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Nr. 324

 

Aufbruch der Odinssöhne

 

Sie folgen Sigurds Ruf

 

von Hans Kneifel

 

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Sicherheitsvorkehrungen haben verhindert, dass die Erde des Jahres 2648 einem Überfall aus fremder Dimension zum Opfer gefallen ist. Doch die Gefahr ist durch die energetische Schutzschirmglocke nur eingedämmt worden, denn der Invasor hat sich auf der Erde etabliert – als ein plötzlich wieder aufgetauchtes Stück des vor Jahrtausenden versunkenen Kontinents Atlantis.

Atlan und Razamon, der Berserker, haben als einzige den »Wölbmantel« unbeschadet durchdringen können, mit dem sich die geheimnisvollen Herren der FESTUNG ihrerseits vor ungebetenen Gästen schützen. Die Männer sind auf einer Welt der Wunder und der Schrecken gelandet. Das Ziel der beiden ist, die Beherrscher von Pthor schachmatt zu setzen, auf dass der Menschheit durch die Invasion kein Schaden erwachse.

Nach vielen gefahrvollen Abenteuern, die am Berg der Magier ihren Anfang nahmen, haben Atlan und Razamon, zu denen sich inzwischen der Fenriswolf gesellt hat, durch die Ausschaltung des Kartaperators der Menschheit bereits einen wichtigen Dienst geleistet.

Jetzt nach der Zerstörung der Eiszitadelle, sind die Kampfgefährten bereits zu fünft. Ihr gemeinsamer Weg führt gegen die FESTUNG!

Andere Krieger haben dasselbe Ziel. Die empfangen Sigurds Ruf – und damit beginnt der AUFBRUCH DER ODINSSÖHNE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Sigurd – Odins Lieblingssohn ruft zum Treffen.

Fongerreilson – Ein Mädchen aus dem Nichts.

Heimdall – Er gerät in die Gefangenschaft der Gordys.

Balduur – Er reitet ein Ungeheuer.

Honir – Der Odinssohn verliert seine Maske.

1.

 

Auf Atlantis die Asen sich finden und reden vom riesigen Raubwurm, denken da der drohenden Dinge und der alten Runen des Raterfürsten.

Wieder werden die wundersamen Runentafel-Bruchstücke im Gras sich finden, die vor Urtagen ihr eigen waren ...

 

Sigurd lehnte sich bequem zurück und streckte die Hand aus. Das kleine Tier mit dem flammenden Fell und den winzigen Funkenentladungen aus den Haarbüscheln der Ohren machte einen Satz zur Seite und zischte erschrocken.

»Keine Furcht, Kleiner«, murmelte der Odinssohn und lachte leise. »Du störst mich nicht beim Nachdenken!«

Das Tier war so groß wie seine Hand. Es hatte große, bernsteinfarbene Augen und einen langen und buschigen Schwanz, der beweglich war wie eine Schlange und lebendig wie ein Feuer. Ununterbrochen züngelten winzige kalte Flammen aus allen Teilen des Pelzes. Das Tier wirbelte mit dem Schweif und rannte quer über den Tisch, turnte am massiven Holz herunter und lief auf das Kaminfeuer zu. Von dort aus fauchte es:

»Denke nur, Göttersohn. Ändern wirst du dadurch nichts.«

Es hatte eine giftige, stechende Stimme. Wieder lachte Sigurd und bewegte seine Schultern im dicken Pelz, der in mehreren Lagen den Sessel bedeckte.

»Zuerst wird Heimdall eintreffen«, murmelte er schließlich. Hugin und Munin waren ausgesandt worden, um seine Brüder zusammenzurufen. Sigurd wusste, dass der Ausnahmefall da war, Ragnarök war nahe.

»Dann, denke ich, kommt Honir, und zuletzt Balduur, der den weitesten und beschwerlichsten Weg hat.«

Auch jetzt, wie zumeist, war Sigurd allein. Er wusste, dass er weniger verschlossen und zurückgezogen als seine Brüder war. Immer wieder zog es ihn zu den anderen Gruppen auf Pthor. Der flammende Nussfresser war am Tage und in den Nächten sein einziger Partner in diesem riesigen Haus. Aber es gab keinen Grund, weswegen sich Sigurd einsam oder verlassen fühlte.

»Niemand wird kommen«, wisperte das Tier. Aus den mächtigen Kloben sprangen mit hellem, scharfem Krachen glühende Funken und versengten die Felle vor dem Kaminsockel.

»Schweige, Ratatöskr!«, sagte Sigurd scharf. »Sie werden alle kommen. Ragnarök bringt sie auf die Beine.«

Sein halblanges, rötlichblondes Haar schimmerte im Licht der Flammen. Ratatöskr ringelte seinen Schwanz um seinen Körper, legte den Kopf auf die Vorderpfoten und funkelte den Göttersohn listig an. Sigurd gab den Blick mit seinen blauen, großen Augen zurück, dann kuschelte er sich wieder in die Pelze. Von draußen kam ein flüchtiges knirschendes Geräusch herein. Es klang, als ob ein Riese seinen Fuß in feuchten Sand gesetzt hätte.

Der Abschnitt der Straße der Mächtigen zwischen Donkmoon und Aghmonth war dreihundertdreißig Kilometer lang. Das Land auf beiden Seiten des breiten, stumpfsilbernen Streifens war eine grüne, von dichtem Gras bewachsene Halbebene. Kleine, buschbewachsene Hügel unterbrachen das flache Land, von düsteren Bäumen in einem schwärzlichen Grün bedeckt. Büsche und Rankengewächse wucherten am Fuß der Erhebung. Dort, wo die schimmernde Straße in einer Bucht fast die Küste des Landes Ptah berührte, änderte sich das Land und wurde schroffer und hügeliger. Südlich der Straße, fast unmittelbar dort, wo die altsilbern anmutende Fläche in den Grasstreifen überging, ragte das Lichthaus Sigurds auf. Das Klima war gesund, es herrschten milde Temperaturen. Nur hin und wieder wehte in den Nächten ein kühler Wind. Dies war eine solche Nacht; deswegen loderten die Flammen aus der dunklen Glut der Holzkloben.

»Ja«, sagte Sigurd und streichelte die pelzgeschmückten Armlehnen des Sessels. »Sie werden kommen. Sie sind anders als mein Schatten. Und ... anders als mein Sohn. Anders als Bördo.«

»Sie sind alle gleich. Sie stammen alle vom Raterfürsten ab«, zischte das Tier. Aus seinen Ohrspitzen zuckten kleine weiße Blitze. Ratatöskr wirkte wie ein Bestandteil des Kamins, wie ein Teil des Feuers.

»Die Söhne Odins mögen zurückgezogen leben und gewisse Eigenarten haben. Aber es sind würdige Söhne eines großen Vaters«, sagte Sigurd laut. »Du weißt es.«

Ratatöskr stieß ein meckerndes, schrilles Lachen aus.

Er schien nicht Sigurds Meinung zu sein.

Das Lichthaus, Sigurds Wohnstatt, war ein wuchtiger Klotz von sechzig Meter Höhe. Die Grundfläche betrug fünfzig zu fünfzig Meter. Tag und Nacht strahlte das fast würfelförmige Lichthaus über die Umgebung. Die Wände waren von innen nach außen durchsichtig, aber das strahlende Leuchten verhinderte, dass jemand hineinsehen konnte. Wäre jemand nahe genug an die Mauern herangekommen, dann hätte er feststellen müssen, dass sie wie geronnene, verfestigte Energie wirkten. Die leuchtende Erscheinung war nicht wärmer oder kälter als jede andere Wand auf Pthor.

Sechs Stockwerke gab es. Sigurd lebte ausschließlich im untersten Bereich, und dort hatte er es sich in dem Haus, das Odin einst mit einem furchtbaren Blitz erschaffen hatte, gemütlich gemacht. Wuchtige Möbel aus hellem Holz, steinerne Platten, kostbare Pelze und viele andere, farbige Einrichtungsgegenstände sagten etwas über das heitere, lockere Wesen Sigurds aus. Er wartete, aber er wartete ohne Unruhe oder Nervosität. Sie würden kommen, seine drei Brüder.

Wieder knackte es im Kamin. Funken stoben auseinander und fielen in die Glut zurück. Um die Kanten des Gebäudes winselte der abendliche Wind.

»Ihr habt niemals Kontakt miteinander gehabt!«, schrie zischend das Tier und legte den Schwanz in umgekehrter Richtung um den zusammengekauerten Körper. »Warum sollten sie jetzt kommen?«

»Weil Hugin und Munin sie gerufen haben. Weil sie wissen, dass es dringend ist«, gab Sigurd zurück und stand auf. Er reckte seine Muskeln und merkte, dass er weder müde noch hungrig war.

Ragnarök, die Götterdämmerung!

Der Tag war nahe, an dem man hoffen konnte, Odins Rückkehr zu erleben. Der Tag näherte sich, an dem die Macht der Herren der FESTUNG ihr Ende fand. Eine seltsame Spannung hatte Sigurd ergriffen, aber es war weder Angst noch die Erwartung des Kampfes. Es war das Gefühl großer, wichtiger Änderungen. Er zog seinen leichten Umhang von der Rückenlehne des Sessels, warf ihn über die Schultern und ging auf den Eingang zu.

Ein gedanklicher Befehl ging an die Energiebarriere. Sie öffnete sich, als Sigurd durch die drei Meter hohe und doppelt so breite Schleuse ging, einem einfachen Rahmen in der glatten, kristallin wirkenden Wand. Hinter dem Göttersohn schloss sich die Mauer lodernder und vernichtender Energie wieder.

Das Licht des riesigen Würfels strahlte gleichmäßig nach allen vier Seiten und bildete einen unregelmäßigen Kreis von Helligkeit, der bis über die Straße und weit in das Grasland hinausreichte. Der Wind murmelte und pfiff und zerrte an den Säumen des weiten Mantels.

Langsam ging Sigurd entlang der Straße und blickte nach Norden.

Der Blick zur FESTUNG war wie immer durch die wallenden, nebelartigen Energieschleier versperrt.

Kam Honir mit seinem seltsamen Gefährt, der Windrose, durch den Abend die Straße entlanggerast?

Lenkte Balduur eines seiner schnellen Yassel?

Und konnte er noch nicht das Rattern und Klirren der Raupenketten von Heimdalls metallenem Skorpion hören, dem Truvmer mit seinen mächtigen, die Dunkelheit durchbrechenden Scheinwerfern?

»Nichts zu sehen. Und nichts zu hören«, murmelte Sigurd in den Wind. »Aber sie werden kommen.«

Sigurd selbst war ein großer, schlanker Mann. Er wirkte wie ein Mann von fünfundzwanzig Jahren, aber seine Augen zeigten sein wahres Alter an. Trotzdem strahlten sie freundliche Aufgeschlossenheit aus. Nichts Düsteres ging von Sigurd aus, den sie einst Odins Lieblingssohn genannt hatten.

Er zuckte die breiten Schultern und ging einmal rund um sein Lichthaus. Er blieb innerhalb des Lichtscheines, aber von den harmlosen, meist pflanzenfressenden Tieren dieser Landschaft brauchte er nichts zu befürchten. Und die Ungeheuer der Gnitaheide, wie er die Ebene Kalmlech nannte, wagten sich niemals bis hierher. Vor dem Eingang blieb er abermals stehen und horchte in die Nacht hinaus.

Nichts.

Er dachte den Befehl, die Energiewand klaffte wie ein schwerer Vorhang nach beiden Seiten auseinander. Wohlige, nach Rauch schmeckende Wärme schlug ihm aus dem Innern des Hauses entgegen. Achtlos warf er seinen Umhang über einen niedrigen Tisch und nahm einen silbernen Humpen von einem Haken.

»Vergiss nicht, mir von deinem Nachttrunk zu geben!«, wisperte grell das Tier mit dem buschigen Schwanz. Vor Erregung begannen sich die kalten Flammen zu ändern. Sie brannten jetzt stechend gelb und in dunklem Purpur.

»Keine Sorge, du hysterischer Nussfresser.«

Sigurd zapfte sich ein schaumgekröntes, helles Bier aus dem Fass und kehrte zu seinem Lieblingsplatz zurück. Er trank den ersten Schluck, der immer der beste war, und wischte mit dem Handrücken über die Lippen. Dann nahm er eine Schale vom Tisch, goss etwas Bier hinein und stellte sie neben sich auf den Boden.

»Dein Nachttrank, Ratatöskr!«, sagte er und hob den Humpen an die Lippen.

Wieder drang ein lautes Geräusch von draußen durch die Mauern. Zuerst war es ein Klirren und Klingen. Es wurde ständig lauter und schrecklicher. Sigurd sprang auf, stellte den Humpen zurück und griff, nachdem er auf den Kamin zurannte, seine Garpa. Jetzt dröhnten tiefe, lang hallende Glockenschläge durch die Nacht. Sigurd konnte sich das Geräusch nicht erklären, aber es schien, dass die Straße der Mächtigen in Gefahr war – die Midgardschlange unter den Straßen. Ein Gedankenbefehl riss die Energiebarriere zur Seite. Rasend vor Sorge und bereit, jeden Angreifer abzuwehren, rannte Sigurd aus dem Lichthaus und gerade auf die Straße zu. Das Klirren und die dröhnenden Schläge erfüllten die Nacht mit ihrem Lärm. Nach fünf Sätzen blieb Sigurd stehen und sah sich wachsam um, die Garpa in beiden Händen.

»Was geschieht hier?«, flüsterte er entsetzt.

Unter seinen Sohlen spürte er plötzlich, wie sich der Boden bewegte. Es war kein wirkliches Beben, sondern ein starkes Vibrieren. Zögernd machte er ein paar schwankende Schritte auf die Straße zu, die im Licht seines Hauses lag. Dann weiteten sich seine Augen. Die Straße bewegte sich! Das breite silberne Band zitterte und schüttelte sich. Die Kanten wurden undeutlich. Staub und Sand wallten auf und bildeten Schleier.

»Die Straße? Ein weiteres Zeichen?«

Ein fürchterlicher Eindruck! So weit Sigurd sehen konnte, erhoben sich auf beiden Seiten der Straße die Wolken des hochgeschleuderten Staubes. Der Boden bebte und zitterte noch immer. Irgendwelche Effekte ließen das Metall der Straße jene lauten Glockentöne erzeugen. Sigurd glaubte, dass sich die Straße aus dem Boden reißen wollte. Oder dass eine unsichtbare Macht an dem Metallband riss und zerrte. Die Nacht war erfüllt von dem infernalischen Getöse.

Sigurd erkannte keinen Gegner und nichts, wogegen er sich wehren konnte. Er ging abermals einige Schritte vorwärts und berührte die Straße mit der Hand. Mit einem unterdrückten Fluch fuhr er zurück.

Die Straße war heiß!

Sie glühte nicht, aber ihre Temperatur war höher, als sie der Göttersohn ertragen konnte.

Das Lärmen und die Staubwolken wurden stärker und drohender. Sigurd fürchtete, die Straße würde in einzelne Bruchstücke zerrissen werden. Er bewegte sich rückwärts und hustend aus dem Bereich des hochgewirbelten Sandes hinaus. Aufgeschreckte Vögel rasten wie Pfeile kreischend hin und her, durch Dunkelheit und Staubwirbel. Der Wind trug die gewaltige Wolke langsam nach Osten. Durch die wogenden Schleier leuchtete kantig und kreideweiß das Lichthaus wie eine gespenstische Erscheinung. Mühsam hielt sich Sigurd auf den Beinen; er schwankte hin und her wie ein Betrunkener. Dann erreichten Lärm und Dröhnen einen neuen Höhepunkt und vermischten sich mit dem Schreien der Vögel zu einem chaotischen Geräusch.

Vor Sigurd, der würgend und hustend auf sein Haus zutorkelte, fielen zwei große Vögel zu Boden.

Sie zuckten mit den Flügeln. Ihre Köpfe lagen in einem falschen Winkel zur Seite. Dann riss der Lärm urplötzlich ab; ein letzter Glockenschlag donnerte über die Hügel hinweg. Sigurd, dicht vor der Energiebarriere, wirbelte herum und versuchte, durch die Staubmassen hindurch die Straße zu erkennen.

Die plötzliche Ruhe war ebenso betäubend und seltsam wie die krachende und zitternde Straße. Regungslos stand Sigurd da und wurde sich langsam bewusst, dass er seine Rüstung nicht angelegt hatte und nur die Waffe in der Hand hielt.

Hoch über ihm verhallten die aufgeregten Schreie und das Geräusch Hunderter schlagender Flügel.

»Vater Odin!«, sagte er erschüttert und spuckte Sand aus. »Wenn das dein Zeichen war, dann weiß ich jetzt, Ragnarök ist nahe.«

Langsam trieben die Staubwolken weg und klärten das Bild.

Unverändert lag die Straße der Mächtigen an ihrem Platz. Das Gras und die kleinen Büsche und Pflanzen am Rand des breiten Bandes waren über und über mit Sand bedeckt. Das Silber der Straße selbst glänzte unverändert schwach. Ratlos stand Sigurd da und wusste nicht im entferntesten, was er von diesem Erlebnis halten sollte.

Rechts von ihm rissen die Staubschleier auseinander. Eine Gasse entstand. Eine helle Gestalt näherte sich langsam.

Sigurd hob die Waffe mit den blitzenden, auseinanderstrebenden Schneiden und fuhr sich über die Augen.

Eine Frau näherte sich der Grenze zwischen Lichtschein und Dunkelheit. Mit jedem Schritt wurde sie deutlicher. Unter ihren hellen Stiefeln, an denen Gold zu funkeln schien, erhoben sich aus dem Gras kleine Staubwölkchen. Wie gebannt starrte Sigurd die Erscheinung an.

Die Art, wie sie sich näherte, hatte etwas Unwirkliches.

Der Göttersohn schloss die Augen und atmete tief ein und aus. Als er wieder hinsah, war die junge Frau nicht verschwunden. Im Gegenteil, sie kam unverändert auf ihn zu. Ein bodenlanger weißer Mantel umhüllte sie halb. Langes Haar fiel über die Schultern, und auf der bloßen Haut der nackten Arme glänzten riesige Schmuckstücke.

Seit undenklichen Zeiten sah Sigurd wieder einmal eine Frau.

Undeutlich entsann er sich der jungen Valjarin, die ihm einen Sohn geschenkt hatte. Aber sie war ebenso ins Dämmerlicht der Jahre verschwunden wie Bördo und Sigurds Schatten. Er senkte die Garpa und ging auf die Frau zu. Große Augen lächelten ihn an.

»Wer bist du?«, fragte er mit heiserer Stimme. Ihre Schönheit blendete ihn und machte ihn verlegen.

»Ich bin Fongerreilson«, sagte sie mit einer Stimme, deren Klang ihn erschauern ließ. »Ich bin aus der FESTUNG geflohen. Und du?«

»Sigurd heiße ich«, sagte er und schluckte.

»Dann bist du der Hüter der Straße der Mächtigen, von dem viel gesprochen wird«, erklärte sie in einem Tonfall, als habe sie ihn seit Jahren gesucht und erst jetzt gefunden.

»Du willst zu mir?«, staunte er.

»Wohin sollte ich sonst? Ich habe so gut wie keine Erinnerungen. Ich weiß nur, dass du derjenige bist, den ich suchte.«

Sigurd starrte sie fasziniert an. Fongerreilson war von außerordentlich großer Schönheit. Aber sie war keine kalte, nichtssagende Schönheit, sondern sie besaß eine Ausstrahlung, die Sigurd genau erkannte und richtig einschätzte. Zwar wäre er auch von weniger begeistert gewesen, aber Fongerreilson war eine der schönsten, interessantesten und begehrenswertesten Frauen, die er jemals kennen gelernt hatte. Er war hingerissen.

»Weißt du genau, dass du mich gesucht hast?«, fragte Sigurd und blieb vor ihr stehen. Unter dem weiten Mantel mit dem schweren, bestickten Saum trug sie schweres Geschmeide in seltsamen, schlangen- und feuerzungenartigen Mustern, das ihren Körper besonders reizvoll zeigte.

»Wen sonst? Ich kenne sonst keinen Namen. Und jetzt bin ich froh, dass ich dich gefunden habe. Du siehst so aus, wie ich dich in meinen Träumen gesehen habe.«

Ihr offenes Lächeln versetzte Sigurd einen Stich der Begeisterung. Er erkannte, dass Fongerreilson ihre Worte ehrlich meinte und ergriff ihren Arm. Vorsichtig zog er sie in die Richtung des Lichthauses.

»Willst du hineinkommen? Dumme Frage – es gibt hier kein anderes Gebäude weit und breit. Weißt du, warum die Straße der Mächtigen zitterte und bebte?«

Sie schüttelte den Kopf. Ihr herrliches Haar flog um ihre Schultern.

»Nein. Ich wurde von dem Staub und dem Lärm überrascht. Das also ist dein Haus?«