Peter Sprengel, Professor für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin, ist einer der besten Kenner der Literatur der frühen Moderne. Er hat die zweibändige Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1871–1918 verfasst und zahlreiche Studien und Editionen zu Gerhart Hauptmann vorgelegt.
Der Streit um die Weber machte ihn zum bekanntesten Deutschen seiner Generation: Gerhart Hauptmanns (1862–1946) Ruhm überdauerte den Zweiten Weltkrieg und sicherte noch dem Verstorbenen eine Ausreise per Sonderzug aus dem inzwischen polnischen Schlesien sowie die Beteiligung führender SED-Politiker an der Bestattung auf Hiddensee.
Die erste konsequent aus Originalquellen gespeiste Biographie erzählt die erstaunliche Erfolgsgeschichte des Gastwirtssohns aus dem schlesischen Salzbrunn, der auszog, um Monumentalbildhauer zu werden, und als größter Dramatiker des Naturalismus in die Literaturgeschichte einging.
Seinem Ruf als moralische Autorität, ja als Gewissen der Nation ist der Nobelpreisträger weder 1914 noch in den Jahren nach 1933 vollauf gerecht geworden. Dennoch war Hauptmanns Leben von früh an durch moralischen Idealismus und den utopischen Traum einer besseren Welt geprägt, den er in leidenschaftlichen Liebesaffären zu verwirklichen suchte und in zahlreichen lyrischen und epischen Werken gespiegelt hat. Deren lebensgeschichtlicher Ort kommt hier ebenso zur Sprache wie die biographischen Voraussetzungen eines dramatischen Gesamtwerks, das an Umfang und Vielgestaltigkeit seinesgleichen sucht.
Bürgerlichkeit und großer Traum
Eine Biographie | C.H.Beck
«GESICHTER TÄUSCHEN» – STATT EINES VORWORTS
I. KURORTFREUDEN – SCHÜLERLEIDEN 1862–1880
Familienleben im Hotel
Krieg und Krise
Breslauer Leiden
Sorgau, Lohnig, Lederose
Osmundis
Nachtigall und Falkner
II. GENIE-LEBEN AUF KOSTEN DER BRAUT 1880–1885
Zwischen Breslau und Hohenhaus
Von Jena nach Malaga
Mit Carl nach Capri
Rom oder New Icaria
Erkundung Berlins
III. EIN FAMILIENVATER ENTDECKT DIE MODERNE 1885–1888
Kleine Fluchten aus Moabit
Erstes Jahr in Erkner
Vereinsverwicklungen
Zürich und Hamburg
IV. DRAMEN- UND THEATERREVOLTE 1889–1893
Von «Papa Hamlet» zu «Vor Sonnenaufgang»
Der Sprung auf die Bühne
Literatur und Leben: Familiendramen bei S.Fischer
Hausbau und Webernot
Theater- und Kunstreisen: Komödien und verlorene Ideale
Drei Uraufführungen und ein Traum mit Musik
V. LIEBESLEIDENSCHAFT UND KUNSTRELIGION 1893–1901
Baumeister Solness und sein «Eigentumchen»
Amerika: Therapie ohne Folgen
«Florian Geyer» und die Gesetze des Deutschen Theaters
Aufbrüche zu neuem Leben
Der Zug des Todes
Eine Burg als Kunsttempel
VI. KRISEN AUF DEM WEG ZUM KLASSIKER 1902–1912
Veränderungen, Spaltungen, Konkurrenz
Geselligkeit in neuen Sphären
Noch einmal: Ehe und Erotik
Reisen zu Schilfrohr, Öl- und Lorbeerzweig
Kulturkonservatismus und Zivilisationskritik
Abschied von einer Epoche
VII. ATHENE DEUTSCHLAND ODER GERMANIA 1913–1918
Das Festspiel des Sonnenanbeters
Künstler-Theater und neue Mobilität
Ein barbarischer Krieg
Marys Anklage und die Demütigung durch einen Orden
Kriegs- und Friedensreden
Magier, Ketzer, Flieger
VIII. PEEPERKORN UND DIE REPUBLIK 1919–1925
Der große Alptraum
Homer oder Kino
Todesfälle und Trauerarbeit
Wie Goethe? Reden und Feiern im Dienst der Nation
Ruhrkampf und Inselmann
Roc d’amour
Peeperkorns Gespräche
Die Präsidentenfrage
IX. GRENZEN DER REPRÄSENTANZ 1926–1932
Villa Carlevaro für fünf Winter
Kulturtransfer und Ur-Hamlet
Nur Zeit für einen Tee? Passives Mitglied der Akademie
High Society
Faszination der Fremde
Zwei Audienzen
Abriss und Untergang
Ein deutsch-amerikanisches Jubiläum
X. SCHATTEN DER GEWALT 1933–1946
Seltsames Auge, puffendes Radio
Zwischen Treue und Verrat
Heilige Opfer?
Letzte Bühnenerfolge
Denkmal seiner selbst
Noah oder Christophorus
Dresden-Visionen
Bleiben oder Gehen
Sonderzug nach Deutschland
ANHANG
Anmerkungen
Bibliographie
Abbildungsnachweis
Register
Personen
Werke
Aufenthaltsorte
Seine Jugendfreunde nannten ihn «Lichtel». War es das rötlich schillernde Blondhaar, war es das wässrige Blau der Augen oder der blasse, fast mädchenhafte Teint, der dem in sich verschlossenen Jungen etwas Leuchtendes gab? Wahrscheinlich kam noch ein bestimmter Ausdruck hinzu, ein idealistischer Zug, der dem persönlichen Auftreten Hauptmanns ein spezifisches Charisma verlieh. Nicht umsonst kehren beide Stichworte – «licht» und «ideal» – in der kurzen Beschreibung wieder, die Thomas Mann seinem Bruder Heinrich im Dezember 1903 von der ersten Begegnung mit dem damals schon berühmten Schriftsteller gab: «Ich war mir von seiner Persönlichkeit einen solchen Zauber, wie sie thatsächlich ausübt, bei Weitem nicht vermuthend gewesen. Ein lichter Kopf, durchgearbeitet, tief und doch klar; ein Wesen, würdevoll und sanft, weich und doch stark. Er ist ganz eigentlich mein Ideal.»
Zwei Jahrzehnte später sollte Thomas Mann anders über Hauptmann denken und in verhüllter Form – durch Einführung einer verdächtig ähnlichen Figur in den Zauberberg – anders über ihn schreiben. Und doch hat auch Mynheer Peeperkorn Format, übt er Wirkung aus; es drängt sich lediglich der Verdacht auf, dass hinter seiner großspurigen Fassade keine hinreichend konkretisierte Substanz steht. Der Zug zum Maskenhaften, der dieser Romangestalt von daher anhaftet, lässt sich nun allerdings auf breitester Basis in Hauptmanns Leben und den Zeugnissen über seine Person wiederfinden. Die Inszenierung als Seher, Priester oder neuer Klassiker, die vielen Autoren seiner Generation eigen (und von der auch Thomas Mann keineswegs frei) war, wurde wohl selten mit solcher Perfektion vorgelebt wie von jenem selbsternannten Mönch – mit sehr weltlichem Lebensstil –, der sich in einer Franziskanerkutte auf Hiddensee begraben ließ, und zwar «vor Sonnenaufgang». Schließlich hieß ja schon sein erstes bekanntes Stück so.
«Gesichter täuschen – auch das meine», hat Hauptmann warnend einer Porträtphotographin vorgehalten. Auch der Biograph muss sich daher vorsehen. Bei jemandem, der – einem Gedicht von 1935 zufolge – von Schauspielern zu Grabe getragen werden wollte, ist kein «Ich» zu finden, das man festhalten könnte und in das man sich hineinversetzen dürfte. Das bedeutet auch eine Erschwernis für den Leser: Hauptmann ist kein Mann zum Anfassen oder Mitfühlen. Natürlich lassen sich große Teile seines Lebens als klassische Erfolgsstory lesen; ihr Held ist der gescheiterte Schüler aus der schlesischen Provinz, der mit dreißig Jahren die Theater der Hauptstadt erobert und als Siebzigjähriger von drei Staatspräsidenten empfangen wird. Es ist allerdings eine Story ohne Moral, begründet auf einer reichen Heirat, die gleichsam vom Himmel fällt, und belastet mit politischen Fehlern – wie der entschiedenen Unterstützung der deutschen Politik im Ersten Weltkrieg –, die dem Schriftsteller überraschenderweise zum Vorteil ausschlagen. Er wird zum «König der Republik», eben weil er in den letzten Jahren des Kaiserreichs wie die Mehrheit seiner Landsleute votierte. Nach 1933 wiederholt sich im Ansatz, aber mit anderen Langzeitfolgen, das gleiche Muster.
Eine Art Ich- oder Künstlerroman wird dieses Buch also nicht werden, dazu hat sich der Protagonist viel zu sehr auf die Gesellschaft seiner Zeit eingelassen, und zwar gerade auf die bessere oder jeweils herrschende. Der fast großbürgerliche Zuschnitt dieser Poetenexistenz gibt zu denken. War nicht derselbe Autor mit verschiedenen sozialkritischen Stücken ursprünglich als Anwalt humaner Werte und gesellschaftlicher Reformen angetreten, galt dieser «Hauptmann der schwarzen Realisten-Bande» (Fontane) nicht einmal geradezu als revolutionär? Seine singuläre Prominenz zu Lebzeiten versteht sich nicht zuletzt vor diesem Hintergrund: der Autor der Weber erschien auch aus der Sicht des Auslands als Gewissen der Nation. Ein Missverständnis? Oder nur ein Durchgangsstadium? Nicht selten hat man dem alten Hauptmann so etwas wie Verrat an den Idealen seiner Jugend vorgeworfen.
Zum persönlichen Profil dieses in jungen Jahren von schweren Erkrankungen heimgesuchten Autors gehört in der Tat seine dezidierte Langlebigkeit. Wenn im November 2012 der 150. Geburtstag Hauptmanns gefeiert wird, so gilt das Gedenken einer Zeitspanne, von der der Jubilar mehr als die Hälfte bewusst erlebt und mitgestaltet hat. Die ungewöhnliche Dauer der geistigen Aktivität und literarischen Produktivität Hauptmanns verleiht der Beschäftigung mit seinem Leben einen besonderen Reiz; sie macht dessen Darstellung allerdings auch zu einem Langstreckenlauf durch mehrere Generationen deutscher Ideen-, Kunst- und Sozialgeschichte. Das vorliegende Buch hat nicht zuletzt deshalb einen gewissen Umfang erreicht – als die ausführlichste Monographie, die je über Hauptmann geschrieben wurde –, weil es den einigermaßen verwegenen Anspruch erhebt, die Verflechtung dieses Schriftstellers mit Zeitgenossen und Zeitgeist möglichst kontinuierlich und mit einer gewissen Ausgewogenheit zu rekonstruieren.
Damit löst sich diese Lebensgeschichte von altgedienten Paradigmen der Hauptmann-Biographik. Bis in jüngste Zeit hinein lehnten sich die Biographen des Dichters gern an die Mythen an, die dieser selbst in verschiedenen autobiographischen Werken gestiftet hat, und gewannen damit eine theatralische Fokussierung – durch Konzentration etwa auf das «Abenteuer» seiner «Jugend» als das Drama eines unverstandenen und verkannten Kindes, auf die schicksalhafte «Leidenschaft» seiner Liebesaffären und -konflikte oder auf den sensationellen Durchbruch des Naturalisten in den skandalumwitterten Premieren von 1889 und 1893/94. Natürlich werden diese Geschichten auch auf den folgenden Seiten erzählt, allerdings in veränderter Gewichtung und in kritischem Abgleich mit neuen historischen Dokumenten.
Die konsequente Orientierung an Originalquellen aus der Zeit des jeweiligen Geschehens – also vor allem Tagebücher und Briefe –, die sich diese Darstellung zur Pflicht gemacht hat, führt zu zahlreichen Korrekturen und neuen Erkenntnissen im Detail. So werden Entstehung und Druckgeschichte der ersten Buchveröffentlichungen Hauptmanns auf eine deutlich veränderte Basis gestellt, eine unbekannte Jugendgeliebte (Gertrud Laske) entdeckt, eine handfeste Erpressung durch den ersten literarischen Mentor (Max Kretzer) aufgedeckt und eine persönliche Begegnung mit dem Pazifisten und Dadaisten Johannes Baader zur Zeit des Ersten Weltkriegs dokumentiert, von der sich bisher weder die Hauptmann- noch die Baader-Kenner etwas träumen ließen. Erstmals erfahren wir aus Hauptmanns eigenem Mund Genaueres über seine Intentionen bei der Niederschrift der Weber; erstmals wird das Geheimnis um die Heirat seines Sohns Benvenuto mit Elisabeth Prinzessin zu Schaumburg-Lippe gelüftet; erstmals wird der Leser anhand der Tagebücher Margarete Hauptmanns über die prekäre Lage ihres schon vom Tod gezeichneten Mannes im polnisch gewordenen Schlesien zur Zeit der Heimatvertreibung informiert.
Der Wert solcher Entdeckungen liegt nicht nur in der Erweiterung unseres Wissens über Leben und Werk; noch wichtiger für die Biographie ist wohl ihr Beitrag zu einem tieferen Verständnis der Persönlichkeit. Wenn sich Hauptmann inmitten der Arbeit an den Webern einen angeborenen «Proportionen- u Perspective-Sinn» bescheinigt oder wenn er 1918 Baaders Forderung nach einem öffentlichen Friedensaufruf ablehnt, wird eine substantielle Dimension seiner geistigen Existenz deutlich: die Spannung zwischen Kunst und Künstlertum einerseits, gesellschaftlichen Utopien andererseits.
Der hier vorgelegte Versuch einer Gesamtschau von Hauptmanns Leben findet in der Frage nach der Utopie-Problematik einen roten Faden, der die jugendlichen Lebens- und Sozialexperimente mit den naturalistischen Hauptwerken und den lebensreformerischen Ideen der Jahrhundertwende verbindet (einschließlich der Träume des Autors von einer Graf-von-Gleichen-Ehe), aber auch den Anschluss zu späteren Stationen seiner Entwicklung herstellt: den utopischen Robinsonaden der 1920er und 1930er Jahre etwa oder den mythischen Großprojekten des Alterswerks. Nicht umsonst ließ sich Hauptmann ein Exemplar seines Versepos Der große Traum mit ins Grab geben! Dieser Schriftsteller verstand sich nicht einfach nur als Schriftsteller – er wollte mehr sein, ein Lichtbringer oder ein neuer Christophorus. Und er wurde weithin so verstanden: als «Lichtel» oder Verkörperung von Idealen, und zwar über viele Jahrzehnte hinweg.
Für den Zugang zu unveröffentlichem Material dankt der Verfasser verschiedenen Archiven, in erster Linie der Handschriftenabteilung der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz zu Berlin, mit der ihn seit Jahresfrist auch ein gemeinsames, der Erschließung von Hauptmanns Briefnachlass gewidmetes Forschungsprojekt verbindet. Ein weiteres von ihm geleitetes Projekt galt der digitalen Aufbereitung der gleichfalls in der Staatsbibliothek befindlichen Fünfjahreskalender Margarete Hauptmanns, einer der wichtigsten Quellen auch der vorliegenden Biographie für die Zeit ab ca. 1925. Den Mitarbeitern beider Projekte – Edith Wack, Dr. Tim Lörke und Till Becker einerseits, Dr. Antje Johanning und Heike Liesegang andererseits – sei für vielfältige inhaltliche Anregungen gedankt, ebenso für kritische Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge Astrid Herzog, Dr. Bernhard Tempel und Robert Walter-Jochum sowie Tobias Neubelt für die Hauptarbeit am Register. Alle nicht genannten Helferinnen und Helfer mögen sich mitgemeint und mitbedankt fühlen.
Berlin, im Frühjahr 2012
Peter Sprengel
Es herrschte mildestes Maiwetter, als Gerhart Hauptmann – oder, wie der korrekte Taufname lautete:[1] Gerhardt (!) Johann Robert Hauptmann – am 15. November 1862, einem Sonnabend, im schlesischen Salzbrunn geboren wurde. Seine Eltern Robert Hauptmann und Marie geb. Straehler konnten genau fünf Tage zuvor ihren zehnten Hochzeitstag begehen. Die drei älteren Kinder Georg, Johanna und Carl hatten am Vormittag gerade ein Schaukelpferd zu Bruch geritten, als sich ihre Mutter zu Beginn der pünktlich um 12 Uhr eingenommenen Mittagsmahlzeit «totenbleich» verfärbte. Johanna Hauptmann wird sich noch Jahrzehnte später daran erinnern, dass das «polnische Fräulein» sie und die Brüder daraufhin zum Dachrödenshof, dem benachbarten Anwesen der Großeltern Straehler, brachte, von wo sie knapp drei Stunden später in das väterliche Hotel zurückgerufen wurden: «Als Vatel der uns im Wohnzimmer empfing, die Geburt eines Brüderchens ankündigte, war mein Glück so groß, daß ich nicht wußte, was tun. Keine Puppe, ein lebendiges Brüderchen. Ich kullte mich Minuten lang auf dem Teppich herum, – und als man mir Abends tief in Betten versteckt den kleinen Mann, – eine lebendige Puppe zeigte, – war mein größter Herzenswunsch erfüllt.»[2]
Für Johanna, die unverheiratet und kinderlos bleiben sollte, war die mütterliche Rolle gegenüber dem um sieben Jahre jüngeren Bruder eine singuläre Erfahrung. Sie sollte ihr wohl auch den Namen geben, denn nach Kaulbachs Stich «Lotte, Brot schneidend» (also wie Werthers Geliebte die Geschwister versorgend) wurde Johanna nach Georgs Vorschlag allgemein im Familienkreis Lotte genannt.[3] Jedenfalls gehörte es später zu den schönsten Momenten ihrer Striegauer Pensionszeit, wenn «Gerhart der kleine reizende verwöhnte Liebling, mich besuchte und Alles vom Rector bis zu den Pensionärinnen von dem wirklich wonnigen Kerlchen so entzückt waren, daß sie ihn am Liebsten da behalten hätten.»[4] Allerdings muss Johanna-Lotte bald erfahren, mit welchen Sorgen die Aufzucht dieses Kindes verbunden ist. Schon im Alter von wenigen Monaten erleidet Gerhart eine schwere Hirnhautentzündung; die Schwester findet ihn in seinem Bett mit «Blutegeln um das zarte Köpfchen»: «Als Jüngster, zart und nervös, blieb er immer das Schmerzenskind.»[5]
Im Zentrum der Sensibilität dieses Benjamin steht sein Freiheitsbedürfnis: «Er liebte immer die vollkommene Freiheit über Alles.»[6] So sieht es die Schwester, und so stellt auch Hauptmann selbst in seiner Autobiographie Das Abenteuer meiner Jugend (1937) seine kindliche Persönlichkeit dar. Das Glücksgefühl, das er dort seinen ersten Lebensjahren zuspricht, erklärt sich nicht zuletzt aus dem hohen Maß an Freiheit, das der Gastwirtssohn aus dem Hotel Zur Krone (später: Preußische Krone) im Mikrokosmos des schlesischen Kurorts genoss. Zumal in der (Sommer-)Saison, wenn die Eltern durch die vielfältigen Aufgaben des Hotelbetriebs gebunden waren, konnte der Junge fast unbeaufsichtigt das Terrain um das häusliche Domizil erkunden, sich mit der gleichaltrigen Dorfjugend verbünden und verschiedene Milieus entdecken, deren Beschreibung auf den Leser wie eine Einstimmung auf die naturalistische Dramatik der 1890er Jahre wirkt. So fühlt man sich unwillkürlich an Hauptmanns Tragödie Fuhrmann Henschel erinnert, wenn der Autobiograph den Fuhrmannsbetrieb auf dem Hof des elterlichen Hauses und die Faszination beschreibt, die für den Knaben von der proletarischen Esskultur der Familie Krause ausging.
Dabei war es dem jungen Gerhart natürlich nicht um künftige literarische Verwertbarkeit zu tun, sondern um eine Freiheitserfahrung grundsätzlicher Art, die die Autobiographie in die eigentümliche topographische Formel fasst: «Nach unten zu wächst nun einmal die Natürlichkeit, nach oben die Künstlichkeit. Nach unten wächst die Gemeinsamkeit, von unten nach oben die Einsamkeit. Die Freiheit nimmt zu von oben nach unten, von unten nach oben die Gebundenheit.»[7] Hauptmanns Erklärung bewegt sich in bemerkenswerter Nähe zur wenig später (1939) veröffentlichten Zivilisationstheorie des Soziologen Norbert Elias; nach dieser ist die Herausbildung der höfischen Gesellschaft mit einer deutlichen Verschärfung von Scham- und Peinlichkeitsschwellen, einer Verfeinerung der Ess-Sitten und einer fortschreitenden Tabuisierung der Sexualität verbunden – mit einem Zuwachs also (um es wieder mit Hauptmanns Worten zu sagen) von «Künstlichkeit» und «Gebundenheit».
Und in den Sälen der Preußischen Krone herrschten damals in der Tat quasi höfische Standards. Robert Hauptmanns Hotel war eine der ersten Adressen Obersalzbrunns (ab 1935: Bad Salzbrunn, heute: Szczawno-Zdrój), eines seit 1815 ausgebauten Heilbads, das seinerzeit vor allem Kranke und Erholungssuchende des russisch-polnischen Adels anzog. Die den geselligen und repräsentativen Bedürfnissen dieses Publikums dienenden Säle des ersten Stocks – mit Klavier und gelben Mahagonipolstermöbeln, Rembrandt- und Raffael-Kopien sowie lebensgroßen Ölporträts des preußischen Königspaars an den Wänden – «wiesen gewissermaßen feierlich in eine fremde Welt höherer Lebensform». Im gleichen Stockwerk befanden sich die «Bürgerzimmer», in denen sich während des Winterhalbjahrs – zur Zeit der Hotelschließung – das Familienleben der Hauptmanns abspielte. Als «Wildling» und «Naturkind»[8] fühlte sich Gerhart hier allerdings weniger zu Hause als in der Kutscherstube des Erdgeschosses oder dem hauswirtschaftlich genutzten Bereich mit dem bezeichnenden Namen «Unterm Saal». Er verhielt sich dementsprechend und verzichtete beispielsweise auf den Gebrauch des Taschentuchs: «Die künstlichen Sitten der elterlichen Bürgerzimmer konnten den natürlichen Unsitten der Straße und des sogenannten niederen Volkes nicht standhalten.»[9]
Wie ein Euphorion – die aus Faust II bekannte Verkörperung der Poesie – sieht sich Hauptmann zwischen Oben und Unten hin- und herspringen. Zu einem echten Seitenwechsel kommt es dabei natürlich nicht. Der kleine Gerhart probiert nur einmal, zusammen mit den Dorfjungen im Staub des Krause’schen Omnibusses den weniger betuchten Kur-Ankömmlingen aufzulauern und gegen ein kümmerliches Trinkgeld seine Trägerdienste anzubieten. Wenn er in der väterlichen Equipage sitzt, überkommt ihn sogar ein «Vornehmheitsdünkel», der ihn am lauten Gesang der Geschwister Anstoß nehmen lässt.[10] Wie stark im Übrigen sein ästhetischer Sinn von der Welt der Hotelsäle geprägt wurde, zeigt allein schon seine lebenslange Vorliebe für Rembrandt. Aber auch der Geist des Klassizismus, der den Kuranlagen insgesamt seinen Stempel aufdrückte, ging kaum spurlos am Knaben vorbei; in seiner Autobiographie beruft sich Hauptmann wiederholt auf die Beziehung seines Großvaters Ferdinand Straehler zum Goethe-Freund Karl Josef Raabe und auf dessen Anteil an der Planung des Gebäude-Ensembles, das dem aufblühenden Kurort sein unverwechselbares Gesicht gab: von der Elisenhalle mit ihrer dorischen Säulenreihe über das Kurtheater bis zur historistischen Burgarchitektur des Ausflugslokals Wilhelmshöhe.[11]
Man wandelt nicht ungestraft unter Säulen – Hauptmanns lebenslanges Interesse an der Kunst der Antike mag in diesen kindlichen Eindrücken seine Grundlage haben. Noch direkter scheint sich in der Vorliebe des Dichters für längere Aufenthalte in Kurorten (Baden-Baden, Bad Liebenstein, Bad Eilsen) ein Muster seiner Kindheit fortzusetzen. In einem sehr umfassenden Sinn gilt Ähnliches auch für den ausgeprägten Wechsel zwischen Phasen der Zurückgezogenheit (etwa im Wiesenstein oder auf Hiddensee) und Phasen der Repräsentanz mit vielbeachteten Auftritten auf der Bühne der Hauptstadt als charakteristischem Rhythmus von Hauptmanns künftigem Leben. Einen solchen Wechsel lernte schon das Kind kennen: in der regelmäßigen Abfolge von Sommersaison mit Kurgastbetrieb und winterlicher Schließung des Hotels, wenn der Großteil des Personals entlassen war und die Familie in wenigen Räumen des ersten Stocks zusammenrückte.
Der schon 1853 geborene Bruder Georg, der in Breslau das Gymnasium besuchte und danach in Schweidnitz seinen Militärdienst ableistete, kam damals allerdings nur zu den Ferien nach Hause. Auch Lotte dürfte bald durch den Besuch des auswärtigen Mädchenpensionats abgehalten worden sein. Umso enger und intimer gestaltete sich zur Winterszeit die Konstellation der Restfamilie: Die jüngsten Söhne Carl und Gerhart, viereinhalb Jahre im Alter voneinander entfernt, waren den Eltern damals so nahe wie zu keiner anderen Zeit und dürften auch einiges von den unterschwelligen Spannungen ihrer nicht in jeder Hinsicht glücklichen Ehe gespürt haben. Robert Hauptmann, zur Zeit von Gerharts Geburt 42 Jahre alt, hatte die ihm schon seit Kindheitstagen bekannte drei Jahre jüngere Marie gegen den Willen ihres Vaters geheiratet, der als Brunneninspektor zu den führenden Persönlichkeiten des Orts gehörte und im Gastwirtssohn keine gleichwertige Partie für seine Tochter erblickte. Eine frühere Liebschaft Roberts mit einer Kantorstochter aus seinem Geburtsort Flinsberg war daran gescheitert, dass diese ihm nicht nach Amerika (!) folgen wollte.[12]
Wie sein Vater Carl Ehrenfried ist der gelernte Weinkaufmann Robert Hauptmann als typischer Aufsteiger einzuordnen. Der drei Jahre vor Gerharts Geburt verstorbene Großvater väterlicherseits hatte als Weber angefangen und nach der Rückkehr aus den Befreiungskriegen den Gasthof Zur Krone übernommen und zum Hotel ausgebaut. In dessen Leitung und fortschreitender Modernisierung orientierte sich der Sohn an Maßstäben, die er sich bei einem mehrjährigen Paris-Aufenthalt angeeignet hatte (bis nach Amerika hatte er es doch nicht mehr geschafft). Marie dagegen, die ursprünglich als zu zart für die Mitarbeit im Hotel galt[13] und diese auch nur als Provisorium akzeptiert hatte, war ungleich stärker als ihr Mann im Arbeitsalltag des Großbetriebs aufgegangen, hatte sich in ihm geradezu verschleißen lassen.
In der ältesten Beschreibung der Eltern, die sich uns erhalten hat, erklärt Georg Hauptmann 1880, allerdings schon aus der Perspektive des wirtschaftlichen Abstiegs: «Was hat meine gute Mutter ihr ganzes Leben hindurch gehabt? – Arbeit und Sorgen. Lebensfreuden & Genüsse wenig. Sie hat entsagt für uns. Ihre geistige Beschäftigung, ihr Vergnügen, ihre Erholung, der Inbegriff ihres Lebensglückes sind wir Kinder. – Der Vater ist uns zwar nicht minder werth, auch sein Streben dreht sich hauptsächlich um unser Wohl, sein Schaffen ist aber ein Allgemeineres. […] So ist die Mutter auch die eigentliche Kennerin unseres Innern, die am Besten weiß, was wir werth & wessen wir fähig sind.» Ähnliche Akzente setzt das Doppelporträt der Eltern, das Georg fünf Monate später entwirft, diesmal mit der Schilderung Robert Hauptmanns beginnend: «Ueber Vater, den ungebeugten Krieger im Kampf des Lebens sind die Jahre, wenn auch nicht spurlos, so doch ohne große äußere Veränderungen hinweggegangen. Vater hat sicher vor 10 Jahren, die etwas grauere Haarfärbung ausgenommen, ebenso wie heut ausgesehen, aber mein gutes Mutterle ist verändert. Ein Zug von Müdigkeit und schmerzlicher Resignation liegt um ihren Mund, der mir noch nie so ausgeprägt erschienen ist.»[14]
Georgs differenzierende Charakterisierung deckt sich im Wesentlichen mit den Erinnerungen Gerharts und Johannas; auch im Abenteuer meiner Jugend klingt das besondere Vertrauensverhältnis der Kinder zur Mutter an – etwa wenn Gerhart späterhin ihr und nur ihr sein unsägliches Leiden unter dem Gymnasialbesuch oder (im verschlossenen Zimmer) seine frühen Liebesnöte anvertraut.[15] Im Übrigen aber liest sich Hauptmanns Autobiographie über weite Strecken wie eine Rechtfertigung des Vaters, wie eine nachträgliche symbolische Selbstvergewisserung seiner Anerkennung und Billigung.
Höhepunkte des Kinderglücks sind die Zeiten, in denen der jüngste Sohn seinen Vater ganz für sich hat: bei der Fahrt zu einem Breslauer Dermatologen auf der neuerbauten Freiburger Eisenbahn und während zweier Badereisen nach Warmbrunn und Teplitz. Der sonst so strenge, gleichsam in eine Maske der Autorität eingeschlossene Vater nimmt den Jungen als Gesprächspartner für voll. Er behandelt ihn sogar im Bierlokal als gleichberechtigten Trinkgenossen und verteidigt diese frühe Gewöhnung an den Alkohol gegen kritische Kommentare von außen[16] – auch das sicher ein Punkt, der noch Folgen haben wird, ebenso wie der Umstand, dass sich Gerharts Amme (aufgrund einer Brustentzündung der Mutter hatte man schleunigst für Ersatz sorgen müssen) schon bald als Alkoholikerin entpuppte.[17] Es ist übrigens der Vater, der mit morgendlichen Ganzkörperabreibungen ein quasi intimes Verhältnis zu den Söhnen herstellt und die Entwicklung ihrer leiblichen, letztlich auch erotischen Selbstempfindung fördert.[18]
Am Schluss der ersten Badereise kommt es noch zu einem besonderen Erlebnis, das uns mit einer weiteren Eigenheit des Vaters bekannt macht: seiner Vorliebe für Überraschungen und Inszenierungen. Die Kleider, die Gerhart für die Reise nach Warmbrunn benötigte, wurden rechtzeitig beim Schneider in Auftrag gegeben – jedoch unter dem Vorwand, dass sie für einen Bremer Kurgast mit gleicher Körpergröße bestimmt seien. Erst im Moment der Abreise wurde das Geheimnis gelüftet. Noch weit stärker beeindruckt den Jungen die für ihn völlig überraschende Ankunft der Mutter und der Geschwister mit dem Familien-Landauer, den er schon lange vorher ins Auge fasst, weil sich darin angeblich der gräfliche Besitzer des Parks befindet, durch den er damals mit seinem Vater schreitet. Der fast bis zur Besinnungslosigkeit reichende Wiedererkennungsjubel habe ihm, verrät uns der Dramatiker, bei manchen ähnlichen Szenen seines Werks als Vorlage gedient. Nach jenem Höhepunkt ist für den Knaben allerdings auch der Zauber der Reise verloren; denn er hat den Vater jetzt nicht mehr für sich allein.[19]
Sich die Liebe der Eltern mit den Geschwistern zu teilen, fiel Gerhart vor allem wegen der vielfältigen Talente, des Charmes und einer spezifischen ‹Seelenfängergabe› Bruder Carls schwer. Zumal nach dessen erster schwerer Lungenentzündung gehörte dem Älteren wie selbstverständlich die «Hauptanteilnahme» der Familie, und Gerhart wurde einfür allemal bewusst, dass er mit dem sozialen bzw. emotionalen Stellenwert des Bruders in der Familie nie würde konkurrieren können.[20] Auf der anderen Seite profitiert der Jüngere schon damals von Carls intellektueller Beweglichkeit und unternehmender Energie: Dessen Taubenzucht und die zahlreichen Expeditionen zur Wiedererlangung verflogener Exemplare des Schwarms führen den Knaben erstmals in die nähere Umgebung des Heimatorts und verstricken ihn und den Bruder in schwierige, von Carl indes mit Bravour gemeisterte Verhandlungen. Gleichwohl entwickelt Gerhart, so vermittelt es uns jedenfalls die Autobiographie, schon früh eine kritische Distanz zu den hysterisch-schwärmerischen Exaltiertheiten im Verhalten des Älteren. Vor jeder Bekanntschaft mit Cervantes’ Roman erkennt er im Bruder den Don Quijote – so auch bei der Begrüßung der 1866 in den Krieg gegen Österreich ziehenden Soldaten durch aus dem Fenster gestreute Blumen. Der achtjährige Carl ist dermaßen erfüllt von dem Vorhaben, dass er seiner selbstauferlegten patriotischen Verpflichtung noch in tiefer Nacht im Halbschlaf nachkommt und danach, ohne vollständig erwacht zu sein, zurück ins Bett taumelt: «Ich nahm dies nicht erschreckt, sondern kichernd als etwas überaus Komisches auf.»[21]
Gerhart Hauptmann war dreieinhalb Jahre alt, als es zum Krieg des Deutschen Bunds unter Führung Österreichs gegen Preußen kam und die preußischen Truppen durch die schlesischen Berge Richtung Königgrätz marschierten. So unwahrscheinlich es anmutet, dass er in diesem zarten Alter die Komik im nächtlichen Eifer seines Bruders zu erkennen vermochte, so glaubwürdig erscheint die Behauptung zu Eingang der Autobiographie, wonach sich mit diesem Ereignis die erste datierbare Erinnerung Hauptmanns verbindet – nämlich an das Brüllen eines preußischen Unteroffiziers auf dem von Militär erfüllten Hof des Hotels. Auch an das Zureiten von Remontepferden auf dem Vorplatz kann sich der Knabe erinnern, zu dessen Lieblingsbüchern alsbald Das Steppen-Ross, Eduard Wagners Bearbeitung «für die reifere Jugend» von Thomas Mayne Reids Abenteuergeschichte aus dem mexikanisch-amerikanischen Krieg (The War Trail, 1857), zählen sollte. Später kamen gefangene und verwundete österreichische Soldaten nach Salzbrunn und ins Haus, um die sich besonders der dreizehnjährige Georg hingebungsvoll kümmerte.[22]
«Lesen habe ich nicht in der Schule gelernt, sondern am Robinson Defoes und Coopers Lederstrumpf.»[23] Mit dem Besuch der Evangelischen Schule zu Ober-Salzbrunn ab Ostern 1868 und dem Unterricht des «alten, immer mißgelaunten» Lehrers Johann Gottlieb Brendel[24] – dieses «fleischgewordenen Zorns» – beginnt das Schultrauma Hauptmanns, wenn auch noch in einer vergleichsweise milden Form.[25] Die Stundenzahl hält sich in Grenzen, und das Elternhaus ist in Reichweite. Nach Johannas Erinnerungen allerdings wurden ihre drei Brüder für einen Sommer in Pension zu Familie Brendel gegeben – mit der Auflage, sich täglich einmal bei den Eltern vorzustellen: «So kamen sie jeden Morgen um 7½ Uhr frisch gewaschen und gekleidet zum Morgengruß.»[26] Da Hauptmann selbst davon nichts berichtet und eine solche Einrichtung für alle Brüder gleichzeitig angesichts des Altersunterschieds zwischen Georg und Gerhart unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich war, scheint sie nur die beiden älteren Hauptmann-Söhne betroffen zu haben. Das Zeugnis nach der vierten Klasse lautet: «Leistungen gering, Betr. gut.»[27] Zur Vorbereitung auf die höhere Schule nahm Gerhart 1873 private Lateinstunden bei Brendel, die allerdings ebenso wenig fruchteten wie der – in Breslau bei einem alten Orchestermusiker fortgesetzte – Geigenunterricht Doktor Olivieros.
Mitten in die Grundschulzeit Hauptmanns fällt das Ereignis, das er selbst 1933 als den Beginn seines «nationalen deutschen Bewußtseins» bezeichnet hat:[28] der deutsch-französische, in die Reichsgründung mündende Krieg von 1870/71. Hauptmann hört von seinem bevorstehenden Ausbruch auf einem Ausflug nach Lohnig, der ersten Station seiner künftigen Landwirtschaftseleven-Zeit; in seiner Erinnerung verbindet sich damit zugleich die Parteinahme des Vaters für Bismarcks Politik, die im weiteren Umfeld der Familie keineswegs unumstritten war. Insbesondere die Familie von Hauptmanns Mutter misstraute der handstreichartigen Herbeiführung der nationalen Einheit – nicht etwa aufgrund demokratischer Bedenken (wie sie Robert Hauptmann als einstiger Sympathisant der Revolution von 1848 hätte hegen können), sondern aus Anhänglichkeit an die regionale, im benachbarten Fürstenstein götterburgartig[29] thronende Dynastie der Fürsten von Pleß (Grafen von Hochberg), denen – und hier besonders dem regierenden Fürsten Hans Heinrich XI. – sich der Großvater mütterlicherseits zutiefst verpflichtet fühlte. Daher entbehrt es nicht einer tieferen Symbolik, dass eben dieser prominente Brunneninspektor, unter dessen konsequenter Missachtung das Kind Gerhart nicht wenig zu leiden hatte, noch während des Kriegs, nur zwei Monate vor der Gründung des deutschen Kaiserreichs, verstarb.
Für den achtjährigen Hauptmann war der Tod des Großvaters nicht nur die erste direkte Berührung mit der Sterblichkeit des Menschen; er markierte auch das Ende seiner Kindheitsidylle, indem durch die anschließenden Erbschaftsstreitigkeiten die schwankende Grundlage des familiären Wohlstands und die Spannungen zwischen den Eltern erstmals in das Bewusstsein des Jungen traten. Im Testament des Großvaters wurden offenbar Marie Hauptmanns unverheiratete Schwestern Auguste und Elisabeth bevorzugt – ohne Rücksicht auf die finanziellen Nöte, in denen sich Hauptmanns Eltern befanden. Denn Robert Hauptmann konnte das Hotel Preußische Krone nur weiterführen, wenn er fünf Halbgeschwister[30] auszahlte, die der zweiten Ehe seines Vaters entstammten. Ursprünglich in der Position eines Alleinerben herangewachsen, hatte er offenbar Schwierigkeiten, aus der veränderten Lage rechtzeitig die notwendigen Konsequenzen für seinen Lebensstil zu ziehen. Die teuren Pferde etwa, die sich Hauptmanns Vater hielt, und mancher andere Luxus werden vom Sohn in diesem Zusammenhang genannt.[31]
Verschiedene ökonomische Unternehmungen verlängerten die Ausgabenliste, obwohl sie eigentlich eher dem Zweck gedient haben dürften, die für die Abfindung der Miterben notwendigen Kapitalien zu erwirtschaften. So hatte Robert Hauptmann zusätzlich das Hotel Kursaal und die Dependance Brunnenhof gepachtet, zeitweilig ein Leinengeschäft betrieben, war Mitbegründer und -eigner der Gasanstalt von Salzbrunn sowie schließlich auch Teilhaber eines Kohlengeschäfts beim Juliusschacht, was häufige Wagenfahrten ins Industriegebiet um Waldenburg notwendig machte. Die nächstliegende Möglichkeit zur Erschließung einer zusätzlichen Einnahmequelle wurde vom Vater jedoch hartnäckig ignoriert – nämlich der Ausbau und die kommerzielle Verwertung der auf dem eigenen Grundstück zu Tage tretenden Brunnenquelle (der späteren «Kronenquelle»): «Nie werde ich so unverständig sein und dem Fürsten Konkurrenz machen.»[32] Wenn dieser von Lotte überlieferte Ausspruch zutrifft, war der Vater vielleicht doch nicht so eindeutig der Vertreter eines modernen Unternehmergeistes, wie Hauptmanns Autobiographie es uns glauben machen will.
Als zahlungskräftiger Compagnon war an der Waldenburger Kohlenfirma ein gewisser Tschersich beteiligt, einer jener durch Bodenschätze unter den Feldern zu schwindelndem Reichtum aufgestiegenen «Kohlenbauern», die Hauptmann in seinem ersten naturalistischen Drama thematisieren sollte. Weberhütten hatte dieser übrigens schon bei seinen frühen Erkundungen der Salzbrunner Umgebung kennengelernt. Ein Besuch in der Gasanstalt in Begleitung des Vaters machte den Jungen in der Gestalt des Werkmeisters Salomon auch mit dem «modernen Arbeiter» bekannt, den er in romantisierender Perspektive wahrnahm: «Ein neuer Adel, schien mir, umgab diesen Mann, der hier seine Höllenschlünde in Brand setzte, in ihrer gefährlichen Nähe hantierte mit gelassener Selbstverständlichkeit und einem unbeirrbaren Pflichtgefühl.»[33] Freilich blieb es einem Vertreter der expressionistischen Generation (nämlich Georg Kaiser mit seinen Gas-Dramen) überlassen, diese Verbindung von Arbeitsethos und Explosionsgefahr auf das Theater zu bringen.
Infolge der knapperen finanziellen Lage verzichtete Robert Hauptmann im Winter 1871/72 erstmals auf die vollständige Schließung seiner Hotels. Die Familie zog in den geräumigen «Kursaal» um, dessen Restaurant – nebst diskret betriebenem Kasino – geöffnet blieb; das dem Fürsten gehörende Badehotel (auch Kurhaus genannt) war nach der Übernahme durch Hauptmanns Vater anfangs von dessen kunstsinnigem Freund Beninde geleitet worden. Eine Pockenepidemie, die zu einer langfristigen Unterbrechung der Dorfschule führte, ereilte bald darauf auch Hauptmanns Mutter, die im neuen Quartier mit Carl und Gerhart das Schlafzimmer teilte. Die Kranke wird rigoros isoliert; erst nach Wochen kann der Sohn sie wieder an einem Fenster des oberen Stockwerks erblicken, woraufhin er ihr alsbald ein Ständchen bringt. Denn Gerhart war die Ehre zuteil geworden, in einer paramilitärischen kleinen Exerziertruppe, die von einem ehemaligen Feldwebel namens Großmann geleitet wurde, die Trommel rühren zu dürfen.[34] Überhaupt entwickelt der Zehnjährige eine gewisse Begabung für wirkungsvolle Auftritte. Als die Kinder das damals weitverbreitete Ritual der Friedenseichen-Pflanzung imitieren, hält der kleine Hauptmann die dazugehörige Rede – mit solchem Effekt, dass die Erwachsenen, die aus der Entfernung zuschauen, Beifall klatschen.[35]
Auch mit dem regulären Theater bekommt der Junge es damals zu tun. Seine Mutter, die jetzt häufiger das unmittelbar benachbarte Kurtheater besucht, nimmt Gerhart mehrfach mit – zur Schönen Galathée etwa von Franz von Suppé, aber auch zu einer fragmentarischen Aufführung von Goethes Faust. Er ist das einzige Kind, das ihr damals verbleibt, seit Carl Ostern 1872 zum Gymnasialbesuch nach Breslau abgereist und Lotte zur Lehrerin und mütterlichen Freundin Mathilde Jaschke in den Kurländischen Hof gezogen ist. Die auswärtige Ausbildung der Kinder entsprach übrigens den Lebensprinzipien des Vaters und gehörte zu den kostspieligen Statussymbolen, von denen sich dieser nicht trennen mochte.[36] Es hätte nämlich auch in Waldenburg, gut eine Stunde Fußweg entfernt, ein Gymnasium gegeben, dessen Besuch den Söhnen die frühe Abspaltung von den Eltern und Carl und Gerhart – bis zum Nachrücken des Letzteren auf das Gymnasium – eine mehrjährige Trennung voneinander erspart hätte.
Aus dieser Zeit der Brüder-Separierung, genauer den ersten Tagen nach seinem elften Geburtstag, stammt das älteste Schriftstück von Hauptmanns Hand, das wir kennen: ein offensichtlich nach Breslau gerichteter Brief, in dem sich Gerhart bei Carl für dessen Geburtstagsgeschenk und verschiedene Sendungen bedankt, an denen sich auch die Breslauer Schulkameraden des Bruders beteiligt zu haben scheinen: «Lieber Karl!/Ich wollte Dir schon lange einmal schreiben, aber ich kam immer nicht dazu, endlich bin ich daran. Der Grund meines Briefes ist nur um Dir zu danken für das schöne Messer ich habe mich sehr gefreud [sic] als ich es empfing. Auch danke ich Euch für die Briefe u Fritz Ruprecht für die Karte. Ich mus schließen den [sic] der Abend nat [sic] heran, grüße Georg, u. Friz Ruprecht u. alle Deine Freunde u. Du sei gegrüßt und geküßt von/Deinem/Dich liebenden Bruder Gerhard.»
In einem Nachsatz erklärt der Orthographie-Sünder: «Zum Geburstage habe ich ein Reiszeug ein Fädertäschchen ein halbes Dtz Schreibebücher u. überhaupt Schreibutensilien» – hier verlässt ihn die Geduld, er vergisst den abschließenden Punkt ebenso wie das Hauptverb «geschenkt bekommen».[37] Der Schriftsteller Gerhart Hauptmann war trotz bester technischer Voraussetzungen noch nicht geboren.
Mit etwa 500.000 Einwohnern war die schlesische Provinzialhauptstadt Breslau im späten 19. Jahrhundert zeitweilig die fünftgrößte Stadt des Deutschen Reichs und ungefähr hundertmal so groß wie Obersalzbrunn. Trotz des enormen Wachstumsschubs infolge der Industrialisierung hatte sich die Stadt – und das gilt mit starken Abstrichen auch für das heutige Wroclaw – einen charakteristischen mittelalterlichen Kern bewahrt mit dem Glanzstück des von Hauptmann mehrfach erwähnten und in der Erzählung Phantom literarisch verwerteten gotischen Rathauses. Als der elfjährige Gerhart im April 1874 in Breslau ankommt, liegt gleichwohl eine der schwersten Phasen seines Lebens vor ihm. Es ist wohl gar nicht so sehr die Großstadt, die ihn schreckt – einschließlich der Rotlichtgassen und Verbrecherwinkel, die dem Knaben keineswegs verborgen bleiben –, als der Verlust seiner Selbstbestimmung: die Preisgabe der für diesen Jugendlichen unverzichtbaren Erfahrung persönlicher Autonomie und entsprechender Freiräume.
Das Unglück begann mit der Unterbringung in einem sogenannten Knabenpensionat, wie es damals für vom Lande stammende Schüler gang und gäbe war. Zusammen mit Bruder Carl hat Gerhart in den vier Jahren seiner Breslauer Schulzeit vier verschiedene Quartiere durchlaufen. Er wohnt anfangs bei Oberamtmann Karl Gadewoltz in der Kleinen Feldstraße 4, danach bei Gefängnispfarrer Gauda in der Graupenstraße 17, dann bei Schlossermeister Penert[38] in der Berliner Straße 12 und schließlich wieder bei Gauda, in einer erweiterten (und dadurch verbilligten) Pensionärswohnung in der Neuen Graupenstraße 13. Im ersten Quartier leiden die mit etwa dreißig anderen Schülern zusammengepferchten Brüder unter mangelnder Hygiene und kärglichster Ausstattung: «Von zerquetschtem Ungeziefer und eigenem Blut sprenkelte sich mein Bettlaken.»[39] Während der Unterbringung beim Schlossermeister peinigen Gerhart vor allem der kleinbürgerliche Ehrgeiz der Wirtin und ihre penetrante Bevorzugung Carls. Meister Penert dagegen erwirbt sich die Sympathie des Knaben durch «romantische» Sonntagsausflüge in die Breslauer Umgebung, vor allem durch einen Ausflug zum Berg und Städtchen Zobten, den die Abgekürzte Chronik meines Lebens geradezu als Entdeckung des Volkslieds feiert.[40]
Pfarrer Gauda und seine jugendliche Frau kommen den Brüdern Hauptmann mit offenen Armen entgegen; als Carl infolge einer erneuten Lungenentzündung sein Breslauer Pensionsbett nicht wahrnehmen kann, nehmen sie bereitwillig an seiner Stelle Schwester Lotte auf, die den Stadtaufenthalt zum Besuch von Konzerten und der Schlittschuhbahn nutzt. Gauda gibt den jungen Leuten auch Einblick in seine Tätigkeit im Untersuchungsgefängnis, dessen Zellenfenster Gerhart von seinem Zimmer aus beobachten kann; die Erzählung des Pfarrers von einem Wechselfälscher, der sich auf die Macht des Schicksals berief, liefert später Motive für die Erzählung Phantom.[41] Allerdings spitzen sich gerade durch den Anteil, den Gauda an der Entwicklung seiner Pensionäre nimmt, die Konflikte mit Gerhart zu. Lotte gerät gleichsam zwischen die Fronten, wenn der Wirt zu ihr kommt und sagt: «Können Sie Ihren Bruder […] nicht veranlassen zur Schule zu gehen? Früh bleibt er im Bett, meldet sich krank, ißt und trinkt aber dabei mit größtem Appetit! Nachmittags steht er frisch und fidel auf, ginge als glänzender Schlittschuhläufer am liebsten aufs Eis.»[42] Der masurische Kraftmensch, als den Hauptmann den Theologen in Roman, Drama und Autobiographie darstellt,[43] hatte kein Verständnis für Phänomene wie Gerharts «Schulkrankheit».[44]
Die Städtische Realschule I. Ordnung am Zwinger in Breslau vertrat einen relativ modernen Schultyp, der aus der preußischen Gymnasialreform um die Mitte des 19. Jahrhunderts hervorgegangen war. Statt der alten Sprachen, der Domäne des humanistischen Gymnasiums, sollten die Gegenstände der Naturwissenschaften (Realien) und die modernen Sprachen in den Vordergrund treten. Hauptmann musste sich also nicht mit den Finessen der Aoristbildung und griechischen Schrift herumschlagen, wohl aber ab Sexta Latein und ab Quinta Französisch lernen. Sieht man einmal davon ab, dass er gleich in der untersten Klasse sitzen blieb (ein Schicksal, das seinen ältesten Bruder erst in der Prima ereilte[45]), scheint Gerhart kein sonderlich schlechter Schüler gewesen zu sein. Es lag wohl auch am ungünstigen, aber kaum zu vermeidenden Vergleich mit seinem Zimmergenossen Carl, einem ausgesprochenen Lerntalent, dass sich Hauptmann in der Zwinger-Realschule gründlich deplatziert fühlte und die Breslauer Schuljahre von Anfang an als «Verbannung» empfunden hat.[46]
Selbstverständlich waren daran auch der autoritäre Stil des Unterrichts und jene Feldwebel-Mentalität beteiligt, die nach dem gewonnenen Krieg von 1870/71 von weiten Teilen der preußischen Lehrerschaft Besitz ergriff. Hauptmanns im Wesentlichen in den 1920er Jahren entstandene, von der damaligen Abrechnung mit der wilhelminischen Untertanen-Mentalität beeinflusste Autobiographie stellt vor allem die entwürdigenden Rituale der Prügelstrafen heraus, denen ihr Verfasser – von einer finalen Ohrfeige abgesehen[47] – persönlich entgangen zu sein scheint. Die Allgegenwart des Rohrstocks belegen aber schon frühe Karikaturen eines Lehrers mit dem sprechenden Namen «Hauermann».[48] Eine davon zeigt ihn als «Genrebild» in der Düsseldorfer Gemäldegalerie; der Rohrstock ragt dabei aus dem Bildrahmen heraus. Kaum minder entwürdigend als die körperlichen Züchtigungen waren bestimmte Formen der öffentlichen Demontage und Diskriminierung, wie Hauptmann sie bereits am ersten Tag erlebte. Während der Aufnahmeprüfung wurde er vom aufsichtshabenden Lehrer Dr. Reinhard Jurisch aus der Reihe gerissen und an die Wand gestellt, ohne den Grund dafür auch nur zu ahnen. Nach Abschluss der Prozedur erklärte der spitznasige Schuldirektor Caesar A. Kletke dem Prüfling in aller Öffentlichkeit: «Du bist noch ein sehr, sehr schwacher Sextaner!»[49]
Zu dieser Schule konnte Hauptmann nie ein positives Verhältnis entwickeln. Statt dem Unterricht zu folgen oder seine Hausarbeiten zu erledigen, gab er sich träumerischen Phantasien hin, die ihn in eine Ersatzwelt entführten. Unter den Schülern seines Jahrgangs – das erhaltene Schulheft verzeichnet nicht weniger als 66 Namen – fand der «rothaarige Junge mit den feurigen Augen», «der immer eine bis zum Halse zugeknöpfte Joppe (‹Jäger›) trug»,[50] kaum Anschluss. Nur einem vermutlich jüdischen Klassenkameraden namens Heimann scheint sich Hauptmann anvertraut zu haben.[51] Von den zahlreichen Freunden Carls dagegen gewinnt zunächst ein gewisser Dominick für Gerhart Bedeutung. «Er war ziemlich groß, hatte den ersten dunklen Bartflaum, wie einen feinen Schatten, um Oberlippe und Kinn, dunkle, melancholische Augen und eine zarte, bräunliche Haut. Er trug schadhafte Schuhe mit ausgeweitetem Gummizug, Beinkleider und Rockärmel waren zu kurz geworden, sein Vorhemd und Kragen, der ohne Schlips war und den niemand ihm wusch, konnten unmöglich sauber sein. Es lag ein schmerzlicher Idealismus in diesem Kopf, der etwas Edles und dabei unsäglich Anziehendes hatte.»[52] So beschreibt der Christus-Roman von 1910 die gleichnamige Figur, die offenbar als Denkmal für den längst verstorbenen Jugendfreund zu verstehen ist. Denn der historische Dominick beging Selbstmord, nachdem er im Herbst von seiner Nichtversetzung in die höhere Klasse erfuhr.
Der Dominik des Romans schwärmt für Novalis und Hölderlin. Vielleicht entsprechen diese Namen eher dem literarischen Horizont der Neuromantik und der Hölderlin-Renaissance zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der junge Gerhart, der gerade Chamissos und Körners Balladen sowie Herders Volksliedersammlung für sich entdeckte, hätte mit ihnen wohl nicht viel anfangen können. Sicher ist aber, dass Dominick Gedichte las und schrieb; Hauptmann begegnete in ihm dem ersten – wie auch immer dilettantischen – Dichter-Kollegen. Denn auch der Sextaner und Quintaner Hauptmann fängt an, Gedichte zu schreiben; mit ihrer Produktion stemmt er sich gegen die niederdrückende Wirklichkeit seines Gymnasiasten- und Pensionärsdaseins.
Nicht umsonst heißt ein Gedicht seines zweiten Breslauer Schuljahrs lapidar Heimweh. In Anlehnung an Kellers populäres, zur Schweizer Nationalhymne aufgestiegenes Gedicht besingt es die Schönheit von «Schweizerland» und «Heimatland». Dabei steht dem jugendlichen Verfasser offenbar das Bild seiner Salzbrunner Heimat vor Augen, «wo ich jeden Weg,/jeden Steg gekannt», «wo ich klettert’ wild/über Fels und Stein.»[53] Auch beim ersten derjenigen Gedichte, die uns in der Originalhandschrift des Schülers (nämlich auf den Seiten eines aufgelösten Schulhefts) überliefert sind, ist der Anschluss an die Salzbrunner Kindheit und an die dort gehegten Lederstrumpf54