Nr. 198
– ATLAN exklusiv Band 59 –
Planet der Zombies
Der Tod ist ihr ständiger Begleiter – denn Blutopfer und Dämonenglaube beherrschen die Welt
von Dirk Hess
Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III., ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Herrschaft antreten zu können.
Gegen den Usurpator kämpft Gonozals Sohn Atlan, Kristallprinz und rechtmäßiger Thronerbe des Reiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen, die Orbanaschols Helfershelfern schon manche Schlappe beibringen konnten.
Mit dem Tage jedoch, da der Kristallprinz Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, scheint das Kriegsglück Atlan im Stich gelassen und eine Serie von empfindlichen Rückschlägen begonnen zu haben, die schließlich zu einer erneuten Versetzung des Arkoniden in die Mikrowelt führten.
Dort – nach turbulenten und gefahrvollen Abenteuern mit Dophor, Gjeima, den Jansonthenern und dem wahnsinnigen Motros – hat Atlan endlich Prinzessin Crysalgira entdeckt, die Arkonidin, die den Maahks von Skrantasquor als Experimentierobjekt dienen musste.
Mehr noch: die beiden Arkoniden sind in den Besitz eines Raumschiffs gelangt – und dieses Raumschiff bringt sie zu einer anderen Welt, zum PLANETEN DER ZOMBIES ...
Atlan – Der Kristallprinz schlägt sich durch.
Crysalgira – Atlans neue Weggefährtin im Mikrokosmos.
Huitz-Karamant – Hohepriester eines grausamen Kults.
Ilistrik – Ein Mädchen soll geopfert werden.
Papan – Ilistriks Geliebter.
Ich litt unter grausamen Albträumen.
Meine Umgebung war so real, wie ich sie seit meiner Geburt wahrzunehmen gelernt hatte. Ich atmete die gewohnte Sauerstoffatmosphäre ein. Nahrungskonzentrate standen mir in ausreichendem Maß zur Verfügung. Wollte ich frische Nahrung zu mir nehmen, brauchte ich das kleine Raumschiff nur zu verlassen. Draußen gab es eine dichtwachsende Flora. Die Gewächse trugen verschiedenfarbige Früchte. Ich hatte sogar kleinere Tiere entdeckt, die man jagen konnte.
Trotzdem haderte ich mit meinem Schicksal.
Ich hatte dem Tod oft genug ins Auge gesehen. Ich hatte sehr oft Dinge gewagt, die einem anderen Arkoniden niemals in den Sinn gekommen wären. Aber diesmal quälte mich das Bewusstsein, dass ich in einer aussichtslosen Lage gefangen wäre.
Im Augenblick kannst du nichts an deiner Lage ändern, wollte mich mein Extrasinn beruhigen. Finde dich damit ab! Du wirst den Spuren der fremden Völker folgen. Ihre Legenden sprechen von der Überwelt. Damit kann nur dein Raum-Zeit-Kontinuum gemeint sein. Eine von diesen raumfahrenden Rassen wird den Weg dorthin kennen. An die musst du dich halten.
Ich war ein Freund schneller Entschlüsse. Am liebsten wäre ich sofort ins All gesteuert. Aber wohin hätte ich mich wenden sollen? Ich besaß überhaupt keine kosmischen Bezugspunkte.
Ich wusste nur, dass ich im Mikrokosmos gelandet war.
Daran waren die Maahks schuld. Nicht ganz, denn ich war mit der Verkleinerung durch den Molekularverdichter einverstanden gewesen. Die kontinuierlich verlaufende Schrumpfung stand wie ein Hinrichtungsprozess vor mir. Ich erinnerte mich daran, wie der plötzliche Übergang in den Mikrokosmos erfolgt war. Das Ganze ähnelte einer Transition, mit der unsere Raumschiffe Lichtjahrhunderte in einem Sekundenbruchteil übersprangen.
Jetzt war ich so klein, dass mich keine Macht der Welt mehr erkennen konnte.
Ich war viel schlimmer dran als ein gestrandeter Raumfahrer!
Ich musste unwillkürlich an die Geschichten von der Eroberung des Sternenraums durch meine Vorfahren denken. Fern vom Großen Imperium der Arkoniden waren Raumfahrer auf unerforschten Welten havariert. Nur selten hatte man wieder etwas von ihnen gehört.
Die Unglücklichen waren dazu verdammt gewesen, auf einer lebensfeindlichen Welt auszuharren. Sie gaben die Hoffnung nicht auf, dass eines Tages ein arkonidisches Raumschiff am Himmel erschien, um sie abzuholen. Sie nutzten ihre Zeit dazu, um die eisbedeckten Gipfel eines fernen Gebirges zu erreichen. Von dort aus konnten sie die gleißenden Sterne noch besser sehen. Sie waren ihrer Heimat um eine kaum messbare Strecke nähergekommen.
Wie aber sollte ich meiner Heimat im Normalraum näherkommen?
Ich war kleiner als das kleinste Virus. Die Welt, auf der ich im Augenblick lebte, war vielleicht mitsamt allen benachbarten Welten, Galaxien und kosmischen Weiten in einem Virus eingebettet.
Ich stöhnte unterdrückt auf. Ich dürfte mich nicht länger mit solchen Gedanken quälen. Das führte zu nichts.
Immerhin hatte ich einen Leidensgenossen gefunden. Eine junge, arkonidische Prinzessin. Sie war auf dem gleichen Weg wie ich in den Mikrokosmos verschlagen worden. Ich war nicht mehr allein unter den phantastischen Wesen, die diese Welt bevölkerten.
Crysalgira Quertamagin war so schön und reizvoll anzusehen, dass ich meine Depression schneller als erwartet überwinden konnte.
*
»Draußen ist irgend etwas passiert«, stellte Crysalgira überrascht fest.
Sie nahm die Hand von der Tastatur, mit der man die Bildschirmeinstellung verändern konnte.
»Anscheinend ein Wetterumschwung«, meinte ich.
Auf dem Bildschirm war nur bleigraues Wogen und Wabern zu sehen. Dazwischen ragten die düsteren Schemen hochwachsender Pflanzen auf. Sie erinnerten an gespenstische Monstren. Ihre dürren Äste waren gespreizt. Viele hatten ihre Fruchtlast verloren.
»Was war das?« Crysalgira sah mich überrascht an.
Die Außenbordmikrophone übertrugen ein orgelndes Geräusch in das zentrale Lautsprechersystem. Es schwoll an, ebbte aber ebenso rasch wieder ab. Man konnte meinen, ein Riese würde eine mächtige Harfe schlagen.
»Sehen wir uns das an Ort und Stelle an!«
Crysalgira blickte mich prüfend an. Sie hatte wenig Lust Vruumys' Raumschiff zu verlassen. Das dreißig Meter hohe Schiff bot uns Schutz vor den Unbilden der Natur. Es war eine Art Fluchtburg geworden, in der wir uns sicher fühlten.
»Vielleicht stellen die Geräusche eine Bedrohung für unser Schiff dar«, vermutete ich. »Bevor wir uns um Vruumys' Aufzeichnungen kümmern, will ich mich vergewissern, ob draußen alles in Ordnung ist.«
»Schon gut, Atlan! Ich komme mit.«
Crysalgira wendete sich vom Bildschirm ab. Ihr dünner, flexibler Anzug aus irgendeiner Metallfaser betonte ihre jugendliche Figur besonders reizvoll. Ich trug eine Kombination aus dem gleichen Material. Die Anzüge stammten aus dem Arsenal Vruumys'. Ich hatte den Sternenfahrer eine Zeitlang begleitet. Ich war zu ihm gestoßen, als er an der Mündung des Jongquatz nach Urnen tauchte. Vruumys war davon besessen gewesen, das ewige Leben zu erlangen. Er hatte den Tod gefunden. Seine Ausrüstung hatte mich zu diesem Raumschiff geführt. Welch eine Überraschung für mich, dass auch Crysalgira hier Schutz gesucht hatte!
Schade, dass der Bepelzte nicht mehr lebte. Er hätte mir mehr über diesen Planeten verraten können. Jetzt musste ich zusammen mit Crysalgira daran gehen, die Geheimnisse zu enträtseln.
Eine graue Nebelwand hatte das hellrote Raumschiff eingehüllt.
»Unheimlich«, murmelte Crysalgira.
Ich ergriff ihre Hand. Ich spürte, wie sie sofort ihre Finger um mein Gelenk schloss. Sie fröstelte leicht.
Der Boden knirschte unter unseren Füßen. Der Sand war trocken. Einige breitflächige Blätter zerfielen knisternd.
»Das könnte ein natürlicher Jahreszeitenwechsel sein.«
»So plötzlich?«, fragte Crysalgira. »Es war doch vorher überhaupt nichts davon zu merken. Ich habe die Umgebung genauestens beobachtet. Du bist kaum eine Stunde hier, Atlan.«
»So etwas kann sehr schnell gehen.«
Ein Nebelstreifen verschleierte Crysalgiras Gesicht. Die Feuchtigkeit legte sich schwer auf meine Lungen.
»Gehen wir nicht zu weit vom Schiff weg. Bei diesem Nebel verlieren wir leicht die Richtung.«
Ich drehte mich um. Der raketenförmige Schiffskörper ragte zwischen den schrägstehenden Gewächsen empor. Er war nichts weiter als ein Schemen in der ständig wechselnden Nebelfront.
Ich machte ein Zeichen auf den Boden.
»Meinst du, wir finden damit schneller zum Schiff zurück?«
Ich ließ mich nicht beirren und kerbte mit dem Stiefelabsatz ein weiteres Kreuz in den sandigen Boden.
Dicht vor uns orgelte plötzlich ein anschwellender Ton durch die Nebelwand. Die Dampfschwaden kamen in Bewegung und verschoben sich zu blassgrauen Schlieren. An einigen Stellen kam etwas Licht durch.
»Das sind keine Tiere«, flüsterte ich. »Irgendeine mechanische Tonerzeugung. Ich werde den Verdacht nicht los, dass es sich um ein kultisches Musikinstrument handelt.«
»Aber in unmittelbarer Nähe des Raumschiffes leben doch keine intelligenten Wesen.«
Dem abrupt verstummten Orgelton folgte ein perlendes Glucksen.
»Dort vorn hat sich etwas bewegt!«
Ich ergriff Crysalgiras Schulter.
»Dicht bei mir bleiben!«
Ich sah mich nach einer geeigneten Waffe um, konnte aber außer einigen vertrockneten Ästen nichts entdecken.
Wenn fremde Wesen Vruumys' Raumschiff aufgespürt hatten, stand uns ein schwerer Kampf bevor. Ich wusste so gut wie gar nichts über unsere nähere Umgebung. Die Fremden kannten sich hier aus. Sie wussten, wie man ungesehen an das Schiff herankam.
Plötzlich verfluchte ich meinen voreiligen Entschluss, Vruumys' Schiff so überstürzt verlassen zu haben. Drinnen hätten wir uns verbarrikadieren können, bis der Nebel nachgelassen hatte.
Der Nebel war eine tödliche Falle für den, der sich hier nicht auskannte.
Zuerst beachtete ich die kaum ellenlangen Fühler nicht, die aus dem Sandboden ragten und eigenartige Pendelbewegungen vollführten. Ich ging achtlos an ihnen vorbei. Auch Crysalgira merkte nichts.
Plötzlich durchzuckte mich ein elektrisierender Schmerz. Ich sprang ein paar Meter nach vorn und tastete mich über die metallische Legierung meines Anzugs. Darunter bemerkte ich eine rasch anschwellende Hautreizung.
Crysalgira schrie entsetzt auf.
»Sie kommen aus dem Sand!«
Ich verharrte in der Hocke. Dicht hinter den ausgedörrten Pflanzensträngen schoben sich zahlreiche Fühler aus dem Sand. Sie entsprossen einer glasähnlichen Halbkugel. Sekundenlang geschah überhaupt nichts. Die Wesen schienen auf irgend etwas zu warten. Auf was, das sollte ich gleich erfahren.
»Schnell, Atlan ... ins Schiff zurück!«
Wir blickten in die Runde. Noch bevor wir auf dem Weg zurücklaufen konnten, auf dem wir in die Nebelfront vorgestoßen waren, umzingelten uns die unbekannten Fühlerwesen.
Die Biester besaßen anscheinend keine Augen. Aber sie konnten uns auf irgendeine Weise orten. Dass sie ganz und gar nicht wehrlos waren, hatte ich bereits erfahren müssen. Ihre beste Waffe schien eine organische Batterie zu sein, mit der sie kräftige elektrische Schläge austeilten.
Der Sand um uns herum wurde unwahrscheinlich schnell aufgeworfen. Zum Vorschein kamen raupenförmige Leiber, die an der Spitze mit jeweils zwei elastischen Fühlern versehen waren. Jetzt falteten sie sogar noch schlanke Beinklauen vom Vorderkörper ab. Damit konnten sie einen Arkoniden umschlingen.
Ich schätzte die Gesamtlänge einer solchen Sandraupe auf etwa fünfzehn Meter.
»Lass uns versuchen, hier durchzubrechen!«
Ich zerrte Crysalgira durch eine Lücke in der Phalanx der Sandraupen. Ich wusste nicht, ob das die richtige Richtung war. Ich hoffte nur, in den nächsten Minuten auf meine Zeichen zu stoßen, mit denen ich den Weg markiert hatte.
Da brauste der Orgelton über mir mächtig anschwellend auf.
Ich schaute hoch. Im Nebel war zuerst überhaupt nichts zu erkennen. Wir mussten weiterlaufen. Die Sandraupen waren anscheinend entschlossen, uns nicht entwischen zu lassen.
Dann zerplatzte irgend etwas. Trockene Blätter regneten auf uns herunter. Ein süßlicher Geruch machte sich breit. Mit dem Glucksen, das jedem Orgelton folgte, regnete eine Vielzahl kleiner Perlen auf uns herunter.
Es war wie ein Hagelsturm, der so rasch verschwand, wie er gekommen war. Der süßliche Geruch hielt unvermindert stark an.
Unzählige rotschimmernde Perlen lagen im Sand. Dort, wo sie niedergefallen waren, stiegen gelbliche Dämpfe auf. Als ich näher hinschauen wollte, waren die Perlen verschwunden.
Ich stieß Crysalgira an.
»Weiter! Das Geheimnis dieser artfremden Natur werden wir auf der Flucht vor den Sandraupen bestimmt nicht enträtseln.«
Hätte ich mich umgedreht, so wäre mir nicht entgangen, dass dort, wo die kleinen roten Perlen im Sand verschwunden waren, zitternde Raupenfühler auftauchten. Ich eilte mit Crysalgira an der Hand blindlings durch den Nebel. Ich wusste nicht, welche Richtung wir eingeschlagen hatten. Ich war lediglich von dem Gedanken besessen, so schnell wie möglich aus der Reichweite der Sandraupen zu kommen.
Ich achtete nicht auf die Luftwurzeln, die sich uns in den Weg stellten. Beim nächsten Schritt verfing ich mich mit dem Fuß in einer schlingenähnlichen Wurzel. Ich stürzte schwer zu Boden und spürte einen brennenden Schmerz, als die Wurzel mir die rechte Brustseite aufschlitzte.
»Crysalgira!«
Mein Schrei verhallte im wogenden Nebel.
Das letzte, was ich noch mit Bewusstsein wahrnehmen konnte, war das Verschwinden meiner Begleiterin. Ein riesiger Raupenkörper war vor ihr aufgetaucht und hatte sie mit mehreren Greifklauen fest an sich gepresst.
Dann verlor ich in einer Woge von Schmerz und Verzweiflung die Besinnung.
*
Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich so im Sand gelegen hatte. Die kleinste Erschütterung verursachte mir heftige Schmerzen. Das Blut an meiner Seite war bereits getrocknet. Mein Arm war steif und gefühllos.
Ich wollte mich aufrichten. Vor meinen Augen tanzten grelle Schemen. Es ging nicht. Ich war zu absoluter Regungslosigkeit verdammt.
Ich wusste, dass ich jederzeit wieder das Bewusstsein verlieren konnte. Mein augenblicklicher Zustand konnte höchstens mit dem kurzen Erwachen nach einer schweren Operation verglichen werden.
Zehn Meter neben mir kroch eine Sandraupe vorüber. Die wellenförmigen Kriechbewegungen ihres fetten Körpers übertrugen sich auf den Untergrund. Ich hatte keine Angst mehr vor diesen Biestern, obwohl ich wusste, dass ich mich nicht mehr wehren konnte.
Anscheinend war ich den Tieren als Beute nicht mehr interessant genug. Ein Sterbender erweckt höchstens Interesse bei Aasfressern.
Ich stöhnte verzweifelt.
Wo mochte Crysalgira gelandet sein? Sollte ich sie nach so kurzer Zeit bereits wieder verloren haben?
Es ging mir nicht in den Sinn, dass meine ganze Wanderung durch den Mikrokosmos umsonst gewesen sein sollte. Verzweifelt bäumte ich mich gegen mein Schicksal auf. Ich wollte nicht sterben! Ich dämmerte in einen tödlichen Schlaf hinüber. Es gab keinen Übergang und keine merkbaren Stationen auf dem Weg ins ewige Nichts.
So ist das also, schoss es mir durch den Kopf. So erlebt man sein eigenes Ende! Trotzdem wollte ich es nicht wahrhaben. Ich hatte weit gefährlichere Situationen erlebt. Warum sollte ich ausgerechnet auf dieser Welt im Mikrokosmos sterben.
Ob ich mich im Tode wieder vergrößern würde? Dann mussten diese Daseinsebenen mit mir zusammen untergehen. Aber ich bezweifelte das. Ich besaß eine Körpermasse, die sich der Umwelt angepasst hatte. Es war nicht so wie damals bei meiner ersten Verkleinerung, als ich meine ursprüngliche Masse behalten hatte.
Ich musste trotz des Ernstes der Situation grinsen. Ich stellte mir gerade vor, wie ich während des unverhofften Schrumpfungsprozesses als Zwerg die Spuren eines Riesen hinterlassen hatte. Obwohl ich damals nur wenige Zentimeter groß gewesen war, hatte mein Gewicht ungefähr neunzig Kilogramm betragen. Jeder Schritt war damals mit Einbrüchen in den Untergrund verbunden gewesen.
Ein peitschenartiger Knall riss mich in die schmerzende Wirklichkeit zurück. Der bereits bekannte Orgelton brauste auf und erlosch im perlenden Glucksen. Unzählige Körner prasselten auf mich herunter. Lauter kleine, rote Samenkörner.
Dann war es wieder totenstill.
Der Nebel hatte sich noch nicht wieder verzogen. Es war düster wie in einer Gruft. Geräusche aus der Ferne wurden vom Nebel verschluckt. Die wogenden Schlieren wirkten wie ein Samtvorhang.
Plötzlich empfand ich ein warmes Prickeln im rechten Arm.
Du kannst den Arm wieder bewegen, erklärte mein Extrasinn erregt.
Richtig! Ich spannte die Sehnen und spreizte alle Finger meiner Rechten. Es tat überhaupt nicht mehr weh. Das Prickeln in den Muskeln hielt unvermindert an.
Die Raupen kommen wieder aus dem Sand, warnte mich mein Extrasinn. Dein Regenerierungsprozess trifft mit ihrem Auftauchen zusammen. Vielleicht besteht da irgendein Zusammenhang.
Ich war viel zu aufgeregt, um darüber nachzudenken. Ich empfand eine unbeschreibliche Freude. Ich brauchte nicht zu sterben. Dessen war ich mir ganz sicher. Meine Kräfte wuchsen mit jedem verstreichenden Augenblick. Ich vergaß sogar die Gefahr, in der ich schwebte. Die Sandraupen entfalteten gerade ihre Fühler und durchstießen den Boden in meiner unmittelbaren Nähe.
Ich lag immer noch in der Wurzelmulde. Mein rechtes Fußgelenk wurde von einer Wurzelschlinge umspannt. Dicht über der gefährlichen Brustwunde ragte ein hartes, messerscharfes Wurzelstück hervor. Kein Wunder, dass es mich so schwer verletzt hatte.
Zwischen den Wurzeln lagen etwa zwanzig Samenkapseln.
Ich konnte jetzt meinen Arm so weit bewegen, dass es mir nichts mehr ausmachte, die kleinen Kapseln aufzusammeln.
Die Dinger fühlten sich warm und weich an. Fast so wie durchblutetes Fleisch. Ich empfand dabei eine kaum ausdrückbare Geborgenheit. Ich hielt die kleinen Körner fest und wollte sie nicht mehr hergeben.
Da fiel mein Blick auf die Brustwunde.