Nr. 137
– Im Auftrag der Menschheit Band 120 –
Der Tod von Tsopan
Ein Planet im Sog der Antimaterie – ein Volk vor dem Untergang
von Ernst Vlcek
Was zwischen den Jahren 1900 und 2000 christlicher Zeitrechnung auf dem Planeten Erde geschieht, ist, sofern man die irdischen Ereignisse nach galaktischen Maßstäben beurteilt, relativ unwichtig.
Nicht unwichtig jedoch – und das wird sich später in aller Konsequenz enthüllen – ist, was sich während dieser erwähnten Zeitspanne auf Tsopan, dem Planeten der Skinen, abspielt.
Der Planet der Bewusstseinsforscher, der im Jahre 10.497 v.A., also zur Blütezeit des arkonidischen Imperiums, die etwa dem 9. Jahrtausend vor Christi Geburt entspricht, eine wichtige Rolle spielte, ist vom Untergang bedroht.
Die Nachfolger der Wissenschaftler, die seinerzeit das Bewusstsein des jungen Kristallprinzen Atlan speicherten und konservierten, um es in aller Ruhe zu studieren, sind in ihrem Forschungsdrang zu weit gegangen, als sie Experimente mit Antimaterie anstellten.
Jetzt, d.h. etwa Ende des 20. Jahrhunderts irdischer Zeitrechnung, steht der Planet der Skinen vor dem sicheren Untergang.
Tsopan ist im Sog der Antimaterie verloren – das weiß auch der Wissenschaftler, der eine Rettungsexpedition unternimmt. Ihm geht es um das Erbe seines Volkes – und nicht um den TOD VON TSOPAN ...
Bard Mo – Leiter einer Expedition auf einem sterbenden Planeten.
Herad Gen – Ein Skine, der sich dem Tod um jeden Preis entziehen will.
Arna und Eder Schoi – Bard Mos Vertraute.
Palinga – Eine Mutantin.
Spanoke Zok – Anführer einer Gruppe von Fanatikern.
Peckin Pah – Kapitän der »Arche«.
Galon Dha hatte nur eine Miniskope nicht aufgepasst, war einen Eischatten vom Weg abgekommen – und schon passierte es.
Er rutschte von dem schmalen Grat ab und fiel in die Tiefe. Als die anderen Expeditionsteilnehmer auf ihn aufmerksam wurden, war es bereits zu spät. Sie sahen ihn in dem schwarzen Schlund aus Antimaterie verschwinden und hatten gerade noch Zeit, neben dem Abgrund in Deckung zu gehen.
In dem Moment, als Galon Dhas Körper mit den Antimateriepartikeln in Berührung kam, erfolgte eine gewaltige Explosion. Der Boden erbebte unter den Erschütterungen und wurde auf eine Länge von mehreren Mannschatten aufgerissen.
Felsbrocken wurden gespalten, zertrümmert und weit in den dunkel verhangenen Himmel hinaufgeschleudert. Da durch die Wucht der Explosion auch Antimateriepartikel in die Höhe geschossen wurden, kam es in der Luft zu weiteren Explosionen. Und AM-Partikel, die zu Boden zurückfielen, ließen noch gefährlichere Explosionsherde entstehen.
Die dreizehn Mitglieder der Expedition harrten in ihren Deckungen aus, bis sich die Elemente einigermaßen beruhigt hatten. Erst nach und nach erhoben sie sich vorsichtig und scharten sich zusammen.
Sie starrten scheu über den Abgrund, wo grenzenlose Schwärze herrschte. Und sie dachten an ihren Kameraden Galon Dha, der in den energetischen Sog des gefürchteten Antimateriefeldes geraten war.
Sie konnten von Glück sagen, dass Galon Dha sie nicht alle mit sich ins Verderben gerissen hatte.
»Unsere Vorräte sind vernichtet!«
»Was?«
Bard Mo, der Anführer der dreizehn Mann zählenden Gruppe, wirbelte herum. Er blickte durch den Filter des Schutzanzugs den Sprecher an.
Es war Herad Gen, der diese alarmierende Meldung machte. Er kam gerade aus einer Höhle in einem bizarr geformten Felsen gekrochen, wo er vor der Explosion Schutz gesucht hatte.
Herad Gen deutete auf einen Krater und sagte:
»Hier hat der Wagen mit der Ausrüstung gestanden. Ein einziges Antimaterieteilchen hat ausgereicht, um ihn mitsamt der Ladung zu vernichten.«
»Jetzt sind wir verloren«, sagte jemand.
Plötzlich begannen alle durcheinanderzureden. Mit einem Schlag war Galon Dhas erschütterndes Schicksal vergessen, niemand trauerte mehr um ihn. Jetzt ging es um das nackte Leben jedes einzelnen. Denn wie sollte es ohne giftfreie Nahrung, ohne Sauerstoff und ohne entkeimtes Wasser in dieser verseuchten Welt weitergehen?
Jeder von ihnen besaß noch eine Eiserne Ration, aber das war im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr als ein Tropfen Wasser auf einen heißen Stein.
Nachdem sie aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich des Antimaterieloches gekommen waren, ließ Bard Mo eine Bestandsaufnahme der verbliebenen Vorräte machen.
Das Ergebnis war nicht gerade ermutigend. Alles zusammengenommen, besaß jeder Sauerstoff für maximal fünfzehn Maxiskopen. Wasser und Nahrungsmittel hatten sie dagegen fast im Überfluss – jedenfalls konnten sie damit noch fünf bis sechs Tage auskommen.
Aber was nützte ihnen keimfreies Wasser, wenn sie noch vor Ablauf eines Tages verseuchte Atmosphäre einatmen mussten!
Bard Mo ging noch einmal die Angaben jedes einzelnen durch, in der stillen Hoffnung, dass sich irgendwo ein Irrtum eingeschlichen hatte und der Sauerstoffvorrat doch für länger reichte. Doch er musste enttäuscht erkennen, dass seine Berechnungen stimmten.
Nur als er auf die Angaben Herad Gens stieß, wurde er stutzig. Er wusste, dass sein Stellvertreter kurz vor der Katastrophe seine beiden Sauerstoffbehälter frisch aufgefüllt hatte.
»Über wie viel Sauerstoff verfügst du noch, Herad?«, erkundigte sich Bard Mo.
»Was soll das?«, rief Herad Gen ärgerlich. »Du hast es doch schwarz auf weiß!«
»Das schon. Aber mir scheint, als hättest du nur den Inhalt eines Sauerstoffbehälters angegeben.«
Herad Gen zögerte. Wahrscheinlich überlegte er, ob er sein Täuschungsmanöver weiterführen oder Farbe bekennen sollte. Aber schließlich musste er erkannt haben, dass er durchschaut worden war, denn er sagte mit unterdrücktem Groll:
»Du hast recht. In der Aufregung habe ich den zweiten Sauerstoffbehälter vergessen. Er ist noch voll.«
»Damit haben wir jeder eine weitere Maxiskope gewonnen.«
»Das rettet uns auch nicht mehr«, meinte Herad Gen sarkastisch.
»Ich gebe zu, dass einem einzelnen mit dem Sauerstoffbehälter besser gedient wäre.«
Herad Gen hatte Kampfstellung eingenommen.
»Willst du vielleicht behaupten, ich hätte den Sauerstoff für mich reservieren wollen, Bard?«
Bard Mo winkte ab.
»Ich will jetzt keinen Streit, Herad. Wir haben Wichtigeres zu tun – zum Beispiel, uns zu überlegen, wie wir uns Sauerstoff beschaffen können.«
Damit war die Auseinandersetzung mit Herad Gen vorerst beendet. Aber sie war nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben. Bard Mo wusste, dass es mit seinem Stellvertreter noch Schwierigkeiten geben würde.
Sie hatten sich zur Lagebesprechung in eine Ruine zurückgezogen.
Vor der Katastrophe hatte hier eine ziemlich große Wohnsiedlung gestanden. Aber die ständigen Bodenbeben, die hochexplosiven Regenschauer aus Antimateriepartikeln hatten davon nur noch ein endloses Ruinenfeld übriggelassen.
Was von den entfesselten Naturgewalten verschont geblieben war, hatten umherziehende Banden und Gruppen von fanatischen Sektierern geplündert und zerstört.
Nur dieses eine Bauwerk war noch halbwegs erhalten. Das Stahlskelett ragte einige Mannschatten in den Himmel und stützte die sieben Mauern, die einen Raum umschlossen. Die Fensteröffnungen gemahnten an leere Augenhöhlen, die blind und verloren auf den Schutt und die Asche einer Welt starrten.
Bard Mo stellte an zwei exponierten Stellen Wachen auf, um vor unliebsamen Überraschungen sicher zu sein. Dann zog er sich mit den anderen zehn in den Schutz der einen massiven Seitenwand zurück und breitete den Plan aus.
Es war ein primitiv gezeichneter Plan des Landes, das zwischen Xascat und Vors lag. Die Eintragungen auf der Kunststofffolie waren mit zittriger Hand vorgenommen worden und fast unleserlich.
Bard Mo besaß auch Landkarten, die aus der Zeit vor der Weltkatastrophe stammten. Sie waren technisch perfekt und übersichtlich, doch sie hatten einen großen Nachteil: Sie waren längst überholt, denn die Gegebenheiten von damals besaßen keine Gültigkeit mehr.
In den alten Landkarten waren nicht die Antimaterielöcher eingezeichnet, es fanden sich darauf keine Hinweise über die Brutstätten der mutierten Bestien, die das Land unsicher machten, und es waren auch nicht die Tempel der verschiedenen Sekten und die Hauptquartiere der vielen »Überlebensgruppen« eingetragen. Letztere waren in Bard Mos Augen nichts weiter als Banditen, die rücksichtslos mordeten und plünderten und den Zerfall der Zivilisation schneller vorantrieben als die entfesselten Gewalten der Antimaterie.
Ähnlich dachte er auch über die unzähligen Sekten, die es überall auf dem Planeten gab. Die Priester und Königinnen, die diesen meist halbreligiösen Gemeinschaften vorstanden, weckten die niedrigsten Instinkte ihrer Anhänger und bauten ihre Macht auf Aberglauben auf.
All diese Gefahren, die es in der Welt nach dem Antimaterieschlag gab, waren auf dem Plan eingezeichnet, den Bard Mo vor seinen Leuten ausbreitete. Er hatte ihn von einem Pilger erhalten, der in seinen Armen gestorben war, nachdem er in einen Schwarm von giftigen Rieseninsekten geraten war. Dieser Pilger war unterwegs zu einer »Arche« gewesen, die ihn mit vielen anderen zu einem anderen Planeten hätte bringen sollen ...
Natürlich war auch diese Landkarte nicht lückenlos, und viele der Eintragungen stimmten mit dem augenblicklichen Stand nicht mehr überein. Denn Antimaterielöcher weiteten sich aus, Antimateriefäden wanderten mit dem Wind und auch die »Überlebensgruppen« wechselten ihren Standort. Aber immerhin verschaffte sie einen einigermaßen realistischen Überblick über das Land, durch das sie mussten, wenn sie nach Vors wollten.
Diese Stadt war Bard Mos Ziel.
»Wir sind hier, in der ehemaligen Wohnstadt Chorw«, sagte Bard Mo und deutete auf eine Stelle des Planes, wo das Zeichen für Ruinen eingezeichnet war. »Wenn wir den Eintragungen des Pilgers Glauben schenken wollen, dann ist das gesamte Gebiet im Westen von Antimateriefeldern unterminiert. Der Silo, der hier, keine zehn Maxiskopen von uns entfernt, gestanden hat, dürfte demnach vernichtet sein. Der nächste Silo aber liegt im Norden und mehr als fünfzehn Maxiskopen von unserem Standort entfernt. Wir könnten ihn also gerade noch unter Aufwendung unserer letzten Sauerstoffreserven erreichen – wenn es zu keinen Zwischenfällen kommt.«
Bard Mo machte eine Pause und sah seine Kameraden der Reihe nach an. Ihre Gesichter hinter den Schutzfiltern waren ausdruckslos. Sie hatten, seit sie vor sieben Tagen nach Vors aufgebrochen waren, dem Tod schon mehr als einmal vor Augen gehabt.
Ursprünglich waren sie zwanzig Personen gewesen. Sieben von ihnen waren bereits auf der Strecke geblieben, also jeden Tag einer. Heute hatte es Galon Dha erwischt ...
Nein, diese Leute konnte nichts mehr erschüttern.
»Ist das der Silo, den du meinst, Bard?«, fragte Arna Schoi, die das einzige weibliche Expeditionsmitglied war.
Bard Mo folgte mit den Augen ihrer Bewegung und nickte.
»Das ist der Silo – etwa fünfzehn Maxiskopen von hier entfernt.«
»Hier steht Walnoida«, sagte Arna Schoi. »Das kann nicht die offizielle Bezeichnung für den Silo sein. Soweit ich informiert bin, wurden die Silos bei ihrer Entstehung nur mit Kennzahlen versehen. Was mag dieser Name bedeuten?«
»Da bin ich überfragt«, musste Bard Mo zugeben. »Es kann der Name für eine Überlebensgruppe ebenso sein, wie die Phantasiebezeichnung für irgendeine mutierte Tierart ...«
»Jedenfalls bedeutet es Gefahr!«, warf Herad Gen ein. Er blickte Bard Mo herausfordernd an. »Es ist ein zu großes Risiko, zu diesem Silo zu marschieren. Er kann inzwischen geplündert sein, oder Banditen haben sich dort eingenistet. Aber wie dem auch ist, wenn wir diesen Silo aufsuchen und dort keine Sauerstoffvorräte vorfinden, sind wir verloren.«
»Du siehst zu schwarz, Herad«, erwiderte Bard Mo ärgerlich. »Selbst wenn Banditen bei dem Silo ihr Quartier aufgeschlagen haben, ist nicht gesagt, dass sie die Vorräte gefunden haben. Du weißt, dass die genaue Lage der Silos nur wenigen Auserwählten bekannt ist – Leuten, die genügend Verantwortungsbewusstsein besitzen, um die Vorräte nicht wahllos zu plündern.«
»Verantwortungsbewusstsein?«, höhnte Herad Gen. »Angesichts unserer Lage bezweifle ich, dass die Wissenschaftler überhaupt jemals so etwas wie Verantwortungsbewusstsein besessen haben. Sonst hätten sie es wohl bestimmt nicht zu dieser Katastrophe kommen lassen.«
»Das gehört nicht hierher«, sagte Bard Mo scharf. »Ich glaube, jetzt ist nicht der richtige Augenblick zum Polemisieren, Herad. Wenn dir mein Vorschlag nicht gefällt, kannst du einen besseren vorbringen.«
Herad Gen blickte sich angriffslustig um.
»Ihr alle kennt meine Einstellung zu diesem Wahnsinnsunternehmen, nach Vors zu gehen ...«
»Bleib bei der Sache, Herad!«, wies Bard Mo ihn zurecht.
»Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es wichtiger wäre, unser Leben zu retten als die Zeugnisse unserer Kultur«, fuhr Herad Gen fort. »Deshalb sollten wir uns mit jener Überlebensgruppe in Verbindung setzen, deren Funksignale wir aufgefangen haben!«
»Jetzt ist es aber genug, Herad«, sagte Bard Mo aufgebracht und sprang auf. »Wenn du so sehr darauf versessen bist, dein schäbiges Leben zu retten, dann kannst du ja den Sender anpeilen und auf eigene Faust versuchen, diese Überlebensgruppe aufzusuchen. Aber verschone uns damit.«
»Das werde ich nicht!«, erwiderte Herad Gen. »Denn ich bin sicher, dass einige andere wie ich denken.«
Betretenes Schweigen folgte. Daran, dass niemand Herad Gen widersprach, erkannte Bard Mo, dass er sie mit seinen Ideen bereits infiziert hatte.
Es war schließlich Eder Schoi, der Gefährte von Arna, der das Schweigen brach.
»Ich teile nicht Herads Ansicht, dass wir unser Leben durch eine Flucht ins All zu retten versuchen sollten«, sagte er. »Aus dem einfachen Grund, weil ein solches Vorhaben schon allein durch die herumfliegenden Antimateriefäden zum Scheitern verurteilt ist. Aber wir können die Funkstation aufsuchen und die Mannschaft um Sauerstoff bitten. Da sie den Planeten sowieso verlassen, benötigen sie selbst keinen Sauerstoff mehr. Es gibt aber noch ein anderes Argument, das für Herads Plan spricht. Die Ortungsergebnisse haben gezeigt, dass die Funkstation nicht weiter als fünf Maxiskopen von hier entfernt ist. Selbst wenn es zu unvorhergesehenen Zwischenfällen kommt, können wir den Sender leichter erreichen als den Silo, über dessen Zustand wir zudem keinerlei Informationen haben.«
»Wenigstens einer, der seinen Verstand noch zu gebrauchen weiß!«, rief Herad Gen begeistert. »Was ist, willst du nicht über Eders Vorschlag abstimmen lassen, Bard?«
Bard Mo verneinte.
»Wenn niemand etwas dagegen einzuwenden hat, betrachte ich diesen Vorschlag als angenommen.«
Es hatte niemand etwas dagegen einzuwenden. Bard Mo war enttäuscht. Er befürchtete, dass einige Expeditionsmitglieder abspringen würden, wenn sie die Möglichkeit besaßen, mit einem Raumschiff von ihrer Welt zu flüchten. Er würde diese Möglichkeit selbst in Erwägung ziehen, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass eine Flucht in den Weltraum undurchführbar war.
Bard Mo hatte mit eigenen Augen bereits zwei Raumschiffe in den umhertreibenden Antimateriefäden explodieren gesehen. Und es existierte kein einziger glaubhafter Bericht darüber, dass es nach Eintritt der Katastrophe auch nur einem einzigen Flugkörper gelungen wäre, auf diesem Planeten zu landen oder von hier zu starten.
Alle Skinen, die sich noch auf Tsopan befanden, waren dem Untergang geweiht. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis die Antimaterie den Planeten derart zersetzt hatte, dass er barst.
Bard Mo hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden. Er wollte vor seinem Tode nur noch eine große Tat vollbringen, um eine der größten Errungenschaften seines Volkes für die im Weltraum überlebenden Skinen zu retten.
Seine größte Befürchtung war, dass ihm das nicht mehr gelingen würde, wenn seine Leute erst einmal Kontakt mit jener Überlebensgruppe hatten, deren Funksprüche sie aufgefangen hatten.
»Worauf wartest du noch, Herad?«, sagte Bard Mo. »Nimm Funkkontakt mit der Überlebensgruppe auf. Es ist deine Aufgabe, denn schließlich bist du der Initiator des Planes.«
»Ich hätte nicht geglaubt, dass du ein so guter Verlierer bist«, meinte Herad Gen nicht ohne Spott.
»Noch habe ich nicht verloren«, erwiderte Bard Mo.
Während Herad Gen das Funksprechgerät aus seinem Tornister holte, faltete Bard Mo mit beiden Greifklauen die Landkarte des Pilgers zusammen und verstaute sie auf seinem Rücken. Als er damit fertig war, musste er feststellen, dass sich die anderen zu Herad Gen gesellt hatten.
Nur noch Arna und Eder Schoi waren bei ihm geblieben.
»Nimm es nicht so tragisch, Herad«, versuchte Arna ihn zu trösten. »Wenn es gilt, eine endgültige Entscheidung zu treffen, werden dir alle zur Seite stehen. Und selbst wenn dich die anderen verlassen sollten, wir bleiben bei dir.«
Bard Mo streckte einen Tentakel nach ihr aus und umfasste sie mit der dreizackigen Greifklaue in einer vertraulichen Geste an ihrem rechten Röhrenohr. Dann wandte er das Gesicht mit den Dutzenden von Sinnesorganen ab und ging davon.
Der Schritt seiner vier Beine wirkte müde, so als hätte er eine große Last zu tragen. Sein vorne verdickter Raupenkörper war leicht nach oben gekrümmt, als er sich dem Ausgang zuwandte. Er schlürfte durch den Mund an seinem verdünnten Körperende etwas Wasser, konnte es jedoch nicht hinunterschlucken und schied es durch die Ablassöffnung seines Schutzanzuges wieder aus.
Bard Mo war übel. Er sah seine letzte große Tat zum Scheitern verurteilt.
Als er an dem Wachtposten vorbeikam und ins Freie trat, ließ er seine Augen über das Ruinenfeld wandern. Und er fragte sich unwillkürlich:
Wer wird früher sterben, der Planet oder ich?
»Was hast du entschieden, Bard?«, fragte ihn der Wachtposten.
»Ich habe mich dem Wunsch der Mehrheit gebeugt, Koraz«, antwortete Bard Mo. »Wenn du willst, löse ich dich eine Weile ab. Du kannst hineingehen und dich an dem Funkgespräch beteiligen.«
Koraz Lee ließ sich das nicht zweimal sagen und verschwand sofort durch den Eingang.
Bard Mo erkletterte eine Mauer holte seine Strahlenwaffe hervor und legte sie entsichert vor sich hin. Dann streckte er sich bäuchlings aus verschränkte die beiden Tentakel vor dem Gesicht und bettete den Kopf darauf.
So lag er lange da und hing seinen Gedanken nach.
Wie hatte es nur soweit kommen können?
Die Skinen waren ein hochintelligentes Volk, das zum Zeitpunkt der Weltkatastrophe im Zenit seiner Entwicklung gestanden hatte.