Wer schreibt, tut dies nie ganz allein, und wie immer gibt es viele Menschen, bei denen ich mich dafür bedanken möchte, dass ich die Energie und die Kraft finden konnte, diesen Roman zu vollenden. Seinen Dank kann man auf viele Arten ausdrücken, und diesmal möchte ich es in verschiedenen Sprachen versuchen – was mir durch eine Liste, die ich gegoogelt habe, ermöglicht wurde. (Können Sie, ohne nachzuschlagen, die einzelnen Sprachen identifizieren?)
Ganz oben auf meiner Liste steht natürlich Cathy, meine Frau. Sie sorgt dafür, dass ich mein inneres Zentrum nicht verliere und mich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben konzentriere. Meinen Söhnen rate ich immer, sie sollen später eine Frau wie Cathy heiraten. Thank you!
Dann die Kinder: Miles, Ryan, Landon, Lexie und Savannah, die alle miteinander durch die Namen von Figuren in meinen bisherigen Romanen unsterblich gemacht wurden (jedenfalls ein klitzekleines bisschen). Von diesen Kindern in die Arme geschlossen zu werden, ist das allergrößte Geschenk. Muchas gracias!
Und als Nächstes? Meine Agentin, Theresa Park, verdient wie immer meine uneingeschränkte Dankbarkeit. Die Beziehung Agent – Autor kann ja manchmal kompliziert sein – jedenfalls höre ich das von anderen Agenten und Schriftstellern. Aber ehrlich gesagt, für mich ist es jedes Mal eine fantastische Erfahrung, mit Theresa zu arbeiten. Und das gilt seit unserem allerersten Telefongespräch im Jahr 1995. Sie ist die Allerbeste, und sie ist nicht nur intelligent und geduldig, sondern auch mit einem gesunden Menschenverstand gesegnet, der besser funktioniert als bei den meisten Leuten, die ich kenne. Danke schön!
Denise DiNovi, meine Freundin und Filmkomplizin, gehört ebenfalls zu den großen Wohltaten in meinem Leben. Sie hat drei meiner Filme produziert: Das Lächeln der Sterne, Message in a Bottle – Der Beginn einer großen Liebe und Nur mit dir – A Walk to Remember. Das hat mich zu einem der glücklichsten Autoren auf der ganzen Welt macht. Merci beaucoup!
David Young, der fabelhafte Topmanager bei Grand Central Publishing, ist mir immer eine Stütze, und ich bin froh und dankbar, dass ich mit ihm zusammenarbeiten darf. Arigato gozaimasu!
Jennifer Romanello, Pressefrau und Freundin, sorgt schon seit dreizehn Jahren dafür, dass die Öffentlichkeitsarbeit für uns alle unglaublich spannend und erfreulich ist. Grazie!
Edna Farley, meine Telefonfreundin, koordiniert fast alle Termine, wenn wir auf Tournee sind – und löst jedes Problem, das bei der Planung auftaucht. Sie ist nicht nur kompetent, sondern auch unerschütterlich in ihrem Optimismus, was mir unglaublich guttut. Tapadh leibh!
Howie Sanders, mein Filmagent und Freund, gehört ebenfalls zu den Mitgliedern des Vereins, der sich der »Ich arbeite schon sehr lange mit diesem Autor zusammen«-Club nennt. Und mein Leben hat durch ihn ungemein an Qualität gewonnen. Toda raba!
Keya Khayatian, ebenfalls einer meiner Filmagenten, ist ein wunderbarer Mensch und immer sehr großzügig mit seiner Zeit. Merci! Oder – wenn es dir lieber ist: Mamnoon!
Harvey-Jane Kowal und Sona Vogel, meine Lektorinnen, sind sagenhaft geduldig, vor allem wenn man bedenkt, dass ich mit meinen Abgabeterminen immer im Verzug bin. Sie müssen all die kleinen Fehler und Irrtümer in meinen Romanen aufspüren (okay, manchmal finden sie auch größere), und leider lasse ich ihnen dafür meistens nicht viel Zeit. Wenn Sie also beim Lesen auf irgendeinen Fehler stoßen (und das kann passieren), dürfen Sie nicht ihnen die Schuld dafür geben, sondern einzig und allein mir. Die zwei machen ihre Sache perfekt. Also, euch beiden: Spasibo!
Scott Schwimmer, mein Entertainment-Anwalt, ist einer der Menschen, die sämtliche Klischees und Witze über Anwälte Lügen strafen. Er ist ein toller Mensch und ein noch besserer Freund. Liels paldies!
Mein Dank geht außerdem an Marty Bowen, Courtenay Valenti, Abby Koons, Sharon Krassney, Lynn Harris und Mark Johnson. Efharisto poli!
Alice Arthur, meine Fotografin, ist immer sofort zur Stelle, um ein brillantes Foto zu machen, wofür ich ihr unendlich dankbar bin. Tao chie! Oder Xie xie!
Flag hat wieder einmal ein wunderschönes Cover entworfen. Shukran gazilan!
Tom McLaughlin, der Direktor der Epiphany School – eine Schule, bei deren Gründung meine Frau und ich mitgeholfen haben –, hat mein Leben enorm bereichert, seit wir zusammenarbeiten. Obrigado!
Und schließlich gilt mein Dank David Simpson, der mit mir als Coach an der New Bern High tätig ist – Mahalo nui loa!
 
PS Die Sprachen sind: Englisch, Spanisch, Deutsch, Französisch, Japanisch, Italienisch, Schottisches Gälisch, Hebräisch, Farsi (Persisch), Russisch, Lettisch, Griechisch, Chinesisch, Arabisch, Portugiesisch und Hawaiisch. Jedenfalls steht das auf der Seite, die ich im Internet gefunden habe. Aber wer kann schon alles glauben, was da steht?
Der Autor
Nicholas Sparks, 1965 in Nebraska geboren, ist Vater von fünf Kindern und lebt in North Carolina. Mit seinen gefühlvollen Romanen, die ausnahmslos die Bestsellerlisten eroberten und weltweit in über 50 Sprachen erscheinen, gilt Sparks als einer der meistgelesenen Autoren der Welt. Mehrere seiner Bestseller wurden erfolgreich verfilmt.
www.nicholas-sparks.de
Beth blickte in den Rückspiegel und musste grinsen: Es sah so lustig aus, wie Zeus da auf der Ladefläche des Trucks stand, die Nase im Wind. Neben ihr saß Ben, etwas schlaksiger seit seinem letzten Wachstumsschub, aber immer noch nicht groß genug, um den Ellbogen lässig in den Fensterrahmen zu legen.
Es war der erste mildere Tag, nachdem sie wochenlang extrem kaltes und unfreundliches Wetter gehabt hatten. Weihnachten stand vor der Tür. Nur noch knapp zwei Wochen bis zum großen Fest! Die Hitze des Sommers und die Oktoberstürme traten immer mehr in den Hintergrund und verwandelten sich schon fast in ferne Erinnerungen. Dabei war von den Überschwemmungen sogar in den überregionalen Fernsehnachrichten berichtet worden. Das Zentrum von Hampton hatte völlig unter Wasser gestanden. In vielen anderen Städten hier in der Gegend war das Hochwasser mindestens genauso schlimm gewesen. Sechs Menschen waren ums Leben gekommen.
Ja, sie hatten sehr viel durchgemacht, aber heute empfand Beth zum ersten Mal wieder eine Art von innerem Frieden. Seit der Beerdigung dachte sie ständig über die dramatische Entwicklung nach, die zu jenem schicksalhaften Tag geführt hatte. Viele Leute hier wunderten sich über die Entscheidungen, die sie getroffen hatte. Das wusste sie. Gelegentlich hörte sie auch Gerüchte, die sie aber nicht weiter beachtete. Eines hatte sie von Logan gelernt: Es gab Situationen, da konnte man sich nur auf den Glauben an sich selbst und auf die eigenen Instinkte verlassen.
Zum Glück ging es Nana nach wie vor gut. In den Tagen und Wochen nach dem »Unfall«, wie sie es nannte, waren Beth und vor allem auch Ben sehr stark auf sie angewiesen gewesen, auf ihre wunderbare Weisheit und ihre bedingungslose Unterstützung. Sie sang wieder regelmäßig im Chor, trainierte die Hunde und konnte beide Hände fast gleichwertig benutzen. Nur wenn sie sehr müde war, humpelte sie noch ein bisschen. Vor ein paar Wochen war es Beth ganz ähnlich ergangen wie ihr, und wenn man die beiden in der Zeit gemeinsam über das Gelände gehen sah, hätte man denken können, Großmutter und Enkelin wären gleich alt. Das war, nachdem man Beth den Gips abgenommen hatte. Sie hatte nämlich einige Fußknochen gebrochen und musste fünf Wochen lang einen Gipsverband tragen. Nana zog sie oft deswegen auf, weil sie es lustig fand, zur Abwechslung mal nicht die einzige Invalidin zu sein.
Ben hatte sich ziemlich verändert, fand Beth. In mancher Hinsicht machte sie sich deswegen Sorgen, andererseits war sie auch unglaublich stolz auf ihn. Dass er die ganzen Strapazen heil überstanden hatte, verlieh ihm ein neues Selbstbewusstsein, das er vor allem in der Schule gern demonstrierte. Jedenfalls kam es Beth so vor. Hatte es vielleicht auch etwas mit dem Foto zu tun, das er mit sich herumtrug? Die Laminierung wurde immer brüchiger, aber er wollte sich nicht von dem Bild trennen. Eines Tages würde er es überflüssig finden. Aber mit Sicherheit konnte man das natürlich nicht sagen. Das Foto war Logans Vermächtnis, und deshalb hatte es für Ben eine besondere Bedeutung.
Der Verlust war sehr bitter für ihn. Obwohl er nicht darüber sprach, wusste Beth, dass er in gewisser Weise sich selbst die Schuld gab. Und er hatte immer noch Alpträume. Manchmal rief er nach Keith, manchmal nach Logan. Wenn Beth ihn dann aufweckte, beschrieb er immer denselben Traum: Er wurde von der Strömung mitgerissen und wusste, dass er gleich ertrinken würde. Dann sah er Zeus auf sich zuschwimmen. Er wollte sich am Schwanz des Hundes festhalten, bekam ihn aber nicht zu fassen. Immer wieder griff er danach, aber jedes Mal vergeblich – bis er merkte, dass Zeus gar keinen Schwanz mehr hatte. Und dann sah er sich selbst, als würde er mit einer Kamera von oben gefilmt, wie er um sich schlug und langsam in den Fluten versank.
Beim Friedhof parkte Beth an der üblichen Stelle. Sie hatte zwei Blumensträuße dabei. Zuerst ging sie wie immer zu Drakes Grab. Ein paar Sekunden lang stand sie still davor und dachte an ihren Bruder, dann zupfte sie ein bisschen Unkraut und stellte die Blumen vor den Grabstein. Anschließend ging sie zu dem anderen Grab, für das sie den größeren Strauß besorgt hatte: Heute war sein Geburtstag.
Zeus trottete hin und her und beschnupperte alles neugierig, wie es so seine Art war. Ben begleitete ihn – wie immer, seit er den Hund kannte. Er hatte ihn zwar von Anfang an ins Herz geschlossen, aber seit der Rettung aus dem Fluss waren die beiden absolut unzertrennlich. Und irgendwie schien Zeus zu wissen, was er geleistet hatte. Anders konnte sich Beth sein Verhalten nicht erklären. Seiner Meinung nach gehörten er und Ben jetzt zusammen. Zeus schlief immer im Flur vor Bens Zimmer, die Tür stand offen, und wenn Beth nachts aufs Klo tapste, sah sie manchmal, dass Zeus vor dem Bett stand, um nachzusehen, ob sein Schützling auch schlief.
 
Einen Menschen zu verlieren ist ein schwerer Schicksalsschlag. Für Beth und Ben war der Abschied nicht leicht gewesen. Und zwischendurch hatten sie beide immer wieder das Gefühl, dass die Erinnerungen an früher mit ihrer Trauer in Konflikt gerieten. Denn obwohl der Verlust mit einer heroischen Tat verbunden war, gab es doch auch manches in der Vergangenheit, was man beim besten Willen nicht positiv deuten konnte. Alles in allem dachte Beth jedoch mit aufrichtiger Dankbarkeit an Keith Clayton. Sie würde es ihm nie vergessen, wie er sie an jenem Tag weitergeschleppt hatte, nachdem sie gestürzt war. Und letztlich war er gestorben, als er versuchte, seinen Sohn zu retten.
Das sprach für ihn und seinen Charakter, und trotz seiner vielen Fehler wollte Beth ihn so im Gedächtnis behalten. Sie hoffte, dass auch Ben es schaffte, sich mit guten Gedanken an seinen Vater zu erinnern, ohne Schuldgefühle und in dem sicheren Wissen, dass Keith ihn geliebt hatte, auch wenn er es nicht immer zeigen konnte.
Logan wartete zu Hause auf sie. Er hatte zwar angeboten, mit zum Friedhof zu fahren, aber Beth wusste, dass er eigentlich nicht mitgehen wollte. Am Wochenende verbrachte er den Vormittag gern allein – er bastelte irgendetwas, reparierte alle möglichen Kleinigkeiten und arbeitete an Bens neuem Baumhaus im hinteren Garten. Später wollten sie gemeinsam den Weihnachtsbaum schmücken. Ganz allmählich gewöhnte sie sich an seine Vorlieben und Launen, sie verstand die unausgesprochenen Signale, die ihr zeigten, wer er war. Mit seinen guten und seinen schlechten Seiten, mit allen Stärken und Schwächen – er war für immer der Ihre.
Als sie in die Einfahrt bog, sah sie Logan die Verandastufen herunterkommen und winkte ihm zu.
Ja, er war der Ihre, und sie war für immer die Seine – so unvollkommen sie auch sein mochte. Er muss mich nehmen, wie ich bin, dachte sie.
Logan kam auf sie zu. Er lächelte, als könnte er ihre Gedanken lesen, und breitete zärtlich die Arme aus.
Er hatte sie nicht kommen hören, und aus der Nähe gefielen ihm die beiden auch nicht besser als von weitem. Vor allem der Hund war ihm unsympathisch. Deputy Keith Clayton, Beamter im Sheriff’s Department, mochte keine deutschen Schäferhunde, auch wenn sie noch so friedlich aussahen. Und dieser hier erinnerte ihn an Panther, den Begleiter von Deputy Kenny Moore, der blitzschnell losschoss und jeden Verdächtigen in den Schritt biss, wenn man ihn auch nur andeutungsweise dazu aufforderte. Eigentlich fand Clayton seinen Kollegen Moore völlig verrückt, aber er war der Einzige in der Abteilung, den er tendenziell als Freund betrachtete. Und diese Geschichten, wie Panther die Leute attackierte, erzählte Moore wirklich witzig, so dass sich alle immer bogen vor Lachen. Garantiert hätte Moore die kleine Nacktbadeparty, die Clayton soeben aufgestöbert hatte, auch sehr gut gefallen. Zuerst hatte er unten am Fluss aus der Ferne zwei Studentinnen dabei ertappt, wie sie sich unverhüllt von der Morgensonne bräunen ließen. Er machte natürlich gleich ein paar Schnappschüsse von ihnen – aber da tauchte plötzlich hinter einem Hortensienstrauch ein drittes Mädchen auf. Hektisch warf er die Kamera ins Gebüsch und kam hinter seinem Baum hervor. Eine Sekunde später stand er vor der Studentin.
»Na, was haben wir denn hier?«, fragte er mit dickem Südstaatenakzent, um sie möglichst gleich in die Defensive zu drängen.
Es ärgerte ihn, dass er beim Fotografieren überrascht worden war, und mit seiner lahmen Begrüßungsformel war er auch nicht zufrieden. Normalerweise trat er in solchen Situationen souveräner auf. Wesentlich souveräner sogar. Zum Glück war das Mädchen viel zu eingeschüchtert, um seine Unsicherheit zu registrieren. Sie hüpfte ein paar Schritte rückwärts und wäre dabei fast gestolpert. Hilflos stammelnd versuchte sie, sich mit den Händen zu bedecken. Es sah aus, als würde ein kleines Kind versuchen, ganz allein Twister zu spielen.
Clayton grinste breit und tat so, als merkte er gar nicht, dass sie splitternackt war. Oder als würde er jeden Tag im Wald unbekleideten jungen Damen begegnen. Seine Nervosität war verflogen, weil sie offensichtlich seine Kamera nicht gesehen hatte.
»Nur keine Panik, wenn ich bitten darf. Aber können Sie mir vielleicht erklären, was hier los ist?«, fragte er.
Dabei wusste er ganz genau, was los war. Es passierte jeden Sommer ein paarmal, vor allem im August: Studentinnen von der Chapel Hill University oder der North Carolina State University in Raleigh fuhren für ein verlängertes Wochenende nach Emerald Isle ans Meer, ehe das Herbstsemester begann. Unterwegs machten sie einen kleinen Abstecher zu dem alten Waldweg, der früher zur Holzabfuhr gedient hatte. Dieser Weg schlängelte sich knapp zwei Kilometer durch den National Forest, bis zu der Stelle, wo der Swan Creek eine scharfe Biegung in Richtung South River machte. Dort gab es einen hübschen kleinen Kiesstrand, und jeder wusste, dass man da ungestört nackt baden konnte.
Clayton hatte keine Ahnung, wie diese Tradition entstanden war. Aber er hatte sich angewöhnt, öfter mal dort vorbeizufahren, immer in der Hoffnung, einen Glückstreffer zu landen, so wie heute. Vor sechs Wochen hatte er sechs entblößte Mädels aufgespürt, jetzt waren es immerhin drei. Die beiden, die bisher auf ihren Handtüchern gedöst hatten, tasteten hastig nach ihren T-Shirts. Die eine war etwas zu mollig für seinen Geschmack, aber die beiden anderen – auch die Brünette, die vor ihm stand – hatten eine Figur, die jeden männlichen Kommilitonen um den Verstand bringen konnte. Und jeden Polizeibeamten.
»Wir wussten nicht, dass Leute hierherkommen. Wir haben gedacht, das darf man hier.«
Sie machte so ein Unschuldsgesicht, dass er automatisch dachte: Na, Daddy wäre bestimmt superstolz, wenn er wüsste, was sein kleines Töchterchen hier anstellt. Er malte sich aus, wie erschrocken sie auf diesen Satz reagieren würde, aber weil er Uniform trug, musste er leider etwas Seriöses von sich geben. Außerdem durfte er auf keinen Fall zu weit gehen. Wenn es sich herumsprach, dass hier in der Gegend Polizei patrouillierte, kamen bald keine Studentinnen mehr, und das wäre doch sehr schade.
»Kommen Sie mit. Ich würde gern auch mit Ihren Freundinnen sprechen.«
Er folgte ihr hinunter zum Kiesstrand und beobachtete dabei belustigt, wie sie vergeblich versuchte, ihre Rückseite zu schützen. Sehr niedlich. Als sie die Lichtung beim Fluss erreichten, hatten die beiden anderen Mädchen bereits ihre T-Shirts angezogen. Die Brünette hopste schnell zu ihnen, schnappte sich ein Handtuch und warf dabei ein paar Bierdosen um. Clayton deutete auf einen Baum in der Nähe.
»Habt ihr das Schild hier nicht gesehen?«
Wie auf Kommando schauten drei Augenpaare in die angegebene Richtung. Die Menschen sind Schafe und warten nur auf den nächsten Befehl, dachte Clayton. Das Schild war klein und teilweise durch die niedrigen Zweige einer alten immergrünen Eiche verdeckt. Auf Anordnung von Richter Kendrick Clayton war es dort aufgehängt worden. Dieser Richter war, nebenbei bemerkt, Keiths Onkel, und der Vorschlag, hier so einen Hinweis anzubringen, stammte von Keith Clayton selbst – er wusste nämlich, dass ein offizielles Verbot die Anziehungskraft des Ortes nur noch steigern würde.
»Nein, das haben wir gar nicht bemerkt!«, rief die Brünette entsetzt, während sie sich in ihr Handtuch wickelte. »Wir hatten keine Ahnung. Uns hat erst vor ein paar Tagen jemand von diesem Strand erzählt!« Die anderen beiden waren so verängstigt, dass sie kein Wort herausbrachten und sich nur stumm bemühten, irgendwie in ihre Bikini-Unterteile zu kommen. Aber das dritte Mädchen redete tapfer weiter. »Wir sind heute wirklich zum allerersten Mal hier!«
Sie klang, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. Typisch für so eine verwöhnte höhere Tochter. Bestimmt gehörten sie alle drei in diese Kategorie. Man sah es ihnen irgendwie an.
»Wusstet ihr, dass öffentliche Nacktheit hierzulande ein kriminelles Vergehen ist?«
Er sah, wie die drei Grazien erblassten. Bestimmt hatten sie Angst, diese Übertretung des Gesetzes würde als Aktennotiz in ihrem polizeilichen Führungszeugnis auftauchen. Ein Bild für die Götter, diese Mädels. Aber er musste wirklich vorsichtig sein und durfte auf keinen Fall seine Strenge übertreiben.
»Wie heißt ihr?«
»Ich heiße Amy«, sagte das Mädchen mit den braunen Haaren und schluckte. »Amy White.«
»Und woher kommt ihr?«
»Ich komme aus Chapel Hill. Das heißt, eigentlich aus Charlotte.«
»Ich sehe, dass hier alkoholische Getränke herumstehen. Dürft ihr überhaupt schon Alkohol trinken? Seid ihr schon einundzwanzig?«
Endlich zeigten auch die anderen beiden eine Reaktion. »Jawohl, Sir«, antworteten alle drei im Chor.
»Okay, Amy. Ich sage euch jetzt, was ich tun werde. Dass ihr das Schild nicht gesehen habt, glaube ich euch. Und auch, dass ihr berechtigt seid, Alkohol zu trinken. Deshalb bin ich bereit, ein Auge zuzudrücken und keine Staatsaktion daraus zu machen. Ich werde so tun, als wäre ich nie hier gewesen. Im Gegenzug müsst ihr mir allerdings versprechen, dass ihr nicht zu meinem Vorgesetzten rennt und ihm erzählt, ich hätte euch ohne Strafe laufen lassen.«
Die Mädchen wussten nicht recht, ob sie ihm trauen sollten.
»Ehrlich?«, flüsterte Amy.
»Ehrlich«, wiederholte er. »Ich war schließlich auch mal auf dem College.« Das stimmte zwar nicht, aber es klang gut, fand er. »Und wenn ihr euch jetzt bitte anziehen würdet … Man weiß ja nie, wer sonst noch durchs Gebüsch schleicht.« Er grinste vielsagend. »Und, bitte, entsorgt sämtliche Bierdosen, verstanden?«
»Jawohl, Sir.«
»Sehr gut.« Er wandte sich zum Gehen.
»War’s das?«, rief Amy verdutzt.
Clayton drehte sich um und grinste wieder. »Ja, das war’s. Und passt gut auf euch auf.«
Durchs Unterholz machte er sich auf den Weg zurück zu seinem Streifenwagen. Immer wieder musste er sich wegen der niedrigen Zweige ducken. Er hatte seine Sache gut gemacht, fand er. Sehr gut sogar. Und Amy hatte ihm am Schluss noch zugelächelt! Kurz spielte er mit dem Gedanken, ob er nicht umdrehen und sie um ihre Telefonnummer bitten sollte. Nein, befand er dann, es war besser, es bei dieser Begegnung zu belassen. Höchstwahrscheinlich erzählten die drei ihren Freundinnen, der Sheriff habe sie zwar beim Nacktbaden erwischt, aber es sei nichts Schlimmes passiert. Es würde sich herumsprechen, dass die Polizeibeamten in dieser Gegend cool waren. Und hoffentlich hatte er ein paar knackige Aufnahmen hinbekommen, als hübsche Ergänzung zu seiner bisherigen Sammlung.
Als er gerade die Kamera aus dem Gebüsch holen wollte, hörte er ein Pfeifen. Er folgte dem Geräusch bis zu der ehemaligen Holzzufahrt. Dort entdeckte er einen unbekannten Mann, der langsam den Weg entlangging. Mit Hund. Der Typ erinnerte ihn an die Hippies aus den sechziger Jahren.
Auf jeden Fall gehörte er nicht zu den Mädchen. Erstens war er zu alt fürs College – mindestens Ende zwanzig. Mit seinen langen Haaren würde er auch nicht zu den höheren Töchtern passen, oder? Auf dem Rücken trug er einen schweren Rucksack, an den unten ein Schlafsack geschnallt war. Dieser Mann wollte nicht für einen Tag zum Strand, nein, er wirkte wie jemand, der eine richtige Wanderung machte. Vermutlich mit Camping. Wie lange war er schon hier? Hatte er etwas gesehen?
Hatte er – zum Beispiel – mitbekommen, wie Clayton fotografierte?
Nein, das war völlig unmöglich. Vom Weg aus konnte man nichts sehen, weil das Unterholz viel zu dicht war, und wenn jemand durch den Wald gegangen wäre, hätte Clayton das gehört. Unter Garantie. Trotzdem erschien es ihm eigenartig, dass er in dieser Gegend einem Wanderer begegnete. Hier gab es keine Touristenattraktionen, man befand sich mitten im Nichts. Und Clayton wollte mit allen Mitteln verhindern, dass irgendwelche blöden Hippies den Studentinnen das Strandleben vermiesten.
Inzwischen war der Fremde an ihm vorbeigegangen. Er näherte sich dem Streifenwagen und dem Jeep, in dem die Mädchen gekommen waren. Clayton trat auf den Waldweg und räusperte sich. Der Fremde und sein Hund drehten sich um.
Aus der Distanz versuchte der Deputy, sie einzuschätzen. Der Mann schien nicht besonders beeindruckt von seinem plötzlichen Erscheinen. Der Hund auch nicht. Im Blick des Fremden lag etwas, was Clayton durcheinanderbrachte. Es war fast so, als hätten er und sein Begleiter ihn bereits erwartet. Der Hund wirkte verschlossen, intelligent und gleichzeitig extrem wachsam – genau wie Panther, bevor Kenny Moore ihn losließ. Claytons Magen krampfte sich zusammen. Am liebsten hätte er seinen Intimbereich mit den Händen bedeckt, aber er beherrschte sich.
Eine ganze Weile starrten Clayton und der Fremde einander an. Der Deputy wusste natürlich, dass seine Uniform die Leute in der Regel verunsicherte. Auch wenn sie gar nichts verbrochen hatten. Jeder wurde unruhig in Gegenwart eines Gesetzeshüters, und Clayton ging davon aus, dass dieser Typ da keine Ausnahme bildete. Die einschüchternde Wirkung seiner Berufsbekleidung war schließlich einer der Gründe, warum er schon als Kind gern Polizist werden wollte.
»Haben Sie eine Leine für Ihren Hund?«, rief er. Es sollte wie ein Befehl klingen, nicht wie eine Frage.
»In meinem Rucksack.«
Clayton konnte in der Aussprache des Mannes keinen regionalen Akzent ausmachen. Er redet Englisch wie Johnny Carson, hätte seine Mutter gesagt, weil ja so ein Talkmaster im Fernsehen keinen Akzent haben durfte. »Nehmen Sie ihn an die Leine.«
»Keine Sorge. Er rührt sich nicht, wenn ich es nicht sage.«
»Trotzdem.«
Der Fremde nahm seinen Rucksack ab und wühlte darin herum. Clayton reckte den Hals in der Hoffnung, vielleicht etwas zu erspähen, was nach Drogen oder nach einer Waffe aussah. Gleich darauf war der Hund angeleint, und der Mann musterte den Deputy mit einem Gesichtsausdruck, der zu fragen schien: Und was jetzt?
»Was machen Sie hier?«, fragte Clayton.
»Wandern.«
»Ihr Rucksack ist ganz schön groß für eine einfache Wanderung.«
Der Fremde reagierte nicht.
»Oder sind Sie vielleicht nur herumgeschlichen, weil Sie dachten, es gibt hier was zu sehen?«
»Tun das die Leute hier?«
Weder der Tonfall noch die versteckte Andeutung in diesem Satz gefiel Clayton. »Ich möchte Ihren Ausweis sehen.«
Wieder nahm der Mann den Rucksack ab und holte gehorsam seinen Pass heraus. Mit der flachen Hand gab er dem Hund zu verstehen, er solle sitzen bleiben, während er auf Clayton zuging, um ihm den Pass zu zeigen.
»Sie haben Ihren Führerschein nicht dabei?« Normalerweise trug niemand seinen Pass mit sich herum, weil der Führerschein als Ausweis genügte.
»Ich besitze keinen.«
Clayton studierte den Namen, formte ihn mit den Lippen. »Logan Thibault?«
Der Fremde nickte.
»Woher kommen Sie?«
»Aus Colorado.«
»Ganz schön weit weg von hier.«
Schweigen.
»Haben Sie ein bestimmtes Ziel?«
»Ich bin unterwegs nach Arden.«
»Was ist in Arden?«
»Kann ich Ihnen leider nicht sagen. Ich war noch nie dort.«
Clayton runzelte die Stirn. Die Antwort fand er frech. Fast schon unverschämt. Jedenfalls passte sie ihm nicht. Überhaupt konnte er den Kerl nicht ausstehen. »Warten Sie einen Moment«, sagte er. »Sie haben doch sicher nichts dagegen, wenn ich die Daten überprüfe.«
»Bitte – gern.«
Als Clayton zu seinem Wagen ging, schaute er kurz über die Schulter und sah, dass Thibault eine kleine Schüssel aus seinem Rucksack holte und sie mit Wasser aus einer Flasche füllte. Er wirkte völlig unbekümmert. Als wäre ihm alles egal.
Wir werden schon was finden, Freundchen! In seinem Streifenwagen nahm Clayton Funkkontakt mit der Zentrale auf, gab den Namen durch und buchstabierte ihn. Die Frau in der Zentrale unterbrach ihn.
»Das spricht man Ti-bo aus. Ist französisch.«
»Die Aussprache interessiert mich nicht. Ti-bo! Mir doch egal. Ich spreche ihn amerikanisch aus. Thai-bolt.«
»Ich wollte nur –«
»Ist schon gut, Marge. Du sollst die Daten überprüfen.«
»Sieht er aus wie ein Franzose?«
»Woher zum Teufel soll ich wissen, wie ein Franzose aussieht?«
»Ich frag doch bloß. Reg dich nicht gleich so auf. Wir haben hier viel Stress.«
Ja, klar, dachte Clayton. Vor allem müsst ihr Donuts futtern. Im Lauf eines Arbeitstages verdrückte Marge mindestens ein Dutzend Krispy Kremes. Sie wog sicher hundertfünfzig Kilo, wenn nicht mehr.
Durchs Wagenfenster sah er, dass der Fremde neben seinem Hund kauerte und ihm etwas zuflüsterte, während dieser das Wasser schlabberte. Clayton schüttelte den Kopf. Wie konnte man nur mit Tieren reden! So was machten doch ausschließlich Spinner. Als würde der Hund irgendetwas verstehen außer den Grundkommandos. Seine Exfrau quasselte auch immer auf ihre Hunde ein und behandelte sie wie Menschen. Eigentlich hätte er daran schon anfangs merken müssen, dass es keinen Sinn mit ihr hatte. Dann wäre ihm viel Ärger erspart geblieben.
»Ich kann nichts finden«, hörte er Marge sagen. Sie klang, als würde sie etwas kauen. »Soweit ich das sehe, gibt es keine ausstehenden Haftbefehle.«
»Bist du dir da ganz sicher?«
»Natürlich! Ich verstehe was von meinem Job.«
Es war, als hätte der Fremde das Gespräch mitgehört. Jedenfalls richtete er sich auf, packte die Schüssel wieder ein und schulterte den Rucksack.
»Sind auch keine Anrufe eingegangen? Über Leute, die herumstreunen oder so?«
»Nein, heute Morgen ist das Telefon ruhig. Wo steckst du überhaupt? Dein Dad hat dich schon gesucht.«
Claytons Dad war der Sheriff.
»Sag ihm, ich bin gleich da.«
»Er ist ziemlich sauer.«
»Dann richte ihm aus, dass ich auf Patrouille bin, okay?«
Damit er weiß, ich arbeite, hätte er am liebsten hinzugefügt, ließ es aber bleiben.
»Wird gemacht.«
Schon besser.
»Ich muss los.«
Er hängte das Funkgerät wieder ein, blieb aber noch einen Moment sitzen. Schade eigentlich. Es hätte Spaß gemacht, den Typen in eine Zelle zu sperren, mit seiner Mädchenfrisur und allem. Die Brüder Landry hätten sich garantiert blendend mit ihm amüsiert. Sie waren samstagabends sozusagen Stammgäste: wegen Trunkenheit, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, wegen Schlägereien – meistens verprügelten sie sich gegenseitig. Außer wenn sie eingelocht waren. Dann suchten sie sich andere Opfer.
Clayton legte die Hand auf den Türgriff. Und warum war sein Dad diesmal sauer? Der alte Herr ging ihm auf die Nerven. Tu dies. Tu das. Hast du die Unterlagen schon bearbeitet? Warum bist du so spät dran? Wenn sein Vater loslegte, hätte Clayton immer am liebsten klargestellt, dass ihn das nichts anging und er sich um seinen eigenen Kram kümmern sollte. Aber der Alte bildete sich ein, er hätte bei ihm noch das Sagen.
Na, egal. Früher oder später würde er es schon kapieren. Und Clayton musste erst mal den Hippie loswerden, bevor die Mädchen kamen. In diesem Wald sollten sich die Menschen wohlfühlen. Versiffte Wanderer konnten alles kaputt machen.
Clayton stieg aus, knallte die Tür hinter sich zu. Der Hund legte den Kopf schief, als der Deputy näher kam und Thibault den Pass hinhielt. »Entschuldigen Sie die Verzögerung, Mr Thai-bolt.« Diesmal sprach er den Namen absichtlich falsch aus. »Ich habe nur meine Pflicht getan. Oder haben Sie etwa Drogen und Waffen in Ihrem Rucksack?«
»Habe ich nicht.«
»Könnte ich mal selbst nachsehen?«
»Lieber nicht. Sie wissen doch – der vierte Zusatzartikel zur Verfassung und so.«
Nicht zu fassen! Jetzt belehrte dieser Vollidiot ihn auch noch indirekt, dass es im amerikanischen Rechtssystem so etwas wie einen Schutz der Privatsphäre gab!
»Ich sehe, Sie haben einen Schlafsack dabei. Zelten Sie irgendwo?«
»Gestern Abend war ich in Burke County.«
Clayton musterte den Mann eingehend, während er über die Antwort nachdachte.
»Hier in der Gegend gibt es keine Campingplätze.«
Der Fremde schwieg.
Nun war Clayton derjenige, der den Blick abwandte. »Sie sollten den Hund besser an der Leine lassen.«
»Soviel ich weiß, gibt es in diesem Bezirk keinen Leinenzwang.«
»Stimmt. Ich meine ja nur – damit Ihr Hund nicht in Gefahr gerät. Auf der Hauptstraße ist viel Verkehr.«
»Ich werde aufpassen.«
»Gut.« Clayton wollte gehen, überlegte es sich aber anders. »Nur noch eine Frage – wie lange sind Sie schon hier unterwegs?«
»Ich bin gerade den Waldweg hochgekommen. Warum fragen Sie?«
Der Ton, in dem er antwortete, irritierte Clayton. Er zögerte für einen Moment. Aber nein – der Typ konnte ihn unmöglich beim Fotografieren beobachtet haben. »Nur so.«
»Kann ich jetzt los?«
»Ja. Klar.«
Clayton schaute ihm nach. Herr und Hund gingen weiter die Straße entlang. Sobald sie außer Sichtweite waren, ging Clayton zurück zu dem Gebüsch, um die Kamera zu holen. Er fasste zielstrebig zwischen die Zweige. Nichts. Das konnte doch nicht wahr sein! Um sich zu vergewissern, dass er sich an der richtigen Stelle befand, ging er ein paar Schritte zurück. Schließlich kniete er nieder und suchte den Boden ab. Er geriet in Panik. Die Kamera gehörte dem Sheriff’s Department. Er hatte sie sich nur geborgt, speziell für diese Unternehmung. Sein Dad löcherte ihn bestimmt mit tausend Fragen, wenn sich herausstellte, dass sie nicht mehr da war. Noch schlimmer würde er natürlich ausrasten, wenn festgestellt wurde, dass auf der Speicherkarte lauter Nacktfotos waren. In puncto Verhaltenskodex konnte sein Vater fürchterlich pedantisch sein.
Inzwischen waren mindestens fünf Minuten vergangen. Clayton hörte das Aufheulen eines Motors. Wahrscheinlich fuhren die Studentinnen weg. Was hatten sie wohl gedacht, als sie seinen Streifenwagen noch dastehen sahen? Aber darüber durfte er sich keine Gedanken machen. Im Moment hatte er andere Probleme.
Die Kamera war weg.
Verloren hatte er sie nicht. Sie war weg. Und das verdammte Ding konnte sich ja nicht ohne fremde Hilfe aus dem Staub gemacht haben. Steckten vielleicht die Mädchen dahinter? Nein, das war unmöglich. Das bedeutete, dass dieser Thai-bolt ihn reingelegt hatte. Nicht zu fassen. Der Typ hatte ihn an der Nase herumgeführt. Ihn, Keith Clayton! Ihm war ja gleich aufgefallen, dass sich dieser Mann merkwürdig benahm, so nach dem Motto: Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast.
Aber damit kam er nicht durch. Gegen Keith Clayton war so ein blöder, stinkender Hippie, der sich mit seinem Hund unterhielt, machtlos. Gegen Clayton konnte er sich nicht behaupten. Jedenfalls nicht in diesem Leben.
Er musste zurück zu seinem Wagen. Vielleicht konnte er Logan Thai-bolt noch einholen und ihn sich gleich vorknöpfen. Aber das wäre erst der Anfang. Die Sache würde ein Nachspiel haben. Jemand wagte es, sich mit ihm anzulegen? Tja, Pech gehabt. Und der Hund? Kein Problem. Ach, das arme Tier verliert die Nerven? Na, dann tschüss, Hundilein. So einfach war das. Deutsche Schäferhunde waren Waffen – mit dieser Begründung kam man vor jedem Gericht im Staat durch. Garantiert.
Oberste Priorität: Thibault finden. Dann: Kamera an sich nehmen. Die weiteren Maßnahmen musste er sich danach überlegen.
Erst als er vor seinem Streifenwagen stand, stellte er fest, dass beide Hinterreifen platt waren.
 
»Wie heißen Sie noch mal?«
Thibault beugte sich näher zu ihr. Er musste fast schreien, um gegen den Wind im Jeep anzukommen, damit das Mädchen ihn verstand. »Logan Thibault.« Mit dem Daumen deutete er nach hinten. »Und das da ist Zeus.«
Zeus hockte dort, mit hechelnder Zunge, die Nase im Wind, während sich der Wagen dem Highway näherte.
»Schöner Hund. Ich heiße Amy. Und das sind Jennifer und Lori.«
Thibault drehte sich zu den beiden. »Hi.«
»Hallo.«
Sie wirkten alle drei etwas konfus. Kein Wunder, dachte Thibault, nach allem, was sie gerade durchgemacht haben. »Ich finde es sehr nett, dass ihr mich mitnehmt.«
»Das machen wir doch gern. Habe ich Sie richtig verstanden – Sie wollen nach Hampton?«
»Wenn es nicht zu weit ist.«
»Es liegt direkt an der Strecke.«
Thibault hatte, als sich ihm der Jeep von hinten näherte, spontan den Daumen rausgestreckt. Nur gut, dass Zeus bei ihm war! Jedenfalls hielten die Studentinnen sofort an.
Manchmal klappte einfach alles.
 
Obwohl er es nicht zugab, hatte er die drei gesehen, wie sie am Morgen hierhergekommen waren – er hatte auf dem kleinen Hügel gleich beim Strand übernachtet. Aber als sie begannen, sich auszuziehen, hatte er sich zurückgezogen. Seiner Meinung nach gehörte das, was sie taten, in die Rubrik »Tut keinem weh«. Außer ihm war niemand da, und er selbst hatte nicht die geringsten voyeuristischen Neigungen. Wen interessierte es schon, ob die Mädchen nackt herumrannten oder ob sie alberne Kostüme anzogen? Es ging ihn nichts an, und eigentlich hatte er auch nicht vorgehabt, sich einzumischen – bis er sah, dass der Deputy in einem Streifenwagen des Sheriff’s Departments von Hampton County angefahren kam.
Er konnte den Polizeibeamten durch die Windschutzscheibe gut sehen und ahnte instinktiv, dass hier etwas nicht stimmte. Das merkte man auf den ersten Blick. Was es genau war, konnte er natürlich nicht sagen, aber er überlegte nicht lange, sondern schlug sich in die Büsche, um die Situation im Auge zu behalten. Da sah er, wie der Deputy die Speicherkarte seiner Kamera überprüfte, ganz leise die Tür seines Streifenwagens hinter sich schloss und dann zu dem kleinen Hügel beim Strand schlich. Natürlich konnte es sein, dass er offiziell ermittelte. Aber er machte ein Gesicht wie Zeus, wenn er sich auf ein Leckerli freute. Ein bisschen zu viel gierige Vorfreude im Blick.
Thibault befahl Zeus, zurückzubleiben und zu warten. Er musste aufpassen, dass der Deputy ihn nicht hörte. Der Rest ergab sich von ganz allein. Eine direkte Konfrontation brachte nichts, das wusste er – der Deputy würde behaupten, er sammle Beweismaterial, und seine Aussage hätte viel mehr Gewicht gehabt als die Spekulationen eines Fremden. Ihn körperlich anzugreifen, kam ebenfalls nicht infrage, weil ihm das nur Probleme einbringen würde. Dabei wäre er diesem Polizisten für sein Leben gern kräftig auf die Zehen getreten! Zum Glück – oder bedauerlicherweise, je nach Blickwinkel – tauchte dann das dritte Mädchen auf, der Deputy verlor die Nerven, und Thibault sah, wo er die Kamera hinwarf. Nachdem der Bulle und das Mädchen zu den anderen beiden gegangen waren, holte sich Thibault die Kamera. Er hätte danach spurlos verschwinden können, aber er fand, dass man diesem Mistkerl eine Lektion erteilen sollte. Keine Riesenlektion, nur eine kleine, die aber genügte, um zu verhindern, dass er die Mädchen weiter belästigte. Dann konnte Thibault beruhigt weiterziehen, und dem Deputy war die Laune für den Tag vermasselt. Also lief Thibault rasch zurück und durchstach die Reifen des Polizeiautos. »Ach, da fällt mir ein –«, begann er jetzt. »Ich habe im Wald eine Kamera gefunden.«
»Mir gehört sie nicht. Lori, Jen – hat eine von euch eine Kamera verloren?«
Beide schüttelten den Kopf.
»Ich lasse sie euch trotzdem hier.« Thibault legte den Fotoapparat neben sich auf den Sitz. »Ich habe selbst eine.«
»Die sieht aber ziemlich teuer aus.«
»Ich brauche sie nicht.«
»Vielen Dank.«
Thibault betrachtete Amys Gesicht, das Spiel der Schatten auf ihren Zügen. Sie war sehr attraktiv, mit klaren Gesichtszügen, olivfarbener Haut und braunen Augen mit hellen Punkten. Stundenlang hätte er sie anschauen können.
»Hey … haben Sie fürs Wochenende schon was geplant?« , fragte Amy. »Wir fahren ans Meer.«
»Danke für die Einladung, aber ich kann leider nicht.«
»Sie sind garantiert mit Ihrer Freundin verabredet, stimmt’s?«
»Wie kommen Sie auf die Idee?«
»Das merkt man Ihnen an.«
Er zwang sich, den Blick abzuwenden. »Ja, so was Ähnliches habe ich vor.«