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Nr. 79

 

Wo die Götter leben

 

Lordadmiral Atlan auf Koetanor-Delp, der Götterwelt – eine alte Freundin meldet sich

 

von H. G. Ewers

 

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Auf Terra, den Welten des Solaren Imperiums und den Stützpunkten der United Stars Organisation schreibt man Anfang Januar des Jahres 2842.

Dieses 29. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die solare Menschheit oder die Menschheit von den Welten der ersten Siedlungswelle wieder nach den Sternen greift und sich weiter im All ausbreitet. Es ist eine Zeit der großen Erfolge und großen Leistungen – es ist aber auch eine Zeit voller Gefahren und Überraschungen.

Nach der Niederschlagung der »Revolte des Chanbruders«, bei der Lordadmiral Atlan massiv erpresst wurde und ernstlich um das Leben seiner Spezialisten Ronald Tekener und Sinclair M. Kennon fürchten musste, herrscht für kurze Zeit Ruhe im All.

Doch schon wenig später kommt es innerhalb der USO, der »galaktischen Feuerwehr«, erneut zu hektischer Aktivität.

Lordadmiral Atlan beschließt einen Alleingang. Eine alte Freundin hat sich gemeldet, die er unbedingt wiedersehen will. Nur von Eustachius, seinem persönlichen Roboter begleitet, fliegt der Arkonide mit einer Space-Jet los.

Sein Ziel ist Koetanor-Delp – dort, WO DIE GÖTTER LEBEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Der Lordadmiral besucht die Welt der Götter.

Eustachius – Atlans persönlicher Roboter.

Nuramy von Potrinet – Eine alte Freundin des Lordadmirals.

Loana – Nuramys Begleiterin.

Charyx – Ein verdächtiger Händler.

Daal ist die Luft, das Land ist Daal und der Himmel; Daal ist die Welt, und Daal ist der Sternenraum; sein Auge wacht über alles, was ist, und Blitze schleudert er gegen die Schlechten, Daal, hochdonnernd im Äther, der droben wohnet in Wolken.

 

1.

 

Ich schaltete das Lesegerät aus, nahm die Spule und schob sie in ihre zylindrische Hülle zurück. Danach wandte ich mich um und sah zu Eustachius, meinem robotischen Reisegefährten, der unbeweglich in der Steuerkanzel der Space-Jet stand.

»Hast du die Zeilen auf dem Leseschirm mitbekommen, Eustach?«, erkundigte ich mich.

»Ja, Lordadmiral«, antwortete der Roboter mit der sonoren Stimme, die die Akustiker ihm mitgegeben hatten.

»Worum handelt es sich bei ihnen?«, forschte ich weiter.

»Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um einen modifizierten Text aus den Fragmenten von Aischylos, dem griechischen Dramatiker, der von 525 bis 456 vor Beginn der christlichen Zeitrechnung auf Terra lebte.«

Ich lachte leise.

»Irrtum, Eustach, es handelt sich um einen Text aus dem Buche Hsiathur, das ein Dichter des Planeten Koetanor-Delp verfasste – angeblich nach einer Eingebung der Götter. Da die ›Götter‹ auf Koetanor-Delp Angehörige des Báalol-Kultes sind, liegt der Schluss nahe, dass sie dem eingeborenen Dichter ein Plagiat eingegeben haben.«

»Dieser Schluss scheint logisch, Lordadmiral«, versetzte Eustachius ungerührt.

Ich warf ihm die Lesespule zu und befahl ihm, sie in der Bordbibliothek zu verstauen. Er gehorchte schweigend. Von einem Roboter konnte man nur dann einen Kommentar erwarten, wenn man ihn ausdrücklich dazu aufforderte.

Als er die Steuerzentrale verlassen hatte, lehnte ich mich seufzend zurück. Außerhalb der transparenten Kanzel aus Panzertroplon befand sich nur die wesenlose Schattenwelt des Zwischenraumes. Nur der Reliefschirm zeigte einen winzigen Ausschnitt aus dem Einsteinkontinuum, einen blauweißen Stern, der das Ziel der jetzigen Linearetappe darstellte.

Der blauweiße Stern stand tief in der Eastside unserer Galaxis, und ich fragte mich abermals, warum Nuramy von Potrinet mich ausgerechnet in dieser für Menschen höchst gefährlichen Gegend treffen wollte.

Nuramy!

Der Gedanke an die Frau, die ich vor hundertacht Jahren Standardzeit kennen- und lieben gelernt hatte, ließ alte Wunden wieder aufbrechen. Damals war es zwischen uns beiden Liebe auf den ersten Blick gewesen – und nicht nur das. Es war die große Liebe unseres Lebens gewesen, und ich hatte mich damals entschlossen gehabt, sie so bald wie möglich zu mir zu holen und sie bei mir zu behalten, obwohl mir natürlich klar gewesen war, dass es Probleme geben würde, weil sie alterte und ich nicht.

Mein Vorsatz hatte sich nicht verwirklichen lassen. Das Auftauchen einer ungeheuerlichen Bedrohung hatte mich gezwungen, persönlich in einen Einsatz zu gehen, der mich über drei Jahre lang fern von der Heimatgalaxis hielt. Am Ende des Einsatzes war ich schwer verletzt worden und hatte fast ein Jahr in einer Klinik auf Tahun zubringen müssen.

Danach suchte ich nach Nuramy von Potrinet. Doch sie schien spurlos im Gewimmel der Milchstraße verschwunden zu sein. Mein Schmerz war groß, aber im Laufe der Zeit vernarbte diese Wunde – und nun war sie abermals aufgebrochen.

Nuramy hatte mir vor einigen Tagen durch einen Kurier eine Botschaft zukommen lassen, in der sie mich bat, mich mit ihr auf einer Primitivwelt tief in der galaktischen Eastside zu treffen. Zuerst war ich schockiert gewesen, denn inzwischen musste Nuramy hunderteinundfünfzig Jahre alt sein, und das bedeutete auch bei der hohen Lebenserwartung, die für Akonen und Terraner gleichermaßen galt, dass sie am Rand des Grabes stand. Eine Greisin aber konnte mich kaum begehren.

Aber Nuramy teilte mir in ihrer Botschaft mit, sie hätte eine totale Verjüngung an sich vornehmen lassen und würde sich freuen, einen alten Freund wiederzusehen.

Das klang phantastisch!

Selbstverständlich hatte ich umfassende Erkundigungen einziehen lassen. Niemand wusste von einer neuen Methode, mit der man den Alterungsprozess nicht nur anhalten, sondern umkehren konnte. Doch es war nicht auszuschließen, dass irgendwo jemand das Geheimnis der ewigen Jugend gefunden hatte. In allen fortgeschrittenen Zivilisationen wurde systematisch danach gesucht. Vielleicht befand sich das Geheimnis auf der Welt, auf der ich Nuramy treffen sollte, auf Koetanor-Delp, dem zweiten Planeten der gelben Sonne Myrguuk. Nach Nuramys Botschaft sollten auf einer Primitivwelt durch Angehörige des Báalol-Kultes, also durch so genannte Antis, geheimnisvolle hyperphysikalische und biochemische Experimente durchgeführt werden. Und Koetanor-Delp gehörte in die Kategorie »Primitivwelten«.

Ich kannte den Planeten, obwohl ich noch nie dort gewesen war. Die USO unterhielt dort einen geheimen Stützpunkt, und meine Spezialisten führten ständig Ermittlungen durch. Ab und zu verschwanden einige meiner Leute – und auch Agenten der Solaren Abwehr, die dort recherchierten. Die Verschwundenen waren zweifellos mit Hilfe der starken Parafähigkeiten der Antis aufgespürt worden; sie tauchten später auf Austauschlisten wieder auf.

Vielleicht erfuhr ich mit Nuramys Hilfe mehr über die geheime Tätigkeit der Antis. Offiziell traten die Priester des galaktischen Báalol-Kultes auf Koetanor-Delp als Götter auf. Sie schienen dabei auf die griechische Mythologie zurückgegriffen zu haben, wie mir das Plagiat der Aischylos-Fragmente bewies. Ihr planetarischer Hohepriester nannte sich Daal und wohnte auf dem »Götterberg« Doran Daal, ähnlich wie der alte Zeus auf seinem Olymp.

Nuramy würde mehr wissen. Sie hatte eine große Karriere hinter sich und fungierte als Chefin des akonischen Wirtschaftswesens und des interstellaren Handels Akons. Diese hohe Stellung bedingte, dass sie außerdem führendes Mitglied des akonischen Geheimdienstes, des Energiekommandos war.

Ihr Wissen über die politische und militärische Planung des Blauen Systems der Akonen musste unbezahlbar sein. Wenn es mir gelang, einige Informationen darüber aus ihr herauszuholen ...!

Keine Illusionen!, warnte mich der Logiksektor meines Gehirns. Sie wird bestimmt keine politischen und militärischen Geheimnisse ausplaudern, und wenn du deinen Charme noch so spielen lässt.

Ich lächelte.

Natürlich würde Nuramy nicht zur Verräterin an ihrem eigenen Volk werden, auch wenn die alte Liebe unverändert heiß brannte. Außerdem lockten mich in erster Linie rein private Motive. Ich wollte wissen, ob Nuramy tatsächlich so verjüngt war, wie es der Inhalt ihrer Botschaft ankündigte. Vielleicht war es möglich, dass wir da wieder anknüpften, wo das Schicksal unsere Wege geteilt hatte, ich musste Gewissheit bekommen.

Als die Hauptpositronik das nächste Orientierungsmanöver ankündigte, schob ich die Gedanken an Nuramy beiseite. Ich würde alle meine Aufmerksamkeit brauchen, um eventuellen Gefahren zu begegnen. Noch immer hielt der Bruderkrieg der Blues-Völker an, und wer zwischen die kämpfenden Parteien geriet, wurde meist von allen Seiten als Feind behandelt.

Der Rücksturz in den Normalraum zehrte wie stets die Fahrt des Schiffes auf. Meine Space-Jet trieb langsam durch den Weltraum, einzig und allein von der Anziehungskraft der Etappenzielsonne angetrieben. Das Licht des blauweißen Sterns flutete grell in die Steuerkanzel. Aber er war noch neunzehn Lichtstunden entfernt, so dass ich die Triebwerke vorerst nicht aktivieren musste.

Ich schaltete die Ortungsautomatik ein. Die zurückkehrenden hyperschnellen Impulsreflexe durchliefen die Hauptpositronik, und auf den Ortungsschirmen erschienen keine Diagramme, sondern in Klartext und Zahlen die Auswertungen.

Die erste Auswertung bewog mich, unverzüglich den Anti-Ortungsschirm meines Schiffes zu aktivieren, denn sie besagte, dass sich drei große Diskusschiffe im Anflug auf die blauweiße Sonne befanden.

Kampfschiffe der Blues!

Ich wusste nicht, ob sie mich geortet hatten. Wenn, dann fragten sich die Besatzungen jetzt sicherlich, wohin das angemessene Objekt so plötzlich verschwunden war.

Plötzlich schlugen die Objekttaster heftig aus. Ganz in der Nähe waren drei Großraumschiffe aus dem Zwischenraum ins vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zurückgefallen.

Drei Walzenschiffe von je fünfhundert Metern Länge.

Galaktische Springer!

Ich schaltete den Hyperkomempfänger an. Unmittelbar danach vernahm ich die Interkosmo sprechende unverkennbare Stimme eines Blues. Aus einem der Walzenschiffe kam Antwort. Da die Texte unverschlüsselt wären, konnte ich dem Gespräch entnehmen, dass die drei Blues-Schiffe hier auf die drei Händlerschiffe gewartet hatten. Offensichtlich stellte der blauweiße Riesenstern nicht nur für mich, sondern auch für andere Raumfahrer einen guten Orientierungspunkt dar.

Ich war gespannt darauf, was für Geschäfte zwischen Blues und Springern abgewickelt wurden. Sollte sich herausstellen, dass die Galaktischen Händler den Blues Waffen lieferten, würde ich nach meiner Rückkehr beim Zentralbüro der Springersippen massiv intervenieren.

Doch ich wurde angenehm enttäuscht. Nur ein Zehntel der Ladung der Springerschiffe wechselte den Besitzer, und dieses Zehntel bestand aus medizinischen Geräten und Medikamenten. Über die Bezahlung der Fracht wurde kein Wort verloren. Da die Galaktischen Händler niemals etwas verschenkten, nahm ich an, dass ihre Lieferung eine Art Wegezoll darstellte, mit dem sie sich freie Fahrt durch diesen Sektorder Eastside erkauften.

Wie ich die Springer kannte, schlugen sie den Wegezoll auf den Preis ihrer übrigen Ladung auf. Möglicherweise war sie sogar für die Antis auf Koetanor-Delp bestimmt.

Nachdem die Geräte und Medikamente den Besitzer gewechselt hatten, nahmen alle sechs Raumschiffe in verschiedenen Richtungen Fahrt auf. Als sie verschwunden waren, aktivierte ich die Impulstriebwerke der Space-Jet, beschleunigte und errechnete die letzte Linearetappe, die mich bis dicht vor das Myrguuk-System bringen würde.

Ob wohl Nuramy schon auf Koetanor-Delp gelandet war ...?

 

*

 

Die letzte Linearetappe verlief programmgemäß. Mit aktiviertem Anti-Ortungsschirm beschleunigte ich auf fünfzig Prozent LG und nahm Kurs auf Koetanor-Delp.

Eustachius schaltete eine dreidimensionale Projektion des Planeten in einen Trivideokubus und ließ am Rand des Kubus die Daten über Koetanor-Delp ablaufen.

Myrguuk, eine gelbe Sonne, wurde von sechs Planeten umlaufen. Nummer zwei war Koetanor-Delp, eine erdähnliche Welt mit einem Durchmesser von 12.411 Kilometern, und einer Schwerkraft von 0,98 Gravos. Je vier Kontinente befanden sich auf der Nord- und Südhalbkugel, voneinander durch das »Breite Meer« getrennt, das sich mit durchschnittlich zweitausend Kilometern Breite wie ein Gürtel nördlich und südlich des Äquators um den Planeten schlang.

Klima und Vegetation entsprachen ungefähr den subtropischen und tropischen terrestrischen Zonen; es gab gartenähnliche Gebiete und solche mit Wüsten, Dschungeln und Savannen.

Die Vorfahren der heutigen Bewohner waren vor rund 18.000 Jahren Standardzeit gelandet. Es waren Arkoniden gewesen, Angehörige meines eigenen Volkes. Zu jener Zeit hatte der Große Rat von Arkon ein großangelegtes Siedlungsprogramm organisiert, weil führende Wissenschaftler schon damals erkannten, dass die Entwicklung auf eine allgemeine Degeneration abzielte.

Mit der Kolonisierung von so vielen fremden Welten wie möglich sollte diese Entwicklung gestoppt werden. Das war nicht gelungen. Auf den Arkonwelten selbst hatte die Abwanderung der besten und vitalsten Arkoniden die Degeneration nur beschleunigt, indem sie die Zurückbleibenden zwang, das Leben immer stärker zu automatisieren und mehr und mehr Arbeiten den massenhaft produzierten Robotern zu übertragen.

Die Auswanderer aber vermochten auf keinem Siedlungsplaneten die heimatliche Zivilisation zu reproduzieren. Entweder waren die neuen Umweltbedingungen so paradiesisch, dass sie die Siedler zu einer »Zurück-zur-Natur-Bewegung« verleiteten, oder man beutete die mitgebrachte Technik aus, ohne dafür zu sorgen, dass eine leistungsfähige Grundstoffindustrie aufgebaut wurde, die die Rohstoffe für den Ersatz verschlissener Maschinen lieferte. Im letzteren Fall dauerte der Zusammenbruch der Zivilisation etwas länger, doch das Ergebnis war fast immer das gleiche.

Auf Koetanor-Delp hatte es fünfzehntausend Jahre lang keine Zivilisation gegeben. Danach gewannen die Nachkommen der Siedler ihre Vitalität zurück. Derzeitig befanden sie sich auf einer Entwicklungsstufe, die sich mit jener der altterranischen Griechen und des römischen Imperiums vergleichen ließ. Es existierten insgesamt achthundert straff organisierte Königreiche, die Geisteswissenschaften erlebten eine Blütezeit, aber leider hatte die Revitalisierung zu einem Wiedererwachen des uralten Kampfinstinktes geführt. Die ständigen Kriege verschlangen den größten Teil der Arbeitserträge, so dass es zu keiner nennenswerten Akkumulation von Kapital kommen konnte, was die Voraussetzung zur Entwicklung einer Industrie gewesen wäre.

Die Rolle des Báalol-Kultes auf Koetanor-Delp wurde weitgehend von dem Auftreten der Antis als Götter verschleiert. Offiziell beanspruchten sie den Planeten als Entwicklungswelt. Es gab in der Tat Anzeichen dafür, dass sie eine positiv steuernde Funktion übernommen hatten. Die »Götter« erlaubten beispielsweise keine barbarische Niedermetzelung von Besiegten, sie stifteten hin und wieder Frieden und verboten Plünderungen. Doch sie hätten viel mehr für die Eingeborenen tun können.

Vielleicht erfuhr ich während meiner Anwesenheit auf Koetanor-Delp mehr über die wirklichen Ziele der Antis. Auf jeden Fall wollte ich versuchen, in den »Sitz der Götter« einzudringen, einen zweieinhalbtausend Meter hohen Tafelberg mit Namen Doran Daal in der Nähe der Stadt Mymkor im Königreich Tarhanan. Den Berichten meiner Spezialisten zufolge hatten die Antis diesen Berg ausgehöhlt und zahllose Maschinen installiert. Was sie dort trieben, das allerdings wussten wir bisher nicht.

Mein erstes Ziel lag jedoch woanders.

Während des Einflugs ins Myrguuk-System war ich stundenlang zur Passivität verurteilt. Ich nutzte die Zeit, um mich auszuruhen und Kräfte zu sammeln. Unterdessen übernahm Eustachius meinen Platz vor den Kontrollen.

Wenige Lichtminuten vor Koetanor-Delp löste ich Eustachius wieder ab. Er hatte die Geschwindigkeit unserer Space-Jet inzwischen stark herabgesetzt. Ich bremste weiter ab, ließ das Schiff von der Schwerkraft des Planeten einfangen und leitete nach drei Umkreisungen das Abstiegsmanöver ein. Ich benutzte dazu ausschließlich die Antigravprojektoren, so dass die Space-Jet so sanft wie ein fallendes Blatt durch die Atmosphäre sank.

Mein erstes Ziel war das Prugamon-Gebirge, wohl die ödeste Gegend des Planeten und deshalb frei von jeder Besiedlung. Es handelte sich um eine vegetationslose Felswüste. Mit kurzen Schüben der Impulstriebwerke steuerte ich das Schiff in eine düstere Schlucht. Hundert Meter über dem Boden sandte ich ein Kodesignal aus. Daraufhin öffnete sich in der linken Schluchtwand ein vorzüglich getarntes Tor. Ich steuerte die Space-Jet hinein, und das Tor schloss sich wieder.

Licht flammte auf.

Ich befand mich in einer Kammer, die gerade groß genug war, um das Diskusschiff aufzunehmen. Behutsam setzte ich die Space-Jet auf. Nachdem ich Eustachius verschiedene Anweisungen gegeben hatte, verließ ich das Schiff.

Draußen wurde ich von zwei Männern in schwarzen Kombinationen erwartet, zwei von sieben Personen, die zu diesem Geheimstützpunkt gehörten. Sie führten mich nach knapper Begrüßung zu Spezialist-Major Homer, der sich in der Zentrale des Stützpunktes aufhielt.

Homer hockte wie üblich in seinem Drucktank. Er war eine Art Quallenwesen von einem Planeten mit Hochdruckatmosphäre, und sein richtiger Name war Ptschuqutscht. Da humanoide Lebewesen Schwierigkeiten hatten, diesen Namen auszusprechen, hatte er sich bereit erklärt, den Dienstnamen Homer anzunehmen.

»Ich grüße Sie, Lordadmiral«, sagte Homer über die Sprechanlage des Drucktanks.

»Ich grüße Sie ebenfalls, Major«, gab ich zurück. »Wie ist Ihr Befinden?«

Der Sprechapparat gab einige Laute von sich, die wahrscheinlich Belustigung ausdrücken sollten.

»Ausgezeichnet, Lordadmiral«, erwiderte Homer. »Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Antis etwas über die Existenz dieses Stützpunktes wissen. Unsere Kollegen von der Solaren Abwehr hatten weniger Glück als wir. Ihr Stützpunkt wurde vorige Woche von den Antis ausgehoben.«

»Was geschah mit den Agenten?«, fragte ich.

»Sie waren vernünftig genug, nicht die Helden spielen zu wollen. Nachdem sie alle wichtigen Unterlagen vernichtet und ihre Amnesie-Pillen genommen hatten, ergaben sie sich.«

Ich nickte.

Das war ein Verfahren, das auch bei der USO angewandt wurde. War die Lage aussichtslos, musste sichergestellt werden, dass der Gegenseite keine wichtigen Informationen in die Hände fielen. Dazu gehörte auch die freiwillige partielle Gedächtnislöschung. Das Wort »Gedächtnislöschung« hatte übrigens nur für Nichteingeweihte einen schlechten Beigeschmack; in der Praxis sorgte diese Maßnahme dafür, dass der Gefangene keinen gefährlichen Verhören unterworfen wurde. Sobald die Gegenseite erkannte, dass sie von ihm keine Informationen erhalten konnte, erklärte sie sich in der Regel außerdem mit einem Austausch bereit. Danach erhielt der Betroffene in der Gedächtnisbank in Quinto-Center, den größten Teil seines Gedächtnisses zurück.

Nachdem Homer einen kurzen Lagebericht gegeben hatte, erklärte ich ihm, warum ich nach Koetanor-Delp gekommen war. Dabei spielte ich meine privaten Motive herunter und unterstrich dafür meine Hoffnung, durch einen Kontakt mit Nuramy von Potrinet etwas über die geheimnisvollen hyperphysikalischen und biochemischen Experimente zu erfahren, die Nuramy in ihrer Botschaft erwähnt hatte.