Nr. 367
Die große Stille
Raubzug im Land der Magier
von Marianne Sydow
Pthor, der Kontinent des Schreckens, hat sich auf Loors, dem Planeten der Brangeln, lange genug aufgehalten, um es Atlan zu ermöglichen, Spercos, des Tyrannen der Galaxis Wolcion, Gewaltherrschaft ein jähes Ende zu setzen und den unterdrückten Völkern die verlorene Freiheit wiederzugeben.
Inzwischen ist Pthor zu neuem Flug durch den Kosmos gestartet. Eingeleitet wurde der Start durch den »Ruf des Wächters«, der fast alle Lebewesen auf Pthor in tiefen Schlaf versinken ließ, und durch das Erscheinen des »schwarzen Kontrolleurs«.
Um zu verhindern, dass Pthor wieder der Kontrolle der mysteriösen Beherrscher der Schwarzen Galaxis anheimfällt, macht sich Atlan, der dank dem Goldenen Vlies nicht in Tiefschlaf verfallen ist, auf den Weg zur »Seele« von Pthor. Doch es gelingt Atlan nicht, auf die Steuerung Einfluss zu nehmen. Statt dessen wird der Arkonide auf die »Dimensionsschleppe«, den Ableger Pthors, verschlagen, der eine kleine Welt für sich bildet.
Während der Arkonide dort in Eis und Schnee und unter den Clanocs, den Ausgestoßenen von Pthor, seine gefährlichen Abenteuer besteht, blenden wir kurzfristig um in den Teil von Pthor, der die Heimstatt der Magier ist. Auch dort erschallte der Ruf des Wächters – und als Folge davon regiert DIE GROSSE STILLE ...
Gofruun – Bodenmagier von Oth.
Heix – Gofruuns seltsamer Verwandter.
Das Budella – Ein Intelligenz- und Wissensräuber.
Copasallior – Der Weltenmagier wird aufgeweckt.
Gofruun stellte bei seinem Rundgang fest, dass schon wieder magisches Plasma abgestorben war. Insgesamt war der Verlust nicht groß, aber den Bodenmagier beunruhigte es sehr, dass in den Höhlen ein ihm unbekannter Einfluss spürbar wurde. Er brauchte das Plasma. Und es war keineswegs sicher, dass er es in den nächsten Tagen in ausreichender Menge produzieren konnte, um die Lücken auszufüllen.
Als er in die Haupthöhle zurückkehrte, entdeckte er seinen Alterenkel Heix ausgerechnet in der Tür zur Vorratskammer.
»Kannst du nicht mal an etwas anderes denken, als dich pausenlos vollzufressen?«, schrie Gofruun wütend.
Heix stopfte sich schnell eine Nektarknolle in den Mund.
»Ich brauche meine Kräfte!«, behauptete er kauend. »Außerdem habe ich dir schon hundertmal gesagt, dass du mich nicht anbrüllen sollst.«
Er watschelte schnaufend an Gofruun vorbei und ließ sich ächzend in einer Ecke nieder. Sein fassförmiger Körper passte kaum in den massigen Sitz aus Yasselleder. Über ihm an der Wand leuchtete das Plasma heller auf. Das Licht spiegelte sich auf dem blanken Schädel. Heix war etwa zwei Meter groß und fast genauso breit, blauhäutig und absolut haarlos. Gofruun musterte ihn wütend, wagte jedoch nicht, seinen Ärger weiter an dem Dicken auszulassen. Er war auf Heix angewiesen, und darum ertrug er ihn, auch wenn das Scheusal ihn manchmal bis zur Weißglut reizte.
Er hatte keine Ahnung, wie er zu seinem Alterenkel gekommen war. Genau genommen wusste Gofruun nicht einmal, was der Ausdruck bedeutete. Heix behauptete hartnäckig, mit Gofruun verwandt zu sein. Er zählte auch allerlei Namen auf, wenn er in der richtigen Stimmung war, aber Gofruun konnte damit nicht viel anfangen. An seine Kindheit erinnerte er sich ohnehin kaum noch, er selbst war geschlechtslos, und seinen Vater hatte er niemals kennen gelernt.
»Wir brauchen neues Plasma«, sagte er zu Heix.
»Weiß ich«, brummte der Dicke schläfrig. »Darum musste ich mich ja stärken. Aber es hat keinen Sinn. Es ist zu still oben.«
»Zu still?«, fragte Gofruun überrascht. »Wie meinst du das?«
Heix fixierte den Bodenmagier und hustete gequält.
»Die Luft ist schlecht«, beschwerte er sich. »Warum baust du nicht endlich eine Vorrichtung, mit der sich das ändern lässt? Seit wie vielen Jahren rede ich jetzt schon deswegen auf dich ein! Es ist doch in deinem Interesse ...«
Gofruun ergriff die Flucht.
Er lief von der Wohnhöhle weg bis zu einem Schacht, der an die Oberfläche führte. Am unteren Ende des Schachtes blieb er stehen. Er lauschte. Er verstand die Behauptung des Alterenkels nicht. Es war immer still hier unten. Natürlich gab es Geräusche, denn die Barriere von Oth war nicht halb so massiv, wie sie von außen wirken mochte. Überall gab es Höhlen, und in vielen strömte Wasser durch die Tiefen. Ganze Stromsysteme existierten, dazu kamen luftgefüllte Gänge und Hallen, von denen viele irgendwann in der Geschichte dieses Gebirges bewohnt gewesen waren. Gofruun hatte sein Leben fast ausschließlich in der Tiefe zugebracht. Er wusste also, was jedes Knacken und Knistern in den Höhlenwänden bedeuten konnte. Er kannte die unterschiedlichen Geräusche von Wasser, das auf verschieden gearteten Untergrund tropfte oder sprühte oder an steinernen Sperren nagte.
Heix hatte zweifellos andere Geräusche gemeint.
Gofruun erinnerte sich an ein schrilles Pfeifen, das er vor kurzer Zeit vernommen hatte. Es kam von oben. Dort war es in letzter Zeit zu allerlei Vorfällen gekommen, aus denen Gofruun sich lieber heraushielt. Einem Ereignis hatte er sich nicht entziehen können. Als es zur Auseinandersetzung im Tal der Nebel kam, hatte die Macht der Magier nach allen gegriffen, die in der Barriere lebten. Heix hatte offen für Jarsynthia Partei ergriffen. Gofruun konnte seinen Alterenkel in diesem Fall erfolgreich zum Schweigen bringen. Es mochte wie Berechnung aussehen, dass der Bodenmagier sich gerade noch rechtzeitig auf die Seite der Sieger schlug, aber Gofruun war bei allen Eigenheiten kein Narr. Es war seine ehrliche Überzeugung, dass die Leute um Jarsynthia es seit langem etwas zu weit trieben. Er hatte sich gewundert, dass es so lange dauerte, bis die anderen die Geduld mit der Liebesmagierin verloren.
Der Kampf war entschieden, die Ruhe in der Barriere wiederhergestellt. Die Zeit verging. Dann kam das Pfeifen. Es hielt aber nicht lange an. Gofruun hatte es nur durch einen Zufall bemerkt. Das Geräusch hatte ihn gestört. Er war in die tieferen Bereiche ausgewichen.
Seitdem war ihm nichts aufgefallen, was nicht in sein normales Leben gepasst hätte.
Aber als er unter dem Schacht stand, spürte Gofruun ein Vibrieren unter seinen Füßen. Erschrocken drehte er sich im Kreis. Das Vibrieren wurde stärker. Der Boden unter seinen Füßen begann zu wackeln. Sein »gutes« Gesicht zeigte ihm, wie sich jenseits des Plasmabelags im Fels winzige Spalten bildeten und andere sich schlossen. Das Gestein schien zu pulsieren.
Gofruun kämpfte gegen die Panik an, die in ihm hochstieg.
»Kein Grund zur Aufregung!«, sagte er zu sich selbst. »Nur ein kleiner Start. Das kennen wir doch. Wird Zeit, dass Pthor auf die Reise geht.«
Aber dabei wusste er genau, dass etwas nicht stimmte. Die letzte »Landung« war ein Notmanöver gewesen. Das hatte er erfahren, und er hatte das als Erklärung für die Erschütterungen genommen, die man in der großen Barriere trotz des Großen Knotens gespürt hatte.
Was war überhaupt mit dem Knoten?
Er vergaß die Frage, weil die Felsen für Sekunden zu bocken begannen. Gofruun verlor den Halt unter den Füßen. Er stürzte der Länge nach zu Boden. Hinter sich hörte er Heix kreischen.
Er versuchte nicht erst, sich aufzurichten, denn immer schlimmer wurde das Schlingern. Er ignorierte das, was sein »gutes« Gesicht ihm mitzuteilen versuchte. Von dort kamen nämlich nur Bilder von drohender Zerstörung, und Gofruun wusste, dass er sich nicht durch solche Impulse lähmen lassen durfte. Er kroch auf allen vieren den Gang hinunter.
Halb blind und taub vor Entsetzen erreichte er schließlich die Wohnhöhle. Er nahm seine Umgebung nur undeutlich wahr. Heix kauerte in seiner Ecke, hielt sich die Ohren zu und hatte die Augen geschlossen. Dabei wimmerte und stöhnte er. Die Geräusche gingen im Rumpeln und Knirschen fast vollständig unter.
»Heix!«, rief Gofruun eindringlich. »Heix, komm zu dir! Wir müssen das Plasma stützen. Nur so können wir überleben!«
Aber Heix verschloss sich gegen die Stimme des Bodenmagiers. Gofruun wunderte sich. Heix hatte zweifellos magische Kräfte, denn er war mehr oder weniger unsterblich, und er lebte in der Barriere. Auch war er irgendwann über die Grenze am Ko-Tomarth gekommen. Aber es schien, dass nicht einmal der Weltenmagier selbst wusste, wie die Talente dieses dicken Individuums aussahen. Heix existierte und bewirkte, dass Gofruun sein magisches Plasma herstellen konnte. Ohne ihn wäre der Bodenmagier gezwungen gewesen, dass Leben in den Höhlen aufzugeben oder sich doch zumindest gründlich umzustellen. Aber der Alterenkel hatte noch niemals von sich aus etwas getan, was auf magische Fähigkeiten schließen ließ. Im Gegensatz zu allen anderen Magiern hatte er sein Leben in der Barriere auch nicht damit begonnen, sich in den unterschiedlichen Fachgebieten schulen zu lassen.
»Tu endlich etwas!«, flehte Gofruun den Alterenkel an. »Allein stehe ich das nicht durch. Wenn ich sterbe, bist du auch verloren.«
Heix öffnete ein Auge. Gofruun sah es undeutlich, trotzdem schrak er vor diesem Blick zurück.
»Ich kann nichts tun«, erklärte Heix mit ungewohntem Ernst. »Sieh zu, wie du es überstehst. Vielleicht wäre es besser für dich gewesen, mit den anderen in Schlaf zu sinken.«
Gofruun war sprachlos.
»Vergiss es!«, murmelte Heix und machte das Auge wieder zu.
Der Bodenmagier verlor sich für einen Moment in einer formlosen Dunkelheit. Als er wieder sehen konnte, starrte er Heix immer noch an. Aber er konnte sich an die rätselhafte Bemerkung des Alterenkels nicht mehr erinnern. Statt dessen erfüllte ihn tiefe Resignation.
Was mochte jetzt oben geschehen? Wie würde die Barriere diese neue Belastung überstehen?
Zum ersten Mal machte Gofruun sich Gedanken über seine Artgenossen. Er fragte sich, warum die mächtigen Magier nichts unternahmen, um diese Erschütterungen zumindest zu dämpfen. Waren sie am Ende nicht imstande, etwas zu unternehmen?
Er versank in einem unruhigen Schlaf.
*
Gofruun hatte keine Ahnung, wie lange er so in der Wohnhöhle gelegen hatte, bis er endlich wieder zu sich kam. Er richtete sich mühsam auf. Sein erster Blick galt Heix. Der Alterenkel schien sich nicht vom Fleck gerührt zu haben.
Gofruun fühlte sich wie zerschlagen. Mit Mühe nur konnte er sich gegen die Müdigkeit behaupten, die ihn erfüllte. Am liebsten wäre er liegen geblieben.
Die Höhle war immerhin unversehrt geblieben. Es gab ein paar lose Felsbrocken, die herabgestürzt waren, ohne Schaden anzurichten. Das Plasma hatte sich an einigen Stellen gelockert. Gofruun strich mit den Händen über das weiche Gewebe. Das Zeug fühlte sich warm an. Das war für den Bodenmagier ein deutliches Zeichen dafür, welchen Belastungen das Plasma hatte standhalten müssen.
Nachdenklich blickte er zu Heix hinüber. Gofruun war sich ziemlich sicher, dass er in seinem desolaten Zustand das Plasma nicht unterstützt hatte.
Gofruun war in dieser Hinsicht ungewöhnlich aufrichtig – jedenfalls für einen Magier von Oth. Im Gegensatz zu vielen anderen Bewohnern des Gebirges neigte er nicht zur Selbstüberschätzung. Ein anderer hätte sicher geglaubt, dass es ihm gelungen sei, im Augenblick der Gefahr ungeahnte Kräfte zu entwickeln. Gofruun dagegen hegte den Verdacht, dass es der Dicke war, der das Plasma stärkte.
»Bist du wach?«, fragte er vorsichtig.
Heix antwortete nicht.
Gofruun stand seufzend auf und durchsuchte die Höhle. Im Vorratsraum war ein Fach leer, das er noch kurz vor dem Beginn der Erschütterung mit Nektarknollen gefüllt hatte.
Wahrscheinlich hatte Heix die Knollen aufgegessen. Aber dann musste er in der Zwischenzeit doch in den Höhlen herumgelaufen sein!
Er sah in die Wohnhöhle. Der Alterenkel schnarchte leise. Gofruun schüttelte verwirrt den Kopf.
»Mit Faulheit und Gefräßigkeit«, murmelte er vor sich hin, »übersteht man wahrscheinlich alle Gefahren leichter.«
Er wartete auf einen wütenden Kommentar, aber der Dicke rührte sich nicht. Allmählich kam ihm die Sache merkwürdig vor. Er trat dicht an Heix heran und legte die Hand gegen den Hals seines Alterenkels. Erschrocken stellte er fest, dass Heix bewusstlos war.
Er untersuchte den Dicken hastig, fand aber keine Verletzungen oder andere Anzeichen, die als Erklärung für den Zustand des Alterenkels hätten herhalten können.
Gofruun gab es schließlich auf. Er konnte nichts für Heix tun. Der Boden der Höhle vibrierte immer noch, aber die Gefahr war längst nicht mehr so groß wie kurz nach dem Start. Der Bodenmagier inspizierte eilig sein Reich. Es hatte hier und da Einstürze gegeben. Manche Höhlen waren teilweise blockiert, aber Gofruun stellte erleichtert fest, dass er diese Schäden schnell beheben konnte. Besorgniserregend war lediglich der Zustand des Plasmas. Es würde Wochen dauern, bis das Geflecht wieder die volle Menge an Nektarknollen liefern konnte.
Nachdenklich kehrte er zu Heix zurück. Der Alterenkel sah blinzelnd zu ihm auf.
»Ich habe Hunger!«, klagte er. »Bring mir etwas zu essen.«
»Dazu ist jetzt keine Zeit«, antwortete Gofruun schroff. »Das Plasma hat sehr gelitten. Wenn du mir jetzt nicht hilfst, wirst du zwangsweise erleben, wie vorteilhaft eine Abmagerungskur sich auf deine Figur auswirken kann.«
Heix kam schnaufend auf die Beine.
»Du weißt nicht, wovon du redest!«, warf er dem Bodenmagier vor. »Eines Tages wird dein eigener Geiz dich in den Hungertod treiben.«
Gofruun hörte gar nicht hin. Er schritt voran und hörte bald die keuchenden Atemzüge seines Alterenkels hinter sich. Er lächelte böse. Heix war natürlich versuchsweise zurückgeblieben. Aber manchmal war es eben doch zu merken, dass Gofruun seinem seltsamen Verwandten etwas voraus hatte. Die Tür zur Vorratskammer würde sich diesmal nur auf Gofruuns Zeichen hin öffnen. Dem Dicken blieb gar nichts anderes übrig, als zuerst bei der Regeneration des Plasmas zu helfen.
»Du bringst mich noch um«, jammerte Heix. »Ich bin geschwächt, und wenn ich jetzt nicht sofort eine Pause machen darf, dann werde ich dir bald überhaupt nicht mehr helfen können.«
Der Bodenmagier ging schweigend weiter. Vor einer Lücke im Plasmageflecht blieb er stehen. Heix stöhnte herzerweichend. Als er merkte, dass Gofruun sich davon nicht beeindrucken ließ, gab er endlich Ruhe. Er ließ sich schwerfällig auf dem Boden nieder, umschlang die Knie mit den Armen und starrte das Plasma an. Während die Pupillen des Alterenkels sich zu winzigen Punkten zusammenzogen, spürte Gofruun die vertraute Kraft in seinen Händen stärker werden. Er regenerierte das Plasma so weit, dass es sich von nun an selbst helfen konnte. Dann weckte er Heix aus seinem Trancezustand und trieb ihn zur nächsten beschädigten Stelle.
Erst als fast alle Lücken im Geflecht bis auf dünne Risse verheilt waren, gönnte der Bodenmagier sich und Heix die verdiente Ruhe.
»Wir sollten uns oben umsehen«, sagte Heix plötzlich, als Gofruun schon dachte, der andere wäre eingeschlafen.
»Das hast du schon mal gesagt«, brummte er. »Der Start kam mir dazwischen. Ich weiß nicht, was es oben Neues geben sollte. Wenn wir uns blicken lassen, gibt es nur Ärger.«
»Wo niemand ist, kann auch niemand Ärger verursachen.«
Gofruun sah überrascht zu seinem Alterenkel hinüber.
»Wir werden hinaufgehen«, entschied er. »Aber erst morgen.«
»Morgen?«, fragte Heix spöttisch.
Gofruun schwieg. Er wusste selbst nie genau, ob es oben Tag oder Nacht war, und es kümmerte ihn auch nicht. Er brauchte kein Licht, bis auf die schwache Dämmerung, die das magische Plasma verströmte. Er brauchte auch keine Sonne und all die anderen Dinge, um die sich die Gedanken derer drehten, die an der Oberfläche lebten.
Trotzdem würde er nach oben gehen. Heix hatte es mit seinen Bemerkungen geschafft, den Bodenmagier neugierig zu machen.
Das Budella glitt in seinem Käfig unruhig hin und her. Ab und zu fuhr es ein Stielauge aus und musterte die Umgebung, und je länger es die geschlossene Tür betrachtete, desto ungeduldiger wurde es.
Wo blieb der Bursche mit den sechs Armen diesmal? Es war eine Unverschämtheit, fand das Budella, es so lange allein zu lassen.
»Er hat uns vergessen!«, klagte der Suk im Nachbarkäfig und ringelte sich dabei um einen abgestorbenen Ast.
»Unsinn«, widersprach Nyzel von der anderen Seite. »Er schämt sich. Wird auch Zeit.«
Das Budella hielt sich aus der Diskussion heraus. Die beiden anderen stammten zwar ebenfalls von irgendeinem Planeten, den Pthor auf seiner Reise berührt hatte, aber sie waren ziemlich dumm. Nur dem Sechsarmigen verdankten sie das bescheidene Quantum an Intelligenz, das ihnen solche Unterhaltungen gestattete.
Der Suk war groß und lang, hatte ein Bein mit zehn krallenförmigen Zehen daran und einen ballartigen Körper, der ein paar Sinnesknoten trug. Mit dem Bein ringelte er sich meistens an seinem Trageast fest. Nyzel gehörte einer Familie von bandähnlichen Wesen an, die meistens als unentwirrbares Knäuel auf dem Boden ihres Käfigs lagen. Jedes Band erfüllte eine Funktion. Nyzel war der Sprecher des Knäuels, die sechs Farrns waren die Läufer und so fort.
Das Budella dagegen war groß und prächtig. Es hatte einen glockenförmigen Körper und viele rote Blätter, zwischen denen an dehnbaren Stielen seine Augen, Ohren, Nasen, Schwerespürer und anderen Sinnesorgane saßen. Es bewegte sich mit unnachahmlicher Eleganz leicht und schwebend und entfaltete sich – wenn es sich wohl fühlte – zu einer fast zwei Meter breiten, dunkelroten Riesenblüte. Beim Schweben erzeugten die Schwerespürer einen zarten Gesang, und in ihn mischte sich das silberhelle Klingeln der metallenen Trageknospen.
Sogar Copasallior war von der Schönheit des Budella überwältigt gewesen. Darum hatte er es in die Barriere gebracht. Das Budella wusste allerdings auch, dass der Weltenmagier diese Tat inzwischen bereute, denn die seltsamen Fähigkeiten des Blütenwesens offenbarten sich erst später, und da hatte Pthor den Heimatplaneten des Budella längst verlassen, und Copasallior sah keine Möglichkeit, es zurückzubringen. Er konnte es aber auch nicht auf irgendeiner anderen Welt abladen, denn die Fähigkeiten des Budella bargen Gefahren.
Das Budella verfügte über etwas, das Copasallior in anderer Form bereits kannte –