Nr. 311

 

Insel der Kannibalen

 

Abenteuer am Dämmersee, der Tränke der Ungeheuer

 

von Clark Darlton

 

 

Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Oberfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist.

Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt und nicht bereinigt worden. Der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan, Lordadmiral der USO, und Razamon, der Berserker – er wurde beim letzten Auftauchen von Atlantis oder Pthor von den Herren der FESTUNG auf die Erde verbannt und durch einen »Zeitklumpen« relativ unsterblich gemacht – sind die einzigen, die den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Leiter der Invasion ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Allerdings verlieren die beiden Männer bei ihrem Durchbruch ihre gesamte Ausrüstung.

Und so landen Atlan und Razamon – der eine kommt als Späher, der andere als Rächer – nackt und bloß an der Küste von Pthor, einer Welt der Wunder und der Schrecken.

Ihre ersten Abenteuer bestehen sie am »Berg der Magier«. Ihr weiterer Weg führt sie über die »Straße der Mächtigen« zu den Seelenhändlern und der Stadt der Roboter.

Nach dem Kampf in der Feste Grool ziehen der Arkonide und der Pthorer mit dem Wolf Fenrir, ihrem neuen Weggefährten, weiter. Ihr Ziel ist der Dämmersee, doch sie gelangen auf die INSEL DER KANNIBALEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Razamon – Die beiden Besucher Pthors am Dämmersee und unter Kannibalen.

Fenrir – Atlans und Razamons treuer Begleiter.

Gurl und Diamantenzahn Wargoon – Zwei hilfreiche »Rennfahrer«.

Gorzohn – Das letzte Besatzungsmitglied der DEEHDRA.

1.

 

Sie verbrachten die Nacht in einer flachen Senke, die von Sanddünen umgeben war. Dürres und vertrocknetes Gras wuchs auf ihnen und befestigte sie halbwegs. Razamon hatte ein Feuer angefacht, aber Holz war genauso rar wie Wasser. Einige abgestorbene Büsche waren alles, was sie fanden.

Auf dem Kamm einer Düne hielt Fenrir Wache.

Der anderthalb Meter hohe Wolf hob sich kaum gegen den grauen Morgenhimmel ab, aber er war da. Ab und zu bewegte sich sein schattenhafter Umriss und wechselte die Stellung. Vielleicht hörte er etwas, das andere Ohren nicht hören konnten.

Geräusche aus dem Norden, aber vielleicht auch aus Südost, wo östlich vom Blutdschungel die Ebene Kalmlech lag, in der die »Horden der Nacht« ihr Unwesen trieben und darauf warteten, auf eine bedauernswerte Zivilisation losgelassen zu werden.

Im Norden lag die Wüste Fylln, die Dünen hier waren ihre letzten Ausläufer. Der Wind brachte den feinen Sand bis an den nördlichen Rand des Blutdschungels.

Als Atlan erwachte, kam er sich halb erfroren vor. So heiß es tagsüber auch sein mochte, nachts wurde es empfindlich kalt. Das musste mit den Nordwinden zusammenhängen, die Kälte von der Eisküste in die warmen Gebiete trugen.

Seine kombinierte Leder-Pelz-Bekleidung schützte ihn, trotzdem stand er auf und brach einige verdorrte Äste vom nächsten Busch ab, um sie in die Glut zu werfen. Die auflodernden Flammen belebten ihn.

Razamon schlief noch. Zusammengerollt wie ein riesiger Igel lag er dicht neben dem Feuer im Sand, den rechten Arm als Kopfkissen benutzend. Die Abenteuer in der Feste Grool hatten seine und Atlans Kräfte aufgezehrt. Ein paar Tage Ruhe würde ihnen beiden gut tun.

Ein paar Tage ...

Es schien Atlan so, als wären sie schon jahrelang auf dem Kontinent Pthor, nicht erst wenige Wochen. Die terranischen Energieschirme trennten Pthor von seiner Umwelt, trotzdem begriff Atlan nicht, dass Perry Rhodan nicht ein einziges Mal versucht hatte, Kontakt mit ihm aufzunehmen. War nicht schon Zeit genug vergangen, um einen Freund in Unruhe zu versetzen?

Aber immer wieder musste er an Razamons Andeutung denken, dass vielleicht doch verschiedene Zeitabläufe die Ursache sein könnten. Eine Woche auf Pthor waren vielleicht nur Stunden auf den Kontinenten der Erde ...

Verging die Zeit auf Pthor langsamer ...?

Oder etwa schneller?

Es war lediglich eine Frage der Relation, wenn überhaupt.

Sicher schien nur zu sein, dass Pthor in einer anderen Zeitebene existierte.

Razamon, der Verbannte von Pthor und seit mehr als zehntausend Jahren auf der Erde lebend, rollte sich unruhig auf die andere Seite. Die Hitze des auflodernden Feuers schien ihn munter zu machen.

Atlan beobachtete ihn, wie schon so oft in den vergangenen Wochen. Er war sein Freund geworden, auf den er sich verlassen konnte. Ursprünglich war er einer der Berserker gewesen, die von Pthor aus die Erde überfluteten, als der Kontinent das letzte Mal hier materialisierte. Aber das Gute in ihm hatte gesiegt, und darum wurde er dazu verurteilt, immer auf der Erde zu bleiben. Und nun war er mit Atlan nach Pthor zurückgekehrt, um Rache zu üben.

Rache an jenen, die er nicht kannte.

An jenen, die man die »Herren der FESTUNG« nannte.

Die FESTUNG lag im östlichsten Winkel des Kontinents, und eines Tages würde man in sie eindringen können und das Geheimnis lösen. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg ...

Razamon schnupperte mit seiner großen Nase herum, dann erst schlug er die Augen auf. Er sah zuerst ins Feuer, dann auf Atlan.

»Ich dachte schon, wir brennen ab«, brummte er und stützte sich auf den rechten Ellenbogen. »Wo ist Fenrir?«

»Er hält getreulich Wache«, gab Atlan Auskunft und deutete hinauf zu den Dünen. »Es wird bald hell. Wir müssen weiter.«

Razamon winkte ab.

»Nicht so hastig, alter Freund. Dreißig Kilometer haben wir nun hinter uns. Noch einmal so weit dürfte es bis zum Dämmersee sein. Das schaffen wir noch leicht heute. Vom Dämmersee aus gelangen wir über den Regenfluss weiter nach Osten – vielleicht bis zur FESTUNG.« Atlan war nicht ganz so optimistisch wie Razamon.

»Bisher haben wir nichts als Schwierigkeiten gehabt, daran solltest du dich erinnern. Dass wir gestern dreißig Kilometer ohne Zwischenfälle schafften, ist reiner Zufall.«

»Es lebe der Zufall!« Razamon hielt die Hände über die kleiner werdenden Flammen des Feuers. »Bald geht die Sonne auf.« Er sah zu den Dünen hinüber. »Aha, man kann Fenrir wieder sehen. Er hält tatsächlich Wache, der Gute. Wie schade, dass er nicht sprechen kann.«

»Seine Augen können sprechen«, machte ihn Atlan aufmerksam.

»Na, ja, nur muss man es auch verstehen können ...«

Es war so, als wüsste der riesige graue Wolf, dass von ihm gesprochen wurde. Seine Silhouette verschwand plötzlich von dem heller werdenden Himmel, und Sekunden später tauchte er in der Senke auf, näherte sich vorsichtig dem Feuer und streckte sich mit freundschaftlichem Knurren im warmen Sand aus.

»Brav!«, sagte Atlan und streichelte über sein struppiges Fell. »Du hast ein wenig Ruhe verdient, alter Knabe. Schlaf ein wenig, während wir das Frühstück bereiten.«

Gehorsam rollte Fenrir sich zusammen und steckte die Schnauze ins Fell. Es war, als verstünde er jedes Wort, gleich in welcher Sprache.

Razamon kramte ein Stück Speck und eine Handvoll Bohnen aus einem Beutel, nahm eine kleine eiserne Pfanne und stellte sie auf zwei Steine, die er an das Feuer gerückt hatte. Wenig später verbreitete sich ein appetitanregender Geruch, der Fenrir zwar nicht weckte, ihn aber zu aufregenden Träumen veranlasste. Der Wolf strampelte mit den Beinen, als jage er hinter einem Wild her. Dabei knurrte er böse und zuckte mehrmals zusammen, bis Atlan es nicht mehr länger mit ansehen konnte.

Er legte seine Hand auf den warmen Körper.

»Ruhig, mein Freund, eine Traumbeute erjagst du niemals. Hier, nimm ein Stück Speck, das ist realer.«

Fenrir nahm den Speck vorsichtig aus Atlans Hand und schluckte ihn herunter.

»Der hat überhaupt nichts davon«, kritisierte Razamon, der genüsslich auf seinem Anteil herumkaute. »Schwapp! Und fertig!«

»Er hat es im Bauch, und das ist wohl die Hauptsache.« Atlan nahm sich noch Bohnen. »Ich bin gespannt, ob wir am Dämmersee ein Schiff finden, das uns den Regenfluss hinaufbringt. Hast du eine Ahnung, welche Göttersöhne uns dort noch Ärger machen könnten?«

Razamon streichelte Fenrir.

»Keine Göttersöhne, soweit ich das herausgefunden habe. Aber dort leben die Sothkorer, an die ich mich natürlich nicht mehr erinnern kann. Die Händler in Orxeya sprachen davon. Sollen verkrüppelte Zwerge sein, bösartig und nicht gerade gastfreundlich.«

»Was tun sie am Dämmersee?«

»Keine Ahnung, Atlan. Aber wir müssen uns vor ihnen in acht nehmen. Vielleicht kommen wir aber auch unbemerkt an ihnen vorbei.«

»Wir brauchen ein Schiff«, erinnerte ihn Atlan.

»Das stehlen wir uns«, schlug Razamon vor.

Fenrir knurrte leise, als sei er damit nicht einverstanden.

»Nichts wird gestohlen«, lehnte Atlan den Vorschlag ab. »Wir werden verhandeln. Vielleicht genügt auch Fenrirs Anblick, um sie zu überzeugen.«

 

*

 

Bevor sie aufbrachen, überprüften sie ihre Ausrüstung. Außer den Lebensmitteln aus der Feste Grool waren es vor allen Dingen die beiden Skerzaals, die wichtig waren. Die an eine Armbrust erinnernden Waffen verschossen Stahlbolzen, die in einem Köcher aufbewahrt wurden. Auch die Messer waren nicht zu verachten, und wenn man halbwegs zivilisierte Pthorer traf, konnten auch die Quorks von Nutzen sein, das einzige Zahlungsmittel des unheimlichen Kontinents.

Die Sonne war ein Stück höher gestiegen und schien warm vom wolkenlosen Himmel herab. Im Süden war am Horizont die dunkle Linie des Blutdschungels zu erkennen, dazwischen lag das versteppte Ödland. Der Wind aus dem Norden brachte jetzt kaum Erfrischung, dafür aber den feinen Sand aus der Wüste Fylln, der sich überall festsetzte.

Sie kamen verhältnismäßig gut voran. Fenrir lief die doppelte Strecke, denn immer wieder bog er links oder rechts ab, um vom Kamm einer Düne aus das Gelände zu beobachten. Dann rannte er wieder ein Stück vor oder blieb ein paar Dutzend Meter zurück. Solange er keine Gefahr sah oder witterte, konnten Atlan und Razamon ihren Weg unbesorgt fortsetzen.

Viel wussten sie nicht über den Dämmersee, den sie heute noch zu erreichen hofften. Aber das, was sie über ihn gehört hatten, war alles andere als beruhigend. Sein Wasser sollte ungenießbar und voller. Zauberkräfte sein. Sogar eine Insel sollte es geben, die jedoch niemand betreten durfte. Auf der Ostseite war das Mündungsdelta des Regenflusses, ein Labyrinth von Kanälen und mit Urwald bedeckten Inseln. Durch sie erst hindurch gelangte man in den eigentlichen Regenfluss, der dreihundert Kilometer weiter östlich beim Taamberg entsprang.

Ohne ein Schiff würde es also kaum gehen ...

Razamon stolperte über einen Grasbüschel, fluchte und blieb stehen.

»Jetzt fehlt uns Honirs Windrose«, knurrte er wütend und legte sich in den warmen Sand, um den Staub aus den Lederschuhen zu schütteln. »Oder noch besser ein Zugor der Technos.«

»Damit würden wir ja doch nur wieder abstürzen, weil wir die Flugkorridore nicht kennen.« Atlan setzte sich und bemerkte, dass Fenrir wieder Posten bezog. »Nein, mein Lieber, wir müssen zu Fuß weiter, und das noch gut fünfundzwanzig Kilometer, wenn die Entfernungsangaben stimmen.«

»Der See selbst ist auch vierzig Kilometer breit, und über den müssen wir auch noch. Oder am Südufer vorbei.«

»Du willst zum Taamberg«, erinnerte ihn Atlan.

»Noch mal dreihundert!«, stöhnte Razamon und puffte Atlan gegen die Rippen. »Also weiter, mein Freund, sonst werden wir noch gebraten. Hoffentlich finden wir zum Mittagessen ein schattiges Plätzchen.«

Sein Wunsch sollte sich erfüllen, aber in ganz anderer Weise, als er es sich erhofft hatte.

Fenrir war wieder ein Stück zurückgeblieben und auf die nördlich gelegenen Dünen gestiegen, um Ausschau zu halten. Atlan und Razamon marschierten auf dem Kamm eines sandigen Hügels, der sich genau von West nach Ost dahinzog und einen guten Blick nach allen Seiten ermöglichte.

Trotzdem sahen sie die Falle nicht.

Vielleicht war es auch keine absichtlich angelegte Falle, sondern einfach nur eine dünne Stelle in der Decke der unterirdisch angelegten Siedlung der Kenics.

Beide Männer brachen gleichzeitig ein und stürzten einige Meter in die Tiefe. Zentnerweise kam der Sand hinterher und begrub sie unter sich. Zum Glück war es nicht so viel, dass sie sich nicht hätten befreien können, aber es war eine Art Trichter entstanden, in dem sie wie Opfer eines Ameisenbärs gefangen waren.

Razamon war schnell wieder auf den Beinen.

Er sah nach oben. Am Rand des Trichters erschien Fenrirs Kopf.

»Bleib zurück, Fenrir! Wenn du abrutschst, sitzen wir alle drei hier unten fest!«

Der Kopf des Wolfes verschwand vom Rand des Trichters.

Atlan kam vorsichtig auf die Beine. Er spürte, dass der Boden unter seinen Füßen allmählich nachgab und der Trichter tiefer wurde, obwohl von oben immer neuer Sand nachrutschte. Es musste Hohlräume geben, die sich nun füllten.

»Bei allen Halbgöttern von Pthor und ihren illegitimen Söhnen!«, schimpfte Razamon und versuchte vergeblich, an dem sandigen Rand des Trichters hinaufzukrabbeln. Der einzige Erfolg war, dass er fast von einer neuen Lawine begraben wurde. »Es geht nicht! Unmöglich, hier allein herauszukommen!«

Das hatte Atlan längst eingesehen. Dicht neben ihm entstand im Sand ein sich immer mehr vertiefendes Loch, so als würde der Sand von unten her abgesaugt. Auch seitwärts versickerte er in den Wänden wie zähflüssiger Schlamm. Die Öffnungen von schräg in die Tiefe führenden Gängen wurden sichtbar.

Die Gänge hatten Durchmesser von mehr als einem Meter und waren rund wie Röhren.

Razamon kniff die Augen zusammen, als er sie sah. Langsam nahm er seine Skerzaal von der Schulter und reinigte die Spannfeder vom Sand. Dann öffnete er den Deckel des Köchers.

»Was soll denn das?«, fragte Atlan verwundert. »Fürchtest du vielleicht einen Angriff?«

»Jemand hat diese unterirdischen Gänge gegraben, Atlan, das ist dir doch wohl klar. Jemand, der hier unten lebt und Beute machen will. Ich weiß nicht, wer dieser Jemand ist, aber er dürfte kaum freundlich zu uns sein.«

Der Rand des Trichters lag nun etwa acht bis neun Meter über ihnen. Die Wand war abgeschrägt, aber sie hätte genauso gut senkrecht und aus Fels sein können. Sie bot nicht den geringsten Halt.

»Wo ist Fenrir geblieben?«

Razamon zuckte die Schultern.

»Keine Ahnung. Er ist verschwunden, nachdem ich ihn gewarnt habe, nicht zu dicht an den Rand zu kommen. Er wäre klug genug, Hilfe herbeizuholen.«

»Von wo? Von der Feste oder vom Dämmersee?«

»Egal woher. Allein jedenfalls sitzen wir hier fest.«

»Trotzdem müssen wir es versuchen ...«

Die Gänge, so überlegte Atlan, mussten irgendwohin führen, schließlich wohl auch hinauf zur Oberfläche. Man musste nur den richtigen finden.

Während sich Razamon vergeblich abmühte, am Trichterrand hinaufzuklettern, drang Atlan mit aller Vorsicht in den freiliegendsten Gang ein. Ein scharfer Geruch kam ihm entgegen, der ihm fast den Atem nahm. Es dauerte einige Minuten, bis er sich daran gewöhnte.

Weit kam er nicht, denn es wurde dunkel, außerdem bestand die akute Gefahr, von nachrutschenden Sandmassen eingeschlossen zu werden. Wenn sich der Trichter füllte, würde auch die Luftzufuhr ausfallen.

Die Wände des Ganges waren nicht völlig glatt. Atlans tastende Finger spürten Rillen, die von oben nach unten parallel verliefen, so als habe man den runden Tunnel mit primitiven Werkzeugen in den weichen Boden gegraben. Darüber lag der Sand.

Mit einem Ruck blieb er stehen, als er von vorn ein Geräusch vernahm. Zehn Meter hinter sich hörte er Razamon fluchen.

Es war wie ein Schaben, dann wieder mehr wie das Trappeln von ein paar Dutzend Füßen. Aber was immer es auch war – es näherte sich und wurde deutlicher.

Atlan drehte sich mühsam um und ging zurück. Er musste sich tief bücken, um nicht mit dem Kopf gegen die bröckelige Decke zu stoßen.

»Hör auf damit!«, rief er Razamon zu, der gerade wieder mit einer Ladung Sand vom Hang herabrutschte. Er deutete auf den Gang. »Da kommt etwas.«

»Etwas ...?«

»Ich weiß nicht, was es ist. Viel leicht der oder die Bewohner der Gänge. Wir sollten uns auf eine eventuelle Auseinandersetzung vorbereiten.«

Razamon legte wortlos einen Stahlbolzen in die Führungsrinne seiner Skerzaal. Auch Atlan machte seine Armbrust schussbereit.

Das Tappen und Schaben wurde immer lauter, und dann erschien am Gangende ein etwa ein Meter hohes Lebewesen, das Atlan sofort an einen riesenhaft vergrößerten Skorpion erinnerte. Der gefährlich wirkende Stachel diente dem aufrecht auf den Hinterbeinen gehenden Geschöpf als zusätzliche Stütze. Die beiden Enden der Zange waren wie Schaufeln ausgebildet. Die nebeneinander liegenden Krallen verrieten Atlan den Ursprung der parallel verlaufenden Streifen in den Gängen.

Das Wesen blieb stehen, als es die beiden Männer bemerkte.

Mit glänzenden Augen gab es deren erstaunte Blicke zurück, verhielt sich aber noch abwartend. Die Geräusche hinter ihm verrieten, dass es nicht allein gekommen war.

»Kannst du mich verstehen?« Razamon sprach Pthora, und er sagte es sehr langsam und mit Betonung. Es erfolgte keine Reaktion.

»Du nimmst doch nicht an, dass sie sprechen können?«, fragte Atlan und fischte sich einen Bolzen aus seinem Köcher. »Sie sehen alles andere als friedlich aus.«

»Sie ...?«, dehnte Razamon.

»Die anderen werden gleich da sein, und ich vermute, sie unterscheiden sich kaum von diesem Musterexemplar. Du kennst doch Skorpione? Selbst die fingerlangen können tödlich sein, und dieser hier ist ein Meter lang. Ich möchte nicht in Berührung mit dem Stachel kommen.«

Der Stachel war schwarz und armdick. Seine nadelfeine Spitze vibrierte leicht. Etwa zwanzig Zentimeter vor dieser Spitze entstand eine Schwellung. Atlan vermutete, dass es sich dabei um die Giftblase handelte, die sich nun füllte.

Der zweite Skorpion erschien und drängte den ersten beiseite.

Dann tauchten gleich ein halbes Dutzend aus verschiedenen Gängen auf und verharrten.