Cover

Tom Holmes mit Lauri Holmes

REISEN IN DIE INNENWELT

Systemische Arbeit mit Persönlichkeitsanteilen

Mit Illustrationen von Sharon Eckstein

Aus dem Amerikanischen von Gabriela Martens

Kösel

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Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Parts Work: An Illustrated Guide to Your Inner Life«, erschienen bei Winged Heart Press, Kalamazoo, USA

Das Gedicht von Walt Whitman in Kapitel 2 wurde mit freundlicher Genehmigung abgedruckt aus

Walt Whitman Grashalme, Übersetzung von Hans Reisinger

Copyright © 1985 Diogenes Verlag AG Zürich

3., überarbeitete und ergänzte Auflage 2013

Copyright © für die deutsche Ausgabe 2010 Kösel-Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Copyright © 2007 Thomas R. Holmes

Umschlag: Monika Neuser, München

Coverabbildung Silhouette: fotolia, Petr Vaclavek

Cover- und Innenillustrationen: Sharon Eckstein

Innenillustration Silhouette: Kösel-Verlag, München

ISBN 978-3-641-10514-3
V003

Weitere Informationen zu diesem Buch und unserem gesamten

lieferbaren Programm finden Sie unter

www.koesel.de

INHALT

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

EINFÜHRUNG IN DIE ARBEIT MIT PERSÖNLICHKEITSTEILEN

Ein Abbild der inneren Welt

Beispiel für einen Tanz der Teile

Innere Anteile als psychologische Software

Die richtigen Teile aktivieren

Eigene Teile kennenlernen

DAS SELBST IM INNEREN SYSTEM

Das Zentrum unseres Bewusstseins

Selbst und psychologische Software

Selbst und Dichtung

Extreme und ausbalancierte Teile

Achtsamkeit und Selbst

Das Selbst stärken

Gewahrsein des Atems als Zugang zum Selbst

WIE PERSÖNLICHKEITSTEILE ENTSTEHEN

Persönlichkeitsteile für das physische Überleben

Persönlichkeitsteile für soziale Anpassung

Innere Manager

Erstellung einer »Teile-Landkarte«

WIE PERSÖNLICHKEITSTEILE EINANDER BEEINFLUSSEN

Ein typischer Kreislauf: Umgang mit Süßigkeiten

Koalitionen zwischen Persönlichkeitsteilen

Wie äußere Umstände innere Koalitionen aktivieren

Innere Koalitionen entdecken

PERSÖNLICHKEITSTEILE INS GLEICHGEWICHT BRINGEN

Die vier Dimensionen innerer Teile

Persönlichkeitsteile näher erforschen

Innere Beschützer

Innere Kritiker und innere Richter

Innere Antreiber

Wenn gute Persönlichkeitsteile »zu gut« werden

Innere Sorgenmacher

Ihr System ins Gleichgewicht bringen

PERSÖNLICHKEITSTEILE UND BEZIEHUNGEN

Wiederholungsschleifen in Paarbeziehungen

Der Z-Prozess

Toms Version dieses Z-Prozesses

Wiederholungsschleifen und Z-Prozesse in Beziehungen erforschen

INNERE ABLENKER, VERBANNTE UND FEUERBEKÄMPFER

Ablenkende Persönlichkeitsteile

Verbannte und Feuerbekämpfer

Ein Beispiel für Feuerbekämpfer: Der bulimische Teufelskreis

Heilung durch IFS

Entlastung erfahren

Innere Ablenker im Alltag selbst entdecken

Ablenkungen identifizieren

DIE VERBINDUNG ZUR INNEREN WEISHEIT AUFNEHMEN

»Das Fenster zu deiner Seele«

Das Wesen spiritueller Erfahrungen

Die Übertragung von Selbst-Energie

Einige Warnungen in Bezug auf spirituelle Führung

Die transformierende Macht innerer Weisheit

Schlussfolgerungen für die therapeutische Arbeit

Zur inneren Weisheit finden

NACHWORT

Ein aktueller Blick auf die Arbeit mit inneren Teilen und Spiritualität

DANKSAGUNG

PERSÖNLICHKEITSTEILE IN ABBILDUNGEN

WEITERE HINWEISE ZUR ARBEIT MIT INNEREN TEILEN UND IFS

WORKSHOPS UND SEMINARE MIT TOM HOLMES

KONTAKT

QUELLENHINWEISE

DIE AUTOREN

VORWORT ZUR DEUTSCHEN AUSGABE

Zu Beginn der 1980er-Jahre entwickelte Richard C. Schwartz, ein hoch angesehener US-amerikanischer Autor und Familientherapeut, einen neuen einzeltherapeutischen Ansatz, der mit dem System der Inneren Familie arbeitet, auch bekannt als IFS-Modell (IFS = Inneres Familien-System). Sein Modell stellt einen systemischen Ansatz zur Arbeit mit sogenannten Subpersönlichkeiten oder Ich-Zuständen dar. 1998 begann Richard C. Schwartz in Zusammenarbeit mit dem Hakomi-Institut in Heidelberg, Psychotherapeuten in Deutschland in seiner Methode auszubilden. Zur gleichen Zeit habe ich begonnen, das IFS-Modell in meinen Seminaren in Deutschland zu verwenden, die z. B. in der Caduceus Klinik in Bad Bevensen unweit von Lüneburg stattfinden.

In diesem Buch möchte ich Ihnen meine eigene Version des IFS-Modells vorstellen, so wie ich es seit fast zwanzig Jahren in der klinischen Praxis anwende und an Studenten und in Workshops und Weiterbildungen in den USA und Europa weitergebe. Auf der Basis dieser jahrelangen Praxis- und Lehrerfahrung möchte ich mein Verständnis davon vermitteln, warum wir so denken, fühlen und handeln, wie wir es tun, und wie wir mehr Harmonie und Gleichgewicht in uns und in unseren Beziehungen mit anderen erleben können.

Die Illustrationen, die uns durch dieses Buch begleiten, habe ich früher in meinen Workshops und Weiterbildungsgruppen als Powerpoint-Präsentationen gezeigt. Immer wieder forderten mich Teilnehmer dann dazu auf, diese illustrierte Anleitung zum inneren System mit den Zeichnungen von Sharon Eckstein zu veröffentlichen. Sharons Zeichnungen haben Menschen weltweit begeistert und tragen dazu bei, das Modell des inneren Systems leichter zugänglich zu machen.

So zeigt das folgende Bild ein paar Beispiele von Persönlichkeitsaspekten, die viele Menschen aus ihrem eigenen Innenleben kennen: ein Teil, dem es ums Helfen geht und der gerne dazu beitragen will, dass andere Menschen glücklich sind; ein Teil, dem es wichtig ist, sich »richtig« zu verhalten und »gut« zu sein; ein Teil, der gerne organisiert und Dinge abhaken will; ein Teil, der streng darüber urteilt, ob alles korrekt abläuft; und ein Teil, der schnell wütend wird, wenn man ihn reizt.

Unsere Persönlichkeit hat ganz unterschiedliche Aspekte, die man sinnbildlich auch als innere Teile darstellen kann

Die Illustrationen in Kombination mit einem leicht verständlichen Text können, so hoffe ich, diesen einzigartigen und effektiven Weg, menschliches Verhalten zu verstehen, so anschaulich machen, dass es gleichermaßen für Therapeuten und ihre Klienten nützlich ist wie für allgemein interessierte Leser. (Für diejenigen, die daran interessiert sind, das IFS-Modell detaillierter und in seiner ursprünglichen Form kennenzulernen, empfehle ich das Buch von Richard C. Schwartz: IFS Das System der Inneren Familie. Ein Weg zu mehr Selbstführung und für Fachleute sein Buch Systemische Therapie mit der inneren Familie.)

In diesem Buch geht es um die Arbeit mit Persönlichkeitsteilen. Meiner Erfahrung nach haben die meisten Menschen ganz bestimmte Gedanken, Gefühle und Verhaltensmuster, wenn sie in bestimmten Bewusstseinszuständen sind, während sie in anderen Bewusstseinszuständen ganz andere haben. Die sich ständig wiederholenden Gedanken- und Gefühlsmuster werden im IFS-Modell mit dem Begriff »Teile« bezeichnet. Wenn wir von »Teilen« als eigenständigen Einheiten sprechen, ist das also eine Art Kürzel für diese sich wiederholenden Gedanken-, Gefühls- und Verhaltensmuster in uns. Das wird im ersten Kapitel näher erläutert.

Auch wenn es manchmal scheint, als redeten wir über separate Persönlichkeiten, die in unserem Geist wohnen – als wären es Charaktere, die Gefühle haben, sich bekämpfen und unsere Denken dominieren –, so beziehen wir uns damit doch auf die ganz normale Zusammensetzung unseres Geistes. Es ist nicht das, was man Multiple Persönlichkeitsstörung nennt.

Eine Multiple Persönlichkeitsstörung wird durch einen Abwehrmechanismus charakterisiert, der als »Abspaltung« bekannt ist, wobei die Teile unseres Systems sich voneinander abspalten, dissoziieren. Als Ergebnis dieser Abspaltung scheint die Person zu verschiedenen Zeiten eine gänzlich andere Persönlichkeit zu haben. Wichtiger noch: Diese Persönlichkeiten besitzen wenig oder kein Wissen voneinander und davon, was die Person tut, während sie sich in einem anderen Zustand befindet. Diese Verfassung ist üblicherweise die Folge schwerer Traumatisierung in der Kindheit und wird mittlerweile als dissoziative Identitätsstörung klassifiziert. Das IFS-Modell, die Systemische Therapie mit der Inneren Familie, kann eine effektive Methode sein, um diese Störung zu behandeln, doch ist eine solche Anwendung von IFS recht verschieden davon, durch die Arbeit mit inneren Teilen die ganz normale Mannigfaltigkeit zu verstehen, die die meisten Menschen in ihrem Geist erleben.

Im Zentrum unseres Bewusstseins gibt es einen Ort, von dem aus wir diese inneren Anteile oder Gedanken- und Gefühlsmuster in uns wahrnehmen und beobachten können. Diesen Bewusstseinszustand bezeichnen wir als das »Selbst«. Durch die Entfaltung des »Selbst« können wir Harmonie und Gleichgewicht in unser psychisches System bringen. Das ist das vorrangige Ziel der IFS-Therapie.

Das hier vorgestellte Modell der Arbeit mit Persönlichkeitsteilen verbindet das IFS-Modell mit einigen zentralen Konzepten über die Natur des Bewusstseins, wie sie in der buddhistischen Psychologie zu finden sind und in den Lehren des buddhistischen Zen-Meisters Thich Nhat Hanh (2003, 2009) zum Ausdruck kommen. Ich finde es spannend, dass ein systemisches Modell der Psyche aus dem späten zwanzigsten Jahrhundert so gut mit den alten buddhistischen Lehren über die Natur des Bewusstseins zusammenpasst. Ergänzend zu diesen buddhistischen Konzepten, die in meine Grundthesen des Buches einfließen, zeigt das achte Kapitel, wie die Spiritualität von Klienten durch die Arbeit mit Persönlichkeitsteilen in die Psychotherapie integriert werden kann. Das IFS-Modell in Verbindung mit spirituellem Verständnis und spiritueller Praxis bietet das effektivste Psychotherapiemodell, das ich in meinen fünfunddreißig Jahren des Studierens, Praktizierens und Lehrens gefunden habe. Diese Art der inneren Arbeit lässt sich auf einfache Weise mit dem spirituellen Leben des Klienten verbinden. Wenn diese Integration stattfindet, wird die Arbeit noch wirksamer. Im achten Kapitel wird die Integration von Spiritualität in den psychotherapeutischen Prozess veranschaulicht.

Als Lehrender war ich auf der Suche nach einem Weg, um die Einsichten, die uns dieses Therapiemodell eröffnet, mit mehr Menschen zu teilen, und Reisen in die Innenwelt wendet sich an dieses breitere Publikum. Es geht darum, uns in all unseren inneren Dimensionen kennenzulernen. Um Ihnen beim Lesen ein vollständigeres Bild davon zu vermitteln, wie das innere System arbeitet, enthalten einige Kapitel detaillierte Auszüge aus Langzeittherapien. Durch das Verständnis unseres inneren Systems können wir lernen, all unsere verschiedenen Persönlichkeitsanteile zu akzeptieren und zu integrieren. Wir entwickeln so die Fähigkeit, diejenigen unserer Gedanken-, Gefühls- und Verhaltensmuster zu transformieren, die uns selbst und anderen Leiden verursachen. Mit diesem Ziel haben Lauri, Sharon und ich dieses Buch geschaffen. Wir hoffen, es wird für Sie ein interessanter und angenehmer Weg sein, sich selbst und andere besser zu verstehen.

Hinweis: Die vorliegende ergänzte Neuausgabe dieses Buches erhält auf vielfachen Leserwunsch zusätzliche Illustrationen für die therapeutische und persönliche Arbeit mit inneren Anteilen. Sie finden sie als Kopiervorlagen am Ende des Buches.

EINFÜHRUNG IN DIE ARBEIT MIT PERSÖNLICHKEITSTEILEN

»Es gibt da einen Teil von mir …«

Wir sind oft überrascht darüber, wie unterschiedlich wir in verschiedenen Situationen reagieren. Fast scheint es so, als wären wir zu manchen Zeiten eine ganz andere Person. Es gibt viele alltägliche Redewendungen, die dieses Phänomen aufgreifen:

»Ich stand wie neben mir«, »Wenn ich mit ihm zusammen bin, falle ich immer wieder in die alte Rolle «, »Ich war nicht ich selbst«. Oder wir sagen über jemanden: »Wenn er ein Klassenzimmer betritt, ist er nur noch im Kopf« oder »Sie ist wirklich schüchtern, aber wenn sie die Bühne betritt – umwerfend!« oder »Wenn er sich was in den Kopf gesetzt hat, kann er kämpfen wie ein Löwe«.

Wir können auch auf ein und dieselbe Situation unterschiedlich reagieren, je nachdem, wodurch unser geistiger oder körperlicher Zustand gerade beeinflusst wurde. In der buddhistischen Tradition heißen diese Zustände Geistesformationen oder Gewohnheitsmuster. Piaget und die kognitiven Verhaltensforscher bezeichnen sie als Schemata. Die Psychosynthese spricht von Teilpersönlichkeiten, und psychodynamisch orientierte Psychologen nennen sie Ich-Anteile oder Ego States. Wir bezeichnen sie als »Teile«.