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Nr. 318

 

Hammer des Todes

 

Chaos über Moondrag, der Stadt ohne Gesetz

 

von H. G. Francis

 

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Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist. Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt worden, denn der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan und Razamon, der verbannte Berserker, sind die einzigen, die den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Herren von Pthor ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen.

Atlan und Razamon gelangen auf eine Welt der Wunder und der Schrecken. Das Ziel der beiden Männer, zu denen sich inzwischen der Fenriswolf gesellt hat, ist, die Herren der FESTUNG, die Beherrscher von Pthor, aufzuspüren und schachmatt zu setzen, auf dass der Menschheit durch die Invasion kein Schaden erwachse.

Nach vielen gefahrvollen Abenteuern, die am Berg der Magier ihren Anfang nahmen, haben Atlan und Razamon durch die Zerstörung des Kartaperators der irdischen Menschheit bereits einen wichtigen Dienst geleistet.

Jetzt – zu einer Zeit, da Koy, der Trommler, längst auf der Suche nach ihnen ist – halten die Kampfgefährten ihren Einzug in Moondrag, der Stadt ohne Gesetz.

Dort herrscht der HAMMER DES TODES ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan und Razamon – Die Wüstenwanderer erreichen ihr neues Ziel.

Fenrir – Atlans und Razamons vierfüßiger Begleiter.

Kull-Koll Harxt – Ein blinder Seher.

Fengo-P, Troot und Pan-pank – Anhänger des Blinden.

Harvall – Beherrscher von Moondrag.

Wer wahrhaftig und gebildet ist und standhaft bis zum Tode auf dem Weg der Rechtlichkeit gehen will, soll kein Land betreten, wo Umsturz droht, und nicht leben in einem Lande, wo Gesetzlosigkeit herrscht. Wo aber Gerechtigkeit und Ordnung ist, da soll er sich hervortun, wo Ungerechtigkeit und Unordnung ist, da soll er nicht auffallen. Wenn im Land Gerechtigkeit und Ordnung herrschen, so ist es eine Schande, arm und ohne Ansehen zu sein. Doch wenn im Lande Ungerechtigkeit herrscht, so ist es eine Schande, reich und geehrt zu sein.

Konfuzius

 

1.

 

Die Wüste flimmerte vor Hitze. Pflanzen und Gebäude, die sich weit vor Atlan, Razamon und Fenrir befanden, waren kaum zu erkennen und schienen ständig in Bewegung zu sein. Luftspiegelungen ließen Trugbilder erscheinen. Sie hatten geglaubt, die Wüste bereits hinter sich gelassen zu haben. Doch sie hatten sich geirrt. Dennoch zweifelten die beiden Männer nicht daran, dass sie direkt auf die Stadt Moondrag zu marschierten.

»Es kann nicht mehr weit sein«, sagte Razamon mit heiserer Stimme. Er legte sich die Hände um den Hals und schluckte mühsam.

Atlan nickte nur.

Fenrir stob plötzlich davon. Er schreckte ein hasenähnliches Tier hoch und jagte hinter ihm her. Weder Atlan noch Razamon riefen ihn zurück, weil sie glaubten, er werde von selbst wiederkommen. Doch er entfernte sich weiter und weiter von ihnen, bis sie ihn schließlich nicht mehr sehen konnten. Atlan blickte ihm enttäuscht nach. Er blieb stehen und beschattete das Gesicht mit den Händen.

Stand vor ihnen nicht eine einsame Gestalt in der Wüste? Sie war nicht deutlich zu erkennen, weil die Luft so flimmerte. Außerdem trug sie eine helle Kleidung, die sich kaum vom weißen Wüstensand abhob. Doch dann bewegte sie sich, und nun war klar zu sehen, dass Atlan sich nicht geirrt hatte.

»Da vorn ist jemand«, sagte er.

Razamon blieb ebenfalls stehen. Er brauchte einige Sekunden, bis er den Fremden ebenfalls entdeckt hatte.

»Wenn mich nicht alles täuscht, ist da vorn noch mehr. Da ist Wasser«, sagte er und eilte mit weit ausgreifenden Schritten an dem Arkoniden vorbei. Er arbeitete sich einen flachen Hügel hoch und rutschte auf der anderen Seite im nachgebenden Sand herunter. Hinkend eilte er auf den Fremden zu.

Atlan folgte ihm, ließ sich jedoch mehr Zeit. Ihn quälte der Durst nicht so sehr wie Razamon.

Als er sich dem Fremden bis auf etwa fünfzig Meter genähert hatte, sah er, dass Razamon Recht gehabt hatte. Er befand sich direkt neben einem Wasserloch. Er wollte daraus trinken, doch der Mann neben ihm bot ihm eine Flasche an. Zögernd nahm er sie an und trank daraus.

Atlan blieb fünf Meter von den beiden entfernt stehen. Der Fremde war ein Dalazaare. Er hatte sich in Tücher gehüllt. Nur sein Kopf und seine Füße blieben frei. Das schwarze Haar fiel ihm über den Rücken bis zu den Kniekehlen herunter.

Razamon reichte Atlan die Flasche.

»Trink«, sagte er. »Es ist bestes Wasser.«

»Ich ziehe es vor, mich aus der Quelle zu bedienen«, entgegnete der Arkonide. »Wasser muss kalt sein, wenn es gut schmecken soll.«

»In der Quelle wohnt der Tod«, erklärte der Dalazaare. »Nimm die Flasche.«

Er hielt Atlan das Gefäß hin. Zögernd nahm der Arkonide es entgegen und trank. Das Wasser darin war herrlich kühl und erfrischend. Als Atlan die Flasche zurückgab, war er davon überzeugt, dass sie erst kurz zuvor aus der Quelle gefüllt worden war. Etwas anderes erschien ihm unmöglich.

»Ist es noch weit bis Moondrag?«, fragte er.

»Nicht weit«, antwortete der Dalazaare bereitwillig. Er zeigte in die Richtung, in die sie hatten weitergehen wollen. »Nur noch etwa eine Stunde. Viele Spuren führen dorthin. Auch meine. Ihr braucht ihnen nur zu folgen. Dann könnt ihr die alte Stadt nicht verfehlen.«

»Warum bist du hier?«, fragte Atlan. »Gibt es in Moondrag kein Wasser?«

Der Dalazaare lächelte.

»Natürlich gibt es dort Wasser. Ich bin hier, weil ich mich mit jemandem treffen will. Allein. Niemand aus der Stadt soll es wissen.«

»Ich verstehe«, erwiderte der Arkonide. »Wir werden dich nicht stören. Komm, Razamon.«

Razamon wandte sich ab und ging weiter.

»Danke für das Wasser«, sagte Atlan und folgte ihm. Er schloss rasch zu ihm auf. »Jetzt sind wir wenigstens sicher, dass wir uns nicht verirren.«

»Ohne diesen Schluck Wasser hätte ich nicht durchgehalten«, entgegnete Razamon. Atlan wusste, dass diese Behauptung übertrieben war. Aber auch er spürte, dass er eine Pause brauchte, in der er neue Kräfte sammeln konnte.

Sie waren schon ungefähr dreihundert Meter von der Quelle entfernt, als Atlan nach Süden blickte. Er blieb stehen.

»Was ist das?«

Atlan zeigte nach Süden. Dort bewegte sich etwas durch die Wüste. Es war schwarz. Die Luft flimmerte so stark, dass sie keine deutlichen Konturen ausmachen konnten. Das Objekt schien ständig seine Formen zu verändern. Es näherte sich der Quelle und dem Dalazaaren. Auch dieser war nun kaum noch zu erkennen.

»Es ist ein Reiter«, sagte Razamon.

Nun sah auch Atlan, dass der Unbekannte auf einem Tier ritt, das entfernt einem Dromedar ähnelte. Der Reiter verbarg sich unter schwarzen Tüchern, die ihn vollkommen einhüllten. Dennoch hatte der Aktivatorträger den Eindruck, dass unter den Tüchern eine zierliche Gestalt steckte.

Wenig später erreichte der Reiter die Quelle.

»Sein Schätzchen ist also gekommen«, stellte Razamon ruhig fest. »Wir sollten diskret sein und uns umdrehen.«

Die beiden Freunde gingen weiter. Sie hingen ihren Gedanken nach, als plötzlich ein Schuss fiel. Sie fuhren herum.

Deutlich sahen sie, dass der Schwarze noch immer auf dem Reittier hockte. Vor ihm stand der Dalazaare. Er schwankte.

Ein zweiter Schuss fiel. Der Dalazaare stürzte zu Boden.

Der Reiter zog das Tier herum, trieb es an und entfernte sich von Atlan und Razamon. Diese eilten zur Quelle zurück.

Atemlos und erschöpft erreichten die beiden Männer sie.

Der Dalazaare lag auf dem Rücken im Sand. Blut sickerte aus Wunden am Kopf und auf der Brust. Der Sand unter seinem Kopf hatte sich rot gefärbt.

Atlan kniete neben ihm nieder. Behutsam legte er ihm die Hände an den Kopf. Der Schädel war über dem rechten Ohr verletzt. Aus der Art der Wunde schloss der Arkonide auf ein Projektil, das die Schädeldecke durchschlagen hatte. Er wusste, dass er den Dalazaaren nicht mehr retten konnte.

Die dunklen Augen blicken ihn an. Der Dalazaare hatte Mühe, sich auf Atlan zu konzentrieren.

»Ich wollte sie töten«, sagte er stockend, »aber sie war schlauer als ich.«

»Ich sehe keine Waffe bei dir«, bemerkte der Arkonide.

»Das Wasser«, erwiderte der Dalazaare. »Ich habe die Quelle vergiftet. Ich wusste, dass sie trinken würde.«

Seine Augen brachen. Der Kopf sank zur Seite, und das Leben wich aus seinem Körper.

Razamon fluchte laut.

»Er hat es nicht anders verdient«, sagte er zornig. »Wer eine Quelle in der Wüste vergiftet, hat sein Leben verwirkt.«

»Wir begraben ihn«, sagte Atlan.

Razamon schüttelte den Kopf.

»Ich nicht«, entgegnete er. »Einen Mann wie ihn verscharre ich nicht. Sollen ihn die Geier holen. Er hat es nicht anders verdient. Glaubst du, er hätte uns unter die Erde gebracht, wenn wir uns vergiftet hätten?«

Atlan begann schweigend damit, etwa zwanzig Meter von der Quelle entfernt eine Mulde auszuheben. Razamon sah ihm zunächst zu, dann überwand er seinen Widerwillen und half dem Arkoniden. Sie hoben eine ausreichend tiefe Grube aus, legten den Toten hinein, bedeckten sein Gesicht mit den Tüchern, die er trug, und schoben Sand über ihn. Sie kennzeichneten das Grab mit einigen Steinen.

»Ich wünschte, ich hätte irgend etwas, mit dem ich anzeigen kann, dass die Quelle vergiftet ist«, sagte Razamon. »Der nächste, der hier vorbeikommt, ist verloren.«

Atlan sah sich um. Außer Sand war nichts vorhanden. Er schüttelte resignierend den Kopf.

»Wir können nichts tun«, stellte er fest. »Wir können nur hoffen, dass die Quelle sich schnell selbst reinigt. Komm. Wir gehen weiter.«

Razamon spuckte aus.

Mit verengten Augen blickte er in Richtung Moondrag.

»Was mag das für eine Stadt sein?«, fragte er. »Ich fürchte, es ist die Hölle.«

»Davon bin ich überzeugt«, sagte Atlan. »Dennoch werden wir sie aufsuchen. Wir haben gar keine andere Wahl.«

 

*

 

»Du wirst das nie mehr vergessen«, versprach Pan-pank. Seine Augen blitzten vor Begeisterung. »Die Zeiten ändern sich, und wir haben das Glück, es zu erleben. Es gibt wieder Hoffnung für uns.«

Sie traten aus dem Schatten eines Schuppens heraus, der einem Sattler als Werkstatt gedient hatte. Überall lagen noch Werkzeuge und Leder herum. Der Sattler aber war verschwunden. Eine liegende Acht an der Holzwand neben der Tür zeigte an, dass er in die Unendlichkeit eingegangen war.

Troot war kleiner als Pan-pank. Das allein verlieh ihm bereits ein Gefühl der Unterlegenheit. Pan-pank kam ihm nicht nur kräftiger, sondern auch viel klüger und lebenstüchtiger vor, als er selbst war. Er glaubte ihm auch ohne weiteres, dass er zahllose Verbindungen zu allerlei wichtigen Leuten hatte und dadurch Einfluss genoss.

Sie näherten sich einem Kuppelbau, der mit farbenprächtigen Symbolen bemalt war. Die dicke Farbe überdeckte manchen Riss im Metall und ließ die Kuppel jünger und stabiler aussehen, als sie war. Vier Dalazaaren wachten vor dem Eingang. Sie waren mit Speeren und Messern bewaffnet.

»Lass dich nicht täuschen«, sagte Pan-pank. »Die Waffen sind nicht so primitiv, wie sie aussehen. Der Alte ist schlau. Er will vermeiden, dass seine Wachen allzu bedrohlich und gefährlich aussehen.«

»Warum?«, fragte Troot verblüfft. »Dann kann er sich doch viel sicherer fühlen.«

»Er fühlt sich sicher«, betonte Pan-pank überlegen lächelnd. »Eine gewisse Repräsentation muss jedoch sein. Deshalb die Wachen.«

»Und was ist mit den Waffen?«

»In ihnen wohnen die Kräfte der Götter. Die Messer und Speere können über eine große Entfernung hinweg zerstören, ohne dass die Männer sie aus der Hand geben.«

Er legte Troot die Hand auf die Schulter.

»Dennoch sind es keine Strahlenwaffen, wie du nun vielleicht annehmen wirst.«

»Was für Waffen sind es dann?«

»Ich bin nicht befugt, dir das zu sagen«, erwiderte Pan-pank, wobei er seine Stimme senkte, um ihr einen geheimnisvollen Unterton zu verleihen. »Wenn der Alte Vertrauen zu dir gefasst hat, dann wirst du es erfahren.«

Troot presste die Lippen zusammen und blickte Pan-pank an. Er legte ihm die Hand an den Arm.

»Er wird mir vertrauen«, sagte er. »Und es wird gar nicht lange dauern, bis es soweit ist. Er wird spüren, dass ich ihm gehöre, dass ich sogar bereit bin, für ihn zu sterben.«

Pan-pank lächelte milde.

»Nicht so große Worte«, sagte er. »Das ist gar nicht notwendig.«

Sie hatten die Wachen erreicht.

»Wir sind gekommen, um die Worte des blinden Kull-Koll Harxt zu hören«, erklärte er. »Lasst uns passieren.«

Einer der Wächter trat auf ihn zu und tastete ihn nach Waffen ab. Nachdem er ihn und Troot kontrolliert und nichts Verbotenes gefunden hatte, gab er ihm mit einem Handzeichen zu verstehen, dass er die Kuppel betreten konnte. Es war ein Dalazaare, so wie Pan-pank und Troot auch. Die beiden Männer schoben einen aus Hölzern gefertigten Vorhang zur Seite und gelangten in eine geräumige Halle, in der etwa dreihundert Männer auf dem Boden kauerten. Es waren fast alles Dalazaaren. Nur wenige Kuroden und Kelotten waren dabei. An der gegenüberliegenden Wand stand ein Sessel, der für einen Giganten gefertigt war. Er war noch unbesetzt.

Pan-pank und Troot hockten sich auf Schemel, die mit Fellen bedeckt waren. Fasziniert von der Szenerie, blickte Troot auf den Sessel. Dieser stand vor einem roten Vorhang, der von der etwa dreißig Meter hohen Decke herabhing. Der Vorhang war, ebenso wie die Kuppel, mit fremdartigen Symbolen geschmückt, von denen Troot keines vertraut war.

Links und rechts vom Sessel erhoben sich Statuen von bizarr geformten Bestien. Sie waren – wie Troot von Pan-pank wusste – aus purem Gold und stellten einen unschätzbaren Wert dar. Hauptsächlich ihretwegen standen die Wachen vor der Kuppel. Der Blinde benötigte keinen Schutz. Auch das wusste Troot von Pan-pank, der, wie es schien, über alles informiert war, was mit Kull-Koll Harxt zusammenhing.

»Wer hat die goldenen Bestien geformt?«, fragte Troot flüsternd.

»Der Alte hat mir gesagt, dass es die Göttersöhne selbst waren, die sie nach Pthor gebracht haben«, erwiderte Pan-pank. »Sie haben eine ganz bestimmte Bedeutung, doch heute weiß niemand mehr, welche. Kull-Koll Harxt ist überzeugt davon, dass eine neue, goldene Zukunft für uns alle beginnen wird, wenn es gelingt, das Geheimnis ihrer Bedeutung zu lösen. Doch er hat keine Hoffnung, dass dies jemals gelingen wird. Dazu benötigen wir genaue Informationen. Woher sollten wir die jedoch nehmen? Die Göttersöhne müssten schon erneut zu uns kommen und uns helfen. Wenn sie jedoch nicht erscheinen, wird das Rätsel vielleicht niemals gelöst werden.«

»Glaubst du, dass sie jemals kommen werden?«, fragte Troot.

Pan-pank wackelte mit den Händen.

»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte er. »Niemand kann das sagen. Aber, um ehrlich zu sein, ich glaube es nicht. Obwohl ...«

»Obwohl ... was?«

Pan-pank blickte Troot forschend an.

»Ich will dich nicht verwirren oder falsche Hoffnungen in dir wecken. Deshalb solltest du so skeptisch sein, wie ich es bin, wenn ich dir sage, was ich gehört habe.«

»Ich verspreche es dir.«

»Einer der Göttersöhne soll zur Zeit auf Pthor sein. Es heißt sogar, dass er auf dem Weg hierher nach Moondrag ist.«

Die Augen Troots leuchteten auf. Er lächelte, und sein Atem ging plötzlich schneller. Pan-pank griff nach seinem Arm und drückte ihn so kräftig, dass Troot sein Gesicht vor Schmerz verzerrte.

»Du Narr«, sagte Pan-pank zornig. »Ich habe dir gesagt, dass es ein Gerücht ist und dass du skeptisch bleiben sollst. Und was tust du? Du fängst vor Begeisterung an zu strahlen.«

»Verzeih«, bat Troot unterwürfig. »Ich war närrisch.«

»Ruhig. Der Alte kommt.«

Ihre Blicke richteten sich nach vorn. Es war plötzlich still in der Halle geworden.

Der große Vorhang teilte sich, und zwei Kelotten führten einen weißhaarigen, gedrungen wirkenden Mann herein. Der Alte trug ein leuchtend grünes Gewand aus einem schimmernden Stoff. Seine Schultern, die Oberarme, die Hüfte und die Knie waren mit goldenen Bändern verziert.

Seine Augen waren weit geöffnet. Sie hatten keine bestimmbare Farbe. Troot erschienen sie milchig weiß, als seien sie von einer Krankheit getrübt worden.

»Er ist blind«, sagte er leise.

»Natürlich ist er blind«, entgegnete Pan-pank. »Vielleicht kann er gerade deshalb mehr sehen als andere.«

»Du sprichst in Rätseln.«

»Durchaus nicht. Die meisten haben zwei Augen und können damit sehen. Sie nehmen aber nur das wahr, was an der Oberfläche ist, und das, was sie sehen wollen. Die Wirklichkeit aber bleibt ihnen verborgen.«

Der blinde Kull-Koll Harxt stieg über einen Schemel in den gewaltigen Sessel und setzte sich. Er strich sich mit beiden Händen über den wallenden Bart, der ihm bis auf den Gürtel herabreichte. Plötzlich stieß er einen schrillen Schrei aus.

Einige Sekunden vergingen, dann antworteten seine versammelten Anhänger mit gedämpften Summlauten, die allmählich anschwollen und schließlich die ganze Kuppel machtvoll erfüllten.

»Was soll das?«, flüsterte Troot.

»An dieser Antwort kann der Alte genau erkennen, wie viele Zuhörer er hat. Warte nur ab, bald wird er die genaue Zahl nennen.«

Troot war verblüfft. Doch dann kam ihm ein Gedanke. Er wollte schon aussprechen, was er dachte, als er das andächtig verklärte Gesicht Pan-panks bemerkte. Er biss sich auf die Lippen und behielt für sich, dass die Wachen die Besucher gezählt, und den Alten über das Ergebnis informiert haben konnten.

»Ihr kennt mich«, rief Kull-Koll Harxt mit überraschend kräftiger Stimme. »Ihr wisst, dass ich ein Magier aus der Großen Barriere von Oth bin.«