Nr. 307

 

Kämpfer der Nacht

 

Balduurs Wolf jagt neue Opfer

 

von Hans Kneifel

 

 

Sicherheitsvorkehrungen, die auf Atlans Anraten noch gerade rechtzeitig getroffen wurden, haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist.

Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt und nicht bereinigt worden. Der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan, Lordadmiral der USO, und Razamon, der Berserker – er wurde beim letzten Auftauchen von Atlantis oder Pthor von den Herren der FESTUNG zur Strafe für sein »menschliches« Handeln auf die Erde verbannt und durch einen »Zeitklumpen« relativ unsterblich gemacht – sind die einzigen, die den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Leiter der Invasion ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Allerdings verlieren die beiden Männer bei ihrem Durchbruch ihre gesamte Ausrüstung.

Und so landen Atlan und Razamon – der eine kommt als Späher, der andere als Rächer – nackt und bloß an der Küste von Pthor, einer Welt der Wunder und der Schrecken.

Ihre ersten Abenteuer bestehen sie am »Berg der Magier«. Ihr weiterer Weg führt sie über die »Straße der Mächtigen« zu den Seelenhändlern und an die Stahlquelle.

Schließlich begegnen der Arkonide und der Pthorer dem KÄMPFER DER NACHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Razamon – Die Wanderer auf Pthor werden verfolgt.

Balduur – Sohn Odins.

Fenrir – Balduurs grauer Jäger.

Deckenwiezel – Ein Robotzwerg.

Opal – Eine lebende Tote braucht neue Opfer.

1.

 

Hinter den Büschen, die wie fahlgrüne, staubige Halbkugeln aus der flachen Landschaft des Waldrands wuchsen, ging die Sonne auf. Sie zeigte sich als riesenhafte, messingfarbene Scheibe. Es war ein Licht, das Verderben ausstrahlte und in mir die Erwartung hervorrief, dass auch dieser Tag uns weder Ruhe noch Besinnung bringen würde. Der Geruch aus dem Blutdschungel verstärkte diese Vorahnung. Razamon und ich hatten diesen Gestank in unseren Nasen und in der Kleidung. Wir erwachten blinzelnd, als das Sonnenlicht uns zu blenden begann.

Ich setzte mich auf und betrachtete unser kleines, provisorisches Lager.

Weder unsere Waffen noch die geringen Vorräte waren über Nacht angetastet worden. Nur von einer der Saftblüten zog sich eine nervös kribbelnde Spur winziger blutroter Insekten bis zum Waldrand. Die Asche des erloschenen Lagerfeuers roch stechend. Tautropfen glitzerten noch an den Zweigen der nahen Büsche. Ein feuchter Nebel hing zwischen den riesigen Stämmen drüben, am Rand des wahnsinnigen Dschungels. Ich streckte einen Arm aus und schüttelte Razamon leicht an der Schulter.

»Aufstehen!«, sagte ich halblaut. »Ich kümmere mich um das Feuer.«

Er gähnte; sein schmales, hartes Gesicht verzog sich unwillig. Dann streckte er sich, legte die Hände in den Nacken und tastete an einer Satteltasche herum.

»Wir leben noch? Tatsächlich?«, fragte er und räusperte sich mehrmals.

»Ja. Obwohl es ein Wunder ist. Vielleicht erreichen wir auch die Straße der Mächtigen, ohne dass uns wieder Ungeheuer oder Dschungelbestien anfallen. Jedenfalls ist es vorbei mit dem Reiten. Wir sind wieder zu Wanderern geworden.«

Er gähnte und entblößte seine strahlend weißen Zähne.

»Wir waren schon viel übler dran, Atlan. Im Augenblick sind wir geradezu mit Wohlergehen gesegnet.«

Ich stand auf, holte einige Arme voll trockenen Holzes und entfernte vorsichtig die Ascheschicht von der Glut. Ich blies in die dunkelrot-schwarzen Stücke hinein, brachte einige Ästchen zum Glimmen und schließlich zum Brennen, und kurz darauf hatten wir wieder ein winziges Feuerchen, das fast ohne Rauch brannte. Rauch war verräterisch in dieser gänzlich veränderten Welt, scheinbar Äonen und Lichtjahre von Terra, der Außenwelt, entfernt.

Ohne sonderliche Hast bereiteten wir ein erstes Essen an diesem neuen Tag. In einer kleinen Pfanne brieten wir etwas von dem getrockneten Fleisch. Die sechs großen, gesprenkelten Vogeleier, die wir gefunden hatten, schlugen wir darüber. Inzwischen schälte Razamon schweigend einige Früchte und schnitt sie in Stücke. Zwei der zum Teil geleerten Saftblüten wurden ausgetrunken.

Immer wieder wechselte die Temperatur innerhalb einer geringen Grenze.

Ein Schwall kalter Morgenluft kam aus dem flachen Land, dann drang wieder eine Wolke des feucht-heißen Dschungelhauchs zu uns heran. Wir legten uns die pelzbesetzten Lederjacken um die Schultern und sahen uns um. Wir hatten gute Gründe, unruhig zu sein.

Am späten Nachmittag des vergangenen Tages waren wir erschöpft und von Insekten zerstochen aus dem Blutdschungel hinausgestolpert. Dieser Dschungel verdiente dieses Adjektiv; es war ein Wald des Schreckens gewesen. Immerhin hatten wir dieses Abenteuer nur mit dem Tod der beiden Yassels bezahlen müssen. Aber wir fühlten uns noch immer wie Fremde in einer phantastischen Welt. Wir mussten ununterbrochen alle unsere Erfahrungen und unser gesamtes Können einsetzen, sämtliche Listen und Tricks, um auf Pthor zu überleben.

»Eigentlich müssten sie inzwischen nach uns suchen. Sie haben jede Möglichkeit, eine Strukturlücke in die Schutzschirme zu schalten«, murmelte ich und fühlte, wie mir der klebrige Fruchtsaft übers Kinn lief.

»Sie würden es tun, Atlan, wenn sie wüssten, dass wir gefährdet sind!«, knurrte Razamon. Er wirkte ruhig und gefasst, aber ich wusste, dass er – ohne jede Vorwarnung für mich – wieder einen seiner Anfälle bekommen konnte.

»Sie wissen es nicht. Sie ahnen es nicht«, sagte ich.

Handle so, als ob du allein wärest. Verlasse dich auf nichts und auf niemanden, warnte mich der Logiksektor.

Langsam beendeten wir unser Essen. Wir saßen uns gegenüber, zwischen unseren Füßen schwelte das Feuer. Jeder beobachtete hundertachtzig Grad der Umgebung. Aber keine Bewegung zeigte an, dass sich eine der vielen Bestien anschlich und uns gierig beäugte. Trotzdem ...

Gespannte Erwartung hing in der Luft. Wir spürten eine greifbare Gefahr: Die Sonnenscheibe war inzwischen höher geklettert, und ein stechendes Rot überschüttete die Landschaft mit einem gefährlich wirkenden Licht.

Einige Windstöße ließen die trockenen Blätter der Büsche zitternd rascheln. Wir sahen uns in die Augen und wussten Bescheid. Etwas veränderte sich. Wir waren schätzungsweise fünftausend Meter östlich des Dschungelrandes, inmitten einer Zone zwischen Wald und Wüste. Razamon nickte mir zu. Seine Augen schienen unergründliche Höhlen zu sein. Schweigend beendeten wir die karge, aber kräftigende Mahlzeit und packten zusammen.

»Versuchen wir's, Atlan?«, fragte Razamon.

»Nichts anderes bleibt uns übrig. Suchen wir die Straße der Mächtigen!«, erwiderte ich und stand auf.

Wir zogen die schweren Lederjacken an, schulterten die Taschen mit jenen rätselhaften Tropfen aus glasähnlicher Substanz und die wenigen Vorräte, befestigten die Köcher und nahmen die Skerzaals in die Hände.

»Auf nach Wolterhaven«, sagte Razamon und hob den Arm, dann deutete er in südwestliche Richtung.

Noch einmal sahen wir uns um, ob wir nichts zurückgelassen hatten, aber nur die Glut des Feuers schwelte unter dem Sand, den wir über die Brandstätte geschaufelt hatten. Wir machten uns auf den Weg.

Wir kamen gut vorwärts. Die großen Büsche standen in weiten Abständen. Jetzt, als der Tau der Nacht verdunstete, begannen sie stechend und narkotisch zu riechen. Razamon führte, ich hielt mich in fünf Schritten Abstand hinter ihm. Obwohl ich keinen Grund hatte, mich als unerfahrenen Anfänger zu betrachten, vertraute ich den geradezu gewaltigen Kräften und Kraftreserven Razamons, und darüber hinaus wusste ich, dass seine Reflexe mindestens so schnell waren wie meine eigenen, wenn nicht schneller. Schweigend stapften wir durch den festen Sand. Je mehr wir uns vom Rand des Blutdschungels entfernten, desto größer wurden die Abstände zwischen den Büschen, und desto kleiner waren jene Büsche. Aber der Geruch, der aus den ledrigen Unterseiten ihrer lanzettförmigen Blätter drang, wurde intensiver. Wir atmeten die Miasmen ätherischer Öle ein. Irgendwelche Substanzen riefen bestimmte Wirkungen in unserem Verstand hervor. Wir hörten auf, uns zu fürchten. Alles erschien plötzlich leicht und unbeschwert.

»Diese Farbe! Diese Sonne! Sie sieht aus, als wäre sie die Sonne eines fremden Systems!«, rief Razamon über die Schulter.

»Es ist Sol, die Sonne der Erde. Ich kenne solche Farbeffekte. Es sind atmosphärische Besonderheiten, aber sie wirken auf jedes lebende Wesen ein. Ein durchaus erklärbarer, psychologischer Effekt, Razamon«, rief ich.

Wir konnten jetzt schon geradeaus gehen, denn die Abstände zwischen den Gewächsen wurden größer. Der betäubende Geruch blieb. Kräftig und relativ schnell schritten wir aus; die silberglänzende Straße war unser Ziel. Nach meiner Schätzung war sie etwa sechstausend bis siebentausend Meter entfernt.

»Psychologie hin oder her – eine Sache, die mich unruhig macht«, rief mein Gefährte.

»Mich macht sie nicht nur unruhig, sondern erwartungsvoll. In meinem Leben ...«, ich ging schneller, um aufzuholen, »... gab es unzählige solcher Momente. Siehst du die Sonne? Eine Wolke schiebt sich vor die Scheibe.«

Eine fahle Dunkelheit raste über das Land. Der gesamte Himmel war klar und wolkenlos. Aber dort im Osten braute sich etwas zusammen, denn die Fülle des orangeroten Lichts nahm ab. Von links schob sich eine Wolkenwand oder eine Trombe vor die kleiner werdende Sonne. Auffallend schnell wurde es wärmer. Etwa fünf Minuten lang gingen wir weiter in die zuerst eingeschlagene Richtung. Dann blieben wir beide plötzlich stehen und hielten den Atem an.

Ein neues, irgendwie bekanntes Geräusch. Ein langgezogenes, schaurig klingendes Geheul. Ein Ton, der das Blut in den Adern stocken ließ.

Wolfsgeheul!, zischte der Logiksektor alarmierend.

Ja, es war der Schrei dieses einsamen Jägers, der riesige Entfernungen zurücklegte, um seine Beute zu treiben und zu schlagen.

»Es klingt wie ein Wolf, der seine Beute hetzt«, meinte Razamon.

Ich blieb neben ihm stehen und versuchte, die Richtung zu erkennen, aus der dieses Geheul kam.

»Es ist ein Wolf. Aber Wölfe, die in der Wüste jagen – ich habe derlei nie erlebt.«

Wieder heulte der Wolf, klagend und langgezogen. Es war ein Heulen, das in jedem Terraner Urängste weckte. Das Tier war sehr weit entfernt, aber es war keine Illusion. Irgendwo vor uns rannte ein Wolf und schrie seine Wut, seine Einsamkeit oder seinen Hunger in die Luft hinaus. Ich erinnerte mich schlagartig an zwei Dutzend irdischer Gegenden, in denen ich nachts von diesem Ton geweckt worden war und schweißgebadet aufgefahren war. Ich streckte den rechten Arm aus und hob die Armbrust vor die Augen meines Gefährten.

»Jedenfalls kenne ich keinen Wolf, der immun gegen eine solche Waffe ist. Weiter, Razamon!«

Razamon hob seine schmalen Schultern und stieß ein forderndes Gelächter aus.

»Einverstanden. Wir werden auch einen Wolf bezwingen können!«

Wir gingen geradeaus. Wieder rasten dunkle Schatten über das Land. Obwohl sich die Temperatur nicht um ein Kelvin änderte, hatten wir den Eindruck, dass eine gewaltige Kälte über die Halbwüste vor uns fiel. Unwillkürlich hüllten wir uns enger in die Felljacken.

Rechts und links blieben die letzten verkrüppelten Büsche zurück. Unter dem Sand gab es nun keinen Kies mehr. Vor uns öffnete sich eine wüstenhafte Gegend. Zuerst war sie flach und von den wellenartigen Markierungen des windgeformten Sandes gezeichnet, dann stieg sie langsam in Form von langgezogenen Dünen an.

Unsere Schritte hatten noch immer dasselbe Maß und dieselbe Länge. Als wir die flache Seite einer gewaltigen Düne hinaufgestiegen waren, wandten wir uns nach links und stapften entlang des messerscharfen Grates. Vor uns lag die Wüste. Irgendwo dort vorn erstreckte sich die Straße, die wir erreichen mussten. Und von dort vorn erklang jetzt wieder das schaurige Wolfsgeheul, aber ein neuer, gefahrverheißender Ton mischte sich in das Heulen. Ich packte Razamon an der Schulter und deutete in die Richtung der Sonne. Sie war jetzt nur eine Scheibe hinter einer bernsteingelben Wand.

»Dort braut sich etwas zusammen. Es sieht wie ein Sturm aus«, sagte ich und machte mich halb laufend, halb rutschend an den Abstieg. Razamon folgte mir und rief hinter mir her:

»Ein Sandsturm. Sieht wie eine mächtige Windhose aus, wie ein Tornado.«

»Das kann uns umbringen!«

Mit einem kleinen Anlauf rannte ich den nächsten Dünenhang aufwärts und starrte wieder in die Richtung, aus der das summende Geräusch kam. Die Sandkörner bewegten sich unter unseren Schritten. Ein erster Windstoß trieb sie über die Oberfläche der Düne, die wie eine erstarrte Ozeanwoge aussah. Die Körner gaben ein silbern klingendes Flüstern von sich, ehe sie am Fuß der Düne zur Ruhe kamen.

Wir flüchteten so schnell wie möglich quer zu der Richtung, aus der sich die immer schwärzer und kompakter wirkende Wolke näherte. Natürlich war der Sturm schneller, aber vielleicht glückte es uns, in dieser tödlichen Zone aus Sand und trockener Hitze einen Fleck zu finden, an dem wir uns schützen konnten!

Nicht in den Wald zurück! Ihr seid zu weit davon entfernt!, rief der Logiksektor.

»Wir schaffen es nicht, Atlan!«, keuchte Razamon vor mir. Wir rannten jetzt im Zickzack durch die tiefsten Stellen zwischen den Dünen. Zwanzig Meter über uns riss der heranrasende Sturm bereits die Sandmassen von den Dünenkämmen herunter und warf sie in die scharf eingekerbten Täler.

»Bleibt abzuwarten. Notfalls lassen wir uns überrollen«, schrie ich durch das wütende Heulen des Sturmes.

Wenn uns der heranrasende Tornado voll traf, waren wir verloren. Aber wenn es uns gelang, in die Randgebiete zu kommen, hatten wir echte Chancen. Wir stolperten also weiter, immer wieder von waagerecht durch die Luft gewirbelten Sandmassen überschüttet. Inzwischen hatte das Wolfsgeheul aufgehört; es war im viel lauteren Heulen des Sturmes untergegangen. Wir schnappten nach Luft. Sand geriet zwischen unsere Zähne, blendete uns immer wieder und verstopfte die Nasen. Das Tageslicht war fast völlig verschwunden, und ein braungrauer Schatten lag über allem und verwandelte die Dünen in eine sturmzerwühlte Geisterlandschaft. Ich sah nur noch den schmalen Rücken Razamons vor mir und folgte ihm. Das Rennen wurde immer beschwerlicher, unsere Lungen arbeiteten wie Blasebälge.

Halb blind, keuchend und spuckend rannten wir weiter. Die Luft war siedendheiß, aber völlig ohne Feuchtigkeit. Immer mehr Sand verdunkelte die Luft. Das Heulen war jetzt ein dauerndes Geräusch, das jede Verständigung fast unmöglich machte. Wir unterdrückten den Wunsch, uns einfach fallen zu lassen und vom Sand begraben zu werden; unser Wille trieb uns vorwärts, immer den Einschnitten im Boden entlang, die sich ebenfalls langsam mit nachrutschendem und aus der Luft herunterfallendem Sand füllten und uns das Vorwärtskommen noch mehr erschwerten.

Einige Minuten später, als das Heulen zu einem orgelartig röhrenden Ton geworden war, wichen vor uns zwei Dünenhänge breit auseinander und gaben den Blick frei auf einen vom Sturm fast waagerecht zu Boden gebogenen Baum mit weißen Wedeln. Neben diesem Baum lag etwas, das aus Stein zu sein schien und aussah wie eine halb versunkene Kugel von doppelter Mannshöhe. Razamon deutete mit dem Skerzaal darauf, dann rannte er auf das schwarze Loch in der weißen Kugel zu.

Das kann die Rettung sein!, schrie der Logiksektor.

Mit letzter Kraft überwanden wir in mehreren Sprüngen die etwa dreißig Meter bis zum Baum.

Der Baum und die Kugel befanden sich in der Mitte eines kreisförmigen Flecks. Am Rand erkannten wir undeutlich eine Reihe von rundgeschliffenen Steinen; die uralten Reste von Sandsteinfelsen. Die winzige Ebene, von den schrägen Hängen der Dünen gesäumt, war jetzt ein Inferno aus Sandwirbeln. Razamon rannte direkt auf die Kugel zu. Nach vier, fünf Schritten schrie er gellend auf. Ich sah, dass seine Füße bei jedem weiteren Schritt mehr und mehr im Sand versanken.

»Treibsand, Atlan!«

Stehenbleiben!, rief der Extrasinn alarmiert.

Ich konnte nicht stehen bleiben, aber ich änderte sofort meine Laufrichtung. Der Wind jagte mich seitlich an Razamon vorbei. Aber auch ich sank ein. Ich fühlte, wie der Druck auf meine Sohlen sich verringerte, aber meine Geschwindigkeit war noch so groß, dass ich mich retten konnte. Ich sprang auf einen der Steine zu und merkte, dass sich der Sand wieder festigte.

Schnell drehte ich mich um. Ich handelte ganz automatisch. Ich ließ Waffe, Satteltaschen und Nahrungsmittelvorrat fallen, griff an das Gurtschloss und zerrte das Leder aus den Schlaufen. Dann riss ich die Riemen der Satteltaschen aus den Verschlüssen, schob sie wieder zusammen und schlang einen Knoten in meinen Gürtel. Aber das Lederseil war noch immer zu kurz.

»Hilf mir, verdammt!«, brüllte Razamon.

Er stand bis zu den Knien im Treibsand. Der Sand wirkte wie zäher Schlamm oder wie Sirup. Trotzdem versuchte mein Kampfgefährte, sich zu befreien. Sein Gesicht war vor Anstrengung und Angst gezeichnet.

Ich griff in eine der Taschen und zog dort ein Stück Seil aus Pflanzenfasern hervor, die ich von den Yaghts geschenkt bekommen hatte. Ich knotete es in die Schnalle meines Gürtels und wickelte es zweimal um mein Handgelenk. Dann näherte ich mich dem Rand der Sandfläche, stemmte mich gegen den wütenden Sturm und warf mich zu Boden.

»Auffangen!«, schrie ich.