Nr. 314

 

Die Herrin von Teimabor

 

In der Oase der Schattenkullja

 

von Marianne Sydow

 

 

Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist.

Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt und nicht bereinigt worden. Der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan, Lordadmiral der USO, und Razamon, der Berserker – er wurde beim letzten Auftauchen von Atlantis oder Pthor auf die Erde verbannt und durch einen »Zeitklumpen« relativ unsterblich gemacht – sind die einzigen, die den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Leiter der Invasion ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen.

Und so landen Atlan und Razamon an der Küste von Pthor, einer Welt der Wunder und der Schrecken. Das Ziel der beiden Männer, zu denen sich inzwischen der Fenriswolf gesellt hat, ist, die Herren der FESTUNG, die Beherrscher von Pthor, aufzuspüren und schachmatt zu setzen, auf dass der Menschheit durch die Invasion kein Schaden erwachse.

Während die Herren der FESTUNG, die mysteriösen Herrscher von Pthor, inzwischen den Androiden Koy als Jäger auf die beiden Eindringlinge angesetzt haben, sind Atlan und Razamon auf dem Weg durch die Wüste Fylln. Dort treffen sie DIE HERRIN VON TEIMABOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Razamon – Der Arkonide und der Atlanter in der Wüste Fylln.

Fenrir und Stormock – Ein Wolf und ein Weißer Geier als Atlans und Razamons Weggefährten.

Die Schattenkullja – Herrin der Oase des Schreckens.

Gurnych – Ein hinterhältiger Techno.

Zollor – Ein Berserker.

1.

 

Der große, graue Wolf folgte den undeutlichen Spuren bereits seit drei Tagen. Die beiden Männer, die sich von dem Tier führen ließen, kamen weniger schnell voran. Fenrir glich die Pausen, die er deshalb einlegen musste, aus, indem er auf die Jagd ging. Manchmal erwischte er nur ein paar Mäuse, aber es gab auch größere Tiere am Rand der Senke der verlorenen Seelen.

Wenn er gute Beute machte, brachte er sie den beiden Männern. Sie schnitten sich dann ein Stück Fleisch heraus, und Fenrir begnügte sich mit den Resten.

Atlan und Razamon wussten die Jagdleidenschaft des Wolfes zu schätzen. Zwar besaßen sie Waffen, aber sie wussten nicht, wie groß die Energievorräte der Waggus sein mochten. Darum setzten sie die Lähmwaffen nur ein, wenn es sich nicht umgehen ließ. Eine Waggu eignete sich außerdem nicht gut für die Jagd. Zwischen dem niedrigen, fahlgelben Gras wuchsen kleine Sträucher, die zwischen fingerlangen Dornen schmackhafte, faustgroße Früchte trugen. Das reichte zum Sattwerden, aber das Fleisch, das Fenrir brachte, war eine willkommene Abwechslung.

Sie waren an diesem Tag noch nicht lange unterwegs. Auf den raschelnden Grashalmen glitzerten noch die Tautropfen, aber es wurde bereits sehr heiß. Die letzte Nacht hatten sie mit dem Wolf neben einer winzigen Quelle verbracht. Sie befanden sich jetzt am westlichen Rand der Senke. Ab und zu sahen sie von weitem die Glaspaläste, in denen die Wesen aufbewahrt wurden, die aus rätselhaften Gründen von ihren Welten entführt worden waren. Zwischen den Palästen bewegten sich wie winzige Punkte die Fahrzeuge der Technos. Aber im allgemeinen sorgten Atlan und Razamon dafür, dass sich zwischen ihnen und der Senke Hügel, Sträucher oder sonstige Dinge befanden, die sie vor einer zufälligen Entdeckung durch die Technos schützten.

»Ich glaube nicht, dass wir sie noch einholen«, sagte Atlan, während sie hinter dem Wolf hergingen. »Drei Tage – und wir können nicht einmal sicher sein, dass wir die richtigen Spuren ausgesucht haben!«

»Wir werden sie einholen«, erwiderte Razamon verbissen. »Und die Spuren stimmen auch. Wenn ich die Kerle erwische, die Stormock mitgenommen haben ...«

Er verstummte und bewegte unruhig die Hände. Unwillkürlich ging er schneller.

Atlan seufzte und trabte hinter Razamon her. Es war sinnlos, mit dem Pthorer über Sinn und Zweck dieser Aktion sprechen zu wollen.

Stormock war ein weißer Geier. Sie hatten ihn auf der DEEHDRA gefunden. Der Vogel hatte offensichtlich allerhand mitgemacht und befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Von Anfang an hatte Razamon sich um Stormock gekümmert. Als sie in die Senke der Verlorenen Seelen gingen, hatten sie den Vogel auf dem Schiff zurückgelassen. Und als sie zurückkehrten, waren Schiff und Stormock verschwunden. Am Ufer fanden sie nur ein paar weiße Federn und diese Spuren, denen sie nun folgten.

Atlan hoffte, dass die ganze Mühe sich schließlich lohnen würde. Seiner Meinung nach konnte Stormock ebenso gut auf dem Schiff sitzen und mit irgendwelchen Leuten den Regenfluss hinauffahren. Razamon war fest davon überzeugt, dass dieser Verdacht falsch war.

Aus einem Grund, den Atlan noch immer nicht genau kannte, fühlte Razamon sich mit diesem Geier verbunden. Er konnte sich schwach daran erinnern, dass er in seiner Kindheit mit einem solchen Geier gespielt hatte. Für Atlan war das noch lange kein Grund, alle Pläne und Vorsätze über den Haufen zu werfen und auf Teufel komm 'raus den Entführern des Vogels zu folgen. Aber Razamon war wie besessen von dieser Idee, es war unmöglich, ihn davon abzubringen. Er wäre auch alleine weitergegangen.

Atlan hatte in diesen drei Tagen nicht nur einmal überlegt, ob er es nicht sogar darauf ankommen lassen sollte. Razamon würde sich schon durchschlagen, und der Arkonide litt durchaus nicht unter Minderwertigkeitskomplexen. Er würde auch alleine mit den Gefahren von Pthor fertig werden – er hatte immerhin schon viele Abenteuer überlebt.

Trotzdem folgte er dem Pthorer immer noch.

Es war nicht nur die seltsame Freundschaft zu dem ehemaligen Berserker, die ihn hielt. Ein unbestimmtes Gefühl sagte dem Arkoniden, dass sie trotz allem auf dem richtigen Weg waren. Dieses Gefühl bezog sich nicht auf Stormock, sondern auf etwas, das viel wichtiger war – so wichtig, dass sogar der Zeitverlust dagegen unerheblich erschien.

Als Fenrir diesmal stehen blieb, war sein Vorsprung zu den beiden Männern ungewöhnlich gering. Auch seine Haltung deutete darauf hin, dass es Neuigkeiten gab. Der Wolf sah sich hechelnd nach Atlan und Razamon um und wedelte aufgeregt mit dem Schweif.

»Was hast du entdeckt?«, fragte Razamon das riesige Tier.

Fenrir winselte leise und trabte ein paar Schritte weiter. Dann sah er sich abermals um und wartete.

»Die Spur führt direkt in die Wüste Fylln«, stellte Atlan fest. »Wir sollten es aufgeben.«

»Niemals!«

»Wir haben weder die richtige Ausrüstung, noch Proviant«, sagte der Arkonide ärgerlich. »Von einem Wasservorrat ganz zu schweigen.«

»In dieser Wüste gibt es viele Oasen. Wir werden Wasser finden.«

»Vielleicht – vielleicht aber auch nicht. Auf jeden Fall ist es ein Risiko. Die Leute, die diese Spuren hinterlassen haben, kennen sich vermutlich in der Gegend aus. Sie kommen schneller voran als wir. Abgesehen davon werden die Spuren immer undeutlicher – in der Wüste werden wir sie bald nicht mehr erkennen.«

»Sie werden uns zu Stormock führen«, beharrte Razamon stur auf seiner Meinung.

Atlan seufzte.

In diesem Land, das Pthor genannt wurde und auf geheimnisvolle Weise durch Raum und Zeit schweben konnte, gab es unzählige Gefahren. Man musste durchaus nicht nach Schwierigkeiten suchen. Es war glatter Wahnsinn, in diese Wüste zu marschieren, noch dazu ohne jede Vorbereitung.

Fenrir winselte noch einmal, und der Arkonide schrak aus seinen Gedanken auf. Ein Blick auf Razamons Gesicht machte ihm klar, dass jeder Widerstand sinnlos war. Er gab sich geschlagen.

»Also gut«, murmelte er. »Hoffentlich finden wir Stormock bald, damit wir diese elende Wüste wieder verlassen können.«

Razamon lächelte flüchtig und gab dem Wolf ein Zeichen. Fenrir zögerte einen Augenblick – auch ihm schien der Gedanke nicht zu behagen, in das heiße, knochentrockene Gebiet vorzudringen. Aber dann senkte er gehorsam die Nase und nahm die Fährte wieder auf.

»Braver Kerl«, lobte Razamon leise. Fenrir sah sich schwanzwedelnd nach dem Pthorer um. Es schien, als könne er jedes Wort verstehen.

Atlan begriff immer noch nicht, wie Balduur so töricht hatte sein können, den ebenso klugen wie treuen Wolf fast zu töten. Jetzt merkte man Fenrir von den schweren Verletzungen nichts mehr an. Fenrir hatte bisher keine Anstalten getroffen, zu seinem früheren Herrn zurückzukehren. Wenn er sich irgendwann doch dazu entschloss, würde niemand ihn halten können.

Das gelbe Gras wurde bei jedem Schritt kürzer und trockener. Dann tauchten die ersten kleinen Sandinseln auf, die bald zu größeren Flächen zusammenflossen. Das Gras verschwand, und typische Wüstenpflanzen tauchten auf, dornige Gewächse, die nur dann Blätter trugen, wenn ausnahmsweise etwas Regen fiel, und knollenartige Gebilde, die das kostbare Wasser in sich speicherten – die pthorischen Gegenstücke zu den terranischen Kakteen. Zehn Minuten später war der Boden auch für diese genügsamen Pflanzen zu trocken – vor den beiden Männern und dem großen Wolf gab es nur noch goldgelben Sand, den der Wind zu mächtigen Dünen aufgehäuft hatte.

»Das mit den Klimazonen verstehe ich immer noch nicht«, murmelte Atlan, während er neben Razamon durch den lockeren Sand stapfte. »Auf Pthor scheint es alles zu geben. Die geografische Lage der verschiedenen Gegenden spielt offensichtlich keine Rolle. In der Senke waren die Temperaturen ganz erträglich, aber hier ist es auf einmal so heiß wie in einem Backofen. Auf der Landkarte, die wir leider nicht mehr haben, war nördlich der Wüste eine so genannte Eisküste eingetragen. Ob es dort wirklich so kalt ist?«

Razamon zuckte nur mit den Schultern.

»Irgendwie sind die einzelnen Zonen voneinander abgegrenzt«, redete Atlan weiter. »Aber wie? Von energetischen Sperren ist nichts zu merken. Man kann mit einem Schritt vom schönsten Frühlingswetter in tropische Hitze gehen und umgekehrt.«

Razamon schwieg beharrlich. In seinen Gedanken war jetzt nur noch Platz für den weißen Geier und die Frage, in welchem Zustand der Vogel sich befinden mochte.

Atlans Befürchtungen erfüllten sich nur zu schnell. Sie hatten erst zwei Dünen hinter sich gebracht, da hörten die Spuren auf. Der Wind hatte sie zugeweht. Fenrir blieb stehen und sah die beiden Männer ratlos an.

»Ich bin sicher, dass wir den Burschen dicht auf den Fersen sind«, sagte Razamon beschwörend zu dem großen Wolf. »Kannst du sie riechen?«

Fenrir winselte kurz.

»Du verlangst zuviel von ihm«, warnte Atlan. »Außerdem kommt der Wind aus der falschen Richtung. Lass uns umkehren.«

»Nein!«

»Aber ...«

Razamon wandte sich schweigend ab und stieg den steilen Hang einer riesigen Düne hinauf. Atlan schüttelte den Kopf und gab Fenrir einen Wink. Sie folgten dem Pthorer, der verbissen gegen den Sand ankämpfte.

Vom Kamm der Düne aus sahen sie zwar keine neuen Spuren, dafür jedoch etwas, was sie hier nicht erwartet hätten.

Direkt unter ihnen lag eine Straße.

 

*

 

Atlan strich prüfend mit der Hand über die glatte, harte Fläche.

»Verfestigter Sand«, sagte er. »Eines steht fest – von alleine ist dieser Weg nicht entstanden. Aber wer baut mitten in dieser Wüste eine Straße, noch dazu eine, die mitten im Sand aufhört.«

»Das ist doch egal«, brummte Razamon. »Wenigstens wissen wir jetzt, in welche Richtung wir gehen müssen.«

»Hier gibt es keine Spuren. Die Leute, die Stormock mitgenommen haben, können überallhin verschwunden sein. Es ist nicht sicher, dass sie ausgerechnet diese Straße benutzt haben.«

»Unsinn«, wehrte Razamon ab. »Sie wären schön dumm, wenn sie sich durch den Sand arbeiteten, obwohl sie es bequemer haben könnten.«

»Vielleicht ist das gar keine Straße, sondern eine Falle«, überlegte Atlan.

»Es gibt hunderte verschiedene Möglichkeiten«, sagte Razamon ärgerlich. »Komm schon, oder willst du hier Wurzeln schlagen?«

Atlan fühlte sich unbehaglich, als er über diese merkwürdige Straße ging. Er behielt Fenrir im Auge. Der große Wolf mit seinen scharfen Sinnen und seinem sicheren Instinkt würde eine sich nahende Gefahr am ehesten erkennen.

Die Straße verlief nicht schnurgerade, sondern in einem scheinbar sinnlosen System von Kurven und Ecken. Das bestärkte den Arkoniden in seinem Verdacht, dass es sich nicht um eine Verkehrsverbindung handelte. Einmal kamen sie an eine Kreuzung. Die andere Straße war genauso glatt und hart. Sie führte in einem verrückten Winkel nach rechts, mitten durch eine Düne hindurch. Rechts und links bildete der Sand fast hundert Meter hohe Wände – die Straße selbst war völlig frei geblieben.

Allmählich wurde dem Arkoniden die ganze Angelegenheit unheimlich. Er stellte fest, dass die Straße nirgends vom Sand bedeckt wurde. Er fand aber auch keine Spuren dafür, dass jemand den Weg regelmäßig säuberte. Es war, als halte etwas den goldgelben Sand von dieser Schneise zurück. Atlan ging ein paar Mal an den Rand der Straße, aber er fand nichts. Es war genau wie mit den so verschiedenen Klimazonen auf Pthor. Es existierte eine Begrenzung, das sah man deutlich, aber wie diese Grenze beschaffen war, ließ sich nicht feststellen.

Neben der Straße gab es einen nur wenige Zentimeter breiten Streifen, auf dem sich die kakteenähnlichen Pflanzen angesiedelt hatten – ein weiterer Beweis dafür, dass in diesem Bereich der Sand daran gehindert wurde, sich ständig mit dem Wind zu bewegen.

Die Hitze nahm immer noch zu. Die beiden Männer trugen die bunte Tuchkleidung, die sie auf dem Schiff gefunden hatten. Atlan fühlte sich darin wie in einer Sauna. Er schätzte die Temperatur auf ungefähr fünfzig Grad. Manchmal lag die Straße im Schatten gewaltiger Sandmauern, zwischen denen ein angenehm kühlender Wind hindurchstrich. Aber andererseits trocknete dieser Wind den Schweiß und raubte dem Körper damit wertvolle Feuchtigkeit. Obwohl Atlan am Morgen reichlich getrunken hatte, verspürte er einen fast unerträglichen Durst.

Das ist psychisch bedingt, meldete sein Extrasinn. Der Anblick des trockenen Sandes löst das Durstgefühl aus. Eine instinktive Abwehr gegen dein Eindringen in diese lebensfeindliche Umgebung.

Schön und gut, dachte der Arkonide. Aber den Durst werde ich durch deine klugen Sprüche auch nicht los.

Einen Augenblick später vergaß er dieses Problem.

Fenrir, der wie selbstverständlich die Führung übernommen hatte, blieb plötzlich stehen.

»Was ist los?«, fragte Razamon. Der Wolf zog den Schwanz ein und winselte.

»Er will uns warnen«, bemerkte Atlan.

»Vielleicht sind wir ganz in der Nähe von Stormock«, sagte Razamon. »Keine Angst, Fenrir, mit den Kerlen, die den weißen Geier gestohlen haben, werden wir schon fertig. Immerhin sind wir bewaffnet.«

Fenrir schien nicht sehr beruhigt zu sein. Er winselte lauter und drehte sich ratlos im Kreis herum. Sein Nackenfell sträubte sich – es war nicht zu übersehen, dass Fenrir Angst hatte. Trotz der Hitze bekam Atlan bei dieser Erkenntnis eine Gänsehaut. Es gab nicht viele Dinge, vor denen der Wolf sich zu fürchten hatte. Und dann hörte er etwas.

Zuerst klang es wie das Rauschen einer weit entfernten Brandung. Dann schwoll es mit beängstigender Geschwindigkeit zu einem ohrenbetäubenden Brüllen an. In Sekundenschnelle verfinsterte sich der Himmel, aber es waren keine Wolken, die die Sonne verdeckten. Ungeheure Massen von Sand erfüllten die Luft.

Atlan sah, dass Fenrir heulte – hören konnte er es nicht. Er verstand auch kein Wort von dem, was Razamon ihm zubrüllte. Der plötzlich ausgebrochene Sturm verschluckte jedes andere Geräusch. Er sah, wie Razamon nach oben deutete. Die Straße führte an dieser Stelle durch den Ausläufer einer Düne hindurch, die Sandwände ragten zu beiden Seiten mehr als fünfzig Meter hoch auf. Das heißt, sie hatten das getan. Jetzt war der Sand in Bewegung geraten.

Atlan nickte und gab Fenrir einen Klaps. Der Wolf und die beiden Männer rannten keuchend in die Richtung, in der ein bisschen Helligkeit das Ende der Düne verriet. Hinter ihnen prasselte Sand auf die Straße, wurde hochgerissen und weitergeschleudert, hinter den beiden Männern her, die in der stauberfüllten Luft kaum atmen konnten. Der Sand hüllte sie ein und prallte mit solcher Wucht gegen sie, dass sie stürzten. Keuchend blieben sie liegen, bis der nächste Windstoß über sie hinwegfauchte.

Fast blind vor Sand und Tränen taumelten sie weiter. Sie hielten sich an dem Wolf fest, dessen Kräfte unerschöpflich zu sein schienen. Sie wussten längst nicht mehr, wo sie sich befanden. Von der Straße war nichts mehr zu sehen, die ganze Umgebung bestand nur noch aus treibendem Sand.

Fenrir lief unbeirrbar weiter. Er hatte immer noch Angst, das merkte man. Jedes andere Tier wäre in der Panik davongestürmt. Der graue Wolf dagegen bezwang sich. Und er vollbrachte ein mittleres Wunder, indem er einen Platz fand, an dem die beiden Männer sich wenigstens für kurze Zeit ausruhen konnten. Mitten in der Sandhölle der Wüste Fylln entdeckte Fenrir einen abgestürzten Zugor.

Das Wrack war vom Sand fast zugeweht, aber unter ihm gab es eine windgeschützte Höhlung, in der Atlan und Razamon sich verkrochen. Fenrir legte sich am Eingang nieder. Die beiden Männer waren fürs erste vollauf damit beschäftigt, den gelben Sand aus all den Stellen zu entfernen, in die der Wind ihn getrieben hatte. Als sie damit fertig waren, krochen sie nach vorne zu Fenrir und sahen hinaus.

Der Sturm war nicht mehr ganz so stark, die Sicht hatte sich gebessert.

»Sieh mal«, sagte Razamon leise und deutete in eine Richtung.

»Was ist das?«, fragte Atlan bestürzt. Unwillkürlich hatte er geflüstert. Razamon antwortete nicht, denn auch er hatte keine Erklärung für das, was sich draußen abspielte.

Die Dünen bewegten sich. Es war nicht die langsame Bewegung, die durch den Wind entstand, der die Sandkörner immer wieder umschichtete, sondern ein träges Wallen und Kriechen, als wären die Dünen in Wahrheit monströse Wesen, die im Wind zum Leben erwachten. Razamon kroch unter dem Zugor hervor und stieß einen entsetzten Schrei aus. Atlan und der Wolf liefen hastig nach draußen.

Ein gewaltiger Berg aus Sand wälzte sich auf sie zu und wurde mit jeder Sekunde schneller.

Fenrir heulte auf und trabte los. Die beiden Männer rannten hinter ihm her. Trotz des Sturmes glaubten sie hinter sich das Rauschen des Sandes zu hören, der sich mit tödlicher Beharrlichkeit näher heranschob.

»Wir schaffen es nicht«, keuchte Atlan.