleicht, er selber habe die «Macht» nicht empfunden. Verantwortung sei eine «ziemliche Last, und sie ist unvermeidlich».
Theo Sommer: «Macht – kein Aphrodisiakum?»
Helmut Schmidt: «Nein.»
War er dann froh, nach achteinhalb Jahren die Last abgeben zu können?
«Auch nicht. Ich wollte es ja. Ich war darauf eingestellt. Man muss dazu wissen, was die Öffentlichkeit vielleicht nicht richtig mitbekommen hat. Als ich 1974 das Kanzleramt von Willy Brandt übernahm, tat ich das in der Vorstellung, es sei meine Aufgabe, die Koalition bis zur nächsten Bundestagswahl mit Anstand zu Ende zu führen. Ich sah eine Regierungszeit von zweieinhalb Jahren vor mir und nicht etwa von achteinhalb Jahren.»
Er blieb länger, bis ans Limit, wie er später sagte, nach einer so langen Amtszeit sei man einfach erschöpft. Hat ihn der Machtverlust geschmerzt?
Schmidt wortkarg: «Nein.»[5]
Aber das waren Antworten des alten Herrn, als junger Mann hat er die Sache mit dem «Ehrgeiz» und der «Macht» auch anders gesehen.
Willy Brandt wollte sich «platzieren», um etwas zu erreichen, Helmut Schmidt wollte – im Rückblick aus großer Distanz jedenfalls – der Verantwortung gerecht werden nach seinen Maßstäben. Unterschiedliche Motive waren es ganz gewiss, die sie das Kanzleramt früh anvisieren ließen, Brandt zielstrebiger als Schmidt, und sie verbanden auch andere Vorstellungen damit.
Das Wort «Glück» kam bei ihm oft vor, wenn man mit ihm sprach und er den Blick zurückschweifen ließ auf sein Leben, ausgerechnet der Mann, der nach einem schönen Wort von Günter Grass so gern seiner Melancholie Termine einräumte. Glück, weil es ihm gelang, nach Norwegen zu fliehen 1933, als junger Mann. Glück, als «Hitler-Gegner» den Krieg überlebt zu haben, im Untergrund quer durch Europa Freunde gewinnen zu können, und im Exil eine zweite Heimat zu finden in Norwegen. Glück schließlich, weil er Anschluss in der neuen Bundesrepublik fand, und das auch noch in Berlin, wo er als Regierender Bürgermeister quasi automatisch eine bundespolitische Rolle spielte und eine Alternative zum Kanzler in Bonn bildete – dem Weimarianer, der noch hineinragte aus der Vor-Hitler-Ära in die neue Bundesrepublik. Glück, dass er zum ersten sozialdemokratischen Kanzler gewählt wurde, und erst recht, weil er die Ostpolitik seiner sozialliberalen Koalition gegen alle Widerstände über die parlamentarischen Hürden brachte und realisierte. Nicht einmal das Gefühl, nach nur vier Jahren, 1974, als Kanzler zurücktreten zu müssen und damit um seine Chance betrogen worden zu sein, hat ihm dieses Empfinden, «Glück», auf ewig vergällt.
Anders Helmut Schmidt: Weil er fünf Jahre jünger war als Willy Brandt, so empfand er es, habe er zu jener Generation gehört, die 1933 und in den folgenden Jahren nicht erwachsen genug war, um ganz zu begreifen, was in Deutschland geschah, die aber um ihre Jugendjahre betrogen worden sei, weil sie im Uniformrock von «Adolf-Nazi» – wie er es gern ausdrückt – steckte. Das war das deutsche Unglück und sein Pech, Lebenspech. Früh traute man ihm zu, dass er das Kanzleramt ausfüllen könne, und auch er schien zu bedauern, dass ihm diese Chance versagt bleiben werde, nachdem der wenig ältere Brandt nun einmal Kurt Georg Kiesinger im Palais Schaumburg abgelöst hatte. Es war Brandts Recht, fand Schmidt aber.
Lebensalter, Chronologie, Hackordnung führten zur Entscheidung zugunsten der Kandidatur Brandts, erstmals im Jahr 1960. Herbert Wehner versprach sich schlicht von dem populären Berliner Bürgermeister die größten Chancen für seine Partei. Loyal trug Schmidt das mit.
Willy Brandt schaffte tatsächlich den Sprung ins Kanzleramt an der Spitze einer sozialliberalen Koalition. Helmut Schmidt avancierte zur «Nummer eins», zum Kronprinzen, der im Falle des Falles nachrücken könnte. Brandt nahm ihn allerdings häufig auch als jemanden wahr, der an seinem Stuhl säge. Unbelastet war ihr Verhältnis – bei allen konjunkturellen Schwankungen – praktisch nie. Eruptiv äußerte sich das 1972, die Ostverträge waren gerettet und wirksam, er ging bei den vorzeitigen Wahlen als Sieger hervor, aber seine Kräfte überstieg dieser politische Dauergewaltakt seit 1969 eindeutig. Er zog sich ins abgedunkelte Zimmer zurück und nahm seine Auszeit. Horst Ehmke suchte ihn nach einigen Tagen auf, wie er sich erinnert, bei einer Flasche Rotwein tauschten sie sich aus über das, was ihn plage, und vor allem darüber, was von Schmidt und Wehner zu halten sei. Da brach es aus Brandt heraus: «Schmidt und Wehner sind Arschlöcher!» Danach, lacht Ehmke, raffte er sich wieder auf zum Regieren.
Als ihm dann im Jahr 1974 wegen der Enttarnung des kleinen Mitarbeiters Günter Guillaume Willy Brandt seine Rücktrittsabsichten gestand und ihm zuraunte, «Helmut, Du musst es machen!», zauderte Schmidt ernsthaft. Weshalb? Er sah die ungeheure Bürde auf sich zukommen. Wenn, dann wollte er es richtig machen nach seinen eigenen Maßstäben. Und natürlich spürte er auch die veränderten Vorzeichen in der Weltökonomie, die den Wohlfahrtsstaaten künftig enge Grenzen ziehen würden, und damit auch gerade einer Partei wie der SPD. Dennoch stimmte er zu. Zwei Legislaturperioden blieb er im Amt, mit Brandt als Parteivorsitzendem (bis 1987) an der Seite.
All das war passé, im November 1983. Nun schien der Bruch besiegelt. Helmut Schmidts Partei hatte beschlossen, kurz vor dem geplanten Stationierungstermin zu entscheiden, ob sie endgültig der Nachrüstung zustimme. Schmidt hatte das so gewollt und drei Jahre lang den Sozialdemokraten immer wieder die Zustimmung zu seinem Kurs abgerungen, auch die Willy Brandts. Um ein «Schlusswort» der Sozialdemokraten zu ihrem Nachrüstungsstreit ging es also nur noch. Aber insgeheim stand auch auf der Tagesordnung, wem ihre Loyalität gelte: Schmidt oder Brandt? Zu entscheiden war nichts mehr wirklich. Solange Willy Brandt Parteichef war, hatte er strikt darauf geachtet, es darüber nicht zum Bruch mit dem Kanzler kommen zu lassen. Und seine Partei zwang sich dazu, Brandt dabei zu folgen. Brandt fürchtete auch, die SPD breche auseinander, oder die neue grüne Partei sammle eine verärgerte junge Generation auf, die sich von Schmidts Politik verprellt sah.
Die Ostpolitik befürwortete Schmidt zwar auch. Aber prinzipielle Differenzen in Stil und Sache pflasterten dennoch seit Mitte der 60er Jahre häufig ihren gemeinsamen Weg. Und in diesem Konflikt über den Sinn und Segen der Drohpolitik, die Gefahren der Überrüstung, der Flucht ins Militärische statt dem Vertrauen in Politik, bündelte sich das alles. Schmidt meinte, oder sagte es jedenfalls so, Brandt hätte gegenüber der «Linken» nur ein Machtwort sprechen müssen, dann wäre der Konflikt aus der Welt gewesen. Ein solches Machtwort wollte Brandt nicht sprechen, ja, er war davon überzeugt, das könne es in Wahrheit auch nicht geben.
Köln! Ein solcher Film lief noch einmal ab vor den eigenen Augen, als Helmut Schmidt sich mit seinen dreizehn Getreuen, Hans-Jürgen Wischnewski, Georg Leber oder Hans Apel darunter, blass und ernst, tapfer und mit wehenden Fahnen, plötzlich derart an den Rand gedrängt sah. Die Zeit schien in dem Moment ungnädig über ihn hinweggegangen zu sein. Was für ein bitterer Schlusspunkt für den Kanzler a. D.! Aber die Stunde der wahren Empfindung war es doch auch. Willy Brandt machte sich nach langem Rücksichtnehmen auf den Regierungschef endlich ehrlich. Er triumphierte nicht. Denn Sieger waren nicht die Kritiker und die Friedensbewegung, die SPD befand sich in der Opposition, die Geschichte setzte sich über sie hinweg und fest stand, die Nuklearwaffen würden bald nach Mutlangen transportiert. Und die neue Partei an der Seite, die Grünen, formierte sich. Häme war auf keiner Seite zu spüren, auch nicht Zorn, eher Enttäuschung, Erschöpfung und Traurigkeit.
Vor Augen hat man das Bild vom großen Zerwürfnis in Köln, im Ohr hat man aber auch Schmidts Worte nach dem Besuch bei dem Todkranken: «… ich werde mich auch fürderhin einen Freund Willy Brandts nennen.» Davon, vom Ungesagten zwischen den beiden, handelt das Buch.
Bloß keine Autobiographie! Streng verordnet hat sich Helmut Schmidt, kein Buch zu schreiben, in dem er sich selbst inspiziert. Versteckt in einem kleinen Sammelband aus dem Jahr 1992, hat er dennoch einen persönlichen, fast intimen Einblick in sein Leben gewährt, auch wenn er wortkarg blieb an manchen Stellen. Auf immerhin 73 Seiten brachte er zu Papier, was er die Öffentlichkeit über die Jahre seiner Adoleszenz wissen lassen wollte; eingerahmt wurde diese Spurensuche von den Jugenderinnerungen sechs weiterer Autoren, Schmidts Ehefrau Hannelore, Hamburger Freunde und der ZEIT-Journalist Dietrich Strothmann darunter.
72 Jahre war Schmidt alt, als er sich zu dieser Niederschrift entschloss. Ein Lebensbericht, aber eingebettet in die Texte Gleichgesinnter als Zeugnis einer Generation. Mit achtzig, hat Norbert Elias gesagt, fange man an, seine Biographie umzuschreiben. Vielleicht setzte das bei Schmidt doch ein wenig früher ein? Jedenfalls zeichnete er das Bild, das er zu dem Zeitpunkt von sich als junger Mann und von seiner Zeit hatte – und sicher auch das, von dem er wünschte, dass es so öffentlich in Erinnerung bleibe.
Gelesen habe ich seine Jugenderinnerungen parallel zu Willy Brandts schönstem Lebensbuch, dem er nach langem Zögern den Titel Links und frei gab. Geschwankt hatte er anfangs, wie er mir erzählte, als das Buch noch im Werden war, ob er diese Autobiographie Rot oder braun nennen solle. Ausdrücklich konfrontiert hätte er auf die Weise aber die Deutschen mit der großen Alternative, vor der sie gestanden hatten. Er selber entschied sich als junger Mann eindeutig: lieber rot, lieber Exil und lieber Untergrund. 1982 veröffentlichte Brandt diese Memoiren – also in dem Jahr, in dem Schmidt abgewählt wurde und ohne Bitterkeit ging. Mein Weg 1930–1950, lautete der Untertitel. Wieso war ich, wie ich war, mal links, mal rechts, dann wieder links?
Nichts, was er nach dem Rücktritt verfasste, kam einer Selbstinspektion derart nahe.[1] An seine Begegnung mit dem Psychoanalytiker Wilhelm Reich – den er als Exilanten kennenlernte und schätzte – knüpfte er die merkwürdig distanzierte Bemerkung, seine Erfahrungen mit den Seelenforschern hätten ihn dazu gebracht, sich ihrer Hilfe Zeit seines Lebens nicht zu bedienen. Ohne sie sei er so weit gekommen, wie er gekommen ist. Er gab Rätsel auf, er war sich selber manchmal ein Rätsel. Vielleicht verschwieg er manches sogar vor sich.
«Als Hitlers Herrschaft im Jahr 1933 begann, war ich soeben vierzehn Jahre alt geworden»: Damit eröffnete Schmidt seinen Bericht unter der Überschrift «Politischer Rückblick auf eine unpolitische Jugend.» Als tastenden jungen Mann beschrieb er sich, nicht berstend vor Neugier, Wissen oder Vorausahnungen, sondern – ein Blatt im Wind. Wogegen man sein solle, habe er früh gewusst, wofür, das sei ihnen nie beigebracht worden, wurde er nicht müde zu beteuern. Ordnung wollte er ins eigene Leben bringen, sich selbst Rechenschaft ablegen und unsereins auch.[2]
Er glaube «nicht an vorbestimmte Geschichtsabläufe», bekannte Brandt in seinen Erinnerungen, also halte er auch nichts von denen, «die auf mehr oder weniger gelehrte Weise nachweisen wollen, daß die Weimarer Republik auf jeden Fall hätte zugrunde gehen müssen». Mit den üblichen Historiker-Thesen zum unvermeidlichen Untergang Weimars haderte er ohnehin – zeitlebens. Zu Schmidts holzschnittartiger Darstellung, wie es zum schier unaufhaltsamen Aufstieg Hitlers kam, äußerte er sich nie. Seine Politisierung begann in der Auseinandersetzung mit der Weimarer Republik und deren Untergang, den man hätte verhindern können und müssen. Dass es keine Chance dazu gab, das hielt er für «Historikergeschwätz». Alternative Pfade gibt es immer, man muss es nur wollen! Für ihn war, anders als für Helmut Schmidt, die Weimarer Erfahrung noch lebendig und prägend.
«Wer war ich? Ein norddeutscher Arbeiterjunge, der in die sozialistische Bewegung hineingeboren wurde. Ein Aufstiegsschüler, der sich auf ein anderes Berufsleben als das seiner Familie oder seiner sozialen Umgebung vorbereitete. Die Hansestadt, in der er aufwuchs, war nur bedingt typisch für die deutsche Wirklichkeit zwischen den beiden Weltkriegen. ‹Bei uns› in Lübeck waren die sozialistischen und demokratischen Kräfte – in dieser Reihenfolge – wesentlich stärker als in anderen Teilen des Reiches. Aber die norddeutschen Hochburgen eines sich aberwitzig übersteigernden Nationalismus waren nur einen Sprung weit von uns entfernt. Dort hatten die ‹Völkischen›, wie die Vorläufer der Nazis hießen, schon Anfang der zwanziger Jahre breiten Anhang gewonnen. Gewalttaten der ihnen nahestehenden Freikorps verbreiteten Schrecken. Eines ihrer Kampflieder kennzeichnete ‹das Arbeiterschwein› als den eigentlichen Feind … Sie sprachen Gefühlsschichten an, die mit einer rationalen Argumentation nicht zu erreichen waren – und das Gros der Linken war schrecklich vernünftig.»[3]
Mit «ich» begann er, aber gleich darauf fuhr Brandt bereits fort in der dritten Person; von «er» sprach der Autor fortan meist, wenn er sich meinte. Und ungeduldig, als wäre selbst das schon zu viel an Intimität, skizzierte er sofort, in diesem einzigen Absatz über seine Kindheit und Jugend, die Fronten der politischen Welt, in die er hineinwuchs. Sein Leben war Politik, in dieser Hinsicht hatte er keine freie Wahl.
Dass Helmut Schmidts Leben Politik würde, war keineswegs programmiert. Sucht man etwas, was sich mit Brandts Rückblende vergleichen ließe, dann sind es wohl jene gerafften Sätze, mit denen er sich in seinen Erinnerungen von 1987 vorstellte: «Dies ist der persönlich bestimmte Bericht eines Mannes, der am Ende des Ersten Weltkrieges geboren wurde, der als Jugendlicher – seines Elternhauses wegen – kein Nazi geworden ist, der gleichwohl als wehrpflichtiger Soldat im Zweiten Weltkrieg glaubte, übergeordnete patriotische Pflichten erfüllen zu müssen. Dieses Buch gibt Einsichten und Erfahrungen eines Mannes wieder, der als Kriegsgefangener, sechsundzwanzig Jahre alt, dank des hilfreichen Einflusses sehr viel älterer Kameraden zum Sozialdemokraten wurde und relativ spät im Leben – dank der westlichen Alliierten, vor allem Englands und Amerikas – erstmals selbst Demokratie erlebte. Von Kants kategorischem Imperativ und von Marc Aurels Selbstbetrachtungen bin ich stärker geprägt worden als von Lassalle, Engels oder Marx; am stärksten aber formten mich ältere sozialdemokratische Zeitgenossen und Freunde. Die welterfahrenen Bürgermeister Max Brauer, Wilhelm Kaisen, Ernst Reuter und Herbert Weichmann und die Führer der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion Fritz Erler, Carlo Schmid und Herbert Wehner haben mich außenpolitisch erzogen; und was ich ökonomisch gelernt habe, verdanke ich zuallermeist Heinrich Deist, Karl Klasen, Alex Möller und Karl Schiller.»[4]
Jedes Wort, jeden Satz in diesem kleinen Text kann man lesen als Extrakt lebenslangen Nachdenkens. Auf diese gestanzten Formeln hat Helmut Schmidt sich im Laufe der Jahrzehnte mit sich selber verständigt: Das ist mein Leben, mein Werdegang, hoch komprimiert.
1930 Seltsam sicher war Brandt sich, wogegen er sein müsse und wofür. Eindeutig sah er seinen Platz auf der Seite dieser «Arbeiterschweine», wie die Völkischen ihren «eigentlichen Feind» in der rechten Presse beschimpften. Weder der Junge, als Herbert Frahm geboren, noch der alte Willy Brandt, der schreibend zurückblickte, reagierte auf solche Feindseligkeiten selbst mit Feindbildern.
Brandt: Der Wahlerfolg der Nazis im September 1930 kam für einen «Jungen meines Schlages» gewiss nicht aus heiterem Himmel. Der Sog der beginnenden Weltwirtschaftskrise machte sich bemerkbar, die Verfassungsparteien kamen damit nicht länger zurecht. Große Teile des Volkes hatten sich in der Republik, der die Folgen des verlorenen Krieges zur Last gelegt wurden, von Anfang an nicht zu Hause gefühlt. Und dann, voller stolz auf das eigene Milieu: «In meiner Heimatstadt habe ich die Erfahrung eingesogen, daß unter den ärmsten Söhnen der Republik auch ihre treuesten waren. Nach dem Zusammenbruch von 1918 war die Demokratie in Deutschland tatsächlich nicht viel stärker als die Arbeiterbewegung.»[5] Buchstäblich von Haus aus sei er in der Vorstellung aufgewachsen, «daß Sozialismus von der Gleichwertigkeit der Bürger handele.»[6] Das blieb ihm die Richtschnur fürs Leben.
Frei von Selbststilisierung blickte auch er nicht zurück: Klassenbewusstsein, nicht Klassenhass, würde nötig sein, wenn der «Zukunftsstaat» heraufziehen solle, formulierte er etwas gravitätisch in seinen Erinnerungen, die 1989 erstmals erschienen, «so hatte ich es gelernt, von Kindheit an». Zukunftsstaat – so sei jenes Gemeinwesen genannt worden, in dem Vorrechte, auf Geburt, Besitz, Bildung beruhend, dahin seien und Gleichheit und Gerechtigkeit ihren Einzug halten würden. «Was sonst hätte Bebel, der gestorben war, als ich zur Welt kam, und von dem ich reden hörte wie von einem Mythos, anderes verkörpert?»[7] Ohne zu zögern stellte er sich in diese Tradition.
Ein Hauch von Rechtfertigung schwang mit bei Helmut Schmidt. Offenherzig ließ er seine Jugendjahre deshalb Revue passieren, weil er sich verbitten wollte, dass zumal Jüngere, die nie unter einer totalen Diktatur gelebt haben, «an Menschen meines Jahrgangs vorwurfsvolle Fragen stellen». Sich selbst hielten diese jugendlichen Moralapostel «beinahe für Helden»! Wie ihn das zornig machte! Und hat sich dieser Schüler, der gerade 14 wurde, als Hitlers Herrschaft im Januar 1933 begann, nicht sogar ganz vernünftig verhalten? Jedenfalls legte Schmidt den wohlwollenden Lesern diese Annahme nahe. Die «ersten kleinen Ansätze zu selbständigem Denken» konzedierte er sich im Rückblick. Dem Zeitgeist hätte er doch durchaus erliegen und ein «kleiner Nazi werden können». War es die Kenntnis über den jüdischen Großvater, die das verhinderte? Ein «Schatten», meinte er gelegentlich, sei das immer für ihn geblieben. Explizit allerdings gab Schmidt an der Stelle seiner Jugenderinnerungen über den «Schatten» keine Auskunft, als gehörte es nicht in diesen Zusammenhang.
Von der Existenz dieses Großvaters hatte die Öffentlichkeit erst Jahre nach Schmidts Abschied vom Kanzleramt erfahren.[8] Im Rückblick auf eine unpolitische Jugend hingegen hielt Helmut Schmidt eilig bereits in der achten Zeile fest, kein «kleiner Nazi» geworden zu sein. Die Informations- und Erziehungsdiktatur der zwölf Hitler-Jahre habe seine Jugend beeinflusst, räumte Schmidt unumwunden ein. Manchen sei es wohl ähnlich ergangen, spekulierte er weiter, aber «viele andere» sind dem Zeitgeist erlegen und erst später aufgewacht. Aber «alle» sind verstrickt gewesen ins Verhängnis, «und nur die wenigsten haben das Verhängnis durchschaut, ehe es zu spät war».[9]
Ähnlich gepeinigt sah Schmidt sich auch von Fragen wie jener, ob wir Deutschen unsere Geschichte denn «aufgearbeitet» hätten. Für die meisten Deutschen, die – «als Soldaten draußen, in den Kellern der brennenden Städte oder auf der Flucht aus ihrer Heimat» – den Krieg miterlebt hatten, sei danach «nicht mehr viel zu bewältigen» gewesen. Selbst diejenigen, die noch bis in die letzten Monate an die Nazi-Ideologie glaubten, sind damals weitgehend davon geheilt worden, «als alle grauenhaften Tatsachen bekannt geworden sind». Den Rest, die Minderheit der Unbelehrbaren, musste man kaltstellen und «auslaufen» lassen.[10]
Er wollte nicht richten über andere. Ausdrücklich zählte er sich zu den «normalen» Deutschen: Fast allen, die wie er vor 1933 noch Kinder waren, habe jegliche Erziehung zur Demokratie gefehlt, wie ihm. Wer während der Hitler-Jahre keine stetige Auslandsberührung hatte, verallgemeinerte er seine Erfahrungen, konnte als Deutscher kaum die wesentlichen Tatsachen kennen. «Überblick» habe nur jemand zu gewinnen vermocht, der in einer Spitzenstellung des Deutschen Reiches tätig war. Und «wir» übrigen Deutschen? «Wie kam es eigentlich, daß wir, die wir schon längst keine Nazi-Anhänger mehr waren oder nie Nazis gewesen waren, gleichwohl bis zum Ende – als Soldaten, als Beamte, als Lehrer oder als Arbeiter – die Pflichten erfüllt haben, welche der NS-Staat uns auferlegte? Haben wir dafür eine sittliche Rechtfertigung?»[11] Für ihn, auch das spürt man, blieb das die Frage aller Fragen.
Hineingeboren war er nicht wie Willy Brandt in die Arbeiterbewegung und den Sozialismus, Helmut Schmidt wuchs in eine Welt, die ihre – wie er es formulierte – «Pflicht» erfüllt, aber wenig durchschaut hat. Den eigentlichen Erinnerungen an die jungen Jahre schickte er einen kleinen Bericht über ein Gespräch zwischen ihm und dem damaligen sowjetischen Generalsekretär Leonid Breschnew voraus, den er im Mai 1973 zum ersten Mal kennenlernte. Willy Brandt bat ihn seinerzeit, an einem privaten Abendessen in seiner Amtswohnung auf dem Bonner Venusberg mit dem Gast aus Moskau teilzunehmen. Rasch kamen Breschnew und Schmidt dabei auf ihre Soldatenjahre zu sprechen. Breschnew hielt einen «Monolog über die Leiden der Völker der Sowjetunion während des Zweiten Weltkrieges», besonders über das Leiden der Menschen in der Ukraine, wo er als Generalmajor Politkommissar der 18. Armee war. In eine «bewegte und bewegende Schilderung immer neuer Details, der Greuel des Krieges und auch der völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Untaten der Deutschen» habe er sich hineingesteigert, wobei er von den Deutschen als «faschistischen Soldaten» oder «faschistischen Invasoren» sprach. Helmut Schmidt fuhr fort: «Ich hatte den gleichen Krieg miterlebt; ich wußte, wie recht er hatte; ich wußte auch, wie sehr er im Recht war, so zu reden – obgleich er an einigen Stellen zu übertreiben schien.» Nachvollziehbar machen wollte Breschnew seinen Gastgebern, welche Selbstüberwindung es ihn als Russen gekostet hatte, sich zur Zusammenarbeit und zum Besuch in Bonn, «bei den ehemaligen Feinden», durchzuringen.
Sie bildeten eine Schicksalsgemeinschaft! An seine eigene Kriegszeit dachte er, «an den Geruch im brennenden Sytschowka, an die Leichen an den Straßenrändern; meine Batterie hatte immer wieder Befehl bekommen, mit 2-cm-Flakgeschützen die Dörfer in Brand zu schießen, um feindliche Widerstandsnester an den Dorfrändern auszuräuchern». Sein verständnisloses Entsetzen hatte er noch im Sinn, als er die unmenschlichen Bedingungen eines Gefangenentransportes erlebte. Natürlich fiel ihm auch der Kommissarbefehl[12] ein, dessen Vollzug sie zwar nicht miterlebten, von dem sie jedoch wussten. Die gegenseitige Angst kam in den Sinn, die deutsche Soldaten und russische Zivilbevölkerung voreinander hatten, als sie nach Einbruch des Winters nach langem Zögern schließlich doch Zuflucht in den Häusern suchten, um wenigstens etwas zu schlafen – die Deutschen auf dem Fußboden und die Russen auf dem Ofen. «Aus dem Vergessen stieg wieder meine panische Angst, als wir im Dezember 1941 bei Klin abgeschnitten und eingekesselt waren und uns die Gefangenschaft bevorzustehen schien. Breschnew hatte recht: Der Krieg war schrecklich gewesen, und wir Deutschen hatten ihn in sein Land getragen.»
Nur zu einseitig fiel Breschnews Urteil aus, und dem Wort von den «faschistischen Soldaten» musste er widersprechen! Aber was ging in ihnen vor? Nachts haben sie Hitler und den Krieg verflucht, «tagsüber als Soldaten aber unsere Pflicht erfüllt.» Breschnew hörte dem Minister aufmerksam zu. Er glaube, resümierte Schmidt rückblickend, zum gegenseitigen Respekt habe das offene Gespräch viel beigetragen, sie trauten einander fortan.[13] Viel Wert legte er an dem Abend in Brandts Villa darauf, jeden Zweifel auszuräumen, dass er schon lange vor diesem Gespräch ein «überzeugter Verfechter der doppelten Notwendigkeit» gewesen sei, die weitere Expansion der Sowjetunion durch einen verteidigungsfähigen Westen einzudämmen, aber mit ihr auch zu kooperieren.[14] Schmidt wollte klar machen, dass er eine Annäherung wünsche wie Brandt, auch wenn er ihm – wo immer notwendig – widersprach.[15]
Ohne diese harten Lehrjahre, wollte Schmidt sagen, wäre schwer zu verstehen, wie er sich später als Politiker verhielt, darin erging es ihm nicht anders als seinem Gesprächspartner beim Abendessen, Breschnew.[16]
Willy Brandt suchte das Versagen nicht auf der anderen Seite, er suchte es bei sich selbst. Zu dem, was die Deutschen angerichtet hatten in den Hitler-Jahren, habe er sich vorgenommen zu schweigen, hat er mir einmal bei einem Besuch in seinem südfranzösischen Landhaus im abgelegenen Dörfchen Garnières sein Verhalten nach der Rückkehr aus Norwegen erklärt. Fest entschlossen war er, nicht als moralischer Generalstaatsanwalt aufzutrumpfen. Wie denn auch, das Gros der Männer in seinem Alter hatte Militärdienst geleistet wie Schmidt, auch viele der eigenen Parteifreunde. Sehr wohl allerdings wollte Brandt die Fehler der eigenen Bewegung aufspießen, der er anhing.
Gymnasiast in Lübeck, 1930.
Die Welt, die in Scherben fiel, das unglückliche Ende der Weimarer Republik, nahm er anders wahr als Helmut Schmidt. Der letzte unmittelbare Eindruck, den Herbert Ernst Karl Frahm mitnahm aus Lübeck vom 1. April 1933, war der vom «Judenboykott». Widerwärtige Bilder hatte er im Kopf wie jene von den Bücherverbrennungen im Mai, Professoren in Talar nahmen teil daran, mehr als einmal geriet er in Versuchung, sich seiner deutschen Herkunft zu schämen, wie er notierte.
Seine Mutter, Martha Frahm, kleine Verkäuferin in einem Konsumverein, hatte den Namen des Vaters im Standesamt nicht genannt, als ihr Sohn ins Register eingetragen wurde. In der Gemeindekirche durfte er als nichteheliches Kind nicht getauft werden, das besorgte das Pastorat II der St. Lorenz Kirche in Lübeck. Für eine ordentliche Schulbildung sorgte der Stiefgroßvater, bei dem er aufwuchs, 1932 machte er sein Abitur am Johanneum in Lübeck. Journalist wollte er werden, seit 1929 veröffentlichte er regelmäßig Texte im «Volksboten». Der Name des Chefredakteurs, der den jungen Herbert Frahm schätzte und förderte: Julius Leber. Zum Studium fehlten ihm die Mittel. Im Jahr 1932 begann Herbert Frahm eine Lehre bei der Reederei Bertling KG. Zwischen Arbeiterbewegung und Journalismus, das war und blieb sein Milieu.
Auf das Verbot der Arbeiterpartei nach der «Machtergreifung» 1933 reagierten die jungen Sozialisten in Lübeck spontan mit dem Entschluss, in den Untergrund zu gehen. Was das bedeutete, ist später oft unterschätzt worden – für die Nationalsozialisten galten die Aktivitäten der jungen Leute, allein schon das Verbreiten illegaler Flugblätter, als «Hochverrat». Herbert Frahm, der sich nun den Tarnnamen Willy Brandt zulegte, erhielt den Auftrag, an Stelle eines verhafteten Freundes in Oslo eine Exil-Zelle zu organisieren. Mit durchaus gemischten Gefühlen blickte der Autor Brandt offensichtlich auf diesen jungen Frahm zurück: War er das, dieser Herbert Frahm, wirklich? Ihm sei bewusst, urteilte Brandt beim Memoirenschreiben selbstkritisch, dass er sich als Angehöriger einer Bewegung, die versagt hatte, ins Exil begab; «versagt, weil sie es nicht vermocht hatte, die Unmenschen von der Macht fernzuhalten; versagt auch, weil sie nicht einmal imstande war, das Ausmaß des moralisch Ungeheuerlichen deutlich zu machen».
Auch deswegen bemühte er sich noch im Jahr 1982, strikt jeden Anschein von Triumph zu vermeiden: «Wir ließen uns nicht ins Ungeheuerliche verstricken», wog Brandt sorgfältig ab, «doch im Laufe weniger Jahre wurde mir immer klarer, daß man auch als deutscher Antinazi keinen Grund hatte, sich auf ein hohes Roß zu setzen. Wir gingen mit sauberen Händen, aber doch mit der Last der Mitverantwortung für das Scheitern der deutschen Demokratie: damit für das Unglück, das über Deutschland und Europa kommen sollte.»[17] Viel lud er sich und seinen Freunden damit auf die Schultern, erstaunlich viel. Aber ernst war es ihm damit.
Weshalb empfand er seinen Irrtum als derart belastend? Klarer wird Willy Brandts Motiv, wenn man der Stimme von Julius Leber lauscht, besonders einigen seiner bitteren und anklagenden Passagen aus den Gefängnisaufzeichnungen. Leber war für ihn nicht irgendwer, er kannte und verehrte ihn als Chefredakteur. Als er mit 16 Jahren einen Artikel für eine Parteizeitschrift schrieb, der den sozialdemokratischen Funktionären als gar zu kritisch erschien, zitierte Leber ihn zwar zu sich, aber nicht etwa, um ihm Vorwürfe zu machen. Leber: «Junger Freund, Sie können schreiben. Ich rate Ihnen, wenn Sie etwas geschrieben haben, dann legen Sie es in die Schublade und schauen es sich am nächsten Tag wieder an. Und wenn’s geht, danach noch einmal. Dann wird es oft besser.»[18] Dringend gewarnt hatte der Ältere den Adepten vor der Lust an der Ohnmacht als einer sozialdemokratischen Erbsünde, statt auf eine linke Jugendsekte solle er auf eine kämpferische, entschiedene und geeinte Sozialdemokratie bauen.[19]
«Ohne Schonung» äußerte Leber sich damals über radikale junge Leute wie ihn, «und wir blieben ihm nichts schuldig.»[20] Zwei Jahre später, im Januar 1933, kam Julius Leber nach einem Überfall durch SA-Leute ins Gefängnis. Bitter dachte er dort über die «Todesursachen der deutschen Sozialdemokratie» nach, Lebers Leidensweg hatte begonnen. Im gleichen Jahr, in dem Brandt Deutschland verließ, schrieb Leber resigniert, die deutsche Sozialdemokratie als Organisation sei tot. Was folgte, erschien Brandt so wichtig, dass er es wörtlich wiedergab: «Man schwamm nicht mit dem Strom, man schwamm auch nicht dagegen. Man stand erstaunt und hilflos am Ufer. Und als der Damm brach, und das Ufer versank, da gab es nur noch einen Ausweg, die rettende Flucht …» Selbstironisch ergänzte Brandt, er wolle sich von der Kurzformel, «man hatte das beste gewollt», keineswegs ausnehmen, obwohl er auf «Jugendamnestie» plädieren könnte. Ohne die Unzulänglichkeiten der Linken, der demokratischen Kräfte, hätte Hitler nicht siegen können, wiederholte er auch bei dieser Gelegenheit.[21] Dies meine er nicht, fügte er hinzu, als Entlastung für Hugenberg, Schacht, Papen und die anderen Reaktionäre, die glaubten, sich der Nazis als Lakaien bedienen zu können. Sie verdienten kein Mitleid, «sie kamen nach 1945 viel zu leicht davon». Und dennoch: Das Hauptaugenmerk des Autors Brandt beim Rückblick auf den jungen Frahm galt der verpassten Chance: Nicht an die Mutterpartei SPD richtete er die Kritik, sondern an sich.
Julius Leber verehrten Brandt und Schmidt gleichermaßen. Der Chefredakteur des sozialdemokratischen Lübecker Volksboten und Reichstagsabgeordnete war väterlicher Mentor des jungen Schülers Brandt, damals Herbert Frahm. Bereits vor dem Attentatsversuch auf Hitler vom 20. Juli 1944 verhaftet, wurde Leber am 5. Januar 1945 in Plötzensee hingerichtet. Ein Foto des Widerständlers während des Schauprozesses vor Freislers Volksgerichtshof hängt seit seinen frühen Bonner Jahren als Bundestagsabgeordneter bis heute auch im Büro Helmut Schmidts.
Auffallend rasch ging Brandt in seinen Jugendmemoiren Links und frei über seine Kindheit hinweg. Von einer politischen Jugend wollte er berichten, ganz anders als Schmidt. August Bebel hieß auch für ihn «Kaiser der kleinen Leute», er galt als die «eigentliche Gegenfigur zu Bismarck». Von sich selber erwähnte er immerhin, wie kärglich das Leben gewesen sei: Magermilchsuppe bekam er als kleiner Junge, kaufte sich für einen Groschen gelegentlich einen Ring trockener Feigen, die wenigstens das Gefühl gaben, satt zu machen; zu einem ungeschriebenen Gesetz wurde es für ihn bis ins Alter, Brot nicht wegzuwerfen.[22] Aber wieder wechselte der Autor rasch die Perspektive und wandte sich den großen Linien zu, dem Niedergang der Weimarer Republik und dem Weg eines «schreibenden Bürgers» zum Sozialisten. Kein Marxist wie die meisten der Freunde, aber einer, der gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung protestierte! Er, dieser fremde «Er»!
Martha Frahm, seine Mutter, noch nicht einmal zwanzig Jahre älter, gehörte der «Freien Jugend» an, einem Teil der Arbeiterjugend. Naturverbunden und kulturhungrig war sie, das Abonnement bei der «Volksbühne» bedeutete ihr viel. Er war gerade acht oder neun, erinnerte Brandt sich, als er zur Kindergruppe der Arbeiter-Turner kam, später zum Arbeiter-Mandolinenclub, mit 14 zu den Falken, ein Jahr darauf zur Sozialistischen Arbeiterjugend. Eine «eigene Welt» war das, viele Männer schlossen sich dem «Reichsbanner» an, dem republikanischen Verband ehemaliger Frontkämpfer. Zu Hause las man den «Volksboten», das Parteiblatt (während die Kinder bei den Schmidts keine Zeitungen lesen sollten), viele liebten den Kleingartenverein oder bauten ein paar Kartoffeln an. In die Welt einer «aufsteigenden Klasse» geriet Herbert Frahm.[23]
Im Alter von 15 Jahren wählten die Freunde ihn bereits zum Vorsitzenden einer der Ortsgruppen der Sozialistischen Arbeiterjugend (SAJ). Die Kittel der Jungen wurden von blauen Hemden abgelöst, «nicht das stumpfe Blau der Schlosseranzüge, sondern das leuchtende der Kornblumen», dazu ein Halstuch im Rot der Mohnblüten![24] Fast Wehmut umflorte in diesem Moment seinen Blick zurück.
«Karl Marx» nannte sich eine Gruppe, «Paul Levi» eine andere, radikal wollten sie klingen, sich möglichst abheben von der Mutterpartei. Mit sechzehn wurde er aufgenommen in die SPD, die er mit achtzehn trotz Julius Lebers Warnung bereits wieder verließ. Von «rechthaberischen Anfechtungen», so Brandt, waren sie nicht frei. Bücher verschlang er schon damals: Jack London, Upton Sinclair, B. Traven, Martin Andersen Nexö, Ludwig Renn, Henri Barbusse, Maxim Gorki, Ernst Toller! In seinem Abituraufsatz zum Thema, ob die Schule eine Jugend ohne Hoffnung entlasse, bekannte er ohne Schnörkel, ja, diese These stimmt, und eine wirkliche demokratische Basis gibt es nicht! Zugleich dachte er nach über Mitteleuropa und neue Gesellschaftsmodelle, damals schon. Lübeck bildete natürlich das geistige Zentrum. Auch später ging ihm die Stadt nie aus dem Sinn. Wann immer er darauf zurückkam, Brandt hatte feine Leute vor Augen, die begüterten Kaufmannsfamilien, die Manns und Eschenburgs erwähnt er namentlich, die unübersehbaren Klassenabstufungen – «ein Nebeneinander, das für meinen Blick schon das Stadtbild prägte».[25]
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