Nr. 25
Menschenjagd auf Lepso
Ein Todeskandidat als Schlüsselfigur – die USO-Spezialisten jagen einen Springer
von Dirk Hess
Seit Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon alias Rabal Tradino ihren großen Bluff mit dem so genannten »Halbraumspürer-Absorber« starteten und sich in die Gewalt der Condos Vasac begaben, um ihre Kollegen Monty Stuep und Kamla Romo zu retten, haben die beiden Spezialisten der USO kaum eine Verschnaufpause gehabt. Auch jetzt, Anfang April des Jahres 2408, nach einer gestellten Gerichtsverhandlung auf Terra, werden die beiden Asse der USO erneut in Anspruch genommen. Lordadmiral Atlan erteilt ihnen neue Einsatzbefehle.
Der Generalplan der USO, die geheimnisvollen Machthaber der Condos Vasac zu finden und auszuschalten, soll weiter verfolgt werden. Und dazu ist es notwendig, dass Tekener und Kennon mit der MARS QUEEN die Freihandelswelt Lepso anfliegen und Kontakt mit dem dortigen CV-Chef aufnehmen, der mittlerweile über Tekeners und Kennons wahre Identität informiert und quasi zum Verbündeten der USO geworden ist. Kurz nach Erreichen des neuen Einsatzzieles kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall. Ein Springerschiff landet – und es beginnt die MENSCHENJAGD AUF LEPSO ...
Atlan – Lordadmiral und Befehlshaber der USO.
Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon – Die USO-Spezialisten jagen einen Menschen.
Olac Kretsta – Kommandant eines Seuchenschiffs.
Ehret Jammun – Chef des »Staatlichen Wohlfahrtsdienstes« von Lepso.
Tschen Bahark – CV-Chef auf Lepso.
Haahl-A1 – Tekeners und Kennons Kontaktmann auf Lepso.
»... Es war bisher nicht möglich, Genaueres über die geheimen Machthaber der Condos Vasac zu erfahren. Woher kommen sie? Sind es Wesen aus einer anderen Galaxis? Wir wissen es nicht! Wir kennen nur ihre Strategie, die sich durch besondere Kompromisslosigkeit auszeichnet. Wir haben am eigenen Leib gespürt, dass wir auf dem Verhandlungsweg überhaupt nichts erreichen können. Reginald Bull pflegt in solchen Situationen zu sagen: Meine Herren, ebenso gut könnten wir versuchen, einen Pudding an den nächsten Baum zu nageln! Ich muss Ihnen den Auftrag geben, die geheime Lenkzentrale der Condos Vasac ausfindig zu machen und die Fremden zu töten ...«
Lordadmiral Atlan bei der Befehlserteilung.
Gedächtnisprotokoll Ronald Tekener,
aktiver USO-Spezialist im Einsatz. 27. März 2408, Standardzeit.
1.
»Du musst seinen Eifer dämpfen, Tek!«, flüsterte der Blonde hinter seiner vorgehaltenen Hand. Sein Begleiter nickte und ging mit großen Schritten auf den Bärtigen zu.
Die Beleuchtung des Hafenkasinos flackerte, als in fünf Kilometer Entfernung ein anderthalbtausend Meter durchmessender Gigant startete.
»Reikin!«, sagte der pockennarbige Terraner. »Sie sollten jetzt Schluss machen. Wollen Sie etwa, dass wir noch vor dem Start Schwierigkeiten bekommen?«
Die Bewegungen des Mannes wirkten eckig. Fast schien es, als würde er die Kontrolle über seinen Körper verlieren. Die Augen wirkten stumpf und glanzlos. Sein bärtiges Kinn zitterte, als Speichel aus seinem Mund lief.
»Kommen Sie, Reikin!«
»La ... lassen Sie mich!«, stammelte der Berauschte und versuchte, dem Griff des Mannes zu entgehen.
Also doch, stellte der Terraner fest, als er den mageren Arm des Mannes herumdrehte. Gelbliche Schatten hatten sich dort gebildet, wo der Süchtige seinen Arm mit dem Gürtel abgeschnürt hatte, um die Adern stärker heraustreten zu lassen.
Riozin-Injektionen waren im Augenblick sehr verbreitet. Die Süchtigen vergaßen jedoch, dass der Genuss dieser Droge in kurzer Zeit zum völligen Verfall führte.
»Nehmen Sie sich zusammen!« Der Narbige schüttelte den hohlwangigen Mann, der noch vor einem Jahr ein fähiger Ingenieur gewesen war. Bei einem Aufenthalt auf Lepso hatte er zum ersten Mal Rauschgift genommen. Er hatte in dem staatlichen Spielkasino von Orbana alles verloren, was er besessen hatte. Die Drogen sollten ihm das Vergessen erleichtern. Jetzt, wo ihn kein anderer mehr anheuerte, hatte er auf der MARS QUEEN eine letzte Chance bekommen. Der Eigner des Schiffes, ein gewisser Rabal Tradino – das Pseudonym des Halbroboters Sinclair Marout Kennon – hatte die sechzig Mann starke Besatzung aus zwielichtigen Gestalten rekrutiert. Bis auf den Kommandanten und den Ersten Offizier war niemand in die Rolle der Spezialisten eingeweiht.
Obwohl jeder Mann der MARS QUEEN ein Könner auf seinem Gebiet war, hatte jeder mit dem Gesetz Schwierigkeiten. Strandgut der galaktischen Superzivilisation, pflegte Hyk Grato sarkastisch zu sagen, wenn sie auf Terrania Space Port Unannehmlichkeiten hatten.
Kennon eilte zu seinem Freund. Die Männer an der Bar wurden unruhig.
»Wie viel sind es?«
»Fünf Knochenbrecher!«
Der Narbige lächelte. Sein Freund benutzte die Ausdrücke, die von den Raumfahrern gehört werden wollten. Die abfällige Bemerkung über die Hafenpolizei gehörte zum Jargon jedes Skippers, der etwas auf sich hielt. Jeder von ihnen hatte schon einmal gegen die bestehenden Zollgesetze verstoßen und Drogen einzuschmuggeln versucht.
Und dann kamen die Knochenbrecher!
Sie trugen Neurogeißeln an den breiten Instrumentengürteln und schlenderten an der langen Bar des Kasinos entlang.
In diesem Augenblick begann der Ingenieur der MARS QUEEN zu singen. Er wusste nicht mehr, was um ihn herum vor sich ging. Mit schlafwandlerischer Sicherheit torkelte er zwischen den Tischreihen hindurch und blieb vor den Polizisten stehen.
»Ihre Papiere, Mister!«, herrschte ihn ein Beamter an.
Die Uniformierten hatten die Aufgabe, in den Kasinoräumen des Handelsraumhafens für Ordnung zu sorgen. Noch hatte sich der Berauschte keines Vergehens schuldig gemacht. Trotzdem störte er den Ordnungssinn der Polizisten.
»Ihre Papiere! Aber schnell!«
Die Beamten wurden nervös. Der Süchtige dachte nicht daran, ihrer Aufforderung Folge zu leisten. Wenn sie sich vor den anderen Raumfahrern keine Blöße geben wollten, mussten sie sich durchsetzen.
In diesem Augenblick mischte sich der schwarzhaarige Terraner ein. Er konnte es sich nicht leisten, kurz vor dem Start einen Mann zu verlieren.
»Seit wann ist es verboten, Selbstverbraucher zu sein?«
Die Gesetzgebung unterschied zwischen Handel und Konsum von Rauschmitteln. Während der Handel schwer bestraft wurde, übte das Gesetz Nachsicht mit den Opfern, um ihnen die Resozialisierung zu erleichtern.
»Sie kennen sich in den Vorschriften gut aus!«, meinte einer der Hafenbeamten und spielte lässig mit der Neurogeißel. »Sie wissen sicher auch, dass der Besitz von Drogen strafbar ist! Ferner dürfte Ihnen bekannt sein, dass Sie sich hier auf solarem Territorium befinden!«
Der Terraner verzog sein Gesicht. Die Lashat-Pocken hatten seine Züge entstellt und verliehen ihm ein gefährliches Aussehen. Die Ordnungshüter mochten noch so sehr ihre Paragraphen zitieren, sie konnten ihm nicht gefährlich werden. Er hatte bereits andere Situationen überstanden. Zum Beispiel die Gerichtsverhandlung vor zwei Tagen.
»Dieser Kerl hat Rauschgift genommen, sonst befände er sich nicht in einem solchen Zustand!«, sagte der Polizist.
»Na, und?«
»Der Mann kann nur durch den Besitz einer größeren Menge Drogen in diesen Zustand gekommen sein. Oder wollen Sie das abstreiten?«
Der Beamte wollte Anklage wegen Vergehens gegen das Rauschmittelgesetz erheben.
Der Narbige sah gelangweilt auf seinen teuren Zeitgeber am linken Handgelenk. Die elektronischen Ziffern zeigten den 1. April 2408, 16 Uhr 20 Standardzeit an.
»Bevor Sie sich blamieren, meine Herren, empfehle ich Ihnen, sich über den wahren Sachverhalt zu informieren!«
»Was fällt Ihnen ein? Sie haben sich den terranischen Gesetzen zu beugen!«, brauste der Polizist auf.
Im Hintergrund des Kasinos leerten einige Raumfahrer die Gläser. Mit routinierten Bewegungen schnippten sie einige Münzen in die goldene Schale, in der die Barmädchen das Trinkgeld sammelten. Zielstrebig näherten sie sich den Polizisten, die wütend auf den Narbigen einredeten.
Reikin befand sich mittlerweile auf dem Höhepunkt seines »Trips«. Er stammelte unzusammenhängende Sätze. Er schien seine Umgebung nicht wahrzunehmen.
»Wir dürften bald Starterlaubnis bekommen, Chef!«
Kennon war ebenfalls zu den Beamten der Hafenpolizei gegangen und blickte zu den verwahrlost erscheinenden Raumfahrern hinüber.
»Wir sind bald fertig, Skipper! Mein Freund muss die Herren von der Hafenpolizei nur noch davon überzeugen, dass unser Ingenieur nicht gegen die terranischen Gesetze verstoßen hat. Geht schon voraus, wir kommen nach!«
Die Polizisten wurden unruhig. Hier stand mehr als nur ihr guter Ruf auf dem Spiel. Die bärtigen Raumfahrer waren gefährlich. Es lohnte sich nicht, mit ihnen Streit zu bekommen. Der Vorgesetzte der Beamten versuchte, sich zu arrangieren.
»Können Sie beweisen, dass Ihr Ingenieur nicht im Besitz von Drogen gewesen ist?«
Der hochgewachsene Terraner lächelte. Er wusste genau, was in dem Beamten vor sich ging.
»Sie sollten die Wirkung von Riozin-Injektionen kennen. Das Gift wirkt verhältnismäßig langsam. Erst nach fünf Stunden, genau gesagt! Dieser Mann ist seit einer Viertelstunde auf der Reise!«
»Wie lange sind die Raumfahrer im Kasino?«, fragte der Polizist das Barmädchen.
Die blauhaarige Ferronin dachte nach. Ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen, machte sie die gewünschten Angaben.
»Die Männer der MARS QUEEN sind seit zwei Stunden hier. Das Schiff ist um halb drei gelandet. Sie haben reichlich getrunken. Ich musste den Getränkeautomat gerade nachfüllen lassen!«
»Sehen Sie!«, begann der Beschützer des Süchtigen. »Ich hatte doch recht! Unser Ingenieur ist bereits mit der Injektion ins Kasino gekommen. Sie können ihn nicht festnehmen. Das Gesetz grenzt die Tatbestände genau ab. Der Bereich unseres Schiffes ist exterritoriales Gebiet. Meine Leute können dort tun und lassen, was sie wollen!«
Der Beamte presste die Lippen zusammen und schaltete seinen Sender aus, mit dem er eine Verbindung zur Polizeistation hergestellt hatte.
»Sie werden verstehen, dass ich Ihnen den Mann nicht überlassen kann. So leid es mir tut! Solange sein Körper noch nicht zerstört ist, wird er nämlich noch gebraucht!«
Die Männer der Hafenpolizei unterhielten sich leise miteinander. Sie konnten tatsächlich nichts unternehmen. Das Gesetz schützte den Süchtigen.
Inzwischen waren die anderen Raumfahrer aufgestanden und hatten ihre Getränke bezahlt. Der Zwischenfall wurde von ihnen mit einem belustigten Blick quittiert. Sie kannten ihren Chef.
Der Polizist räusperte sich.
»Das Gesetz ist in diesem Fall auf der Seite Ihres Ingenieurs. Aber trotzdem muss ich Ihre Identität überprüfen. Wie heißen Sie?«
Der schwarzhaarige Terraner lächelte. Hier würde ihn niemand mehr aufhalten. Im Gegenteil, die Beamten waren froh, ihn los zu sein. Der Auftritt hatte sein Image bestätigt, das er sich bei seinen Raumfahrern erworben hatte. Niemand kam auf den Gedanken, dass er einer der fähigsten Spezialisten der USO war.
»Wie heißen Sie?«
Lässig sagte er:
»Ich heiße Ronald Tekener!«
*
»Raumschiff MARS QUEEN, gehen Sie auf Automatikkurs. Leitstrahl WEGA-3203-HF steht zu Ihrer Verfügung. Wir wünschen Ihnen einen guten Start!«
Auf dem Bildschirm erschien das Landefeld. Geometrische Figuren eines Koordinatennetzes wurden eingeblendet. Der Leitstrahl übernahm die Steuerung.
Im Kommandosessel drehte sich der Epsaler herum. Sein Körper wirkte im Sitzen noch unförmiger als im Stehen. Hyk Grato war 1,62 Meter groß und breit. Niemand ahnte, dass dieser Koloss erstaunliche Fähigkeiten auf astronavigatorischem Gebiet besaß. Das Psycho-Team hätte sich keinen besseren Kommandanten wünschen können.
»Wir starten!«, bestätigte Grato.
Der Erste Offizier betätigte einige Kontrollknöpfe. Er war ebenfalls aktiver USO-Spezialist, dessen Haltung Gelassenheit und Ruhe ausstrahlte. Der baumlange Afroterraner war über Tekeners Order informiert. Seine dunklen Lippen verzogen sich zu einem erwartungsvollen Grinsen, als er die Lampen über dem Kontrollpult aufleuchten sah.
»Unsere Freunde sind auf dem Weg in die Zentrale, Hyk!«
Tekener und Kennon waren sofort nach dem Zwischenspiel im Hafenkasino mit einem Schweber zu den Startbahnen geeilt. Die Abflugformalitäten waren schnell erledigt worden. Sie waren froh, Terra verlassen zu können. Die Gerichtsverhandlung, die Atlan für sie inszeniert hatte, war unangenehm genug gewesen. Es war deshalb verständlich, dass die beiden Spezialisten so schnell wie möglich den Schauplatz ihrer unterbrochenen Untersuchungen aufsuchen wollten. Die Episode mit der Entdeckung der Transmit-Weiche hatte sie von ihrer eigentlichen Aufgabe abgelenkt. Die Abenteuer auf Cronot hatten zwar ein neues Verbrechen der Condos Vasac ans Tageslicht gebracht – doch ihrem Ziel, die Führung der galaktischen Verbrecherorganisation zu zerschlagen, waren sie nicht nähergekommen.
Jetzt waren sie unterwegs nach Lepso. Sie würden die Strecke von 8467 Lichtjahren in knapp fünf Tagen überwinden.
Atlans Befehl hatte lakonisch gelautet: Findet die geheime Lenkzentrale der Condos Vasac und tötet die fremden Wesen!
Die Männer des Psycho-Teams betraten die Zentrale des Schiffes. Kennon war wieder Rabal Tradino, der Geschäftspartner des galaktischen Snobs mit den Lashat-Narben.
Tekener lachte, als sich der Kommandant aus seinem Pneumosessel zwängte.
»Hallo, Chef! Wie war's in Terrania?«
Der Spezialist wischte sich ein imaginäres Stäubchen vom Kragenaufschlag.
»Bis auf die Gerichtsverhandlung verlief alles harmlos!«
Mehrere Techniker waren aus dem Hintergrund der Zentrale hervorgetreten. Es waren hochbegabte Männer, die wegen verschiedener Verfehlungen mit dem Gesetz in Konflikt gekommen waren. In ihren Augen waren die beiden USO-Spezialisten gerissene Geschäftemacher, die sich auch vor einem Pakt mit der Condos Vasac nicht scheuten.
Einer der Männer kratzte sich den Bart. Seine Oberarme zeigten schlecht verheilte Wunden, die von Strahlschüssen herrührten.
»Wir haben gehört, dass Sie Ärger mit Reikin hatten. Pecosan und Wright waren dabei, als die Knochenbrecher auftauchten!«
Tekener ging lässig um die Schaltkonsolen herum und verschränkte die Arme.
»Das kann man wohl sagen. Der Kerl ist mit einem Riozin-Rausch ins Kasino gekommen. Es fehlte nicht viel, und wir hätten unseren Start abschreiben können!«
Der Erste Offizier hatte Tekeners Worten aufmerksam zugehört. Da er USO-Spezialist war, nahm er den Vorfall nicht gleichgültig zur Kenntnis. Für die Mannschaft stellte es lediglich eine amüsante Unterbrechung des Alltags dar. Sie beglückwünschten Tekener zu seiner Geschicklichkeit, mit der er die Beamten der Hafenpolizei überrumpelt hatte.
Der schwarzhäutige Offizier machte eine verächtliche Gebärde. Er empfand tiefe Abneigung gegenüber den Raumfahrern, die ihre asoziale Haltung offen zur Schau stellten. Trotz umfangreicher Maßnahmen konnte der Drogenmissbrauch nicht ausgerottet werden. Planeten, die nicht der terranischen Regierungsgewalt unterstanden, konnten ungestraft mit den gefährlichsten Giften handeln.
Die sozialen Verhältnisse auf Terra im fünfundzwanzigsten Jahrhundert waren soweit entwickelt, dass niemand vor der Realität in den Rausch zu flüchten brauchte. Jedoch waren dem Fortschritt Grenzen gesetzt. Die Freihandelswelten – wie zum Beispiel Lepso – kümmerten sich nicht um soziale Probleme. Sie verfolgten in erster Linie das Prinzip schrankenloser Gewinnmaximierung. Für Opfer dieser Maschinerie hatte man keine Verwendung. Die Unglücklichen endeten meist in den genehmigten Rauschgifthöllen.
Die Raumfahrer der MARS QUEEN machten sich über diese Zusammenhänge keine Gedanken. Sie übersahen auch die Tatsache, dass der Techniker, der Riozin benutzte, höchstens noch ein halbes Jahr zu leben hatte. Jeder der sechzig Besatzungsmitglieder hatte ein Laster. Wenn auch nicht alle Riozin spritzten, so genügte es doch, dass sie für den regulären Flottendienst untauglich waren. Für Tekener und Kennon konnte es keine bessere Tarnung geben. Wer sich mit solchen Raumfahrern einließ, war für das galaktische Syndikat akzeptabel.
»Sie sehen, meine Herren«, sagte der Spezialist, »man muss die Ordnungshüter nur richtig anfassen. Es geht doch nichts über eine wohldurchdachte Taktik!«
Gelächter kam auf. Dieser Ton gefiel den Männern.
»Wenn man den Knochenbrechern zeigt, dass man sich im Gesetz auskennt, werden die Burschen unsicher!«
Tekener spielte wieder den skrupellosen Geschäftemacher. Indem er vorgab, die menschliche Gesellschaft zu verachten, gewann er die Anerkennung der Gestrauchelten. Sie hielten ihn für ihresgleichen und bewunderten seine Kaltblütigkeit.
»Wir haben von der Gerichtsverhandlung gehört, Chef! Wir dachten, Sie wären erledigt!«
Tekener gab sich empört.
»Erledigt? Wofür haltet ihr mich denn? Glaubt ihr etwa, diese seltsamen Gestalten, die den terranischen Gerichtshof bevölkern, könnten den Smiler erledigen?«
Die Raumfahrer hatten die Nachrichten verfolgt und die Notizen über die Verhaftung ihres Chefs gelesen. Es erschien ihnen nahezu unglaublich, dass es den beiden Spezialisten gelungen sein sollte, sich aus dem engmaschigen Netz der terranischen Gesetze zu befreien.
»Ihr hättet bei der Verhandlung anwesend sein sollen!«
Tekener machte eine kurze Pause. Er merkte, dass die Raumfahrer erwartungsvoll zu ihm aufschauten. »Der Gerichtshof besteht bekanntlich aus Kolonialterranern und Einheimischen. Jedenfalls die Abteilung für intergalaktische Verbrechensbekämpfung! Von den zehn Personen, die über uns richten sollten, war der Vorsitzende ein Siganese ...«
Weiter kam Tekener mit der Aufzählung nicht. Die Techniker brachen in tosendes Gelächter aus und krümmten sich vor Heiterkeit.
»... der Ankläger ein Ertruser ...«
»Nein, Chef! Aufhören, das ist zu komisch!«
Mit ernster Miene fuhr Tekener fort, die Zusammenhänge zu erläutern, die zu seiner und Kennons Verhaftung geführt hatten. Allein die Aufzählung der Richter hatte genügt, die Stimmung der Besatzung zu heben. So konnte vermieden werden, dass unangenehme Nebenfragen gestellt wurden. Es war zwar im allgemeinen bekannt, dass sich die fünf Berufsrichter und die fünf Beisitzer aus verschiedenen Völkerschaften zusammensetzten. Dies sollte die Zusammengehörigkeit der humanoiden Völker symbolisieren. Für die Männer der MARS QUEEN war es jedoch ein Grund zur Heiterkeit. Sie amüsierten sich über die vordergründigen Dinge, wie etwa bei der Vorstellung, dass ein fünfzehn Zentimeter großer Siganese und ein zweieinhalb Meter großer Ertruser den Vorsitz einer Gerichtsverhandlung führten.
Damit sie für die Condos Vasac weiterhin glaubwürdig blieben, hatte Atlan die beiden Spezialisten verhaften lassen. Die Verhandlung vor dem terranischen Gericht war absolut echt verlaufen. Inzwischen waren fünf Tage vergangen. Die Spezialisten hatten neue Befehle erhalten. Sie gingen mit der Gewissheit in den Einsatz, dass sich ihr Aufenthalt auf Cronot gelohnt hatte. Jetzt besaß die USO ein wirksames Gegenmittel gegen das Metamorphosevirus.
Auf Cronot befanden sich Brutlaboratorien der Antis. Mit teuflischer Perfektion stellten die Beauftragten der Condos Vasac biologische Kampfstoffe her, gegen die es kaum ein Gegenmittel gab. Das Gericht hatte den Männern des Psycho-Teams zur Last gelegt, sich mit Hilfe des künstlich hergestellten Virus finanzielle Vorteile verschaffen zu wollen. Ungesetzliche Handlungen konnten ihnen jedoch nicht nachgewiesen werden. Sie bezeichneten ihre Anwesenheit auf Cronot als rein zufällig.